Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung: Rohrnetzbauer. Eingruppierung eines Rohrnetzbauers, der in einem Versorgungsbetrieb einer Stadt in dem Bereich Instandhaltung der Gas- und Wasserrohrsysteme tätig ist. zusätzliche Spezialausbildung. komplizierte und vielseitige Arbeiten an Rohrnetzen mit unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen. Eingruppierung öffentl. Dienst

 

Orientierungssatz

  • Eine “zusätzliche Spezialausbildung” im Sinne des einschlägigen Tarifvertrages erfordert ein von einer verantwortlichen Instanz festgelegtes inhaltliches und organisatorisches Konzept; das Anlernen und die Wissensvermittlung durch erfahrene Kollegen während der Arbeitseinsätze reicht dafür nicht aus.
  • Voraussetzung für eine “zusätzliche Spezialausbildung” im tariflichen Sinne ist auch, daß Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die über die Inhalte der Berufsausbildung und der beruflichen Erfahrung hinausgehen; die Aktualisierung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten bzw. die berufliche Weiterbildung im Hinblick auf neue technische Entwicklungen genügen nicht.
 

Normenkette

Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II); Bezirks-Zusatztarifvertrag für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen (BZT-G/NRW); Lohngruppenverzeichnis zum BZT-G/NRW Lohngr. 5 Abschn. a Nr. 1, Lohngr. 6 Abschn. a Nr. 43, Lohngr. 7 Abschn. a Nr. 14, Lohngr. 8 und Lohngr. 8a

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 25.01.2001; Aktenzeichen 4 Sa 1270/00)

ArbG Dortmund (Urteil vom 16.02.1994; Aktenzeichen 5 Ca 5725/92)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 25. Januar 2001 – 4 Sa 1270/00 – aufgehoben.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 16. Februar 1994 – 5 Ca 5725/92 – wird zurückgewiesen.

  • Die Anschlußrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Berufung, Revision und Anschlußrevision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Vergütung des Klägers.

Die in der Rechtsform der GmbH organisierte Beklagte hat mit Wirkung vom 1. Januar 1995 die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft organisierten Versorgungsbetriebe der Stadt Dortmund übernommen. Der am 4. Mai 1938 geborene Kläger, der Mitglied der Gewerkschaft ÖTV (jetzt verdi) war, stand seit dem 1. April 1953 bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. März 2000 in den Diensten der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen. Er hat am 31. März 1956 die Facharbeiterprüfung als Rohrnetzbauer bestanden. Der Kläger gehörte zu dem Organisationsbereich Betrieb (GB), dessen Aufgabe die Instandhaltung der Gas- und Wasserrohrsysteme der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerinnen war. Dieser Organisationsbereich Betrieb bestand aus den Organisationseinheiten Inspektions- und Entstörungsdienst (GBBE), Arbeitsvorbereitung (GBBV), Sanierung und Anschlußerneuerung (GBBA), Baudurchführung Nord (GBBN) und Baudurchführung Süd (GBBS). Der Kläger war als Rohrnetzbauer in der Organisationseinheit Baudurchführung Süd (GBBS) beschäftigt. Diese bestand aus zwei Meistern und etwa 25 Handwerkern, die idR in Kolonnen von zwei Mitarbeitern für die Reparaturaufträge eingesetzt wurden.

Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen wendeten seit dem Überleitungstarifvertrag vom 23. März 1976 den Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) in der jeweils gültigen Fassung sowie den Bezirks-Zusatztarifvertrag für den Bereich des kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen (BZT-G/NRW) an. Sie waren Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen (KAV NW). Nach Abschluß des Überleitungstarifvertrages wurde dem Kläger mit Schreiben vom 15. Juni 1977 mitgeteilt, daß er nach dem Lohngruppenverzeichnis (LGrVZ) zum BZT-G/NRW ab dem 1. Dezember 1975 ausgehend von der Grundeingruppierung in die Lohngr. VI Abschn. a Nr. 39 auf Grund des Bewährungsaufstiegs in die nächsthöhere Lohngruppe eingruppiert sei. Nach der Änderung des LGrVZ durch den 54. Änderungstarifvertrag zum BZT-G/NRW vom 7. Dezember 1990 erhielt der Kläger das Schreiben vom 18. Juni 1991, wonach er rückwirkend ab 1. Oktober 1990 ausgehend von der Grundeingruppierung in die Lohngr. 6 Abschn. a Nr. 43 LGrVZ auf Grund des Bewährungs- und Zeitaufstiegs in die Lohngr. 7a LGrVZ eingruppiert sei. Der Kläger machte mit Schreiben vom 24. Juli 1991 geltend, daß er in die Lohngr. 7 Abschn. a Nr. 14 LGrVZ grundeingruppiert sei. Die Beklagte lehnte das nach einem weiteren Schriftwechsel unter Einschaltung der ÖTV auf Seiten des Klägers endgültig mit Schreiben vom 6. August 1992 ab.

Am 1. Dezember 1993 rückte der Kläger als ordentliches Betriebsratsmitglied in den Betriebsrat nach. Später war er als Betriebsratsmitglied von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Im Hinblick darauf haben sich die Parteien als Grundlage für die tarifliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers auf den Arbeitseinsatz der Kolonne B… aus der Organisationseinheit GBBS in der Zeit vom 20. bis 25. Januar 1997 als repräsentativen Zeitraum geeinigt.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihn ab dem 1. Oktober 1990 auf Grund des Bewährungs- und Zeitaufstiegs nach der Lohngr. 8a BZT-G/NRW zu vergüten. Er hat die Auffassung vertreten, daß er die Voraussetzungen für die Grundeingruppierung in die Lohngr. 7 Abschn. a Nr. 14 LGrVZ erfülle. Er besitze auf Grund von Schulungen und auf Grund der Aneignung von Kenntnissen durch die Unterweisung von erfahrenen Beschäftigten während der Arbeit die zusätzliche Spezialausbildung, die keinen weiteren formellen Ausbildungsgang erfordere. Er führe auf Grund dieser Spezialausbildung in dem Wasser- und Gasrohrnetz mit unstreitig unterschiedlichen Druckstufen und -zonen auch komplizierte und vielseitige Arbeiten aus. Dabei handele er auch iSd. tarifvertraglichen Regelung selbständig und verantwortlich, weil er bei der Auftragsvergabe nur allgemeine Arbeitshinweise erhalte. Am 1. Oktober 1990 seien sowohl die vierjährige Bewährungszeit für den Aufstieg nach Lohngr. 8 LGrVZ als auch die vierjährige Tätigkeit für den weiteren Aufstieg nach Lohngr. 8a LGrVZ erfüllt gewesen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 Lohn nach der Lohngr. 8a des LGrVZ zu § 4 Abs. 2 BZT-G/NRW vom 7. Dezember 1990 zu zahlen und die nachzuzahlenden Nettobeträge mit jeweils 4  ab Fälligkeit zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß der Kläger zutreffend in die Lohngr. 7a LGrVZ eingruppiert sei, und zwar auf Grund des Bewährungs- und Zeitaufstiegs aus der Lohngr. 6 Abschn. a Nr. 43 LGrVZ. Die von dem Kläger erworbenen Kenntnisse und die von ihm absolvierten Schulungen seien keine zusätzliche Spezialausbildung im tariflichen Sinne. Im übrigen führe er komplizierte und vielseitige Arbeiten jedenfalls nicht selbständig und verantwortlich durch, weil komplizierte Sperrungen von den Meistern geplant bzw. bereits von dem Entstörungsdienst vorgenommen würden und weil Umstellungen, die nur im Wasserrohrsystem und auch dort nur sehr selten vorkämen, von dem Meister geplant und überwacht würden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Urteil vom 15. Januar 1998 (– 4 (18) Sa 682/94 –) der Klage mit Ausnahme des Zinsantrags stattgegeben. Der Senat hat durch Urteil vom 26. April 2000 das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen, weil das Urteil wegen der verspäteten Absetzung als nicht mit Gründen versehen anzusehen war und somit ein absoluter Revisionsgrund gem. § 551 Nr. 7 ZPO vorlag. Das Landesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 25. Januar 2001 der Klage erneut mit Ausnahme des Zinsantrags stattgegeben, und zwar beschränkt auf den Zeitraum bis zum 29. Februar 2000, dh. bis zum Eintritt des Klägers in den Ruhestand. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision und verfolgt im Wege der Anschlußrevision seinen Zinsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch, in der Zeit vom 1. Oktober 1990 bis zum 29. Februar 2000 nach der Lohngr. 8a LGrVZ zu § 4 Abs. 2 BZT-G/NRW vergütet zu werden. Somit ist auch der mit der Anschlußrevision vom Kläger weiterverfolgte Zinsanspruch nicht gegeben.

  • Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen, auch wenn die Beklagte wie vorliegend privatrechtlich organisiert ist. Das gilt auch insoweit, als der Feststellungsantrag Zinsforderungen zum Gegenstand hat (Senat 10. Juli 1996 – 4 AZR 996/94 – AP BMT-G II § 20 Nr. 5 mwN). Dem steht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht entgegen, daß der Antrag auf die Verzinsung der “nachzuzahlenden Nettobeträge” gerichtet ist und nicht auf die “Nettodifferenzbeträge”. Die inhaltlich übereinstimmende Bedeutung beider Formulierungen ergibt sich durch die Auslegung des Antrags, zumal der Kläger in der ersten Instanz die zweite Formulierung gebraucht hat. Da es sich um einen Feststellungsantrag handelt, steht der Zulässigkeit auch nicht entgegen, daß die Verurteilung zur Zahlung der Zinsen “ab Fälligkeit” nicht vollstreckungsfähig wäre.
  • Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Grundeingruppierung in die Lohngr. 7 Abschn. a Nr. 14 LGrVZ, so daß der Bewährungs- und Zeitaufstieg nach der Lohngr. 8 bzw. 8a LGrVZ nicht in Betracht kommt.

    • Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für das Arbeitsverhältnis der Parteien die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) und des Bezirks-Zusatztarifvertrages für den Bereich des kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen (BZT–G/NRW) unmittelbar und zwingend.
    • Nach § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 BZT-G/NRW ist der Arbeiter in die Lohngruppe des Lohngruppenverzeichnisses eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte entspricht.
    • Die danach maßgeblichen Bestimmungen des Lohngruppenverzeichnisses in der Fassung des 54. Änderungstarifvertrages zum BZT-G/NRW vom 7. Dezember 1990 (LGrVZ) lauten:

      Lohngruppe 5

      1. Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren, die in ihrem oder einem diesem verwandten Beruf beschäftigt werden (gelernte Arbeiter) sowie Arbeiter mit einer der Tätigkeit eines solchen gelernten Arbeiters gleichwertigen Tätigkeit

      Abschnitt a)

      1. Gelernte Handwerker, Angehörige anderer anerkannter Ausbildungsberufe (Lehrberufe), die eine ordnungsgemäß abgeschlossene Berufsausbildung (Lehrzeit) durch Zeugnisse nachgewiesen haben und in ihrem erlernten oder einem verwandten Fach beschäftigt werden

      Lohngruppe 6

      1. Arbeiter der Lohngruppe 5 mit besonders qualifizierter oder besonders vielseitiger Tätigkeit

      Abschnitt a)

      Gelernte Handwerker, Angehörige anderer anerkannter Ausbildungsberufe (Lehrberufe), die eine ordnungsgemäß abgeschlossene Berufsausbildung (Lehrzeit) durch Zeugnisse nachgewiesen haben und in ihrem erlernten oder einem verwandten Fach eine besondere qualifizierte Spezialtätigkeit verrichten, und zwar als

      43. Rohrnetzbauer u.ä., die alle im Verteilernetz des Wasserversorgungsunternehmens vorkommende Arbeiten, wie an Druckerhöhungsanlagen, an Hausdruckregleranlagen, Hausanschlußherstellung, Rohrnetzbau auszuführen haben.

      Lohngruppe 7

      1. Gelernte Arbeiter der Lohngruppe 5 mit Tätigkeiten, die durch bezirkliche Vereinbarung im einzelnen festgelegt sind (Ausschließlichkeitskatalog)

      Abschnitt a)

      Gelernte Handwerker, Angehörige anderer anerkannter Ausbildungsberufe (Lehrberufe) mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren, die eine ordnungsgemäß abgeschlossene Berufsausbildung (Lehrzeit) durch Zeugnisse nachgewiesen haben, die eine der folgenden Tätigkeiten verrichten:

      14. Installateure, Rohrnetzbauer u.ä., die aufgrund zusätzlicher Spezialausbildung selbständig und verantwortlich komplizierte und vielseitige Arbeiten an Rohrnetzen mit unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen, wie Sperrungen und Umstellungen bei der Reparatur, Sanierung oder Überprüfung, vorzunehmen haben

      Lohngruppe 8

      Arbeiter der Lohngruppe 7 Abschnitt a) nach vierjähriger Bewährung in dieser Lohngruppe und diesem Abschnitt

      Lohngruppe 8a

      Arbeiter der Lohngruppe 8 nach vierjähriger Tätigkeit in dieser Lohngruppe

      Dem Lohngruppenverzeichnis sind “Vorbemerkungen zu allen Lohngruppen” vorangestellt, die – soweit hier von Interesse – den folgenden Inhalt haben:

      3. Die in den jeweiligen Lohngruppen im Fettdruck vorangestellten Überschriften sind keine Tätigkeitsmerkmale, auf die eine Eingruppierung gestützt werden kann; sie umschreiben als Oberbegriffe aus dem Rahmentarifvertrag zu § 20 BMT-G II nur das von den Tarifvertragsparteien vorgegebene systematische Wertgefüge für die einzelnen Tätigkeitsmerkmale.

      5. Die Anforderungen “selbständig” und “verantwortlich” verlangen ab der Lohngruppe 6, daß der Arbeiter über das bis zur Lohngruppe 5 geforderte Maß hinaus die Tätigkeit der jeweiligen Tätigkeitsmerkmale ohne besondere Anweisung ausführt (“selbständig”) und für die durchzuführende Arbeit die volle Verantwortung trägt (“verantwortlich”). Darüber hinausgehende Verantwortung aus anderem Recht ist keine Anforderung im Sinne der Tätigkeitsmerkmale.

    • Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen für die Grundeingruppierung des Klägers in die Lohngr. 7 Abschn. a Nr. 14 LGrVZ bejaht. Dabei ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger auf Grund seiner am 31. März 1956 erfolgreich abgeschlossenen Facharbeiterausbildung als “Rohrnetzbauer” die persönlichen Voraussetzungen iSd. Lohngr. 7 Abschn. a LGrVZ erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat weiterhin angenommen, daß der Kläger die Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmals der Lohngr. 7 Abschn. a Nr. 14 LGrVZ erfüllt. Die dafür gegebene Begründung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

      • Richtet sich die Eingruppierung des Arbeiters nach dem zeitlichen Umfang der auszuübenden Tätigkeit, hier nach § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 BZT-G/NRW “mindestens zur Hälfte”, muß zunächst festgestellt werden, ob der Beschäftigte eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit, eine überwiegend auszuübende Teiltätigkeit oder mehrere selbständige Teiltätigkeiten, von denen keine überwiegt, zu erbringen hat (Senat 25. August 1993 – 4 AZR 577/92 – AP AVR § 12 Diakonisches Werk Nr. 5 mwN). Das Landesarbeitsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Es hat die Voraussetzung, daß der Kläger “komplizierte und vielseitige Arbeiten an Rohrnetzen mit unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen” vorzunehmen habe, als gegeben angenommen, ohne den zeitlichen Umfang dieser Arbeiten festzustellen. Damit ist es stillschweigend von einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit ausgegangen. Ob dem zu folgen ist oder ob der Kläger vielmehr jeweils einzeln zu bewertende Teiltätigkeiten (Reparaturaufträge) zu erbringen hat, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man zugunsten des Klägers von einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit ausgeht, sind die Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Eingruppierung nicht gegeben.
      • Zur Begründung der Annahme, daß der Kläger komplizierte und vielseitige Arbeiten an Rohrnetzen mit unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen vorzunehmen hat, hat das Landesarbeitsgericht ua. ausgeführt, daß der Kläger “an Rohrnetzen mit unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen” arbeite, weil es diese im Einsatzgebiet des Klägers unstreitig gäbe. Nach der von den Parteien als maßgeblich angesehenen Tätigkeitsbeschreibung der Kolonne B… in dem Zeitraum vom 20. bis zum 25. Januar 1997 seien auch “Sperrungen” im Rohrnetz vorgenommen worden. Erforderlich sei nur, daß Arbeiten an Rohrnetzen mit unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen, nicht aber, daß die Sperrungen und Umstellungen ständig an unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen vorgenommen werden müßten. Da es sich bei den Begriffen “Sperrungen” und “Umstellungen” um Beispiele für komplizierte und vielseitige Tätigkeiten handele, reiche die Erfüllung eines Beispiels aus.

        Dies hält der Revision nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, daß “komplizierte und vielseitige Arbeiten an Rohrnetzen mit unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen” die maßgebliche tarifvertragliche Voraussetzung ist, und daß “Sperrungen und Umstellungen bei der Reparatur, Sanierung oder Überprüfung” nur als Beispielstätigkeiten für solche komplizierten und vielseitigen Arbeiten aufgeführt werden. Deshalb müssen die als Beispiel genannten Tätigkeiten auf dem Hintergrund dieser maßgeblichen Anforderungen verstanden werden. Danach kann nicht jede Reparatur in einem Wasser- oder Gasrohrnetz, bei der eine Sperrung vorgenommen wird, unabhängig davon, ob die unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen die konkret für die Durchführung der Reparatur erforderliche Sperrung erschweren, als komplizierte und vielseitige Arbeit im tariflichen Sinne angesehen werden. Dafür spricht auch die Protokollerklärung Ziff. 1 zu Lohngr. 6 Abschn. a LGrVZ, die ua. folgendes bestimmt: “Was unter … komplizierten Arbeiten zu verstehen ist, kann nur vom Einzelfall ausgehend beurteilt werden. Ein Anhalt hierfür bietet zB, daß der Arbeiter bei Ausübung der Tätigkeit – ggf. auf Grund einer Spezialausbildung – Anforderungen erfüllt, die wesentlich über die Anforderungen hinausgehen, die – ausgehend vom Berufsbild, das für die auszuübende Tätigkeit typisch ist – im allgemeinen an den Arbeiter gestellt werden”. Danach liegt – kurz gefaßt – eine “komplizierte Arbeit” im tariflichen Sinne nur vor, wenn bezogen auf das typische Berufsbild wesentlich höhere Anforderungen gestellt werden. Diese Protokollerklärung kann auch zur Konkretisierung der Voraussetzung “komplizierte Arbeiten” im Rahmen der Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. 7 Abschn. a LGrVZ herangezogen werden. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt, indem es jede Reparatur, bei der eine Sperrung vorgenommen wurde, unabhängig davon, ob dabei bezogen auf das Berufsbild höhere Anforderungen gestellt werden, als komplizierte und vielseitige Arbeit angesehen hat.

      • Zu Unrecht sieht das Landesarbeitsgericht auch die Voraussetzung als gegeben an, daß der Kläger die komplizierten und vielseitigen Arbeiten “selbständig und verantwortlich” vorzunehmen habe. Das Landesarbeitsgericht ist dabei zutreffend von den Erläuterungen in Nr. 5 der “Vorbemerkungen zu allen Lohngruppen” ausgegangen, wonach für die Anforderungen “selbständig und verantwortlich” ab Lohngr. 6 verlangt wird, daß der Arbeiter über das bis zur Lohngr. 5 geforderte Maß hinaus die Tätigkeit der jeweiligen Tätigkeitsmerkmale ohne besondere Anweisung ausführt (selbständig) und für die durchzuführende Arbeit die volle Verantwortung trägt (verantwortlich). Diese Voraussetzungen sieht es schon deshalb als gegeben an, weil der Kläger die Arbeiten ohne Einzelanweisung vor Ort ausführen müsse und für ihre ordnungsgemäße Durchführung verantwortlich sei.

        Auch dies hält der Revision nicht stand. Die Argumentation des Landesarbeitsgerichts basiert auf seiner unzutreffenden Annahme, daß alle Reparaturarbeiten, bei denen Sperrungen vorkommen, komplizierte und vielseitige Arbeiten im tariflichen Sinne seien. Die selbständige und verantwortliche Durchführung von normalen Reparaturarbeiten durch den Kläger ist nicht strittig. Entscheidend ist vielmehr, ob die komplizierten und vielseitigen Arbeiten im tariflichen Sinne von dem Kläger selbständig und verantwortlich vorgenommen wurden. Dazu enthält das Urteil des Landesarbeitsgerichts keine Feststellungen. Der Kläger hat dazu auch keine Tatsachen vorgetragen.

      • Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht auch das Vorliegen der “zusätzlichen Spezialausbildung” bejaht.

        • Es hat dazu im wesentlichen ausgeführt: Die von dem Arbeitsgericht eingeholte Auskunft der Tarifvertragsparteien zu der Frage, was unter zusätzlicher Spezialausbildung gem. Lohngr. 7 Abschn. a Nr. 14 LGrVZ zu verstehen sei, helfe nicht weiter. Übereinstimmung bestehe hinsichtlich der Feststellung, daß tarifvertraglich nicht näher bestimmt sei, was unter einer zusätzlichen Spezialausbildung zu verstehen sei. Wenn aber die zusätzliche Spezialausbildung iSd. Tätigkeitsmerkmals tarifvertraglich nicht näher umschrieben sei, genüge jede Art der Ausbildung, die die “zusätzliche Spezialausbildung” vermittele. Es genüge die Aneignung bestimmter Fertigkeiten und Kenntnisse, die zur Durchführung der konkreten Aufgabe befähigten, durch ein Anlernen und Wissensvermittlung “vor Ort” durch erfahrene Arbeitskollegen (“learning by doing”), die als Truppführer der Kolonne die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeiten an Rohrnetzen mit unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen tragen.
        • Der Revision hält auch dies nicht stand. Dem Landesarbeitsgericht kann schon darin nicht gefolgt werden, daß die Aneignung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch das Anlernen und die Wissensvermittlung durch erfahrene Kollegen während der Arbeitseinsätze ohne jegliche inhaltliche und organisatorische Vorgaben rechtlich eine “zusätzliche Spezialausbildung” sein kann. Der Umstand, daß die Tarifvertragsparteien die erforderliche zusätzliche Spezialausbildung nicht konkretisiert haben, rechtfertigt es nicht, ein bloßes “learning by doing” ausreichen zu lassen. Dagegen sprechen die unterschiedlichen Formulierungen hinsichtlich der zusätzlichen Qualifikationsanforderungen bei den Tätigkeitsmerkmalen. So finden sich in den Tätigkeitsmerkmalen der Lohngr. 7 Abschn. a LGrVZ sowohl die Unterscheidung zwischen “Ausbildung” und “Kenntnissen” (Tätigkeitsmerkmal Nr. 10 “aufgrund zusätzlicher Spezialausbildung und ihrer besonderen Kenntnisse”) als auch die Unterscheidung zwischen “Ausbildung” und “betrieblicher Ausbildung” (Tätigkeitsmerkmale Nr. 5 bis 8 “mit zusätzlicher Kraftwerker- oder entsprechender betrieblicher Ausbildung”; Tätigkeitsmerkmale Nr. 9 und 12 “mit zusätzlicher betrieblicher Ausbildung”; Tätigkeitsmerkmal Nr. 2 “aufgrund einer Sonderausbildung”). Eine “zusätzliche Spezialausbildung” erfordert danach entsprechend dem allgemeinen Verständnis von Ausbildung ein inhaltliches und organisatorisches Konzept, dh. daß von einer verantwortlichen Instanz der Inhalt und die Durchführung der Ausbildung bestimmt worden sind. Daß solche inhaltlichen und organisatorischen Vorgaben im Hinblick auf das vom Kläger behauptete “learning by doing” bestanden haben, ergibt sich aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht.
        • Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus die erforderliche Verknüpfung und den inneren Zusammenhang des Merkmals “zusätzliche Spezialausbildung” mit den anderen Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmals Lohngr. 7 Abschn. a Nr. 14 LGrVZ nicht beachtet. Nach dem Wortlaut des Tätigkeitsmerkmals muß der Rohrnetzbauer “aufgrund” zusätzlicher Spezialausbildung selbständig und verantwortlich komplizierte und vielseitige Arbeiten an Rohrnetzen mit unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen vorzunehmen haben. Damit wird ein innerer Zusammenhang zwischen der zusätzlichen Spezialausbildung und der selbständigen und verantwortlichen Ausführung komplizierter und vielseitiger Arbeiten an Rohrnetzen mit unterschiedlichen Druckstufen oder -zonen gefordert (vgl. BAG 10. Juli 1996 – 4 AZR 996/94 – AP BMT-G II § 20 Nr. 5 für das in seiner Struktur ähnliche Tätigkeitsmerkmal Lohngr. 9 Nr. 7 LGrVZ zu BZT–G/NRW). Zu diesem erforderlichen Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Aus seiner Begründung ergibt sich weder, welche konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten sich der Kläger im Rahmen der angenommenen zusätzlichen Spezialausbildung angeeignet hat, noch, welche komplizierten und vielseitigen Arbeiten er auf Grund dieser Qualifikation selbständig und verantwortlich vornehmen könnte.
    • Es bedarf keiner Zurückverweisung des Rechtsstreits, weil der Senat in der Sache selbst entscheiden kann. Schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers ist sein Eingruppierungsbegehren nicht begründet. Der Kläger hat schon nicht schlüssig dargelegt, daß er eine besondere Spezialausbildung im tariflichen Sinne hat.

      • Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich schon nicht, daß es sich bei den von ihm behaupteten zusätzlichen Kenntnissen und Fähigkeiten um eine “zusätzliche Spezialausbildung” im tariflichen Sinne handelt. Voraussetzung dafür ist, daß Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die über die Inhalte der Berufsausbildung und der beruflichen Erfahrung hinausgehen. Die Einarbeitung in die berufliche Tätigkeit ist ebensowenig eine Spezialausbildung wie die Aktualisierung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten bzw. die berufliche Weiterbildung im Hinblick auf veränderte technische Entwicklungen (BAG 10. Juli 1996 – 4 AZR 996/94 – AP BMT-G II § 20 Nr. 5). Der Kläger hätte deshalb im einzelnen darlegen müssen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten er erworben hat und daß es sich dabei nicht nur um die Einarbeitung in die berufliche Tätigkeit, die Aktualisierung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten oder die berufliche Weiterbildung entsprechend den veränderten technischen Entwicklungen handelte. Diesen Anforderungen entspricht das Vorbringen des Klägers nicht.

        Der Kläger beruft sich ua. darauf, daß er nicht nur an den obligatorischen Unterweisungen zur Unfallverhütung teilgenommen habe, sondern darüber hinaus geschult worden sei, wie er sich bei Gasaustritt zu verhalten habe. Hinzu kämen die von der Beklagten einmal pro Jahr durchgeführten Schulungen am DruckluftSchlauchgerät. Desweiteren habe er regelmäßig an Schulungsmaßnahmen von Fremd- bzw. Herstellerfirmen teilgenommen, die sich auf den Einsatz neuer Materialien, Geräte und Armaturen bezogen hätten. Eine zusätzliche Spezialausbildung ist damit nicht dargelegt. Vielmehr handelt es sich, auch soweit es nicht um die obligatorischen Unterweisungen zur Unfallverhütung geht, nur um die übliche Aktualisierung bzw. Anpassung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten.

        Der Kläger trägt ergänzend vor, daß die zusätzliche Spezialausbildung zu einem nicht unerheblichen Teil auf “Anlernung” beruhe, dh. auf der Weitergabe von Kenntnissen und Fähigkeiten durch erfahrene Mitarbeiter in der Zusammenarbeit während des Arbeitsprozesses. Insoweit fehlt es an konkreten Darlegungen dazu, daß und welche Kenntnisse und Fähigkeiten dabei vermittelt sein sollen, die über die Inhalte der normalen beruflichen Einarbeitung bzw. Weiterbildung hinausgehen. Das gilt auch für die Behauptung des Klägers, daß die “Anlernung” sich auch auf die Arbeit an Notüberbrückungen zwischen unterschiedlichen Druckzonen bezogen habe; das Herstellen von derartigen Überbrückungen sei eine wesentliche Voraussetzung, um überhaupt Reparaturarbeiten an Netzen unterschiedlicher Druckzonen vornehmen zu können und erfordere spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten. Auch insoweit fehlt es aber an konkreten Darlegungen, welche zusätzlichen über die übliche Berufsausbildung bzw. Berufsausübung hinausgehende Kenntnisse und Fähigkeiten dem Kläger vermittelt worden sind.

        Im übrigen gibt es nach dem Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte dafür, daß die Inhalte und die Durchführung der von ihm behaupteten zusätzlichen Qualifikation durch “learning by doing” von einer verantwortlichen Instanz festgelegt worden sind.

      • Somit kommt es nicht mehr darauf an, ob der Kläger schlüssig zu den sonstigen Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmals Lohngr. 7 Abschn. a Nr. 14 LGrVZ vorgetragen hat, insbesondere dazu, welche Tätigkeiten als komplizierte und vielseitige Arbeiten im tariflichen Sinne anzusehen sind, in welchem zeitlichen Umfang er solche Tätigkeiten ausgeführt hat und ob er diese komplizierten und vielseitigen Arbeiten “selbständig und verantwortlich” vorzunehmen hatte. Das gilt auch für die Voraussetzungen des Bewährungs- und Zeitaufstiegs nach Lohngr. 8a LGrVZ ab dem 1. Oktober 1990.
  • Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
 

Unterschriften

Schliemann, Friedrich, Wolter, Fieberg, E. Wehner

 

Fundstellen

Haufe-Index 884283

ARST 2003, 191

NZA 2003, 519

ZTR 2003, 182

PersR 2003, 329

PersV 2003, 276

NJOZ 2003, 1474

Tarif aktuell 2003, 12

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