1 Das Austrittsabkommen

Am 29.3.2017 unterrichtete das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland die Europäische Union (EU) davon, aus der EU auszutreten – der Beginn des "Brexit". Erstmalig in der Geschichte der EU wurde damit das Austrittsverfahren nach Art. 50 EUV eingeleitet. Nach langen Verhandlungen hat das britische Parlament am 20.12.2019 dem "Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft" (Austrittsabkommen) zugestimmt. Das Europäische Parlament hat am 29.1.2020 ebenfalls dem Austrittsabkommen zugestimmt, sodass das Vereinigte Königreich die Europäische Union zum 1.2.2020 verlassen hat. Am 24.12.2020 wurde schließlich das endgültige "Handels- und Kooperationsabkommen" zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich über die zukünftig dauerhafte Regelung des Verhältnisses der beiden Parteien ab dem 1.1.2021 abgeschlossen. Das Abkommen trat nach der finalen Zustimmung des EU-Parlaments am 1.5.2021 endgültig in Kraft.

2 Die Übergangsphase

Das Austrittsabkommen sah einen Übergangszeitraum bis zum 31.12.2020 vor, in dem das Vereinigte Königreich rechtlich weiterhin wie ein Mitgliedstaat behandelt wurde. Damit galt das EU-Recht im und gegenüber dem Vereinigten Königreich grundsätzlich weiter, jedoch ohne Beteiligung des Vereinigten Königreichs an EU-Institutionen. Arbeitsrechtliche Änderungen ergaben sich demnach vorerst nicht. Auch nach dem deutschen Brexit-Übergangsgesetz galt das Vereinigte Königreich in der Übergangsphase als Mitgliedstaat. Die EU und das Vereinigte Königreich wollten die Übergangsphase dazu nutzen, um Verhandlungen mit dem Ziel eines dauerhaften Abkommens über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zu führen – dies ist in letzter Minute gelungen. Damit wird das Vereinigte Königreich unionsrechtlich seit dem 1.1.2021 als sog. "Drittstaat" qualifiziert.

 
Hinweis

"Bestandsschutz" bereits durch das Austrittsabkommen

Der jeweilige Status jedes einzelnen EU-Bürgers – aber auch britischer Staatsbürger – ab dem Stichtag 31.12.2020 wird durch das Abkommen selbst umfassend und dauerhaft auf Lebenszeit festgeschrieben. EU-Bürger können daher auch zukünftig weitgehend uneingeschränkt im Vereinigten Königreich leben und arbeiten.[1] Die entsprechende Umsetzung erfolgte in der Bundesrepublik durch das "Gesetz zur Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU" v. 24.11.2020. Danach bleibt den britischen Staatsangehörigen sowie ihren Angehörigen, die zum Stichtag 31.12.2020 von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht haben bzw. als Grenzgänger beschäftigt waren, ihr Status als EU-Angehörige lebenslang erhalten. Sie mussten dies lediglich bis um 30.6.2021 bei der zuständigen Ausländerbehörde angezeigt haben und erhalten daraufhin einen entsprechenden Nachweis als "Aufenthaltsdokument-GB" (§ 16 Abs. 2 FreizügG/EU) bzw. als Grenzgänger ein "Aufenthaltsdokument für Grenzgänger-GB" (§ 16 Abs. 3 FreizügG/EU).

Die nachfolgenden Darstellungen beziehen sich daher auf Fälle, die nicht unter diesen Bestandsschutz fallen.

[1] Welche Personen in welchem Umfang den Bestandsschutz genießen, kann der "Guidance Note" der Kommission vom 20.5.2020 entnommen werden (Amtsblatt EU 2020/C 173/01).

3 Das EU-Arbeitsrecht und der Brexit

Für das richtige Verständnis der arbeitsrechtlichen Konsequenzen des Brexits generell ist die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Rechtsquellen des EU-Rechts wichtig, da diese unterschiedlichen Einfluss auf das jeweilige nationale Recht haben. Dabei gilt: sämtliche Rechtsquellen des EU-Rechts, die unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten beanspruchen, verlieren ihre Wirkung unmittelbar. Dies betrifft die Regelungen auf der Ebene des sog. primären Unionsrechts (dazu gehören insbesondere die Grundfreiheiten wie die Freizügigkeit, aber auch Diskriminierungsverbote etc., die in den Unionsverträgen selbst geregelt sind), aber auch die Europäischen Verordnungen.

 
Praxis-Beispiel

Freizügigkeit und Schutz der Wanderarbeitnehmer

Die Verordnung über den Schutz von Wanderarbeitnehmern[1] galt aufgrund ihres Rechtscharakters als unmittelbares nationales Recht auch in Großbritannien. Aufgrund der Verordnung ist jegliche, allein auf der Staatsangehörigkeit beruhende Ungleichbehandlung verboten. Durch den Austritt Großbritanniens hat diese Verordnung sofort ihre unmittelbare Wirkung verloren.

Die meisten arbeitsrechtlichen Regelungen bestehen allerdings als Europäische Richtlinien. Diese gelten nicht unmittelbar als nationales Recht, sondern mussten von den einzelnen Mitgliedstaaten – so auch dem Vereinigten Königreich – umgesetzt werden. Bis zu einer Änderung dieser Umsetzungsgesetze – die allein auf nationaler Ebene erfolgen kann – wirkt das Recht der Europäischen Union mittelbar fort.

 
Praxis-Beispiel

Betriebsübergang

Die Europäische Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG ist sowohl in deutsches[2] als auch in britisches Recht ("Transfer of Undertakings – Protection of Employment (TUPE)") umgesetzt worden. Die Rechte der Arbeitnehmer im Fall eines Betriebsübergangs bestimmen s...

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