Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Provisionen bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitnehmer Anspruch auf Konkursausfallgeld wegen nicht erfüllter Verkaufsprovisionsansprüche hat.

 

Leitsatz (redaktionell)

Provisionen sind, soweit sie Arbeitsentgelt und damit Masseschulden iS des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO darstellen, bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes zu berücksichtigen, wenn nach den arbeitsvertraglichen Regelungen der Anspruch hierauf in dem Zeitraum, für den Konkursausfallgeld beansprucht werden kann, entsteht.

 

Normenkette

AFG §§ 141a, 141b; HGB § 84 Abs. 2, § 87a Abs. 1 S. 3; KO § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 03.04.1981; Aktenzeichen L 11/Al 64/80)

SG Würzburg (Entscheidung vom 23.01.1980; Aktenzeichen S 7 Al 213/78)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Konkursausfallgeld (Kaug) für einen Provisionsanspruch in Höhe von 6.307,95 DM zusteht.

Der Kläger war als Verkaufsleiter bei der Fa. RKG in Kitzingen, einem Unternehmen für Laboratoriumseinrichtungen tätig. Der Kläger bezog ein Gehaltsfixum von zuletzt 2. 339,-- DM monatlich. Ferner standen ihm eine Verkaufsleiterprovision in Höhe von 0,2 % des Gesamtumsatzes und eine Auftragsprovision in Höhe von 1 % der von ihm eingebrachten Auftragssumme zu. Davon wurden ihm 1.300,-- DM monatlich als garantierter Provisionsanspruch im voraus gezahlt. Es war vereinbart, daß die Auftragsprovision erst bei Erstellung der Rechnung für den Auftraggeber fällig sein sollte. Die letzten Zahlungen des Unternehmens erhielt der Kläger im April 1977. Am 16. Juni 1977 lehnte das Amtsgericht die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse ab.

Die Beklagte gewährte dem Kläger Kaug in Höhe von 8.573,39 DM. Sie berücksichtigte dabei neben dem Gehaltsfixum und anderen festen Gehaltsbestandteilen einen auf die Zeit vom 16. März bis zum 15. Juni 1977 entfallenden, von dem Unternehmer nachträglich abgerechneten Provisionsanspruch aus dem Gesamtumsatz in Höhe von 5.814,32 DM brutto. Die Anrechnung der Auftragsprovision (vom Unternehmer mit 10.182,95 DM brutto - entspricht netto 6.307,95 DM - angegeben) lehnte sie jedoch ab, weil eine Beteiligung an Vertragsabschlüssen vor dem 16. März 1977 keinen Anspruch auf Kaug begründen könne. In dem gezahlten Kaug war ferner ein Anteil des Provisionsfixums in Höhe von 3.250,-- DM enthalten.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das der Klage stattgebende Urteil des Sozialgerichts (SG) aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es komme nicht darauf an, wann der Anspruch fällig geworden, sondern wann er erarbeitet worden sei. Während in der Provisionsabrechnung vom 15. Juli 1977 im Kaug-Zeitraum für den Kläger Aufträge in Höhe von 2.173.530,24 DM aufgeführt seien, habe der Kläger, wie sich aus dem Schreiben des Geschäftsführers der Fa.RKG vom 18. April 1978 an die Beklagte ergebe, lediglich Aufträge in Höhe von etwa 250.000,-- DM eingebracht. Eine Reihe von Kundenrechnungen, die der Kläger vorgelegt habe, ließe Bestellungen erkennen, die der Kläger mit Sicherheit schon vor Beginn des Kaug-Zeitraums abschließend bearbeitet habe. Lege man die Angaben der Fa. RKG zugrunde, so habe der Kläger im Kaug- Zeitraum Aufträge für ca. 250.000,-- DM eingebracht, jedoch gleichzeitig ein anzurechnendes Provisionsfixum in Höhe von 3.250,-- DM erhalten, das einem Auftragsvolumen von 325.000,-- DM entspreche. Ein dem Kaug-Zeitraum zurechenbarer, wenn auch in seiner tatsächlichen Höhe nicht mehr exakt feststellbarer Betrag sei mithin durch die dem Kläger gewährten 3.250,-- DM großzügig abgegolten.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 103 und 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie - materiellrechtlich - der §§ 141b und 141d des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Aus den Vorschriften des AFG könne nicht entnommen werden, daß Kaug nur unter der Voraussetzung gewährt werde, daß die Ansprüche auf Arbeitsentgelt auch im maßgeblichen Zeitraum erarbeitet worden seien. Der Begriff der Erarbeitung sei hinsichtlich der Provisionen nicht sachgerecht. Es müsse vielmehr darauf abgestellt werden, wann und für welchen Zeitabschnitt der Anspruch auf Arbeitsentgelt fällig geworden sei. Ferner ließen die dem LSG vorgelegten Rechnungen keinen Rückschluß auf die vor der Rechnungsstellung erforderlichen und durchgeführten Aufmaße zu. Das Gericht habe es unterlassen, den Kläger gem § 106 SGG darauf hinzuweisen, daß die Angaben tatsächlicher Art ergänzt und weitere Beweise angeboten werden müßten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. April 1981 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23. Januar 1980 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Ob dem Kläger Kaug für die Zeit vom 16. März bis zum 15. Juni 1977 aus unerfüllten Provisionsansprüchen zusteht, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG noch nicht abschließend entschieden werden.

Gemäß § 141b Abs 1 AFG hat Anspruch auf Kaug ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die unabhängig von der Zeit, für die sie geschuldet werden, Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a der Konkursordnung sein können (Abs 2).

Der Kläger war Arbeitnehmer. Nach den Feststellungen des LSG war das Unternehmen RKG sein Arbeitgeber; ihm schuldete er die einheitliche Tätigkeit als Verkaufsleiter, für die er ua ein Gehaltsfixum bezog. Die Ansicht der Beklagten, der Kläger sei selbständiger Handelsvertreter im Nebenberuf gewesen, und die ihm zustehende Provision sei für diese Tätigkeit gezahlt worden, findet in dem vom LSG festgestellten Sachverhalt keine Stütze. Die dem Kläger zugewiesene Aufgabe als "Verkaufsleiter" bestand einheitlich darin, für das Unternehmen Aufträge hereinzubringen und zu bearbeiten. Aus der Trennung von Gehalt und Provision in der Vereinbarung vom 25. Juli 1975 ergibt sich nicht, daß der Kläger auch tatsächlich in zwei unterschiedlichen Arbeitsbereichen tätig gewesen war. Er war vielmehr bei allen ihm obliegenden Aufgaben abhängig beschäftigt.

Ist der Kläger unselbständiger Arbeitnehmer iS von § 141b Abs 1 AFG, § 84 Abs 2 des Handelsgesetzbuches (HGB), wonach derjenige, der, ohne selbständiger Gewerbetreibender zu sein, ständig damit beauftragt ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, als Angestellter gilt, dann ist auch der mit dieser Tätigkeit verbundene Provisionsanspruch Arbeitsentgelt iS von § 141b Abs 2 AFG. Diese Bestimmung bezieht den Begriff des Arbeitsentgelts auf § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a der Konkursordnung (KO). Danach ist unter Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis alles zu verstehen, was als Gegenwert für die Arbeitsleistung anzusehen ist (Böhle-Stamschräder/Kilger, Konkursordnung § 59 Anm D a 13. Aufl 1981 S 237; vgl auch BSG SozR 4100 § 141b Nr 5 S 15; Gagel, Kaug, § 141b RdNr 10 1. Aufl 1981 S 34).

Daß auch Provisionen zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehören, ist allgemeine Meinung (BSGE 21, 48; 51, 164; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung 310l, 311 S 365f zu § 160 RVO; Zweng/Scherer, Handbuch der Rentenversicherung § 1385 RVO Anm III A 2, S 14g zu § 1385 RVO; Hauck/Haines, SGB IV, 1, K § 14 RdNr 5, 2. Lfg 1979 S 7; Jahn, SGB IV § 14 Anm 2.1 RdNr 3, S 3; Grüner, SGB IV.1/3, § 14 Anm 1 -S 10-; Krause/Maydell, SGB IV § 14 RdNr 31, 1978 S 263 zu § 14 SGB IV). Auch im Handelsrecht werden die vom Handlungsgehilfen infolge einer Provisionszusage verdienten Provisionen als Teil seiner Vergütung zum Arbeitsentgelt gerechnet (Heymann/Kötter, HGB § 65 Anm 4, 4. Aufl 1971 S 162). Dem entspricht es, daß im Konkursrecht der nicht erfüllte Provisionsanspruch des mit Handelsvertreter-Aufgaben betrauten Angestellten als Masse- bzw als bevorrechtigte Konkursforderung gem § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a, § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst a KO qualifiziert wird (Jäger, Konkursordnung, § 61 Anm 14a, 8. Aufl 1958 S 848; Böhle-Stamschräder/Kilger aaO; Mentzel/ Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung § 17 RdNr 35, 9. Aufl 1979 S 214). Provisionen sind demnach prinzipiell kaug-fähig, für eine andere Ansicht findet sich in Rechtsprechung und Literatur keinerlei Anhalt (für das AFG vgl Schmitz/Specke ua, AFG, § 141b Anm 2.4.2. 2. Aufl S 141b-11; Schönefelder/Kranz/ Wanka, AFG, § 141b RdNr 23, 3. Lfg 1975 S 293; GK-AFG, RdNr 36 zu § 141b, 44. Lfg 1981 S 14; Krebs, AFG, § 141b RdNr 6, 23. Lfg 1981 S K 4 Gagel, § 141b Anm 9).

Auch die Entscheidung des 8b Senats vom 18. Dezember 1980 (SozR 4100 § 141b AFG Nr 17) besagt nichts Gegenteiliges. Mit der Bemerkung, die Ansprüche auf Provision seien überhaupt nur dann durch das Kaug-Recht versichert, wenn nachgewiesen sei, daß sie als Arbeitsentgelt geschuldet würden (S 70f), hat sie der Senat vielmehr fest im Kaug-Recht verankert.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits in seiner Entscheidung vom 1. Dezember 1976 darauf hingewiesen, daß nach dem Regierungsentwurf zum Gesetz über Kaug (BT-Drucks 7/1750) diese Leistung die Ansprüche auf Arbeitsentgelt sichern solle, die in den letzten drei Monaten vor Eröffnung des Konkursverfahrens entstanden, dh erarbeitet worden seien. Der Gesetzgeber habe sich dabei im Rahmen der Auslegung des § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst a KO gehalten, wonach der Lohn "für" eine Frist rückständig sei, wenn innerhalb der Frist die zu entlohnenden Dienste geleistet worden seien. Für rückständigen Lohn komme es also auf den Zeitpunkt an, in dem die Arbeit als Gegenleistung für den Entgeltanspruch erbracht worden sei (BSGE 43, 49, 50).

Ansprüche aus Provisionsvereinbarungen unterscheiden sich von sonstigen Ansprüchen auf Arbeitsentgelt jedoch in der Regel in mehrfacher Hinsicht: Einmal hängt es von einem bestimmten Erfolg der Tätigkeit ab, ob der Anspruch überhaupt entsteht. Ferner steht der Umfang der Tätigkeit in keinem festen Verhältnis zum Erfolg. Hoher Arbeitsaufwand ohne Erfolg ist in gleicher Weise möglich wie hohe Ansprüche bei minimalem Einsatz. Schließlich kann der einzelne Provisionsanspruch Größenordnungen erreichen, die das durchschnittliche Monatseinkommen eines sonstigen Arbeitnehmers um ein Vielfaches übersteigt.

Die wesentliche Besonderheit von Provisionsansprüchen besteht in ihrer Erfolgsabhängigkeit. Eingebettet in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis stellt dieser Erfolg die von dem Arbeitnehmer dem Arbeitgeber geschuldete Gegenleistung für den Entgeltanspruch dar. Soweit im Einzelfall nichts anderes vereinbart ist, hat der Arbeitnehmer die ihm aus der Provisionsabrede entstandene arbeitsvertragliche Pflicht zu dem Zeitpunkt erfüllt, in dem der Abschluß des Geschäfts erfolgt, "der Auftrag hereingebracht" ist. Kommt es nach dem Arbeitsvertrag nicht darauf an, ob der Erfolg durch eine Arbeitsleistung herbeigeführt wurde, dann spielt insofern der Gesichtspunkt des "Erarbeitens" für die Frage der Zuordnung des Provisionsanspruchs zu dem Kaug-Zeitraum keine Rolle. Entscheidend ist allein, daß der Anspruch selbst im Kaug-Zeitraum entsteht, wenn auch zunächst nur unter der aufschiebenden Bedingung der späteren Ausführung des Geschäfts bzw der betreffenden Sondervereinbarung (§ 87 Abs 1, § 87a Abs 1 iVm § 65 HGB; zur aufschiebenden Bedingung vgl Schröder aaO; Heymann/Kötter HGB § 87a Anm 2, 1971 S 220ff; Bandasch, Gemeinschaftskommentar zum HGB, § 87 RdNr 6 3. Aufl 1980 S 406; Brüggemann/Würdinger HGB § 87 Einl A 3, 3. Aufl 1967 S 784). Doch hat das BSG bereits entschieden, daß auch aufschiebend bedingte Ansprüche als "Rückstände" nach § 141b Abs 2 AFG iVm § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO und damit als kaug-fähig anzusehen sind (BSG SozR 4100 § 141b AFG Nr 5 und 8, S 26).

Mit dem Abstellen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bleibt die Vergleichbarkeit mit den erfolgsunabhängigen Arbeitsentgeltansprüchen gewahrt. Denn der - vielfach unbestimmte - Zeitraum des Erarbeitens konzentriert sich im Zeitpunkt des Erfolgs. Er entzieht sich auch der Manipulation, da es das sachbedingte Interesse des Vermittlers ist, einen möglichst raschen Vertragsabschluß zu erreichen.

Allerdings muß dieser bedingte Anspruch noch zu einem unbedingten erstarken (BSG SozR 4100 § 141b Nr 17), was in der Regel davon abhängt, daß der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat (§ 87a Abs 1 HGB), im Einzelfall aber davon, welche konkreten Vereinbarungen darüber getroffen wurden. Der Eintritt der Bedingung kann auch noch nach Eröffnung des Konkursverfahrens (bzw nach Eintritt der in § 141b Abs 3 AFG genannten Tatbestände) erfolgen, um den Kaug-Anspruch wirksam werden zu lassen (BSG aaO Nr 5 S 17; Nr 8 S 26f; vgl auch Nr 10 S 39 und Nr 12 S 52). Nur - aber immerhin auch - dann, wenn gerade wegen des Konkurses die Ausführung des Geschäftes unterbleibt, oder die einzelvertragliche Bedingung nicht erfüllt wird, bleibt die in der Kaug-Zeit durch Abschluß des Geschäftes entstandene Anwartschaft auf die Provision kaug-fähig. Dies ergibt sich aus dem Sinn des Kaug, gerade den konkursbedingten Arbeitsentgeltausfall abzusichern. Nicht betroffen davon sind solche Fälle, in denen die Ausführung des Geschäfts oder - falls vereinbart - der Zahlungseingang aus anderen Gründen unterbleibt, was im konkreten Fall durch die Verwaltungsbehörde oder das Tatsachengericht festzustellen ist.

Nach dem Gesetz entsteht der Provisionsanspruch als unbedingter spätestens mit der Ausführung des Geschäfts durch den Dritten, das ist in der Regel die Bezahlung (§ 87a Abs 1 Satz 3 HGB), so daß eine Vorverlegung des Zeitpunktes, etwa auf den der Erstellung der Rechnung durch den Unternehmer, prinzipiell zulässig ist. Da es aber für die Zuordnung des Anspruchs auf rückständiges Arbeitsentgelt in die Kaug-Zeit nur auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Leistung erbracht hat, sind dafür alle weiteren Abreden darüber, wann der Anspruch als unbedingter erworben werden soll, ohne Bedeutung. Zu Recht hat daher das LSG alle diejenigen Aufträge zur Feststellung des Kaug-Anspruchs unberücksichtigt gelassen, deren Bezug zum Kaug- Zeitraum allein durch das Rechnungsdatum hergestellt wird.

Im Hinblick auf die Zuordnung zum maßgebenden Kaug-Zeitraum kann sich jedoch eine besondere Problematik in den Fällen ergeben, in denen der Arbeitnehmer über das "Hereinbringen des Auftrags" hinaus diesen auch noch weiter zu bearbeiten hatte, oder wenn der Provisionsanspruch von vornherein an die Bearbeitung von Aufträgen geknüpft war, an deren Abschluß der betreffende Arbeitnehmer nicht notwendig selbst beteiligt gewesen sein muß. Hier kommt es auf die konkrete Ausgestaltung der arbeitsvertraglichen Regelung und insbesondere darauf an, wann der Arbeitnehmer alles zur Erlangung einer gesicherten Provisionsanwartschaft Erforderliche getan hat. Dies muß in Fällen, in denen der Arbeitnehmer auch zur Bearbeitung der Aufträge verpflichtet ist, nicht notwendig erst der Zeitpunkt des vollständigen Abschlusses der Arbeit sein. In Betracht kommt, daß der - bedingte - Provisionsanspruch allein vom Abschluß des Geschäfts abhängen sollte, und die weitere Bearbeitungspflicht sich lediglich aus den allgemeinen Aufgaben des Arbeitnehmers ergibt, deren Verletzung innerbetriebliche Sanktionen, uU auch Gehalts- oder Provisionskürzung zur Folge haben kann, die aber die Entstehung des Anspruchs selbst unberührt läßt. Die Bearbeitungspflicht könnte dann nicht zur Folge haben, daß ein vor dem Kaug-Zeitraum entstandener Provisionsanspruch in die Kaug-Zeit "hinein gezogen" würde, und damit den Anspruch auf Kaug begründete.

Ist dagegen die Auftragsbearbeitung unabhängig vom Abschluß oder neben diesem notwendige Voraussetzung für die Entstehung des Provisionsanspruches, dann bleibt es bei der allgemeinen Regel, nach der es darauf ankommt, daß diese Voraussetzung im Kaug- Zeitraum erfüllt wird. Davorliegende Bearbeitungszeiten könnten aber dann nicht zu einer anteilmäßigen Kürzung des Kaug-Anspruchs führen, sofern maßgebend für die Entstehung des Provisionsanspruchs nicht das bloße Bearbeiten als solches, sondern allein das vollständige und abschließende ist, was auch hier der konkreten arbeitsvertraglichen Regelung entnommen werden muß.

Die Regel, daß Provisionsansprüche dann einen Anspruch auch auf Kaug begründen, wenn der letzte Akt der geschuldeten Leistung, der die Entstehung wenigstens eines bedingten Anspruchs zur Folge hat, noch in die Kaug-Zeit fällt, führt dazu, daß ein am 1. Tag der Kaug-Zeit abgeschlossenes Geschäft voll zu berücksichtigen ist, während ein Abschluß am Tage nach Konkurseröffnung dem Anspruch entgegensteht. Auf diese Weise dürften sich jedoch insgesamt sowohl bei dem einzelnen Berechtigten als auch bezogen auf die Gesamtzahl der Fälle ein ausgewogenes Ergebnis einstellen.

Für die Höhe des mit dem Kaug zu ersetzenden Arbeitsentgelts sieht das Kaug-Recht selbst keine Begrenzung vor. Ob sich in bezug auf Provisionsansprüche, die im Einzelfall Beträge erreichen können, die das übliche Arbeitsentgelt um ein Vielfaches übersteigen, aus dem Zweck der Kaug-Versicherung etwas anderes ergibt, braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Höhe des vom Kläger insgesamt beanspruchten Kaug mit ca. 12. 000,-- DM für derartige Erwägungen keinen Anlaß bietet.

In welchem Umfang dem Kläger Kaug für die von ihm beanspruchte Auftragsprovision zusteht, kann der Senat aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend entscheiden. Das Urteil nimmt zwar auf die vom Kläger vorgelegten Gehalts- und Provisionsabrechnungen für Januar bis Juli 1977 und auf einen Band Auftragsrechnungen Bezug. Der Inhalt dieser Rechnungen wird jedoch nur beispielhaft für diejenigen vom 1. April, 26. Mai und 5. Juli 1977 festgestellt. Welche weiteren Aufträge darüber hinaus in Betracht kommen, läßt sich dem Urteil nicht entnehmen. Auch ist nicht festgestellt, welche Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seinem früheren Arbeitgeber bezüglich der Entstehung der Provisionsanwartschaft getroffen wurden. Im Arbeitsvertrag vom 17. August 1959, auf den sich das Urteil ua bezieht, ist unter Nr 2 davon die Rede, daß der Kläger "aus allen von ihm hereingebrachten oder zur ausführlichen Bearbeitung übergebenen Aufträgen" eine Umsatzprovision erhält. Zwar sollte die Vereinbarung vom 27. Juli 1975 alle vorangegangenen ablösen. Doch schließt das nicht aus, daß sich insoweit am Aufgabenbereich des Klägers nichts geändert hat. Das LSG wird also noch zu ermitteln haben, ob der Kläger auch noch im Jahre 1977 Provisionen auch für solche Aufträge beanspruchen konnte, die er - ohne sie "hereingebracht" zu haben, lediglich ausführlich zu bearbeiten hatte, und ob eine derartige eine Provisionsanwartschaft begründende Bearbeitung auch noch in der Kaug-Zeit erfolgte. Darüber hinaus wird es erforderlich sein, sämtliche noch erreichbaren Unterlagen und andere Beweismittel heranzuziehen, aus denen sich Aufschlüsse über die im Kaug-Zeitraum entstandenen Provisionsanwartschaften gemäß den oben dargestellten Grundsätzen gewinnen ließen.

Nach den bindenden Feststellungen des LSG erhielt der Kläger in der Kaug-Zeit ein Provisionsfixum von insgesamt 3.250,-- DM. Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages hatte er jedoch monatlich 1.300,-- DM, das sind für drei Monate 3. 900,-- DM zu beanspruchen. Ihm stehen deshalb noch wenigstens 650,-- DM an Kaug zu. Ein darüber hinausgehender Betrag könnte dem Kläger nur dann zugesprochen werden, wenn der den Provisionsanwartschaften - unter der Voraussetzung ihrer Erstarkung zu unbedingten Ansprüchen, es sei denn, dies sei lediglich infolge des Konkurses nicht erfolgt - zugrundeliegende Auftragsbestand, soweit er dem Kaug-Zeitraum zuzuordnen ist, die Höhe von 390.000,-- DM übersteigt. Denn das vom Kaug erfaßte Provisionsfixum muß auf den Gesamtprovisionsanspruch voll angerechnet werden.

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1658570

BSGE, 62

ZIP 1983, 965

Breith. 1983, 918

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge