Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung aus dem Vermittlungsbudget: Einstellung der Arbeitsvermittlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aus einem Vermerk der Sachbearbeiterin, dass ein Bescheid "abgesandt" worden ist, kann nicht auf die Aufgabe zur Post im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X geschlossen werden.

2. Die Einstellung der Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III seitens der Agentur für Arbeit erfordert aufgrund der Eingriffsqualität der Entscheidung ein Handeln der Verwaltung durch Verwaltungsakt.

3. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Erforderlichkeit einer konkreten, richtigen und vollständigen Rechtsfolgenbelehrung bei drohender Sperrzeit ist auch auf die drohende Einstellung der Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III zu übertragen.

 

Orientierungssatz

Zitierungen zu Leitsatz 3: Vergleiche BSG, 16. September 1999, B 7 AL 32/98 R, BSG, 1. Juni 2006, B 7a AL 26/05 R

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.05.2020 und der Bescheid der Beklagten vom 01.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2019 abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Anträge des Klägers vom 01.04.2019 und 16.06.2019 auf Kostenerstattung hinsichtlich der Bewerbungsgespräche am 21.05.2019, 22.05.2019, 23.05.2019, 24.05.2019, 27.05.2019, 28.05.2019, 11.06.2019 und 17.06.2019 zu entscheiden.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme von weiteren Bewerbungskosten aus dem Vermittlungsbudget.

Dem 1960 geborenen Kläger wurde von der Beklagten zuletzt Arbeitslosengeld (Alg) für 180 Tage im Zeitraum vom 21.11.2017 bis 11.02.2018 (Sperrzeit vom 21.11.2017 bis 27.11.2017, Bescheide vom 22.12.2017, 08.01.2018 und 22.03.2018) sowie vom 30.06.2018 bis 07.10.2018 (Sperrzeit vom 30.06.2018 bis 06.07.2018, Bescheide vom 19.07.2018 und 14.08.2018) bewilligt. In diesem Zusammenhang hatte der Kläger mehrfach, etwa mit Schreiben vom 12.07.2018, mitgeteilt, er würde gerne als Lehrkraft in medizinischen Fachschulen jedweder Art, als Rettungsassistent und / oder Krankenpflegehelfer in Notaufnahmen, in der Ambulanz oder im Aufwachraum in Krankenhäusern der Region und in Dialysezentren zur ambulanten Dialyseversorgung vermittelt werden. Sein Leistungsbezug endete am 07.10.2018 wegen Erschöpfung des Anspruchs. Vom 12.02.2018 bis 28.02.2018 erhielt er im unmittelbaren Anschluss an den Bezug von Alg Krankengeld. In der Zeit vom 01.03.2018 bis 23.04.2018 (54 Tage) ging er einer Beschäftigung im Umfang von 18 Stunden pro Woche beim Pflegedienst A. K-Stadt, vom 08.03.2018 bis 29.06.2018 (114 Tage) einer befristeten Beschäftigung als Fachpraxislehrer im Umfang von 20 Stunden pro Woche beim Staatlichen Schulamt N. und vom 29.10.2018 bis 31.03.2019 (154 Tage) einer befristeten Beschäftigung beim Regionalen Beruflichen Bildungszentrum der Landeshauptstadt S. nach. Am 01.03.2019 meldete sich der Kläger zum 01.04.2019 arbeitsuchend und beantragte formlos ab 01.04.2019 Alg; bei einer persönlichen Vorsprache am 01.04.2019 meldete er sich arbeitslos.

Die Beklagte lud den Kläger am 01.04.2019 und 17.04.2019 zu Meldeterminen am 17.04.2019 und 08.05.2019 ein, die der Kläger mit E-Mails vom 15.04.2019 und 03.05.2019 jeweils wegen Vorstellungsgesprächen absagte.

Unter dem 30.04.2019 findet sich ein Verbis-Vermerk der Arbeitsvermittlerin, wonach an diesem Tag mit dem Kläger persönlich über die Erstattung von Reise- und Bewerbungskosten aus dem Vermittlungsbudget gesprochen worden sei. Die Zuständigkeit der Beklagten liege vor. Reisekosten würden bei Vorstellungsgesprächen im Tagespendelbereich (ca. 200 km) erstattet; keine Erstattung finde statt bei Vorstellungsgesprächen bis zum einem Betrag von 8,00 € bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder bei einfacher Fahrtstrecke von unter 20 km; der Höchstbetrag pro Fahrt betrage maximal 130,00 €. Weitere Leistungen aus dem Vermittlungsbudget erfolgten auf Antragstellung und nach individueller Prüfung.

Mit Schreiben vom 03.05.2019 forderte die Beklagte den Kläger zur Meldung bei seiner Arbeitsvermittlerin am 16.05.2019 auf, wozu er einen Nachweis über seine Bewerbungsaktivitäten (zum Beispiel Kopien seiner Bewerbungsanschreiben) mitbringen sollte. In einer angefügten Rechtsfolgenbelehrung wurde der Kläger informiert, dass es für seine passgenaue Vermittlung notwendig sei, mit ihm gemeinsam ein individuelles Bewerberprofil zu erstellen. In einem persönlichen Gespräch solle daher seine Situation bezüglich einer beruflichen Eingliederung festgestellt und besprochen werden; hierfür seien unter anderem Auskünfte zu beruflichen Kenntnissen und Erfahrungen, persönliche Vorstellungen hinsichtlich des weiteren Werdegangs sowie Auswirkungen von eventuellen gesundheitlichen / örtlichen / zeitlichen Einschränku...

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