Entscheidungsstichwort (Thema)

Witwerrente. Familienunterhalt. Enkelkind. Unterhaltszahlungen Dritter. Wert der Haushaltstätigkeit. Berlinzulage

 

Orientierungssatz

1. Zur Familie iS von § 1266 RVO aF müssen auch die Kinder gerechnet werden, die in den gemeinsamen Haushalt aufgenommen worden sind, wenn sie auch in anderen sozialrechtlichen Vorschriften Kindern der Eheleute gleichgestellt werden. Dies gilt für Enkelkinder, die in den Haushalt der Großeltern aufgenommen sind.

2. Sowohl die Unterhaltszahlungen des Kindesvaters an die Großeltern als auch die Leistungen nach dem BSHG sind als Beiträge von Dritten zum Familienunterhalt mitzuberücksichtigen.

3. Zur Berechnung des Werts der Hausarbeit bei der Ermittlung des Familienunterhalts.

4. Zum Unterhaltsbeitrag iS von § 1266 RVO aF zählt auch der Berlinzuschlag nach § 28 des Berlinförderungsgesetzes.

 

Normenkette

RVO § 1266 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; BerlinFG § 28; BSHG

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 12.07.1989; Aktenzeichen L 6 J 14/86)

SG Berlin (Entscheidung vom 28.11.1985; Aktenzeichen S 27 J 757/85)

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht Witwerrente nach § 1266 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung (§ 1266 RVO aF).

Der 1925 geborene Kläger ist Witwer der 1921 geborenen und am 4. August 1984 verstorbenen M. M. (im folgenden Versicherte). Diese war seit Anfang Juli 1984 in Krankenhausbehandlung gewesen. Sie erhielt von der Beklagten seit Juli 1981 vorgezogenes Altersruhegeld (ARG). Der Rentenzahlbetrag betrug ab 1. Juli 1983 753,90 DM. Daneben bezog sie Versorgungsbezüge in Höhe von 42,80 DM monatlich. Der Kläger bezog als Angestellter seit 1. Juli 1983 ein Nettoentgelt von monatlich 1.974,59 DM. In diesem Betrag war Kindergeld in Höhe von 50,- DM enthalten. Das Kindergeld wurde dem Kläger für den am 14. Januar 1977 geborenen Enkel Jürgen (J.) gezahlt. Dieses Kind lebte seit dem 1. November 1981 im Haushalt des Klägers und der Versicherten. Der Kindesvater zahlte für das Kind in der Zeit von April 1983 bis November 1984 Regelunterhalt in Höhe von 226,- DM monatlich. Das Bezirksamt zahlte für das Kind Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in der Zeit von Juli 1983 bis Dezember 1983 in Höhe von monatlich 40,- DM, von Januar bis Juni 1984 monatlich 182,- DM und im Juli 1984 196,- DM.

Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Witwerrente lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 4. Januar 1985 und Widerspruchsbescheid vom 11. April 1985). Die Klage wies das Sozialgericht (SG) ab (Urteil vom 28. November 1985). Die Berufung gegen dieses Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 12. Juli 1989). Das LSG ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß die Versicherte die Familie nicht überwiegend unterhalten habe. Als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand, der für die Beurteilung dieser Frage maßgebend sei, hat es die Zeit vom 1. August 1983 bis 31. Juli 1984 angesehen. In dieser Zeit seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie im wesentlichen gleich geblieben. Deshalb sei auch die Zeit des Krankenhausaufenthaltes der Versicherten mitzuberücksichtigen. Zur Familie habe neben dem Kläger und der Versicherten auch das Enkelkind gehört. Unterhaltsbeitrag des Klägers seien seine Nettoeinkünfte abzüglich des Kindergeldes gewesen. Das Kindergeld sei als Unterhaltsbeitrag eines Dritten anzusehen. Unterhaltsbeitrag der Versicherten seien die Versorgungsbezüge und die Rente in Höhe des Rentenzahlbetrages gewesen. Als Unterhaltsbeitrag der Versicherten hat das LSG auch die Haushaltsführung durch die Versicherte berücksichtigt. Als Wert der Haushaltsführung hat es den Nettobetrag der Einkünfte einer Hausangestellten berücksichtigt. Die Unterhaltszahlungen und die Leistungen nach dem BSHG für das Enkelkind hat es gänzlich unberücksichtigt gelassen.

Gegen die Entscheidung des LSG wendet sich der Kläger mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt die Verletzung des § 1266 RVO aF.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. Juli 1989 und das diesem zugrunde liegende Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. November 1985 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 1985 idF des Widerspruchsbescheides vom 11. April 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. September 1984 Witwerrente zu gewähren, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG im Ergebnis für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden mußte. Die festgestellten Tatsachen lassen eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits nicht zu.

§ 1266 RVO ist durch Art 1 Nr 28 des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeitengesetzes (HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl I 1450) aufgehoben worden. Nach Art 2 § 19a des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) gilt die Vorschrift in der am 31. Dezember 1985 geltenden Fassung weiter, wenn der Tod der Versicherten vor dem 1. Januar 1986 eingetreten ist. Die Vorschrift gilt demnach im vorliegenden Fall, denn die Versicherte ist im August 1984 verstorben.

Nach § 1266 Abs 1 RVO aF erhält Witwerrente der Ehemann nach dem Tod seiner versicherten Ehefrau, wenn diese den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hatte. Den Unterhalt der Familie hat die Versicherte überwiegend bestritten, wenn ihr Unterhaltsbeitrag mehr als die Hälfte der gesamten Unterhaltsleistungen ausgemacht hat, die für die Familie erbracht worden sind.

Zutreffend hat das LSG zur Familie iS von § 1266 RVO aF nicht nur die Versicherte und den Kläger, sondern auch das Enkelkind J. gerechnet. In der Rechtsprechung ist bisher nicht entschieden worden, ob außer den ehelichen Kindern auch andere Kinder zur Familie iS von § 1266 RVO aF gehören. Das BSG hat bisher nur entschieden, bis zu welchem Zeitpunkt Kinder zur Familie iS von § 1266 RVO aF zu rechnen sind. Es hat dabei auf die Unterhaltsberechtigung der Kinder abgestellt (vgl zB SozR Nr 6 zu § 1266 RVO und SozR 2200 § 1266 Nr 18) und nur die Kinder, die wegen eigener Einkünfte nicht unterhaltsberechtigt waren, nicht mehr zur Familie gerechnet. Nach der Überzeugung des Senats müssen zur Familie iS von § 1266 RVO aF auch die Kinder gerechnet werden, die in den gemeinsamen Haushalt aufgenommen worden sind, wenn sie auch in anderen sozialrechtlichen Vorschriften Kindern der Eheleute gleichgestellt werden. Dies gilt für Enkelkinder, die in den Haushalt der Großeltern aufgenommen sind, zB nach § 2 Abs 1 Nr 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG), nach § 205 RVO in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung bzw nach § 10 Abs 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und für den Anspruch auf Waisenrente auch nach § 1267 Abs 2 RVO. Das Kind war in den Haushalt des Klägers aufgenommen. Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger und die Versicherte das Enkelkind allein erzogen und betreut haben und der Kläger für das Enkelkind das Kindergeld erhalten hat. Die Mutter des Kindes erfüllte ihre Pflichten zur Personen- und Vermögenssorge nicht, wie das LSG ebenfalls festgestellt hat.

Zu Recht hat das LSG auch als Beitrag des Klägers zum Familienunterhalt sein Nettoeinkommen berücksichtigt, das Kindergeld, das der Kläger erhalten hat, als Beitrag eines Dritten zum Familienunterhalt und außerdem den Rentenzahlbetrag einschließlich der Versorgungsbezüge der Versicherten als Teil ihres Unterhaltsbeitrags. Zu Unrecht hat das LSG allerdings die Unterhaltszahlungen und die Leistungen des Bezirksamtes nach dem BSHG nicht als Beiträge Dritter zum Familienunterhalt berücksichtigt. Für diese Entscheidung kann sich das LSG nicht auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. August 1968 - 4 RJ 305/65 - (SozR Nr 6 zu § 1266 RVO) stützen. In diesem Urteil hat das BSG Leistungen eines Kindes, das unterhaltsberechtigt ist, insoweit nicht als Beitrag zum Familienunterhalt berücksichtigt, als es sich um eigene Einkünfte aus Erwerbstätigkeit handelte, die ihrerseits wiederum den Unterhaltsanspruch minderten. Unterhaltsleistungen Dritter für das Kind sind aber nicht dessen eigenen Erwerbseinkünften gleichzusetzen. Hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt, auch soweit sie für Kinder gezahlt wird, ist dies bereits im Urteil vom 17. März 1970 - 11(12) RJ 478/67 - (BSGE 31, S 90 ff; SozR Nr 7 zu § 1266 RVO) entschieden worden. Im Urteil vom 20. November 1976 - 11 RA 138/77 - (SozR 2200 § 1266 Nr 5) hat das BSG entsprechend für den Wert von Pflegeleistungen der Großeltern entschieden. Die Unterhaltszahlungen des Kindesvaters können nicht anders beurteilt werden als diese Leistungen. Anspruch auf den Regelunterhalt hatten außerdem der Kläger und die Versicherte (§ 1615b BGB). Danach sind sowohl die Unterhaltszahlungen des Kindesvaters an die Großeltern als auch die Leistungen des Bezirksamtes nach dem BSHG als Beiträge von Dritten zum Familienunterhalt mitzuberücksichtigen.

Zu Recht hat das LSG auch den Wert der Hausarbeit der Versicherten als ihren Beitrag zum Familienunterhalt berücksichtigt. Das LSG hat festgestellt, die Versicherte habe die Hausarbeit allein verrichtet. Nicht zu beanstanden ist, daß es davon ausgegangen ist, der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, einen Teil der Hausarbeit zu übernehmen, wie dies die Beklagte meint. Da die Versicherte nicht mehr erwerbstätig und der Kläger vollzeitbeschäftigt war, bestand für ihn keine Verpflichtung, zusätzlich noch Hausarbeit in nennenswertem Umfang zu verrichten, dies jedenfalls dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Umfang der Hausarbeit nicht unerheblich geringer ist als der Zeitaufwand für die Erwerbstätigkeit. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten, die sie gehindert hätten, die Hausarbeit zu verrichten, sind vom LSG nicht festgestellt worden. Insoweit hat die Beklagte auch keine Verfahrensrügen erhoben. Der Altersunterschied zwischen Versicherter und dem Kläger war mit 4 Jahren auch so gering, daß der älteren Versicherten die Hausarbeit in vollem Umfang zumutbar war. Feststellungen, daß die Versicherte im maßgeblichen Zeitraum , solange sie in der Wohnung lebte, allein aufgrund einer Krankheit gehindert war, die Hausarbeit zu verrichten oder dies unzumutbar gewesen wäre, hat das LSG ebenfalls nicht getroffen. Nicht zu beanstanden ist auch der zeitliche Umfang, den das LSG für die Hausarbeit angenommen hat. Es hat seine Feststellung, der angemessene zeitliche Umfang der Hausarbeit betrage mindestens 33,7 Wochenstunden, auf Berechnungen zum Unterhaltsschaden (§ 844 Abs 2 BGB) gestützt. Die Zeit von 33,7 Wochenstunden ist der Mindestzeitbedarf für einen Dreipersonenhaushalt nach den vom LSG herangezogenen Berechnungstabellen zum Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt. Die Einwendungen der Beklagten gegen diesen vom LSG angenommenen Mindestzeitbedarf für die Hausarbeit greifen nicht durch. Auch der Senat ist der Überzeugung, daß die Berechnungen zum Ersatz des Unterhaltsschadens auch Grundlage für die Bewertung des Mindestzeitbedarfs für die Haushaltsführung sein können. Wenn das LSG in diesem Rahmen den nach diesen Berechnungen als Mindestzeitbedarf angenommenen Zeitbedarf berücksichtigt, so ist dies nicht unangemessen. Andererseits brauchte das LSG auch keinen höheren Zeitaufwand anzunehmen.

Nach den Feststellungen des LSG betrug der tarifvertragliche Bruttostundenlohn einer Hausangestellten 10,92 DM bzw ab 1. März 1984 11,31 DM. Tarifvertraglich bestand ein Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt, das je zur Hälfte als Weihnachtsgratifikation und als Urlaubsgeld zu gewähren war.

Das LSG hat davon ausgehend den Lohn einer Hausangestellten im Monat zutreffend für die Zeit bis 28. Februar 1984 mit 1.582,40 DM (= 33,7 Stunden je Woche x 10,92 x 4,3 Wochen) und ab 1. März 1984 mit monatlich 1.638,95 DM festgesetzt. Nicht zu beanstanden ist auch, daß das LSG das 13. Monatsgehalt zur Hälfte für die Zeit vor dem 28. Februar und zur Hälfte für die Zeit danach berücksichtigt hat.

Zu Unrecht ist aber das LSG bei der Berechnung des Werts der Hausarbeit nicht von dem von ihm so festgestellten Bruttolohn einer Hausangestellten ausgegangen, sondern von dem Nettolohn, das heißt, von dem Lohn nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer, wobei es die Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt hat. Das BSG hat bereits im Urteil vom 17. März 1970 (BSGE 31, S 90) entschieden, daß der Wert der Hausarbeit nach dem Bruttolohn einer Haushaltshilfe zu bemessen sei. In dieser Entscheidung ist lediglich eine Korrektur des so ermittelten Wertes nach den Lebensverhältnissen der Familie für notwendig gehalten worden. Der Wert der Haushaltstätigkeit sollte nicht unangemessen hoch gegenüber den Einkünften der Familie aus Erwerbstätigkeit sein. Auch in den Urteilen vom 16. November 1972 - 11 RA 154/71 - (SozR Nr 12 zu § 1266 RVO) und vom 21. Februar 1980 - 4 RJ 97/78 - (SozR 2200 § 1266 Nr 13) ist das BSG davon ausgegangen, daß der Wert der Haushaltstätigkeit nach dem Bruttolohn einer Ersatzkraft zu bestimmen ist. In der Entscheidung vom 16. November 1972 hat das BSG den Ausgangspunkt des LSG gebilligt, von einem Stundenlohn einer Ersatzkraft auszugehen. Ein "Stundenlohn" ist aber grundsätzlich ein Bruttolohn. Wenn dazu auch noch vom LSG der nach dem Stundenlohn errechnete Wert der Hausarbeit dem Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung hinzugerechnet wird, so kann der Stundenlohn nur ein Bruttolohn sein, da der Arbeitslosenbeitrag zur Sozialversicherung nur von einem Bruttolohn errechnet werden kann. In der Entscheidung vom 21. Februar 1980 hat das BSG ausdrücklich bestätigt, daß vom Bruttolohn auszugehen ist. Aus den - insoweit aaO nicht abgedruckten - Gründen ergibt sich, daß das LSG einen Stundenlohn von 5,-- DM, eine tägliche Arbeitszeit von 4 Stunden und 22 Arbeitstage im Monat zugrunde gelegt hat. Davon ausgehend hat es den Wert der Hausarbeit mit monatlich 440,-- DM errechnet. Das BSG hat diese vom LSG getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt. Der Wert der Hausarbeit im Monat von 440,-- DM ergab sich nicht daraus, daß im Monat mehr als 88 Stunden Haushaltstätigkeit zugrunde gelegt wurden und der höhere Bruttolohn auf einen Nettolohn umgerechnet wurde. In den zuletzt genannten Urteilen ist es lediglich abgelehnt worden, den Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung zusätzlich bei der Bemessung des Wertes der Hausarbeit zu berücksichtigen. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Der Wert der Haushaltstätigkeit ist danach zu bemessen, welche Einkünfte die Ehefrau in einem vergleichbaren Beschäftigungsverhältnis bei einem Arbeitgeber erzielen würde (vgl BSG SozR 2200 § 1266 Nr 13). Dies ist der Bruttolohn einer Haushaltshilfe. Die vom LSG vorgeschlagene andere Berechnung des Wertes der Haushaltstätigkeit berücksichtigt nicht, daß der Wert der Haushaltstätigkeit in der tatsächlich geleisteten Arbeit besteht. Unterhaltsbeiträge in Geld können nur insoweit berücksichtigt werden, als der Geldbetrag tatsächlich der Familie zur Verfügung steht. Ein Unterhaltsbeitrag in Form von Arbeit muß erst in einen Geldbetrag transformiert werden, um mit Erwerbseinkommen als Unterhaltsbeitrag verglichen werden zu können. Als Wert der tatsächlich geleisteten Arbeit bietet sich aber dann nur der Bruttolohn für diese Arbeit an. Es besteht für den Senat daher keine Veranlassung, eine seit Jahrzehnten feststehende Rechtsprechung in Frage zu stellen. Dies gilt insbesondere, da § 1266 RVO aF eine außer Kraft getretene Vorschrift ist, die nur noch für eine überschaubare Zahl von Versicherungsfällen Anwendung findet. Der Senat schließt sich auch der oa Rechtsprechung des BSG an, wonach die Arbeitgeberbeiträge zum Bruttolohn nicht bei dem Wert der Haushaltstätigkeit zu berücksichtigen sind.

Zum Entgelt des Klägers und damit als seinen Unterhaltsbeitrag hat das LSG den Berlinzuschlag nach § 28 des Berlinförderungsgesetzes (in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Februar 1982 - BGBl I S 225 -) gerechnet. Bei der Versicherten hat es diese Zulage zu Recht nicht berücksichtigt. Der Wert der Hausarbeit ist jedenfalls durch den Betrag begrenzt, der für eine Haushaltshilfe aufzuwenden wäre. Da die Berlinzulage nach § 28 Berlinförderungsgesetz nicht vom Arbeitgeber zu zahlen ist, kann sie den Wert der Haushaltsführung nicht mitbestimmen.

Die Beklagte macht geltend, als Unterhaltsbeitrag der Versicherten dürfe nicht sowohl der Wert der Haushaltsführung als auch der Zahlbetrag ihres Altersruhegeldes berücksichtigt werden, da letzteres bei einem Hinzuverdienst weggefallen wäre (§ 1248 Abs 4 RVO). Dieser Einwand greift nicht durch. Die Pflicht, im Rahmen von § 1266 RVO bzw § 43 AVG den Wert der Haushaltstätigkeit als Unterhaltsleistung zu berücksichtigen, ergibt sich aus Art 3 Abs 2 des Grundgesetzes -GG- (vgl BVerfGE 17, 1). Dies bedeutet aber nicht, daß der Wert dieser Arbeit als tatsächlich erzieltes Einkommen berücksichtigt werden muß.

Nicht zu folgen vermag der Senat dem LSG, soweit es einerseits als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand die Zeit vom 1. August 1983 bis 31. Juli 1984 zugrunde gelegt hat und andererseits ohne eine entsprechende ausdrückliche Feststellung auch für Juli 1984 bei der Berechnung der Unterhaltsleistungen davon ausgegangen ist, die Versicherte habe die Hausarbeit in dem Umfang verrichtet, wie in der Zeit davor. Nach den Feststellungen des LSG war die Versicherte seit Anfang Juli 1984 im Krankenhaus. Spätestens vom Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme an kann die Versicherte aber den Haushalt nicht mehr geführt haben und deshalb nicht mehr durch Hausarbeit zum Familienunterhalt beigetragen haben.

Schließlich vermögen auch die vom LSG getroffenen Feststellungen seine Annahme nicht ausreichend zu begründen, der letzte wirtschaftliche Dauerzustand sei die Zeit vom 1. August 1983 bis 31. Juli 1984 gewesen. Als letzter wirtschaftlicher Dauerzustand ist auf den Zeitraum abzustellen, der mit der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitgliedes beginnt und im Regelfall mit dem Tod der Versicherten endet (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 1. Februar 1984 - damals als 5b-Senat - in SozR 2200 § 1266 Nr 23 mwN). Hiervon abweichend kann aber die Zeit der zum Tode führenden Erkrankung außer acht gelassen werden, wenn die Erkrankung in verhältnismäßig kurzer Zeit zum Tode geführt hat. Ist die Erkrankung als Vorstufe des Todes zu sehen, dann kann es unbillig sein, die durch die Erkrankung verschlechterte Unterhaltslage als maßgebend anzusehen (BSG aaO mwN). Berücksichtigt man, daß die Unterhaltsbeiträge der Versicherten und des Klägers durch die Veränderung in der Haushaltsführung ab dem Zeitpunkt des Krankenhausaufenthaltes völlig unterschiedlich waren, so wäre es unbillig, auch diese Zeit in den Zeitraum des wirtschaftlichen Dauerzustandes hineinzurechnen, wenn der Krankenhausaufenthalt wegen der zum Tode führenden Krankheit erforderlich war. Feststellungen dazu, ob dies der Fall war, hätten für das LSG um so näher gelegen, als die Beklagte die Zeit des Krankenhausaufenthaltes nicht in den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand einbezogen hat und dementsprechend als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand einen Zeitraum vom 1. Juli 1983 bis 30. Juni 1984 angenommen hat. Der Senat kann die Frage, ob der Krankenhausaufenthalt in den Zeitraum des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes einzubeziehen ist, auch nicht offen lassen, denn ausgehend von den Feststellungen des LSG zu den Einkünften der Familie und zu dem Wert der Hausarbeit im Sinne der dargelegten Bruttolohnberechnung kann die Entscheidung unterschiedlich ausfallen.

Nimmt man als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand wie das LSG die Zeit ab 1. August 1983 bis 31. Juli 1984, so ergeben sich folgende Beträge als Leistungen zum Unterhalt:

Unterhaltsbeitrag

des Klägers 13 x 1.924,59 DM = 25.019,67 DM

25.019,67 D

Unterhaltsbeiträge Dritter

a) Kindergeld 12 x 50,- DM = 600,-- DM

b) Unterhaltszahlungen

des Kindesvaters 12 x 226,- DM = 2.712,-- DM

c) Leistungen nach

dem BSHG 5 x 40,- DM = 200,-- DM

6 x 182,- DM = 1.092,-- DM

1 x 196,- DM = 196,-- DM

-------------

Summe a - c :

4.800,-- D

----------

Summe Unterhaltsbeiträge Kläger und Dritter

29.819,67 D

===========

Unterhaltsbeitrag der Versicherten

a) Rente

9.653,60 D

b) Wert der Hausarbeit

(11 Monate) 6 x 1.582,40 DM =

9.494,40 DM

1 x 2.373,60 DM =

2.373,60 DM

3 x 1.638,95 DM =

4.916,85 DM

1 x 2.458,42 DM =

2.458,42 DM

-----------

Summe b)

19.243,27 DM 19.243,27 D

-----------

Summe a) und b)

28.896,87 D

===========

Schon danach hat die Versicherte die Familie nicht überwiegend unterhalten, ohne daß der Unterhaltsbeitrag des Klägers oder eines Dritten in Form der Haushaltstätigkeit für Juli 1984 berücksichtigt wird.

Legt man als wirtschaftlichen Dauerzustand die Zeit vom 1. Juli 1983 bis 30. Juni 1984 zugrunde, so ergeben sich die folgenden Unterhaltsbeiträge:

1. Unterhaltsbeitrag des

Klägers (unverändert)

25.019,67 D

2. Unterhaltsbeiträge Dritter

a) Kindergeld (unverändert) 600,-

-- DM

b) Unterhaltszahlungen des

Kindesvaters (unverändert) 2.712,-

-- DM

c) Leistungen nach dem BSHG

6 x 40,-- DM = 240,-

-- DM

6 x 182,-- DM = 1.092,-

-- DM

--------

-----

Summe a - c) 4.644,-

-- DM

4.644,-- D

----------

Summe 1 und 2

29.663,67 D

===========

Unterhaltsbeitrag der Versicherten

a) Rentenleistungen

(unverändert)

9.653,60 D

b) Wert der Hausarbeit

(12 Monate):

7 x 1.582,40 DM =

11.076,80 DM

1 x 2.373,60 DM =

2.373,60 DM

3 x 1.638,95 DM =

4.916,85 DM

1 x 2.458,42 DM =

2.458,42 DM

-

-------------

Summe b)

20.825,67 DM

20.825,67 D

-----------

Summe a und b)

30.479,27 D

===========

Danach hätte die Versicherte in der Zeit vom Juli 1983 bis Juni 1984 die Familie überwiegend unterhalten und der Kläger einen Anspruch auf die Witwerrente nach § 1266 RVO aF.

Bei seiner neuen Entscheidung wird das LSG nicht nur zu prüfen haben, aus welchen Gründen die Versicherte im Krankenhaus aufgenommen wurde, sondern auch, ob sie bei einer längerfristigen Krankheit bis zum Zeitpunkt der Krankenhauseinlieferung in der Lage war, den Haushalt allein zu führen und ggf, ob ihr dies zumutbar war.

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517931

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