Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 14.06.1988)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Juni 1988 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Höhe eines Erstattungsanspruchs aus § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG), insbesondere die anteilige Erstattung eines 13. Monatsgehaltes.

Die beim Kläger beschäftigte Arzthelferin B. durfte während ihrer Schwangerschaft in der Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1986 aufgrund eines Beschäftigungsverbotes nur noch zu 50 % beschäftigt werden. Der Kläger zahlte ihr während dieser Monate jeweils das volle Monatsgehalt (2.221,– DM), außerdem im Dezember 1986 ein 13. Monatsgehalt in Höhe von 2.169,– DM. Die Beklagte erkannte im Lohnausgleichsverfahren einen anteiligen Erstattungsanspruch des Klägers an, dem sie die monatlich gezahlten Gehälter, nicht aber das 13. Monatsgehalt als Berechnungsgrundlage zugrunde legte. Zur Begründung führte sie aus, dieses 13. Monatsgehalt sei als Sonderzuwendung nicht Teil des Durchschnittsentgeltes der B. gewesen (Bescheid vom 30. Januar 1987; Widerspruchsbescheid vom 17. März 1987).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, in Abänderung der genannten Bescheide an den Kläger 361,50 DM zu zahlen und hat die Berufung zugelassen (Urteil des SG Itzehoe vom 8. Oktober 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 14. Juni 1988). Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe bei der Berechnung des dem Kläger nach § 10 Abs 1 Nr 3 LFZG zu zahlenden Erstattungsbetrages das „13. Monatsgehalt” anteilmäßig berücksichtigen müssen, weil dieses Entgelt von der nach § 11 Mutterschutzgesetz (MuSchG) bestehenden Verpflichtung des Klägers umfaßt gewesen sei, „mindestens den Durchschnittsverdienst” weiterzugewähren. Bei dem 13. Monatsgehalt handele es sich nicht um eine schenkungsweise Sonderzuwendung, sondern um einen anteiligen Lohnanspruch, der den Arzthelferinnen nach dem maßgeblichen Manteltarifvertrag (MTV) entsprechend der Zahl der im Kalenderjahr mit Arbeitsleistung ausgefüllten Monate zustehe. Daraus werde die Absicht der Tarifvertragsparteien deutlich, das 13. Monatsgehalt anteilmäßig den im Kalenderjahr im einzelnen mit Arbeit ausgefüllten Monaten zuzuordnen. Da in § 11 MuSchG – im Gegensatz zu § 14 MuSchG – keine Bezugnahme auf § 385 Abs 1a der Reichsversicherungsordnung (RVO) enthalten sei, könne das 13. Monatsgehalt nicht im Sinne der Beklagten als einmalige Zahlung unberücksichtigt bleiben. Es sei daher Rechtens, in die Berechnung des Erstattungsbetrages 5/12 des 13. Monatsgehaltes einzubeziehen und dementsprechend weitere 361,50 DM zu erstatten.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 LFZG, § 11 MuSchG. Aus dem Wortlaut des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 LFZG ergebe sich, daß die Krankenkasse nur das Entgelt erstatten müsse, das der Arbeitgeber aufgrund des § 11 MuSchG als Ausgleich für das Beschäftigungsverbot aufgewendet habe. Der Kläger habe das 13. Monatsgehalt aber nicht aufgrund des § 11 MuSchG gezahlt, sondern aufgrund des § 10 des „MTV für Arzthelferinnen”. Dieser bestimme, daß die Arzthelferin spätestens zum 1. Dezember eines jeden Jahres ein 13. Monatsgehalt in Höhe des letzten vollen Monatsgehaltes erhalte (Abs 5) und daß bei dessen Berechnung nur solche Monate berücksichtigt würden, in denen die Arzthelferin Entgelt oder während der Schutzfristen Mutterschaftsgeld erhalten habe (Abs 6 Satz 2). Da B. während der streitigen Monate unter Berücksichtigung des gezahlten Mutterschutzlohns „Entgelt” iS des § 10 Abs 6 Satz 2 MTV erhalten habe, stehe ihr das volle 13. Monatsgehalt zu, da alle Monate des Jahres zu berücksichtigen seien. Auch wenn dieser Auslegung des MTV nicht gefolgt werde, ergebe sich gleichwohl ein tariflicher Anspruch der B. auf das 13. Monatsgehalt, weil bei schwangerschaftsbedingten Fehlzeiten keine Verdienstminderung eintreten dürfe und eine dazu führende tarifvertragliche Regelung wegen Verstoßes gegen zwingende Schutzbestimmungen des MuSchG nichtig sei (Hinweis auf BAG AP Nr 114 zu § 611 BGB-Gratifikation). Sei also der Kläger aufgrund des MTV verpflichtet gewesen, der B. das volle 13. Monatsgehalt anteilig auch für die streitigen Monate mit Beschäftigungsverbot zu zahlen, habe sich der Verdienst der B. nicht wegen eines Beschäftigungsverbots gemindert, so daß § 11 MuSchG keine Anwendung finde. Folge man der Auffassung des LSG und schlage man bei der Durchschnittsverdienstberechnung pro Monat 1/12 des 13. Monatsgehalts hinzu, dann würde die Arbeitnehmerin nicht nur das volle 13. Monatsgehalt am Ende des Jahres aufgrund des MTV erhalten, sondern zusätzlich pro Monat 1/12 der Sonderzahlung über § 11 MuSchG, so daß sie also „scheibchenweise” diese Leistung noch einmal erhalte.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Juni 1988 und des Sozialgerichts Itzehoe vom 8. Oktober 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Urteile der Vorinstanzen für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß dem Kläger ein um 361,50 DM erhöhter Erstattungsanspruch aus § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 LFZG zusteht.

Nach dieser mit Wirkung vom 1. Januar 1986 durch Art 6 Nr 2 des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 (BeschäftFG) vom 26. April 1985 (BGBl I S 710) in § 10 LFZG eingefügten Bestimmung erstatten ua die Ortskrankenkassen bestimmten Arbeitgebern mit Kleinbetrieben 80 vH des vom Arbeitgeber nach § 11 MuSchG bei Beschäftigungsverboten gezahlten Arbeitsentgelts. Nach § 11 Abs 1 MuSchG ist der schwangeren Arbeitnehmerin vom Arbeitgeber mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten 3 Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, weiter zu gewähren, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots ua nach § 4 MuSchG teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzt. Unter den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, daß der Kläger zu dem Kreis der nach § 10 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 LFZG Erstattungsberechtigten gehört und daß ihm ein Erstattungsanspruch nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 LFZG zusteht, weil er seiner schwangeren Angestellten für die Zeit von August bis Dezember 1986, während der sie wegen eines Beschäftigungsverbots nur halbschichtig arbeiten durfte, sog Mutterschutzlohn durch Fortzahlung des bisherigen festen Gehalts von 2.221,– DM monatlich geleistet hat. Streitig ist allein, ob auch das im Dezember 1986 ausgezahlte tarifliche „13. Monatsgehalt” jedenfalls teilweise in die Berechnung des Mutterschutzlohns nach § 11 MuSchG einzubeziehen ist und damit dem Kläger auch insoweit ein Erstattungsanspruch zusteht. Das hat das LSG mit Recht bejaht.

Erstattungsfähig ist nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 LFZG – anders als sein Wortlaut vermuten lassen könnte – nicht das gesamte Arbeitsentgelt, das „bei” bzw während eines Beschäftigungsverbots gezahlt worden ist; vielmehr ergibt sich aus der Bezugnahme auf § 11 MuSchG, daß die Krankenkasse nur das Arbeitsentgelt zu erstatten hat, das der Arbeitgeber aufgrund des § 11 MuSchG zum Ausgleich für die wegen des Beschäftigungsverbots ausgefallene Arbeit aufgewendet hat. Nach § 11 MuSchG ist für die Höhe des Mutterschutzlohns der Durchschnittsverdienst maßgebend, den die Arbeitnehmerin in einem bestimmten zurückliegenden Zeitraum – dem Berechnungszeitraum – erzielt hat (sog Referenzmethode, vgl BSGE 25, 69, 70). Dieser Durchschnittsverdienst ist während der Zeit, in der sich das Beschäftigungsverbot auswirkt, „mindestens” weiterzuzahlen, sofern er durch den Ausfall von Arbeit unterschritten wird. Damit soll der bisherige – vor der Schwangerschaft erreichte – Lebensstandard der werdenden Mutter im Sinne eines garantierten Mindestlohns gesichert werden, was nicht ausschließt, daß der werdenden Mutter im Einzelfall – etwa bei einer Umbesetzung in eine höherwertige Arbeit – für ihre Arbeit ein höheres Entgelt als das Durchschnittsentgelt zu zahlen ist. Ansonsten ist der Durchschnittsverdienst im Berechnungszeitraum die Obergrenze für den Mutterschutzlohn.

Was „Durchschnittsverdienst” ist, ist zwar in § 11 MuSchG nicht definiert. Zugrunde zu legen ist der arbeitsrechtliche Verdienstbegriff, weil § 11 Abs 1 MuSchG einen arbeitsrechtlichen Anspruch regelt. Danach gehört zum Durchschnittsverdienst grundsätzlich alles, was die Arbeitnehmerin im Sinne des Arbeitsrechts als Gegenleistung für ihre Arbeit im Berechnungszeitraum erzielt hat, also das auf diesen Zeitraum entfallende Arbeitsentgelt. Dabei ist nicht auf das Entgelt abzustellen, das der Arbeitnehmerin in diesem Zeitraum zugeflossen, dh tatsächlich ausgezahlt worden ist. Entscheidend ist vielmehr das Arbeitsentgelt, das sie im Berechnungszeitraum als Gegenleistung für ihre Arbeit verdient hat, auch wenn das Entgelt erst später fällig oder ausgezahlt wird (BAG, Urteil vom 28. November 1984, AP Nr 10 zu § 11 MuSchG 1968).

Ob – wovon die Beklagte ausgeht – bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes einmalige Zuwendungen des Arbeitgebers „einmalig gezahltes Arbeitsentgelt”) außer Betracht zu bleiben haben, auch wenn sie im Berechnungszeitraum gezahlt werden, oder ob, wovon das LSG ausgegangen ist, derartige Leistungen grundsätzlich zum Durchschnittsverdienst nach § 11 MuSchG gehören, weil in dieser Bestimmung – anders als in §§ 12, 14 MuSchG und § 200 RVO – für die Berechnung des Mutterschutzlohns „einmalig gezahltes Arbeitsentgelt” iS des § 385 Abs 1 a RVO (seit 1. Januar 1989 § 227 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches -SGB V-) nicht ausdrücklich ausgeklammert ist, kann der Senat offenlassen. Auch wenn er der Meinung folgt, daß sich eine entsprechende Einschränkung aus dem § 11 MuSchG zugrundeliegenden Durchschnittslohnprinzip ergibt, das eine Sicherung des „Normallohns” bezweckt und nicht zuläßt, daß Sonderleistungen, die keine Beziehung zu der im Berechnungszeitraum geleisteten Arbeit haben, in die Berechnung des Mutterschutzlohns einfließen, ergibt sich für die Beklagte kein günstigeres Ergebnis. Denn das vom Kläger gezahlte 13. Monatsgehalt gehört nach seiner tarifvertraglichen Gestaltung zum laufenden, monatlich verdienten Arbeitsentgelt, das nur später – in einer Summe – ausgezahlt wird. Dies hat das LSG zutreffend dem hier anwendbaren „MTV für Arzthelferinnen” entnommen.

Das Revisionsgericht ist nach § 162 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht gehindert, diesen MTV selbst auszulegen bzw die vom LSG getroffene Auslegung nachzuprüfen, weil sich der räumliche Geltungsbereich der Vorschriften des MTV über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (BSGE 6, 41, 43/44). Denn der MTV gilt für alle Arzthelferinnen, die im Bundesgebiet und im Lande Berlin in der Praxis niedergelassener Ärzte tätig sind (§ 1 Abs 1 MTV).

Nach § 10 Abs 5 Satz 1 MTV erhält die Arzthelferin spätestens zum 1. Dezember eines jeden Kalenderjahres ein 13. Monatsgehalt in Höhe des letzten vollen Monatsgehaltes. Hat das Arbeitsverhältnis nicht während des gesamten Kalenderjahres bestanden, so ermäßigt sich das 13. Monatsgehalt dahin, daß für jeden angefangenen Monat des Arbeitsverhältnisses 1/12 des 13. Monatsgehaltes nach Abs 5 zu zahlen ist (§ 10 Abs 6 Satz 1 MTV). Dabei werden nur solche Monate gerechnet, in denen die Arzthelferin Entgelt oder während der Schutzfristen nach dem MuSchG Mutterschaftsgeld oder bei weiterbestehendem Arbeitsverhältnis Krankengeld erhalten hat (§ 10 Abs 6 Satz 2 MTV). Aufgrund dieser mit Wirkung ab 1. Januar 1986 geltenden Fassung des MTV ist die bisherige „einmalige Zuwendung” nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien in ein „echtes” 13. Monatsgehalt, dh ein zusätzliches Tarifgehalt umgewandelt worden, das als weitere Vergütung zu je einem Zwölftel dem monatlich verdienten Arbeitsentgelt zuzurechnen ist. Die Leistung steht von vornherein fest, ist für jeden Monat bestimmbar und wird anteilmäßig auch gezahlt, wenn das Arbeitsverhältnis im Laufe des Jahres beginnt oder endet. Da der Anspruch von keinen weiteren Voraussetzungen abhängt, die (auch) auf eine Belohnung der Betriebstreue für die Vergangenheit oder für die Zukunft hindeuten (vgl dazu BAG AP Nr 100 zu § 611 BGB – Gratifikation –), handelt es sich um zusätzliches Arbeitsentgelt, das ausschließlich für geleistete Arbeit zusteht und wegen des Bezugs zur monatlichen Arbeitsleistung zu je einem Zwölftel zum laufenden, monatlichen Arbeitsentgelt gehört. Das wird auch aus § 10 Abs 6 MTV deutlich, wonach ein Teilanspruch auf die Leistung für alle Monate besteht, für die auch ein Entgeltanspruch (oder ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld oder Krankengeld) besteht. Für die Zurechnung zum monatlichen Arbeitsentgelt und damit zum Durchschnittsverdienst im Berechnungszeitraum ist dabei nicht entscheidend, ob die Zahlung des 13. Monatsgehalts in gleichbleibenden monatlichen Anteilen oder einer einmaligen Zahlung erfolgt. Die Zahlungsregelung „spätestens zum 1. Dezember des jeweiligen Jahres” in § 10 Abs 5 Satz 1 MTV betrifft lediglich die Fälligkeit des Anspruchs; der Anspruch als solcher, der monatlich als Gegenleistung für die zu erbringende Arbeitsleistung anteilmäßig entsteht, wird dadurch nicht berührt (vgl BSG SozR 4100 § 141b Nrn 8 und 40). Auch im Rahmen des § 385 Abs 1a RVO bzw § 227 SGB V kommt es darauf an, ob das gezahlte Entgelt Vergütung für die in einem bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit ist oder ob eine solche Beziehung nicht besteht; im ersteren Fall handelt es sich auch dann um laufendes, von den vorgenannten Bestimmungen nicht erfaßtes Arbeitsentgelt, wenn es für die Arbeit in mehreren Abrechnungszeiträumen bestimmt und nur zusammen in einer Summe ausgezahlt wird (zum Begriff des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts vgl BSGE 66, 34, 42 = SozR 2200 § 385 Nr 22 § 115/116).

Ist mithin das 13. Monatsgehalt ein tarifliches Arbeitsentgelt, das zu je einem Zwölftel zum monatlich verdienten Arbeitsentgelt gehört und nur zu einem späteren Fälligkeitstermin auf einmal ausgezahlt wird, muß es als eine den Lebensstandard prägende Leistung auch in den Durchschnittsverdienst des § 11 MuSchG eingerechnet werden (so im Hinblick auf entsprechende tarifliche Gestaltungsmöglichkeiten auch Gröninger/Thomas, MuSchG, § 11 Anm 4 h, unter Bezugnahme auf Greif, DB 1967, S 1371; vgl auch BSGE 25, 69, 71 f).

Dem kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, daß eine Berücksichtigung des 13. Monatsgehaltes zu einer vom Gesetz nicht gewollten Doppelleistung führe, weil dann die Arbeitnehmerin – wie auch im vorliegenden Fall – das 13. Monatsgehalt neben der Berücksichtigung beim Mutterschutzlohn nochmals aufgrund des Tarifvertrags verlangen könne (so auch Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, § 11 Rz 23). Dieser Gesichtspunkt einer unzulässigen Doppelleistung greift im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil die beim Kläger angestellte Arzthelferin das 13. Monatsgehalt nur einmal – im Dezember 1986 – gezahlt erhalten hat, hingegen nicht nochmals in der Form, daß der Kläger dem laufenden Mutterschutzlohn von vornherein bereits jeweils 1/12 des 13. Monatsgehaltes zugeschlagen hätte. Dazu war der Kläger auch nicht verpflichtet. Ungeachtet dessen, daß Berechnungsgrundlage für den Mutterschutzlohn der Arbeitslohn bleibt, der durch die tatsächliche Arbeitsleistung im Berechnungszeitraum verdient worden ist (also dem laufenden Gehalt noch 1/12 des 13. Monatsgehaltes zuzurechnen ist), wirkte sich die Fälligkeitsregelung des § 10 Abs 5 Satz 1 MTV auch auf den Mutterschutzlohn insoweit aus, als der das 13. Monatsgehalt betreffende Teil des Mutterschutzlohnes ebenfalls erst zum Jahresende fällig geworden ist. Die werdende Mutter wird durch diese nachträgliche Zahlung des Mutterschutzlohns nicht schlechtergestellt, als wenn sie in vollem Umfang weitergearbeitet hätte; denn auch dann wäre der Anspruch auf das 13. Monatsgehalt insgesamt erst zum Jahresende fällig geworden (vgl auch BAG, Urteil vom 28. November 1984, AP Nr 10 zu § 11 MuSchG 1968). Das im Dezember 1986 ausgezahlte 13. Monatsgehalt enthält daher für die Monate August bis Dezember 1986 in Höhe von 451,88 DM Mutterschutzlohn (1/12 von 2.169,– DM = 180,75 DM mal 5 Monate = 903,75 DM; davon 50 % = 451,88 DM), von dem die Beklagte 80 % = 361,50 DM zu erstatten hat.

Ob – wie die Beklagte meint – die Berücksichtigung des 13. Monatsgehalts bei der Berechnung des Mutterschutzlohns dann entfiele, wenn diese Sonderzahlung allein aufgrund des Tarifvertrages auch für Zeiten des Beschäftigungsverbots unverkürzt zu zahlen wäre, kann der Senat offenlassen. Auch wenn er der Ansicht der Beklagten folgte, daß es dann an einem „wegen des Beschäftigungsverbots” eingetretenen Verdienstausfall und damit an der für § 11 MuSchG erforderlichen Kausalität fehlte, war jedenfalls im vorliegenden Fall der Arbeitgeber zur unverkürzten Zahlung des auf die Monate August bis Dezember 1986 entfallenden Teils dieser Leistung nicht, jedenfalls nicht allein aufgrund des § 10 Abs 6 Satz 2 MTV verpflichtet. Wenn dort bestimmt ist, daß das 13. Monatsgehalt anteilig nur für solche Monate zusteht, in denen die Arbeitnehmerin „Entgelt”, ersatzweise Mutterschaftsgeld oder Krankengeld erhalten hat, bedeutet dies nicht schon, daß das aus der wegen des Beschäftigungsverbots reduzierten Arbeitsleistung erzielte (Teil-)Entgelt ausreichte, um den Anspruch auf den jeweils vollen monatlichen Anteil des 13. Monatsgehalts auszulösen. Mit Entgelt ist vielmehr das volle, der monatlichen Arbeitsleistung entsprechende Entgelt gemeint, was sich schon daraus ergibt, daß das bei Ausfall des Entgelts an dessen Stelle tretende Mutterschaftsgeld bzw Krankengeld ausdrücklich als Leistungen genannt sind, die nicht zu einem Ausfall von Teilen des 13. Monatsgehalts führen. Daß in dieser tariflichen Regelung der (an die Stelle des ausgefallenen Entgelts tretende) Mutterschutzlohn nicht aufgeführt ist, ist bewußt geschehen, weil nach § 11 MuSchG bei der Berechnung des Mutterschutzlohns das 13. Monatsgehalt nach seiner tarifvertraglichen Konzeption ohnehin zu berücksichtigen ist. Ist es nach § 11 Abs 1 MuschG anteilig dem monatlich verdienten Arbeitsentgelt im Berechnungszeitraum zuzurechnen und damit als Mutterschutzlohn weiterzuzahlen, hat es nicht einer – zusätzlichen – tarifvertraglichen Absicherung des 13. Monatsgehalts für Zeiten bedurft, in denen sich ein Beschäftigungsverbot auswirkt.

Des weiteren kann sich die Beklagte für ihre Ansicht, der Kläger sei gleichwohl aufgrund des MTV zur Zahlung des 13. Monatsgehalts auch für die Zeit des Beschäftigungsverbots verpflichtet gewesen, auch nicht auf die Rechtsprechung des BAG berufen. Das BAG hat zwar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf §§ 11, 13, und 14 MuSchG entschieden, daß tarifvertragliche Bestimmungen, die eine anteilige Kürzung einer jährlich zu zahlenden Sonderleistung wegen schwangerschaftsbedingter Fehlzeiten vorsähen, nichtig seien, weil sonst der in diesen Regelungen enthaltene Schutzzweck unterlaufen werde (BAGE 40, 221 = AP Nr 114 zu § 611 BGB-Gratifikation; bestätigt durch BAG, Urteil vom 8. Oktober 1986, AP Nr 7 zu § 8a MuSchG 1968). Wenn danach § 11 MuSchG bewirkt, daß eine tariflich vorgesehene Kürzung einer Sonderleistung nicht eintritt, sondern der Arbeitgeber die Sonderleistung auch für die schwangerschaftsbedingten Fehlzeiten erbringen muß, so handelt es sich eben auch insoweit um Mutterschutzlohn, durch den ein wegen eines Beschäftigungsverbots ausgefallenes Arbeitsentgelt ausgeglichen wird. Jedenfalls kann eine derartige „Fernwirkung” des § 11 MuSchG auf den Inhalt tarifvertraglicher Regelungen nicht dazu führen, dessen unmittelbare Wirkung, hier die Berechnung der Höhe des Mutterschutzlohns, im Sinne der Beklagten zu beeinflussen.

Dann aber hat der Arbeitgeber auf jeden Fall auch einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse.

Nach allem konnte die Revision der Beklagten keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI913622

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