Orientierungssatz

Die Bezugnahme des Prozeßbevollmächtigten in der Revisionsbegründung auf die von dem früheren Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren eingereichten Schriftsätze reicht dazu nicht aus.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 2, § 164 Abs 2 S 3

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 07.02.1990; Aktenzeichen L 2 J 190/88)

 

Gründe

Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem die Berufung der Klägerin gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückweisenden Urteil im Urteilstenor ausgesprochen, daß die Revision zugelassen wird. In den Entscheidungsgründen hat es dazu ausgeführt, daß die Revision wegen "der grundsätzlichen Bedeutung der Frage des zeitlichen Umfangs der Rückwirkungsregelung des Art 2 § 12b Abs 3 Satz 3 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG)" zugelassen wird. Gegen dieses am 27. Februar 1990 der Klägerin zugestellte Urteil richtet sich ihre Revision. Zur Begründung führt die Klägerin in der Revisionsbegründung aus, daß die Auffassung des LSG in dem angefochtenen Urteil keinesfalls überzeuge. Es sei für die Zeit vom 1. September 1981 bis 31. August 1986 ein günstigerer Tabellenwert anzuwenden. Die Gründe hierfür seien von dem die Klägerin in der ersten und zweiten Instanz vertretenden Rentenberater bereits schon ausführlich dargelegt, so daß, um Wiederholungen zu vermeiden, von einer weiteren Begründung zu diesem Punkt Abstand genommen werden könne. Die Klägerin hat zugleich mit Einlegung der Revision auch Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Ihrer Ansicht nach ist die Revision im Urteil des LSG nicht zugelassen, soweit es um die Bewertung von Ausbildungsausfallzeiten mit dem Tabellenwert 8,33 geht. Insoweit hat die Klägerin Divergenz zu Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

   1. die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom

      21. Juli 1981 zu verurteilen, Altersruhegeld an

      die Klägerin für die Zeit vom 1. September 1981

      bis zum 31. August 1986 unter Berücksichtigung

      eines Tabellenwertes von 10,50 für die beitragslosen

      Zeiten (§ 1255a Abs 2 Satz 3 Reichsversicherungsordnung

      -RVO- idF des Haushaltsbegleitgesetzes

      -HBegleitG- 1983) zu zahlen,

   2. die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes

      (SGG) zuzulassen, soweit die

      Frage der Berücksichtigung des Wertes von 8,33

      für Ausbildungsausfallzeiten ab 1. September

      1986 bei der Berechnung der Rentenleistung

      strittig ist.

Die Beklagte beantragt,

   die Revision zurückzuweisen und die Nichtzulassungsbeschwerde

   als unzulässig zu verwerfen.

Die Klägerin ist darauf hingewiesen worden, daß die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig sein könnte, weil die Revision uneingeschränkt zugelassen worden ist. Sie ist ferner darauf hingewiesen worden, daß es Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Revisionsbegründung gibt.

Die Revision war nach § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Revision ist nicht ausreichend begründet. Nach § 164 Abs 2 SGG ist die eingelegte Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils zu begründen. Nach Satz 3 der Vorschrift muß die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Eine ausreichende Begründung iS dieser Vorschrift liegt schon deshalb nicht vor, weil die von der Klägerin gegebene Revisionsbegründung die verletzte Rechtsnorm nicht bezeichnet. Eine Verletzung des § 1255a Abs 2 Satz 1 RVO rügt die Klägerin nicht. Dies ist aber die einzige Norm, die sie überhaupt in der Revisionsbegründung erwähnt. Die Revision entspricht aber auch im übrigen nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Die Bezugnahme des Prozeßbevollmächtigten in der Revisionsbegründung auf die von dem früheren Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren eingereichten Schriftsätze reicht dazu nicht aus. Die Revisionsbegründung selbst muß erkennen lassen, daß der Prozeßbevollmächtigte im Revisionsverfahren den Prozeßstoff geprüft und durchgearbeitet hat. Der Prozeßbevollmächtigte hat "als Ergebnis der eigenen Nachprüfung... dem Revisionsgericht die Gründe darzulegen, die das Urteil nach der Meinung des Revisionsklägers unrichtig erscheinen lassen" (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nr 5 S 5, 6). Die Rechtsprechung, daß die Begründung der Revision nur dann als formgerecht angesehen wird, wenn sie die Prüfung und Durcharbeitung des Prozeßstoffes durch den zugelassenen Prozeßbevollmächtigten erkennen läßt, ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BVerfG SozR 1500 § 164 Nr 17). Es kann offenbleiben, ob die für die - unzulässige - Nichtzulassungsbeschwerde gegebene Begründung wegen der uneingeschränkt zugelassenen Revision auch als Teil der Revisionsbegründung angesehen werden kann. Selbst wenn man dies tun wollte, wäre die Revision auch unter Hinzuziehung dieser Begründung nicht ausreichend begründet. Auch in der Nichtzulassungsbeschwerde ist keine verletzte Rechtsnorm angegeben. Außerdem ist auch hier nicht erkennbar dargelegt, aufgrund welcher Tatsachen das LSG eine Norm unrichtig angewendet haben soll.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Die Klägerin hat für die Nichtzulassungsbeschwerde kein Rechtsschutzinteresse, denn das LSG hat die Revision im angefochtenen Urteil uneingeschränkt zugelassen. Zwar ist es zulässig, die Revision nur teilweise zuzulassen. Maßgebend für den Umfang, in welchem die Revision zugelassen ist, ist aber der Urteilstenor. Nach dem Urteilstenor ist die Revision uneingeschränkt zugelassen. Die vom LSG gegebene Begründung für die Zulassung der Revision bindet die Beteiligten nicht. Im übrigen wäre die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin aber auch unzulässig, denn sie ist nicht formgerecht begründet. Der Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann formgerecht dargelegt, wenn sowohl der Rechtssatz des LSG als auch der oder die Rechtssätze des BSG, die voneinander abweichen sollen, klar bezeichnet sind. Hier hat die Klägerin in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde keinen Rechtssatz des LSG bezeichnet, mit dem es von Urteilen des BSG abweicht.

Die danach unzulässige Beschwerde der Klägerin hat der Senat in entsprechender Anwendung des § 169 SGG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig verworfen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 5 und BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661124

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