Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.02.1992)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Februar 1992 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob bei Anrechnung des Einkommens auf das Erziehungsgeld (ErzG) ab dem 7. Lebensmonat des Kindes das Verbot des Verlustausgleiches zwischen verschiedenen Einkommensarten und zwischen Ehegatten verfassungsgemäß ist.

Die mit ihrem Ehemann zusammenlebende Klägerin gebar am 24. November 1989 ihr drittes Kind. Ab dem 19. Februar 1990 übte sie ihren Beruf als Steuerfachgehilfin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden weiter aus. Mit Bescheid vom 27. März 1990 bewilligte ihr das beklagte Land nach Auslaufen des Mutterschaftsgeldes ErzG nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) bis zur Vollendung des 6. Lebensmonats des Kindes in Höhe von monatlich 600,– DM und lehnte für die weitere Zeit Leistungen ab, weil sich unter Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin und ihres Ehemannes kein Zahlungsanspruch mehr errechne. Es ging dabei von dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1987 aus, in dem Einkünfte des Ehemannes aus selbständiger Arbeit in Höhe von 5.295,– DM und solche aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 65.716,– DM neben Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 2.800,– DM ausgewiesen sind. Die für den Ehemann anerkannten Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 40.081,– DM und die Verluste der Klägerin aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 13.622,– DM (im angefochtenen Urteil offensichtlich unrichtig mit 12.466,– DM beziffert) ließ der Beklagte unberücksichtigt. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 1990), Klage (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Mainz vom 6. August 1991) und Berufung (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Rheinland-Pfalz vom 21. Februar 1992), mit denen sich die Klägerin gegen die Nichtberücksichtigung der negativen Einkünfte wandte, blieben erfolglos. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, daß sich nach dem vom Beklagten zutreffend angewandten § 6 BErzGG für die streitige Zeit kein Anspruch auf ErzG errechne, weil ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten und mit Verlusten des Ehegatten ausdrücklich untersagt werde. Die Regelung sei nicht verfassungswidrig; sie entspreche derjenigen für das einkommensabhängige Kindergeld, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungsgemäß erklärt habe.

Dagegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie einen Verstoß gegen Art 3 Grundgesetz (GG) rügt. § 6 BErzGG sei verfassungswidrig angewandt worden, soweit er den Ausgleich von positiven Einkünften mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten und mit Verlusten des Ehegatten ausschließe. Bei der familiären Entscheidung, ob – dem Anliegen des Gesetzgebers entsprechend – der Kleinstkindbetreuung oder der Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit Vorrang eingeräumt werde, sei die wirtschaftliche Gesamtsituation einer Familie ausschlaggebend, die auch von Verlusten geprägt werde. Die für das Kindergeldrecht maßgebenden Grundsätze dürften nicht herangezogen werden, weil sie von einem anderen gesetzgeberischen Ansatz ausgingen und anderen Zwecken dienten.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtenen Urteile sowie die zugrundeliegenden Bescheide des Beklagten aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr, der Klägerin, ab dem 7. Lebensmonat ihres Sohnes Konstantin Erziehungsgeld in ungekürzter Höhe zu gewähren,

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und den Rechtsstreit dem BVerfG zur Entscheidung gemäß Art 100 GG vorzulegen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat hat wegen Ausbleibens der Beteiligten im Termin gemäß § 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Lage der Akten entschieden.

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Das beklagte Land hat der Klägerin ErzG für die Zeit ab dem 7. Lebensmonat ihres Kindes wegen der Höhe des anzurechnenden Einkommens zu Recht versagt. Der Senat hält wie die Vorinstanzen die gesetzliche Regelung mit dem GG für vereinbar und hat deshalb keine Veranlassung, den Rechtsstreit gemäß Art 100 Abs 1 GG auszusetzen und die Sache dem BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Regelung vorzulegen.

Der Anspruch der Klägerin auf ErzG für ihr am 24. November 1989 geborenes Kind richtet sich nach § 1 Abs 1 Nr 1 bis 4 BErzGG idF vom 25. Juli 1989 (BGBl I S 1550), dessen Voraussetzungen unter den Beteiligten hier nicht streitig sind. Für Kinder, die – wie hier – nach dem 1. Juli 1989, aber vor dem 1. Juli 1990 geboren sind, wird das ErzG vom Tage der Geburt bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats gewährt (§ 4 Abs 1 BErzGG idF des Änderungsgesetzes vom 30. Juni 1989 ≪BErzGG-ÄndG≫ – BGBl I S 1297). Gemäß § 5 Abs 1 BErzGG beträgt das ErzG 600,– DM monatlich. Auf dieser Grundlage ist der Klägerin die Leistung bis zum Ende des 6. Lebensmonats ihres Sohnes bewilligt worden.

Nach § 5 Abs 2 Satz 1 BErzGG wird das ErzG vom Beginn des 7. Lebensmonats an gemindert, wenn das nach § 6 BErzGG maßgebliche Einkommen bei Verheirateten, die nicht dauernd getrennt leben, 29.400,– DM, und bei anderen Berechtigten 23.700,– DM übersteigt. Da im Falle der Klägerin zwei weitere Kinder zu berücksichtigen sind, erhöht sich der für sie maßgebliche Freibetrag von 29.400,– DM um 2 × 4.200,– DM auf 37.800,– DM. Nach § 5 Abs 3 BErzGG mindert sich das ErzG um den Zwölften Teil von 40 vH des die vorgenannten Grenzen übersteigenden Einkommens, so daß erst dann kein ErzG mehr zu zahlen ist, wenn das anzurechnende Einkommen die maßgebliche Einkommensgrenze um 18.000,– DM und damit hier den Betrag von 55.800,– DM übersteigt.

Maßgeblich für die Anrechnung – nicht auch für die Höhe – des Einkommens sind nach § 5 Abs 2 Satz 3 BErzGG die Verhältnisse am Beginn des 7. Lebensmonats des Kindes. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG mit ihrem Ehemann in Haushaltsgemeinschaft. Beide Ehegatten bezogen Einkommen. Nach § 6 Abs 1 BErzGG gilt als maßgebliches Einkommen die Summe der im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt erzielten positiven Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) des Berechtigten und seines nicht dauernd von ihm getrenntlebenden Ehegatten, und zwar so, wie sie die Besteuerung zugrunde gelegt worden sind (Satz 1). Ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten und mit Verlusten des Ehegatten ist nicht zulässig (Satz 2). Nach § 6 Abs 2 BErzGG werden von dem so errechneten Einkommen abgezogen ua die Einkommensteuer und die Kirchensteuer (Nr 1) sowie die steuerlich anerkannten Vorsorgeaufwendungen, zumindest die Vorsorgepauschale (Nr 2). Danach ergibt sich das maßgebliche Einkommen wie folgt:

Einkünfte des Ehemannes aus selbständiger Arbeit 5.295,– DM

Einkünfte des Ehemannes aus nichtselbständiger Arbeit + 65.716,– DM

abzgl Werbungskosten (§ 3 Abs 2 Nr 2 EStG) – 2.621,– DM

abzgl Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag – 1.080,– DM 67.310,– DM zuzgl Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit 2.800,– DM

abzgl Werbungskosten – 564,– DM

abzgl Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag – 1.080,– DM 1.156,– DM

Einkünfte beider Ehegatten: 67.310,– DM + 1.156,– DM 68.466,– DM

abzgl Vorsorgepauschale – 7.020,– DM

abzgl Einkommen- und Kirchensteuer – 0.000 … DM

maßgebliches Einkommen 61.446,– DM (entsprechend dem Widerspruchsbescheid)

Dieses Einkommen übersteigt den Betrag von 55.800,– DM, ab dem sich kein Zahlbetrag mehr errechnet. Die Rechtmäßigkeit der Versagung des ErzG hängt somit zunächst davon ab, ob Einkommen des Ehegatten überhaupt angerechnet werden darf, da die Klägerin allein mit ihren positiven Einkünften weit unterhalb der Einkommensgrenzen liegt, sodann davon, ob die Regelung, die eine Verrechnung mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten und mit Verlusten des Ehegatten untersagt, verfassungsmäßig ist. Denn bei Berücksichtigung der steuerlich ausgewiesenen Verluste der Klägerin aus Land- und Forstwirtschaft und der Verluste ihres Ehemannes aus Vermietung und Verpachtung in vollem Umfange von insgesamt mehr als 50.000,– DM hätte die Klägerin ebenfalls Anspruch auf das ungekürzte ErzG.

Gemessen an dem allein hier in Betracht kommenden Prüfungsmaßstab des Art 3 Abs 1 GG unter Berücksichtigung des Art 6 Abs 1 GG ergibt sich, daß die beanstandete Regelung verfassungsgemäß ist.

Dies gilt zunächst für die Anrechnung des Ehegatteneinkommens, obwohl das Einkommen des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft unberücksichtigt bleibt. Die unterschiedliche Behandlung der ehelichen und der eheähnlichen Gemeinschaft ist nicht gleichheitswidrig, weil die eheliche Gemeinschaft anders als die eheähnliche Gemeinschaft gerade in der Zeit des ErzG-Bezuges durch das Steuersplitting begünstigt wird und weil der erziehende Elternteil im Falle der ehelichen Gemeinschaft bei deren Scheitern einen stärkeren Unterhaltsanspruch aus den §§ 1361, 1570 des Bürgerlichen Gestzbuches (BGB) erwirbt als der erziehende Elternteil im Falle der eheähnlichen Gemeinschaft aus § 1615l Abs 2 Satz 2 BGB, wie im Urteil des Senats vom 13. März 1993 – 14b REg 2/92 – (zur Veröffentlichung vorgesehen) näher ausgeführt wird. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.

Mit der sich sodann stellende Frage des Verbots des Verlustausgleichs zwischen mehreren Einkunftsarten hat sich das BVerfG bereits für den Bereich des Kindergeldrechts befaßt und dazu erkannt, daß die in § 11 Abs 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) getroffene Regelung mit dem GG vereinbar ist (BVerfGE 82, 60 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1). § 11 Abs 1 Satz 2 BKGG stimmt mit § 6 Abs 1 Satz 2 BErzGG wörtlich überein; die die Kürzung des Zweitkindergeldes ab einer bestimmten Einkommenshöhe regelnde Vorschrift hat dem Gesetzgeber bei der Regelung des ErzG in der einkommensabhängigen Form als Vorbild gedient (vgl BT-Drucks 10/3792, S 17). § 11 BKGG wiederum knüpft an die entsprechende Regelung des § 21 Abs 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) idF des 7. BAföG-ÄndG vom 13. Juli 1981 (BGBl I 625) an (vgl BT-Drucks 9/2140, S 86). Sinn dieser übereinstimmenden Regelungen ist es zu verhindern, daß sich über die Besteuerung vorgenommene Subventionierungen auf die Sozialleistung auswirken (vgl BT-Drucks 9/603, S 23 zum BAföG-ÄndG). Daß solche steuerlichen Subventionierungen durch Anerkennung fiktiver Verluste sozialrechtlich dort nicht berücksichtigt werden, wo an die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie angeknüpft wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfGG aaO) und wird von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen. Das BVerfG (aaO) hat die Regelung im Kindergeldrecht nur insoweit einer näheren verfassungsrechtlichen Überprüfung unterzogen, als den steuerlich ausgewiesenen Verlusten „reale” Verluste zugrunde liegen, die das Einkommen effektiv mindern und dazu führen, daß bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise das Gesamteinkommen geringer ist als die Summe der positiven Einkünfte. Aber auch bei realen Verlusten hat das BVerfG ihre Nichtberücksichtigung ohne weiteres dann als legitim angesehen, wenn es den Berechtigten zuzumuten ist, auf die verlustbringende Tätigkeit zu verzichten, weil sie auf Dauer keine positiven Einkünfte erwarten läßt und nicht die Absicht der Gewinnerzielung im Vordergrund steht, sondern steuerliche oder sonstige Vorteile verfolgt werden oder gar einer bloßen Liebhaberei nachgegangen wird. Als ernsthaft im Hinblick auf eine gleichheitswidrige Benachteiligung in Betracht kommende Fälle hat es nur solche angesehen, in denen der Verlust aus einer Erwerbstätigkeit nicht dem Verantwortungsbereich des Berechtigten zugerechnet werden kann, sondern auf äußeren wirtschaftlichen Bedingungen beruht und möglicherweise nur vorübergehend ist. Auch die in solchen Fällen eintretende Benachteiligung durch Außerachtlassen der Verluste hat das BVerfG jedenfalls für den Bereich des Kindergeldrechts als verfassungsrechtlich hinnehmbar bezeichnet, weil sie nur einen kleinen Personenkreis betreffe und diese nur relativ geringfügig, nämlich mit einer Minderung des Kindergeldes von höchstens 360,– DM im Jahr belaste. Demgegenüber stehe der unverhältnismäßige Verwaltungsaufwand, den die Kindergeldbehörden betreiben müßten, um im Einzelfall zu ermitteln, ob den ausgewiesenen steuerlichen Verlusten nur fiktive oder aber reale Verluste zugrunde liegen und – bei realen Verlusten – in welchem Maße diese vermeidbar waren oder nicht. Weil der Gesetzgeber zu Recht davon habe ausgehen dürfen, daß in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle es sich um nicht relevante Verluste handeln werde, sei ein solcher Verwaltungsaufwand im Hinblick auf die kleine Zahl und die finanziell zu ertragende Benachteiligung der von berücksichtigungswürdigen Verlusten Betroffenen verfassungsrechtlich hinnehmbar. Im Hinblick darauf, daß das Verbot des Verlustausgleiches zwischen verschiedenen Einkunftsarten Ledige wie Ehegatten gleichermaßen trifft, hat das BVerfG auch unter Berücksichtigung des Art 6 Abs 1 GG keine Bedenken dagegen gesehen, daß eine Verrechnung positiver Einkünfte mit Verlusten des Ehegatten nicht zugelassen wird.

Dem hat sich der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) für den Bereich der Arbeitslosenhilfe angeschlossen (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 7). Der erkennende Senat hat ebenfalls keine Bedenken, sich den Ausführungen des BVerfG, die sich auf das Kindergeldrecht beziehen, anzuschließen, zumal auch von seiten der Beteiligten dagegen nichts vorgetragen worden ist, und sähe nur dann eine Möglichkeit, zu einem abweichenden Ergebnis zu kommen, wenn insoweit zwischen dem Kindergeldrecht und dem Recht des ErzG erhebliche Unterschiede bestünden; das ist aber entgegen der nicht näher begründeten Auffassung der Revision nicht der Fall.

Allerdings sind die sozialpolitischen Ziele der genannten Gesetze verschieden. Während das Kindergeld dem teilweisen Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung durch die Erziehung und Betreuung von Kindern dient, soll das ErzG einen Ausgleich für den Verzicht auf eine volle Erwerbstätigkeit und einen Anreiz bieten, sich statt dessen persönlich um die Betreuung und Erziehung eines Kindes in der frühen Lebensphase zu kümmern. Bei der Leistungsbemessung ist der Gesetzgeber aber gleichermaßen von der Erwägung ausgegangen, daß ein höheres Familieneinkommen eine geringere staatliche Entlastung durch Kindergeld und einen geringeren Anreiz zum Verzicht auf Erwerbstätigkeit durch Zahlung von ErzG erfordert als ein niedriges Einkommen. Die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie prägenden Faktoren sind in beiden Leistungsbereichen von gleicher Bedeutung. Das gilt insbesondere für steuerlich ausgewiesene Verluste in einer von mehreren Einkunftsarten oder bei dem Ehegatten des Berechtigten. Die Vorinstanzen haben deshalb zu Recht davon abgesehen, Art und Ursachen der in der steuerlichen Veranlagung für das Jahr 1987 ausgewiesenen Verluste weiter aufzuklären. Auch die Revision hat keine näheren Ausführungen dazu gemacht, daß und weshalb Verluste angefallen sind, die außerhalb der bisher vom BVerfG und den Vorinstanzen in Erwägung gezogenen Bandbreite liegen und eine andere rechtliche Beurteilung erfordern. Die Klägerin hat lediglich eingeräumt, daß es sich bei den Verlusten ihres Ehemannes aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 12.500.– DM um solche aus erhöhter Absetzung handele, also um eine typische Steuervergünstigung. Es fehlen aber weitere Ausführungen dazu, worauf die übrigen Verluste aus dieser Einkommensart zurückzuführen sind und weshalb etwaige Aufwendungen für Zinsen, Disagios etc aus Gründen der Gleichbehandlung berücksichtigt werden müssen, obwohl bei alleinigem Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit solche Aufwendungen für ein Einfamilienhaus ebenso wie Mietaufwendungen unberücksichtigt bleiben. Hinsichtlich der Verluste aus Land- und Forstwirtschaft legt die Revision ebenfalls nicht dar, daß es sich um solche handelt, die die Einkommenssituation der Familie so nachhaltig und unabwendbar beeinträchtigen, daß sie – obwohl steuerlich im Jahre 1987 angefallen – bei der Leistung des ErzG in den Jahren 1989/90 sich noch auswirken und den Verlust des Anspruchs als untragbar erscheinen lassen. Bei typischen Anfangsverlusten in der Phase des Aufbaus eines Unternehmens, das zum Zeitpunkt der ErzG-Leistung längst die Gewinnzone erreicht hat, würde eine einkommensmindernde Berücksichtigung sogar dem Sinn des Gesetzes zuwiderlaufen. Dieses will im Prinzip der wirtschaftlichen Situation der Familie im maßgeblichen Erziehungszeitraum Rechnung tragen. Die Anknüpfung an ein früher erzieltes Einkommen dient der Verwaltungsvereinfachung und geht von der im allgemeinen zutreffenden Einschätzung aus, daß die Einkommensverhältnisse relativ konstant sind und sich allenfalls geringfügig verbessern. Der Gesetzgeber hat dabei in Kauf genommen, daß es im Einzelfall durch große Einkommenssteigerungen auch bei abhängig Beschäftigten zu ungerechtfertigten Begünstigungen kommen kann; Benachteiligungen bei sinkenden Einkommen hat er durch die Wahlmöglichkeit des § 6 Abs 4 BErzGG vorgebeugt. Wenn danach Zufälligkeiten in der Leistungsbewilligung nicht ganz auszuschließen sind, so würden sich solche unerwünschten Auswirkungen nur noch vergrößern, wenn auch die Verluste aus selbständiger Tätigkeit, die typischerweise vorübergehender Art sind, bei einem relativ hohen Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit berücksichtigt würden.

Im übrigen hat das BVerfG für die nicht auszuschließenden Grenzfälle einer möglichen Benachteiligung durch das Verbot des Verlustausgleichs beim Kindergeld eine jährliche Leistungseinbuße von höchstens 360,– DM als hinnehmbar bezeichnet. Dies ist keine kleinere Einbuße als beim ErzG. Denn es ist zu beachten, daß es sich beim Kindergeld um eine Dauerleistung für zumeist weit über 20 Jahre handeln, im Einzelfall die Gesamteinbuße dort sogar deutlich über der maximalen Einbuße beim ErzG (hier: 9 × 600,– DM = 5.400,– DM) liegen kann.

Die Klägerin meint zu Unrecht, Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit würden durch das Verbot des Verlustausgleichs im Vergleich mit solchen aus nichtselbständiger Beschäftigung benachteiligt. Es ist der Klägerin zwar zuzugeben, daß nach allgemeiner Lebenserfahrung Verluste bei einer nichtselbständigen Beschäftigung nicht auftreten, so daß das Verbot des Verlustausgleichs nur beim Vorliegen von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit relevant werden kann. Das kann es indes nicht hindern, Verluste mit dem Charakter steuerlicher Subventionen dort, wo sie auftreten, aus den aufgezeigten Gründen unberücksichtigt zu lassen.

Der Ausschluß des Verlustausgleichs unter Ehegatten nach dem BErzGG ist ebenfalls nicht verfassungswidrig; das gilt selbst dann, wenn Verluste des Ehegatten unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sind und den Unterhaltsanspruch des erziehenden Elternteils bei Trennung oder Scheidung mindern. Der Gesetzgeber hat zwar die Anrechnung des Ehegatteneinkommens im Unterschied zum Einkommen des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft damit begründet, daß der erziehende Elternteil beim Scheitern der Gemeinschaft nur im Falle der Ehe auf das Einkommen des Partners zugreifen könne. Dieser im Gesetzgebungsverfahren genannte Unterschied zwischen ehelicher und eheähnlicher Gemeinschaft mag es für sich allein und im Einzelfall nicht rechtfertigen, Einkommen des Ehepartners zu berücksichtigen, das im Fall der Trennung infolge unterhaltsrechtlich anzuerkennender Verluste keinen Unterhaltsanspruch auslösen würde. Der Senat hat die Ungleichbehandlung von Ehe und eheähnlicher Gemeinschaft jedoch nicht nur aus diesem im Gesetzgebungsverfahren angesprochen Unterschied als gerechtfertigt angesehen, sondern vor allem wegen der Vorteile des Steuersplitting, die sich regelmäßig erheblich auswirken, wenn ein Ehegatte wegen der Kindererziehung auf sein Erwerbseinkommen verzichtet und der andere Ehegatte ein so hohes Einkommen erzielt, daß der Anspruch auf ErzG in der einkommensabhängigen Zeit gemindert oder ausgeschlossen wird (vgl hierzu BSG Urteil vom 10. März 1993 – 14b REg 2/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Insoweit durfte sich der Gesetzgeber bei der Einkommensanrechnung vom typischen Fall leiten und auch den seltenen Ausnahmefall aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung unberücksichtigt lassen, daß Ehegatten die Einkommensgrenze des BErzGG überschreiten und gleichwohl auch ohne Berücksichtigung des Steuersplittings fast keine Steuer zahlen, weil sie andere Steuervorteile in Anspruch nehmen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Ehegatten im Einzelfall aus dem Steuersplitting Vorteile gezogen haben und ob diese in ihrer Höhe mit dem ErzG vergleichbar sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173312

NJW 1993, 3349

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