Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.04.1991)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. April 1991 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt die Gewährung eines Zuschusses zu den Vorruhestandsleistungen für einen aus dem Betrieb ausgeschiedenen Arbeitnehmer.

Der 1927 geborene Franz G. (G) war bei der Klägerin zuletzt als Werkführer beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Vorruhestandsvereinbarung zum 31. Juli 1988.

Nachfolger des G als Werkführer wurde der Arbeitnehmer Daniel B. (B), der bei der Klägerin zunächst als Papiermaschinenführer beschäftigt gewesen war. Dieser hatte ab August 1986 eine Meisterschule besucht. Auf seinen bisherigen Arbeitsplatz wurde vertretungsweise am 1. September 1986 der bisher als Papiermaschinengehilfe eingesetzte Roger R. (R) umgesetzt. Als sich der erfolgreiche Abschluß des Meisterkurses durch B abzeichnete, schloß die Klägerin am 24. Juni 1987 mit dem Werkführer G die Vorruhestandsvereinbarung ab.

Unter dem 30. Juni 1987 wurde B schriftlich mitgeteilt, er werde nach erfolgreichem Abschluß des Meisterkurses ab 6. Juli 1987 als Reserve-Schicht-Werkführer eingearbeitet und ins Angestelltenverhältnis übernommen.

Unter demselben Datum legte die Klägerin für B einen entsprechenden „Ausbildungsplan” fest. Da B somit zur Einarbeitung am Arbeitsplatz des G freigestellt war, übernahm R auf Dauer den bisherigen Arbeitsplatz des B.

Auf den bisherigen Arbeitsplatz des R wurde der Auszubildende Jürgen F. (F), der diesen Arbeitsplatz schon während seiner Ausbildungszeit mitverwaltet hatte, nach Abschluß seiner Ausbildung am 5. Juli 1987 planmäßig übernommen. Für F wäre nach Angaben der Klägerin keine andere Planstelle in Betracht gekommen.

Am 17. August 1988 beantragte die Klägerin beim Arbeitsamt Aalen die Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen für G, wobei im Antrag angegeben war, B sei am 6. Juli 1987, R am 1. September 1986 und F am 5. Juli 1987 umgesetzt worden.

Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) lehnte den Antrag mit der Begründung ab, es liege keine lückenlose Umsetzungskette vor. Die Wiederbesetzung des frei gemachten bzw durch Umsetzung frei gewordenen Arbeitsplatzes müsse stets aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Vorruheständlers erfolgen, was hier schon deshalb zu verneinen sei, weil zwischen den Umsetzungen am 5. u. 6. Juli 1987 und dem Ausscheiden des G am 31. Juli 1988 eine Zeitspanne von mehr als 12 Monaten gelegen habe (Bescheid vom 4. Oktober 1988, Widerspruchsbescheid vom 17. November 1988).

Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, der Arbeitsplatz, den F am 5. Juli 1987 nach Abschluß seiner Ausbildung eingenommen habe, sei nicht infolge des Ausscheidens des G durch Umsetzung frei geworden. Er sei vielmehr deshalb besetzt worden, weil um diese Zeit sicher geworden sei, daß R, der ein knappes Jahr zuvor den Arbeitsplatz des im Meisterkurs befindlichen B eingenommen hatte, nicht mehr auf diesen Arbeitsplatz zurückversetzt werden sollte. Tatsächlich frei geworden sei der Arbeitsplatz bereits am 1. September 1986, als er den Arbeitsplatz des im Meisterkurs befindlichen B eingenommen hatte, und damit zu einem Zeitpunkt, als der Eintritt des G in den Vorruhestand noch nicht habe eingeleitet werden können. Erst das Bestehen des Meisterkurses durch B habe „grünes Licht” sowohl für den Abschluß der Vorruhestandsvereinbarung mit G als auch für das Nachrücken des F gegeben. Damit bestehe zwar ein behaupteter planerischer Zusammenhang zwischen der mit G abgeschlossenen Vorruhestandsvereinbarung und der Weiterbeschäftigung des F; der Tatbestand des § 2 Abs 1 Nr 5 Vorruhestandsgesetz (VRG) sei jedoch nicht erfüllt, weil infolge des Ausscheidens des G keine Umsetzung vorgenommen, sondern nur auf die Rückgängigmachung einer bereits früher erfolgten Umsetzung verzichtet worden sei. Diesem Ergebnis könne die Klägerin nicht die von ihr gewählte, auf „Planstellen” bezogene Betrachtungsweise entgegenhalten. Die arbeitsplatzbezogene Betrachtungsweise des VRG erlaube es nicht, unternehmerische Stellenplanung dem Begriff des „Arbeitsplatzes” entgegenzusetzen. Würde man den behaupteten Verzicht auf eine Rückversetzung einer Umsetzung gleichstellen, so wäre keine Abgrenzung mehr möglich zwischen einer durch das Ausscheiden eines Vorruheständlers in Gang gebrachten Kette tatsächlicher Umsetzungen und fiktiven planerischen Überlegungen, aufgrund derer letztlich irgend ein Arbeitsplatz im Unternehmen mit einem nach § 2 Abs 1 Nr 5 VRG privilegierten Bewerber besetzt werde.

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und – ohne einen förmlichen Antrag zu stellen – im Schlußsatz der Revisionsbegründung ausgeführt: „Das Urteil des Landessozialgerichts ist somit aufzuheben und die Beklagte, da weitere Sachverhaltsfeststellungen nicht erforderlich sind, antragsgemäß zu verurteilen.” Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 5b VRG. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG sei die gesetzliche Voraussetzung, nämlich eine kausale Verknüpfung zwischen dem Ausscheiden des Vorruheständlers und der Übernahme des Auszubildenden, erfüllt. Denn es stehe fest, daß ohne den Vorruhestand des G die jeweiligen Mitarbeiter wieder ihre ursprünglichen Arbeitsplätze eingenommen hätten. Damit wäre der vorübergehende Vertretungszustand beendet gewesen, und der Auszubildende F hätte nicht übernommen werden können. Ein Arbeitsplatz sei auch dann durch „Umsetzung” frei gemacht, wenn ein Arbeitnehmer nur vorübergehend eine andere Tätigkeit ausübe und ihm diese Tätigkeit infolge des vorruhestandsbedingten Ausscheidens (eines anderen Arbeitnehmers) auf Dauer zugewiesen werden könne mit der Folge, daß ein Auszubildender in ein Dauerarbeitsverhältnis übernommen werden könne. Für die Frage, ob dem Auszubildenden eine Weiterbeschäftigung hätte geboten werden können, sei entscheidend, ob die Arbeitsplätze zum Zeitpunkt der geplanten Übernahme des Auszubildenden besetzt waren. Um dies festzustellen, sei die Anzahl der Arbeitsplätze der Anzahl der zur Verfügung stehenden Mitarbeiter gegenüberzustellen. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß bei einer solchen Betrachtungsweise umfangreiche Ermittlungen erforderlich seien. Solche Ermittlungen seien die zwangsläufige Folge davon, daß die Beschäftigung des Auszubildenden nicht auf dem Arbeitsplatz des Vorruheständlers erfolgen müsse, sondern daß ein kausaler Zusammenhang zwischen der Beschäftigung des Auszubildenden und dem Ausscheiden des Vorruheständlers ausreiche.

In der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin nicht erschienen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

Sie macht geltend, die Revision sei unzulässig, weil die Revisionsbegründung keinen bestimmten Antrag enthalte (§ 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). In der Sache hält sie das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Senat ist zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Erfordernis des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG, wonach die Revisionsbegründung einen „bestimmten Antrag” enthalten muß, hier in noch ausreichender Weise Rechnung getragen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist das Erfordernis des „bestimmten Antrages” weit auszulegen, so daß es ausreicht, wenn eindeutig und abgrenzbar von den Rechtsausführungen der Umfang der Anfechtung bzw das Ziel der Revision zum Ausdruck gebracht worden sind (BSG SozR 1500 § 164 Nr 6). Es ist daher als ausreichend angesehen worden, wenn es in einer Revisionsbegründung hieß: „Zu Unrecht haben die Vorinstanzen die Klägerin mit ihrem Anspruchsbegehren abgewiesen” (BSG SozR 1500 § 164 Nr 8).

Im vorliegenden Fall lassen sich aus dem die Revisionsbegründung abschließenden Satz: „Das Urteil des LSG ist somit aufzuheben und die Beklagte … antragsgemäß zu verurteilen” in Verbindung mit dem übrigen Vorbringen in der Revisionsbegründung der Umfang der Anfechtung des Urteils sowie das Ziel der Revision eindeutig entnehmen. Denn die ausdrückliche und sodann im einzelnen ausgeführte Rüge der Klägerin, das LSG habe die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 5b VRG verkannt, kann nur so verstanden werden, daß die Klägerin das Urteil des LSG – das die Klageabweisung bestätigt hat – in vollem Umfang angreift. Das Revisionsziel wird zusätzlich dadurch deutlich, daß die Klägerin erklärtermaßen weiterhin eine „antragsgemäße” Verurteilung der Beklagten anstrebt, wobei auch der Begriff „antragsgemäß” – entgegen den von der Beklagten vorgetragenen Bedenken – einer eindeutigen Auslegung zugänglich ist. Denn aus dem Gesamtzusammenhang der Revisionsbegründung kann er nur so verstanden werden, daß die Klägerin eine Entscheidung im Sinne des vor dem LSG gestellten und in dem angefochtenen Urteil festgehaltenen Berufungsantrags anstrebt (vgl dazu BSG SozR 1500 § 164 Nr 8 am Ende).

Ungeachtet des Wortlauts des vor dem LSG gestellten Antrags – der auf eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hinweist – ist von einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage auszugehen (vgl dazu BSG Urteil vom 18. April 1991 – 7 RAr 142/90 –). Nach § 123 SGG ist das Gericht nicht an die Fassung der Anträge gebunden; maßgeblich ist vielmehr der erhobene Anspruch, also das eigentliche Klagebegehren. Unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerin kann kein Zweifel daran bestehen, daß sie die Gewährung des Zuschusses zu den Vorruhestandsleistungen begehrt, mag auch die BA nach dem Inhalt der angefochtenen Bescheide im Verwaltungsverfahren zwischen einem Anerkennungs- und einem Leistungsverfahren unterscheiden, was im VRG keine Stütze findet (vgl BSG aaO). Im übrigen enthielt auch die Klageschrift vom 12. Dezember 1988, auf die das LSG ergänzend Bezug genommen hat, ausdrücklich den Antrag, die BA zur Zahlung eines Vorruhestandszuschusses an die Klägerin zu verurteilen. Anhaltspunkte dafür, daß sie durch die hiervon abweichende Fassung der später gestellten Anträge ihre Klage teilweise zurücknehmen oder den Streitgegenstand ändern wollte, sind nicht ersichtlich.

Zutreffend hat das LSG einen Berufungsausschluß nach § 144 Abs 1 SGG verneint. Die Zuschüsse, die die BA zu zahlen hat, werden wie die Vorruhestandsgelder, die die Arbeitgeber ihren ausgeschiedenen Arbeitnehmern erbringen, nicht einmalig, sondern wiederkehrend gewährt (vgl dazu das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des 7. Senats des BSG vom 31. Oktober 1991 – 7 RAr 84/90 –). Da die Klägerin mit der Berufung wie mit der Klage die Gewährung des Zuschusses für die Zeit ab 1. August 1988 bis voraussichtlich zur Vollendung des 63. Lebensjahrs des 1927 geborenen früheren Arbeitnehmers G geltend macht, betraf die Berufung nicht nur wiederkehrende Leistungen bis zu 3 Monaten (§ 144 Abs 1 Nr 2 SGG).

In der Sache ist die Revision der Klägerin nicht begründet.

Der Anspruch auf einen Zuschuß zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen setzt nach § 2 Abs 1 Nr 5b VRG voraus, daß der Arbeitgeber aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Jugendlichen oder sonstigen Arbeitnehmer, für den nach Abschluß der Ausbildung kein Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem freigemachten oder einem infolge des Ausscheidens durch Umsetzung frei gewordenen Arbeitsplatz beschäftigt.

Durch die dabei verwendeten Worte „aus Anlaß” hat der Gesetzgeber seine arbeitsmarktpolitische Zielsetzung deutlich gemacht. Danach setzt der Zuschußanspruch eine Beziehung zwischen dem Eintritt in den Vorruhestand und der Neueinstellung voraus. Diese Beziehung kann nicht als Kausalität iS der wesentlichen Bedingung verstanden werden, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Mai 1990 (SozR 3-7825 § 2 Nr 2) entschieden hat. Dies wird gerade an dem vorliegenden Sachverhalt deutlich. Denn die Einstellung des Arbeitnehmers F, die nach Auffassung der Klägerin „kausal” mit dem Vorruhestand des G verknüpft war, ging dessen Eintritt in den Vorruhestand zeitlich voraus, kann also durch diesen nicht einmal im naturwissenschaftlichen Sinne der Gleichwertigkeit aller Bedingungen verursacht worden sein. Für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen reicht daher entgegen der Auffassung der Klägerin weder die Feststellung aus, daß ohne den Vorruhestandsfall kein anderer Arbeitnehmer eingestellt worden wäre, noch genügt die abstrakte Möglichkeit, wegen des Eintritts in den Vorruhestand eine Neueinstellung vorzunehmen (BSG aaO). Die arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers und die sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende zentrale Bedeutung der Ausrichtung des Vorruhestandes auf eine Wiederbesetzung durch Einstellung von Arbeitslosen verlangen vielmehr eine Beziehung zwischen dem Eintritt in den Vorruhestand und der Neueinstellung iS der Finalität (Mittel-Zweck-Relation). Der Eintritt in den Vorruhestand muß nach den konkreten Umständen des Einzelfalls objektiv – nicht nur nach den Absichten der Beteiligten – auf die Neueinstellung eines Arbeitslosen ausgerichtet sein (BSG aaO). Dieser finalen Betrachtungsweise des Senats hat sich der 7. Senat des BSG angeschlossen (Urteil vom 9. August 1990 – SozR 3-7825 § 2 Nr 1 –).

Für den Fall, daß – wie hier – der neueingestellte Arbeitnehmer (F) nicht unmittelbar auf dem Arbeitsplatz des in den Vorruhestand eingetretenen Arbeitnehmers (G) beschäftigt wird, fordert das Gesetz darüber hinaus zwischen dem Eintritt in den Vorruhestand und der Neueinstellung eine Beziehung auch insoweit, als gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 VRG der neueingestellte Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz beschäftigt werden muß, der „infolge des Ausscheidens” durch Umsetzung frei geworden ist.

Angesichts der Zielsetzung des VRG, den Eintritt in den Vorruhestand nur als Mittel zur Neueinstellung zu fördern, muß auch die Umsetzung, die zur Neueinstellung eines Arbeitnehmers führt, im Sinne einer Mittel-Zweck-Relation objektiv darauf ausgerichtet sein, durch den Eintritt eines Arbeitnehmers in den Vorruhestand die Neueinstellung eines anderen zu ermöglichen.

Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Vorinstanzen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch im Ergebnis zu Recht mangels der in § 2 Abs 1 Nr 5 VRG genannten Voraussetzungen verneint. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die erforderliche Beziehung zwischen dem Eintritt in den Vorruhestand und der Neueinstellung entsprechend der Ansicht der BA (DA 2.15.30.1 Runderlasse 18/85 und 79/87) schon deshalb zu verneinen ist, weil zwischen dem Eintritt des G in den Vorruhestand (31. Juli 1988) und der Übernahme des F als Papiermaschinengehilfe (5. Juli 1987) ein Zeitraum von mehr als 12 Monaten lag. Der Senat hat zwar in seiner Entscheidung vom 29. Mai 1990 (aaO) die gebotene Verknüpfung zwischen Vorruhestandsfall und Wiederbesetzung des frei gemachten (bzw durch Umsetzung frei gewordenen) Arbeitsplatzes nicht an eine starre Zeitgrenze gebunden, sondern auch insoweit die Umstände des Einzelfalles für maßgebend erachtet. Dies schließt es jedoch nicht aus, hinsichtlich der Dauer eine Faustregel aufzustellen, wobei der Senat auf die im Rentenversicherungsrecht für die Gewährung einer Zeitrente vorgesehene Zeitgrenze von 26 Wochen zurückgegriffen hat (aaO).

Nicht nur der zeitliche Abstand zwischen dem Ausscheiden des G und der Einstellung des F, sondern auch die Gesamtumstände des vorliegenden Falles ergeben, daß der Arbeitsplatz, auf dem F letztlich beschäftigt wurde, nicht durch eine Umsetzung frei geworden war, die – wie dies § 2 Abs 1 Nr 5b VRG voraussetzt – „infolge” des Ausscheidens des G vorgenommen wurde. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG war R, der den später von F eingenommenen Arbeitsplatz als Papiermaschinengehilfe zunächst innehatte, bereits seit dem 1. September 1986 – und damit lange vor Abschluß der Vorruhestandsvereinbarung mit G – nicht mehr auf diesem Arbeitsplatz beschäftigt, sondern hatte ab dem genannten Zeitpunkt den Arbeitsplatz des B als Papiermaschinenführer. Auch wenn R – wie die Klägerin betont – zunächst nur den die Meisterschule besuchenden B vertreten sollte, ist doch die innerbetriebliche Disposition, die die Klägerin zum 1. September 1986 getroffen hat, als eine Umsetzung iS von § 2 Abs 1 Nr 5 VRG anzusehen. Die Begriffe Umsetzung und Versetzung, die häufig synonym verwendet werden, sind im arbeitsvertraglichen Bereich nicht gesetzlich definiert. Unter Umsetzung wird – im Gegensatz zu Versetzung nach herrschender Meinung lediglich ein Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb des Betriebes verstanden (vgl Stege, Der Betrieb 1975, 1506, 1508). Im Gegensatz zum Individualrecht ist der kollektivrechtliche Begriff der Versetzung in § 95 Abs 3 Betriebsverfassungsgesetz 1972 (BetrVG) gesetzlich definiert. Danach ist unter einer „Versetzung”, die nach dem Willen des Gesetzgebers auch innerbetriebliche Umsetzungsmaßnahmen umfaßt (vgl Kraft, GK-BetrVG § 99 Anm 45), „die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs” zu verstehen, „die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist”. § 95 Abs 3 BetrVG sieht also bei der Versetzung bzw Umsetzung als kurzzeitig lediglich einen Zeitraum von bis zu einem Monat an. Es kann hier dahingestellt bleiben, inwieweit diese Zeitgrenze auf den individualrechtlichen Bereich übertragbar ist, oder ob für diesen Bereich ein längerer Zeitraum zugrunde zu legen ist (vgl Stege, aaO, der einen Zeitraum von drei Monaten noch als keine wesentliche Vertragsänderung ansieht). Denn auch wenn R am 1. September 1986 die Tätigkeit als Papiermaschinenführer aus damaliger Sicht zunächst nur vertretungsweise zugewiesen worden ist, hat es sich dabei nicht um eine vorübergehende Vertretungsmaßnahme, sondern um eine auf längere Zeit ausgerichtete Umsetzung gehandelt. Der Besuch der Meisterschule durch B dauerte nämlich knapp ein Jahr (August 1986 bis Anfang Juli 1987). Deshalb ist davon auszugehen ist, daß R die Tätigkeit als Papiermaschinenführer am 1. September 1986 für mehrere Monate zugewiesen worden war. Ist danach die von der Klägerin am 1. September 1986 getroffene personelle Maßnahme begrifflich als „Umsetzung” zu behandeln, so ergibt sich zugleich, daß diese Umsetzung, durch die der später von F eingenommene Arbeitsplatz als Papiermaschinengehilfe frei geworden ist, nicht „infolge des Ausscheidens” des G erfolgte. Denn die Vorruhestandsvereinbarung mit diesem ist erst wesentlich später – am 24. Juni 1987 – getroffen worden. Damit fehlt es an der finalen Verknüpfung jedenfalls insoweit.

Aus dem vom LSG festgestellten Sachverhalt läßt sich darüber hinaus folgern, daß bei der Klägerin schon ab 1. September 1986 ein Bedarf entstanden war, die bis dahin von R als Papiermaschinengehilfe verrichteten Tätigkeiten durch eine andere Arbeitskraft verrichten zu lassen. Auch dieser Bedarf stand in keiner Beziehung mit dem erst später vereinbarten Eintritt des G in den Vorruhestand, sondern hatte seine Ursache darin, daß B wegen des Besuchs der Meisterschule seine Arbeitskraft der Klägerin für längere Zeit tatsächlich nicht zur Verfügung stellen konnte. Gegenüber dem

„Normalzustand” fehlte also seit dem Weggang des B zur Meisterschule in der Schicht eine Arbeitskraft. Den daraus resultierenden Arbeitskräftebedarf hat die Klägerin offensichtlich dadurch gedeckt, daß sie F auch bereits vor dem 5. Juli 1987 – jedenfalls faktisch – anstelle des am 1. September 1986 umgesetzten R als Papiermaschinengehilfe beschäftigte; dies läßt sich der Feststellung des LSG entnehmen, F habe schon während seiner Ausbildungszeit den Arbeitsplatz des R mitverwaltet, auf den er nach Abschluß seiner Ausbildung am 5. Juli 1987 endgültig übernommen wurde.

Daß der – bezogen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer R und F -bereits seit dem 1. September 1986 bestehende Zustand nach Bestehen der Meisterprüfung durch B nicht rückgängig gemacht, sondern beibehalten wurde, kann nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls einer Umsetzung iS von § 2 Abs 1 Nr 5 VRG nicht gleichgestellt werden. Zwar mag dies mit der am 24. Juni 1987 abgeschlossenen Vorruhestandsvereinbarung in einem gewissen Bezug gestanden haben, wovon ersichtlich auch das LSG ausgegangen ist, wenn es insoweit von einem behaupteten planerischen Zusammenhang spricht. Daß sich aber dieser Bezug im Sinne der gebotenen finalen Betrachtungsweise als das zu fordernde Mittel-Zweck-Verhältnis darstellte, kann auf der Grundlage der getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht angenommen werden. Insoweit muß auch die Feststellung des LSG berücksichtigt werden, daß erst der absehbare erfolgreiche Abschluß der Meisterschule durch B für die Klägerin den Anstoß für die Vorruhestandsvereinbarung mit G gab. Es liegt nach der Lebenserfahrung zwar nahe, daß allgemeine planerische Erwägungen eine Rolle gespielt haben mögen, etwa der Wunsch, die Position des Werkführers angesichts der durch die erfolgreiche Meisterprüfung des B eröffneten Möglichkeit mit einem jüngeren Arbeitnehmer zu besetzen. Bei Würdigung der vom LSG festgestellten Tatsachen läßt dies jedoch nicht die Bewertung zu, der Abschluß der Vorruhestandsvereinbarung sei darauf ausgerichtet gewesen, für einen Arbeitnehmer aus dem in § 2 Abs 1 Nr 5 VRG genannten Personenkreis bzw konkret für F einen Arbeitsplatz frei zu machen. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Wertung, es hätten sich hier aufgrund der 1987 eingetretenen Entwicklung die bereits 1986 getroffenen personellen Maßnahmen schließlich harmonisch in einen Gesamtplan eingefügt, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden. Die erforderliche finale Verknüpfung ist damit jedoch nicht erfüllt.

Die Revision der Klägerin war demnach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172824

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