Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung eines Beitragszuschlags für das Veranlagungsjahr

 

Beteiligte

…, Klägerin und Revisionsklägerin

Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie,Heidelberg, Kurfürsten-Anlage 62, Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Beteiligten streiten um einen der Klägerin auferlegten Beitragszuschlag für das Veranlagungsjahr 1989.

Die Klägerin beschäftigt sieben Mitarbeiter und ist Mitglied der Beklagten. Sie wendet sich gegen den Beitragsbescheid vom 24. April 1990 für das Jahr 1989, durch den ihr wegen eines Arbeitsunfalles eines ihrer Beschäftigten, für den die Beklagte Entschädigungsleistungen in Höhe von 158,50 DM aufwandte, ein Beitragszuschlag von 9 % (251,57 DM) auferlegt worden ist. Die Beklagte stützt die Erhebung des Zuschlages auf den Anhang zu § 28 ihrer Satzung. Der Anhang enthält ua folgende Regelungen:

"Bestimmungen über Nachlässe und Zuschläge 1. ...2. Den Berechnungen werden die Unfall- und Belastungsziffern des Einzelunternehmens (Eigenunfall- und -belastungsziffer) und der gesamten Berufsgenossenschaft (Durchschnittsunfall- und -belastungsziffer) zugrunde gelegt.3. Die Unfallziffern sind das Verhältnis der Anzahl der Arbeitsunfälle aus den beiden Jahren vor dem Umlagejahr zu den Summen der Normalbeiträge dieser Jahre. Die Belastungsziffern sind das Verhältnis der Entschädigungsleistungen im Jahr vor dem Umlagejahr für Arbeitsunfälle aus den fünf Jahren vor dem Umlagejahr zu den Normalbeiträgen im Jahr vor dem Umlagejahr. ...4. Weicht die Eigenunfallziffer von der Durchschnittsunfallziffer oder die Eigenbelastungsziffer von der Durchschnittsbelastungsziffer bei Unternehmen mit einem Beitrag in Höhe bis unter DM 4.000,-- um mehr als 50 % ab  DM 4.000,-- bis unter DM 20.000,-- um mehr als 40 % ab  DM 20.000,-- bis unter DM 100.000,-- um mehr als 30 % von DM 100.000,-- und mehr um mehr als 20 % im Jahr vor dem Umlagejahr nach oben oder unten ab, so wird der Beitrag für das Umlagejahr um die Hälfte der prozentualen Abweichungen erhöht oder ermäßigt, die über den festgesetzten Grenzwerten liegen.5. Die sich bei der Berechnung nach Nr 4 wegen der Schwere der Unfälle ergebenden Beitragserhöhungen oder -ermäßigungen werden bis zu einer Höhe von 20 % des Normalbeitrages im Umlagejahr berücksichtigt; die sich bei der Berechnung nach Nr 4 wegen der Zahl der Unfälle ergebenden Beitragserhöhungen oder -ermäßigungen werden bis zu einer Höhe von 10 % des Normalbeitrages im Umlagejahr berücksichtigt.6. ..."

Der Berechnung des Zuschlages legte die Beklagte eine Durchschnittsunfallziffer von 0,067 und eine Eigenunfallziffer von 0,248 zugrunde. Hieraus errechnete sich ein zehnprozentiger Zuschlag, der jedoch insgesamt auf 9 % reduziert wurde, da die Eigenbelastungsziffer der Klägerin mit 0,074 im Vergleich zu der Durchschnittsbelastungsziffer mit 0,151 zu einem Beitragsnachlaß von 1 % führte. Der Widerspruch der Klägerin gegen den Beitragsbescheid blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1991).

Das Sozialgericht (SG) hat die gegen die Erhebung des Beitragszuschlages unter Aufhebung eines Nachlasses von 30 vH auf den Normalbeitrag gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 24. April 1991). Es sei nicht erkennbar, daß die Satzungsregelung der Beklagten gegen höherrangiges Recht verstoße. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23. September 1992). Die Satzungsregelung verstoße weder gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit noch gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es könne der Klägerin auch nicht gestattet werden, die durch den Unfall verursachten Kosten der Beklagten zu erstatten und sich somit, wie etwa bei der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, den "Schadensrabatt" in voller Höhe zu erhalten. Die Satzung sehe eine solche Möglichkeit nicht vor. Eine derartige Regelung sei auch gesetzlich nicht geboten.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und die unzulässige Privilegierung von Großbetrieben gegenüber Kleinunternehmen. Die Unverhältnismäßigkeit der Regelung folge daraus, daß sie - die Klägerin - bei einem Vergleich mit dem Beitrag bei einem dreißigprozentigen Nachlaß, wie er ihr in den Vorjahren aufgrund der Unfallfreiheit gewährt worden sei, insgesamt mehr als den zehnfachen Betrag der Kosten an die Beklagte bezahlen müsse, als diese für den Unfall aufzuwenden gehabt habe. Das von der Beklagten gewählte Nachlaß-Zuschlag-Verfahren leide an einem Systemfehler. Für Betriebe mit einem jährlichen Normalbeitrag bis zu 4.000,-- DM ergäbe sich bereits bei einem Unfall der Wechsel vom maximalen Nachlaß zum maximalen Zuschlag, während zB ein Großbetrieb mit einem Normalbeitrag bis zu 200.000,-- DM bis zu 19 Unfälle mit einer Gesamtkostenbelastung von bis zu 12.000,-- DM aufweisen könne, ohne den maximalen Nachlaß zu verlieren. Jedenfalls müsse ihr aber die Möglichkeit eingeräumt werden, die der Beklagten entstandenen Kosten zu erstatten, um sich den Beitragsnachlaß zu erhalten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. September 1992 und das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. April 1991 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. April 1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Erhebung des Beitragszuschlages für das Beitragsjahr 1989 rechtmäßig ist.

Die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaften werden durch Beiträge der Unternehmer aufgebracht (§ 723 Abs 1 Reichsversicherungsordnung [RVO]). Dabei richtet sich die Höhe der Beiträge vorbehaltlich des § 723 Abs 2 RVO und des § 728 RVO nach dem Entgelt der Versicherten in den Unternehmen und nach dem Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen (§ 725 Abs 1 RVO). Darüberhinaus haben die Berufsgenossenschaften nach § 725 Abs 2 RVO das Recht und die Pflicht, unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Arbeitsunfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtet sich nach der Zahl, der Schwere oder den Kosten der Arbeitsunfälle oder nach mehreren dieser Merkmale. Anstelle von Nachlässen oder zusätzlich zu den Nachlässen können nach der Wirksamkeit der Unfallverhütung gestaffelte Prämien gewährt werden. Das Nähere bestimmt die Satzung (§ 725 Abs 2 Sätze 3, 4 und 5 RVO). Mit dem Beitragsausgleichsverfahren innerhalb der Unternehmerschaft soll ein finanzieller Ausgleich für die erwünschte Intensivierung der Unfallverhütung in den einzelnen Unternehmen geschaffen werden (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 542f/543 unter Hinweis auf den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik über den Entwurf eines Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes [UVNG] BT-Drucks IV/938 (neu), S 23 ff und den Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik vom 28. Februar 1967, BT-Drucks V/1470, S 120; BSG SozR 2200 § 725 Nr 10 mwN).

Die Erhebung des Zuschlages durch die Beklagte beruht auf § 28 ihrer Satzung und dessen Anhang. Die Satzung der Beklagten ist revisibles Recht (§ 162 SGG), weil ihr Geltungsbereich (§ 4 der Satzung) sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (BSGE 5, 222, 229; BSG SozR 2200 § 725 Nr 10). Die Satzung der Beklagten ist ihrer Rechtsnatur nach autonomes Recht (§§ 33, 34 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -[SGB IV], §§ 671, 798 RVO). Sie bildet eine der von der Selbstverwaltung beschlossenen Rechtsgrundlagen, auf Grund derer die Verwaltung der Berufsgenossenschaft die ihr als Mitglieder angehörenden Unternehmer ua zur Beitragsleistung heranzieht. Sie ist objektives Recht, unterliegt aber der Nachprüfung durch die Gerichte insbesondere darauf, ob sie mit dem Gesetz, auf dem die Ermächtigung beruht, und sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sind (BSGE 27, 237, 240; 68, 123, 124). Nicht zu entscheiden ist hingegen, ob es sich um die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung handelt (BSG Urteil vom 12. Dezember 1985 - 2 RU 70/84 - HV-Info 1986, 283; BSGE 54, 232, 235 mwN). § 725 Abs 2 RVO legt den Gestaltungsspielraum für die Satzungsregelungen fest, wobei der Gesetzgeber wie beim berufsgenossenschaftlichen Gefahrtarif (§ 730 RVO; s BSG Urteil vom 21. August 1991 - 2 RU 54/90 - HV-Info 1991, 2159 mwN) auch beim Beitragsausgleichsverfahren den Berufsgenossenschaften einen weiten Spielraum bei der Gestaltung überlassen hat (s BSG SozR 2200 § 725 Nr 10 mwN; von Hoyningen-Huene/Compensis SGb 1992, 145, 147; Schulz, Grundfragen des berufsgenossenschaftlichen Beitragsausgleichsverfahrens, Schriftenreihe des HVGBGeV, 1987, S 10).

Die Satzungsregelung der Beklagten, die über die sog Unfallziffer die Zahl der Arbeitsunfälle und über die sog Belastungsziffer die Kosten der Arbeitsunfälle berücksichtigt, ist mit der Ermächtigungsnorm des § 725 Abs 2 RVO vereinbar. Im Gegensatz zu der bis zum Erlaß des 19. Rentenanpassungsgesetzes vom 3. Juni 1976 (BGBl I 1373) geltenden Fassung des § 725 Abs 2 RVO, wonach bei der Auferlegung von Zuschlägen oder der Bewilligung von Nachlässen die Zahl und die Schwere der Arbeitsunfälle zu berücksichtigen waren, richtet sich die Höhe der Zuschläge oder Nachlässe seit der Neufassung des § 725 Abs 2 RVO nach der Zahl, der Schwere oder den Kosten der Arbeitsunfälle oder nach mehreren dieser Merkmale. Dabei kann unentschieden bleiben, ob - wie die Beklagte meint -mit der Belastungsziffer, die sich aus dem Verhältnis der Entschädigungsleistungen zu den Normalbeiträgen ergibt, die Schwere der Unfälle zu berücksichtigen sei (zur Frage, ob die Unfallbelastung zutreffend die Schwere eines Arbeitsunfalles wiedergibt BSGE 35, 74, 76 mwN zu § 725 Abs 2 aF RVO). Wenn es auch mit dem allgemeinen Sprachgebrauch durchaus vereinbar ist, die Schwere eines Unfalles danach zu bemessen, in welchem Umfang er Kosten verursacht, so ergibt sich doch aus dem Wortlaut des § 725 Abs 2 Satz 3 RVO ("der Zahl, der Schwere oder den Kosten der Arbeitsunfälle"), daß der Gesetzgeber Schwere und Kosten eines Arbeitsunfalles unterscheidet. Da es § 725 Abs 2 RVO aber auch zuläßt, nur die Zahl und die Kosten der Unfälle für das Beitragsausgleichsverfahren zu berücksichtigen, steht die Satzungsregelung der Beklagten in Einklang mit dieser Ermächtigungsnorm.

Die Satzungsregelung zum Beitragsausgleichsverfahren verstößt auch im übrigen nicht gegen höherrangiges Recht, wie der Senat in seinem Beschluß vom 25. August 1982 - 2 BU 209/81 - zu der bis auf Nr 5 Halbsatz 2 mit dem geltenden Recht übereinstimmenden Regelung in der im Jahre 1978 gültig gewesenen Satzung entschieden hat.

Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darin, daß sie mehr als den zehnfachen Betrag jener Kosten an die Beklagte zahlen müsse, als diese für den Unfall aufgewendet habe. Entgegen dieser Ansicht trägt die Satzungsregelung der Beklagten dem aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot - s BSG Urteil vom 18. Oktober 1984 - 2 RU 31/83 - HV-Info 20/1984, 39, 47/48; Schulz aaO S 44) Rechnung (Art 20 Grundgesetz [GG]; vgl dazu Herzog in Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Art 20, Anm VII, RdNr 71 ff). Mit dem von der Klägerin vorgetragenen Vergleich der tatsächlichen Beitragsbelastung (9 % Zuschlag) mit der fiktiven Beitragsbelastung unter Außerachtlassen des berücksichtigten Arbeitsunfalles (30 % Nachlaß) kann ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schon deshalb nicht begründet werden, weil ein solcher Vergleich vom Ansatz her unrichtig ist. In Betracht käme allenfalls ein Vergleich der tatsächlichen Beitragsbelastung mit den Normalbeiträgen. Hierbei ergab sich nur für das Beitragsjahr 1989 ein Zuschlag in Höhe von 251,57 DM. Im folgenden Beitragsjahr errechnete sich bereits wieder ein zehnprozentiger Nachlaß. Diese zusätzliche Beitragsbelastung steht nicht außer Verhältnis zu der von der Beklagten aufgebrachten Entschädigungsleistung von 158,50 DM.

Davon abgesehen kann aber der von der Klägerin vorgenommene Vergleich auch deshalb keinen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begründen, weil ein Vergleich zwischen der Beitragsbelastung eines Unternehmers mit den Aufwendungen der zuständigen Berufsgenossenschaft für Entschädigungsfälle der Beschäftigten dieses Unternehmens ausgeschlossen ist. Aus § 724 RVO ergibt sich vielmehr, daß das gesamte Beitragsaufkommen einer Berufsgenossenschaft mit deren Bedarf, der wesentlich von den Entschädigungsleistungen bestimmt wird, zu vergleichen ist. Es gilt das Umlageprinzip der nachträglichen Bedarfsdeckung (§ 724 Abs 1, § 740 RVO). Im Rahmen des Umlageverfahrens kann nicht verlangt werden, daß das Beitragsaufkommen die konkreten Kosten nicht übersteigt. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Kostenaufwand einer Berufsgenossenschaft für Unfälle in einem einzelnen Unternehmen und dem Anteil des betreffenden beitragspflichtigen Unternehmers an der gesamten Unfallast besteht daher nicht. Dies widerspräche auch dem Prinzip der Solidarhaftung. Der Grundsatz von Leistung und Gegenleistung hat in der gesetzlichen Unfallversicherung außer bei der Aufstellung des Gefahrtarifs keinen Raum (BSG SozR 2200 § 725 Nr 10; Brackmann aaO S 191, 361a und b, 540 mwN). Zu berücksichtigen ist außerdem, daß die Beklagte auch einen Unfall zu entschädigen hätte, der im Vergleich zum Beitragsaufkommen hohe Kosten verursachte, zB Entschädigungen an einen Querschnittsgelähmten oder an Hinterbliebene eines durch einen Arbeitsunfall tödlich Verletzten. Dann müßte die Beklagte hohe Entschädigungsleistungen erbringen, obwohl sie - im Fall der Klägerin - nur einen maximalen Beitragszuschlag von 30 % (hier 838,54 DM) beanspruchen könnte. Auch ein derartig schwerer Unfall würde bereits nach zwei Jahren bei der Unfallzahl und nach fünf Jahren bei der Belastungszahl nicht mehr berücksichtigt, obwohl er auch über diesen Zeitpunkt hinaus hohe Kosten verursachte.

Der gerügte Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG), den die Klägerin in einer Bevorzugung größerer Unternehmen sieht, liegt ebenfalls nicht vor. Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat den Inhalt, daß eine Gruppe von Normadressaten nicht unterschiedlich behandelt werden kann, wenn bei ihr im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Normadressaten keine Unterschiede bestehen, die eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnte (vgl BVerfGE 55, 72, 88; 85, 238, 244; BSG Urteil vom 12. Dezember 1985 aaO). Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG darin, daß bei der Beklagten versicherte Großunternehmen mehrere Unfälle und Entschädigungsleistungen bis zu einer bestimmten Höhe aufweisen können, ohne den maximalen Beitragsnachlaß von 30 % zu verlieren, während kleine Unternehmen bei der Unfallziffer nur dann, wenn kein anzuzeigender Arbeitsunfall vorliegt, den maximalen Nachlaß erhalten und ohne Abstufungsmöglichkeit bereits bei einem Arbeitsunfall den maximalen Zuschlag auferlegt bekommen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß ein großes Unternehmen mit einer hohen Beschäftigtenzahl auch bei vorbildlicher Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften kaum sämtliche Arbeitsunfälle in einem Jahr vermeiden kann. Je größer die Zahl der Beschäftigten in einem Unternehmen ist, desto höher ist das Risiko, daß es zu Arbeitsunfällen kommt, ohne daß allein aus der absoluten Zahl der Arbeitsunfälle auf die Intensität der Unfallverhütung geschlossen werden könnte. Es ist demnach gerechtfertigt, einen Unfall in einem Unternehmen mit sieben Beschäftigten und einem daraus resultierenden geringeren Normalbeitrag bei der Auferlegung von Beitragszuschlägen höher zu bewerten, als einen Unfall in einem größeren Unternehmen mit einem Vielfachen an Beschäftigten und einem hohen Normalbeitrag. Ein Unfall in einem Unternehmen mit wenigen Beschäftigten und einem entsprechend geringeren Normalbeitrag wiegt bei einem Vergleich mit der Durchschnittsunfallzahl schwerer als ein Unfall in einem größeren Unternehmen mit einer größeren Beschäftigtenzahl und einem hohen Normalbeitrag. Verwirklicht sich das in einem Großbetrieb bestehende höhere Risiko, daß es zu einem Arbeitsunfall kommt, so ist es gerechtfertigt, dies geringer zu bewerten, als wenn es in einem kleinen Unternehmen zu einem Unfall kommt, das Risiko aber auch wesentlich geringer ist. Die gleichmäßige Bewertung des Risikos wird gerade dadurch gewährleistet, daß die Unfallzahl sich aus dem Verhältnis zwischen der Zahl der Arbeitsunfälle und dem Normalbeitrag, der von der Betriebsgröße bestimmt wird, errechnet.

Die Satzungsregelung der Beklagten mit der gestaffelten Berücksichtigung der Abweichung von der Durchschnittsunfallzahl (von mehr als 50 % bei Kleinunternehmen bis zu mehr als 20 % bei Großunternehmen) trägt aber auch dem Umstand Rechnung, daß es bei gleicher Anzahl von Arbeitsunfällen bei einem geringeren Normalbeitrag schneller zu einer prozentual höheren Abweichung vom Durchschnitt kommt als bei einem höheren Normalbeitrag. Indem dem niedrigsten Beitrag der höchste Grenzwert und dem höchsten Beitrag der niedrigste Grenzwert zugeordnet wird, wird den Belangen der Mitgliedsunternehmen je nach ihrer Betriebsgröße, wie sich auch im Beitragsaufkommen niederschlägt, Rechnung getragen (LSG Niedersachsen Urteil vom 4. März 1980 - L 6 U 274/79 - HV-Info 1986, 994).

Entgegen der Auffassung der Klägerin erhält ein Kleinunternehmen auch nicht allein durch einen Unfall unabhängig von den hierdurch veranlaßten Kosten bereits einen maximalen Beitragszuschlag. Ein Arbeitsunfall führt auch bei einem Kleinunternehmen nur hinsichtlich der Unfallzahl zu einem maximalen Beitragszuschlag von 10 %. Dieser Zuschlag aus der Unfallziffer wird jedoch verrechnet mit einem Zuschlag oder Nachlaß aus der sogenannten Belastungsziffer, die die Kosten des Unfalles im Verhältnis zum Normalbeitrag bewertet. Auch bei Kleinunternehmen kann es bei der Belastungsziffer nicht nur zu einem maximalen Zuschlag oder einem maximalen Nachlaß kommen (auch im vorliegenden Fall kam es für die Klägerin noch zu einem Beitragsnachlaß von 1 %). Durch die Verrechnung des jeweiligen Nachlasses oder Zuschlages aus Unfallziffer einerseits und Belastungsziffer andererseits tritt ein differenzierter Beitragsausgleich ein (vorliegend errechnete sich ein Gesamtbeitragszuschlag von 9 % aus der Bandbreite von maximal 30 % Nachlaß bis maximal 30 % Zuschlag). Die Satzungsregelung der Beklagten trägt dem Umstand, daß es bei Kleinunternehmen mit einem geringen Normalbeitrag schnell eine größere prozentuale Abweichung von der Durchschnittsunfallziffer eintreten kann, außerdem dadurch Rechnung, daß sich die Unfallziffer mit einem maximalen Zuschlag oder Nachlaß von 10 % auswirkt, während die Belastungsziffer zu einem maximalen Nachlaß oder Zuschlag von 20 % führen kann.

Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, der Klägerin die Möglichkeit der Erstattung der wegen der Folgen des Arbeitsunfalles aufgewandten Kosten zu geben, damit diese weiterhin den maximalen Beitragsnachlaß erhält. Anders als in der gesetzlichen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, bei der in den Vertragsbestimmungen eine derartige Möglichkeit vorgesehen ist, räumt die Satzung der Beklagten eine solche Möglichkeit nicht ein. Das Gesetz selbst sieht eine derartige Erstattung nicht vor und verpflichtet auch nicht die Beklagte, eine entsprechende Satzungsregelung zu erlassen.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Breith. 1994, 653

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge