Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von “Kur-Tagen” auf Tarifurlaub. gleichlautende Entscheidung zu dem zum BAT ergangenen Senatsurteil vom selben Tage (– 9 AZR 242/99 –)

 

Leitsatz (redaktionell)

In BMT-G II ist kein Verbot enthalten, Zeiten der Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation auf den tariflichen Urlaubsanspruch anzurechnen.

 

Normenkette

BUrlG i.d.F. des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476 BUrlG i.d.F. ArbBeschFG) § 10 Abs. 1 S. 1; BUrlG § 13; BMT-G II §§ 41, 34; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 08.07.1998; Aktenzeichen 6 Sa 94/98)

ArbG Braunschweig (Urteil vom 13.11.1997; Aktenzeichen 5 Ca 442/97)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8.Juli 1998 – 6 Sa 94/98 – aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 13. November 1997 – 5 Ca 442/97 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anrechnung von Tarifurlaub auf eine Maßnahme der Rehabilitation.

Die am 8. Februar 1940 geborene Klägerin war bis zum 30. April 2000 für den beklagten Landkreis seit 1969 als Reinigungskraft tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Regelungen des BMT-G II Anwendung.

Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 7. Januar bis 4. Februar 1997 in einer von der Landesversicherungsanstalt Braunschweig bewilligten Rehabilitationsmaßnahme. Nach Abschluß der Maßnahme teilte der Beklagte der Klägerin mit, er rechne für diese Maßnahme acht Tage auf ihren Erholungsurlaub 1997 an. Dem widersprach die Klägerin schriftlich Mitte Februar 1997.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dieser Anrechnung stünden trotz der im Jahre 1997 geltenden Fassung des § 10 BUrlG Vorschriften des BMT-G II entgegen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte nicht berechtigt war, ihr wegen einer vierwöchigen Rehabilitationsmaßnahme acht Tage ihres Erholungsurlaubs anzurechnen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Die Klägerin erstrebt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

A. Die Revision der Beklagten ist begründet.

I. Die Klage ist zulässig.

Zwischen den Parteien ist ein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO im Streit. Nach dem Wortlaut des Klageantrags soll die Berechtigung der Beklagten zur Anrechnung der “Kur-Tage” auf den Erholungsurlaub des Jahres 1997 festgestellt werden. Seine gebotene Auslegung ergibt jedoch, daß die Klägerin nicht nur diese Vorfrage sondern das Bestehen des Urlaubsanspruch klären lassen will. Hierfür hat er auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Die Klage betrifft keinen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt, aus dem sich keine Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergäben (vgl. Senat 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 - BAGE 74, 201). Diente sie zunächst der Durchsetzung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf ersatzweise bezahlte Freistellung für den mit Ende des Urlaubsjahres oder spätestens des Übertragungszeitraums untergegangen Urlaubsanspruchs (BAG 8. Mai 2001 – 9 AZR 240/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Blumenbinder Nr. 1 = EzA BUrlG § 3 Nr. 22), richtet sie sich, nachdem das Arbeitsverhältnis während des Rechtsmittelverfahrens beendet worden ist, auf die Klärung des Urlaubsabgeltungsanspruchs.

II. Die Klage ist unbegründet.

Mit Beginn des Jahres 1997 war zwar nach § 41 Abs. 3 BMT-G II ein Anspruch der Klägerin auf 30 Arbeitstage Urlaub entstanden. Der geltend gemachte Anspruch auf acht Tage Urlaub ist jedoch infolge der von der Beklagten erklärten Anrechnung von acht Tagen der vom 7. Januar bis 4. Februar 1997 durchgeführten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Ersatzansprüche für den erloschenen Anspruch kommen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.

1. Rechtsgrundlage für die Anrechnungserklärung des Beklagten war § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S 1476; künftig: BUrlG idF ArbBeschFG), das zum 1. Oktober 1996 in Kraft getreten und durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S 3843) zum 31. Dezember 1998 aufgehoben worden ist. Die Vorschrift lautete auszugsweise:

“Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation

2. Verfassungsrechtliche Bedenken können gegen die Wirksamkeit von § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG idF ArbBeschFG nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden.

a) Nach dem Beschluß des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2001 (– 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293) war die Vorschrift für die Dauer ihrer Geltung mit dem Grundgesetz vereinbar. Die dem Arbeitgeber eingeräumte Anrechnungsbefugnis griff zwar in die den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie ein. Die Regelung war aber durch die mit ihr verfolgten Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geeignet und verhältnismäßig. Das hat das Bundesverfassungsgericht für alle Gerichte verbindlich (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) festgestellt.

b) Nach dieser Entscheidung ist auch kein Raum für die von einem Teil der Rechtsprechung geforderte verfassungsrechtlich gebotene einschränkende Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG idF ArbBeschFG (LAG Brandenburg 20. Februar 1998 – 4 Sa 817/97 – LAGE BUrlG § 10 Nr. 3). Das Gesetz ist deshalb auch auf Tarifverträge anzuwenden, die zur Zeit des Inkrafttretens des ArbBeschFG zum 1. Oktober 1996 bereits bestanden.

3. Die Anrechnung war auch nicht tarifvertraglich ausgeschlossen.

§ 10 BUrlG idF ArbBeschFG enthielt kein sog. zweiseitig zwingendes Recht. Das ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, der von der Änderung des BUrlG nicht betroffen war. Die Tarifvertragsparteien konnten daher abweichend von der gesetzlichen Regelungen des ArbBeschFG dem Arbeitgeber verbieten, Tage der Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation auf den Tarifurlaub anzurechnen.

Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, der BMT-G II verbiete eine solche Anrechnung, da es sich um eine eigenständige tarifvertragliche Urlaubsregelung handele.

a) Für die vergleichbaren Berechtigungen des Arbeitgebers zur Kürzung des Jahresurlaubs nach § 8d MuSchG in der Fassung vom 25. Januar 1979 bei Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub sowie nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG bei Einberufung zum Grundwehrdienst hat das Bundesarbeitsgericht ein ausdrückliches tarifliches Verbot verlangt, wenn die Tarifvertragsparteien die Kürzung des Urlaubs ausschließen wollten (BAG 15. Februar 1984 – 5 AZR 192/82 – BAGE 45, 155; 14. November 1963 – 5 AZR 498/62 – BAGE 15, 116). Gleiches wird im Schrifttum für den Ausschluß der Anrechnungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG vertreten (Schwedes BB 1996 Beilage 17 S 2, 7; Heise/Lessenich/Merten Arbeitgeber 1997, 251; aA ArbG Heilbronn Vorlagebeschluß zum Bundesverfassungsgericht 26. September 1997 – 3 Ca 489/97 - AuR 1998, 217; Buschmann AuR 1996, 285, 290; Giesen RdA 1997, 193, 199).

Wem zuzustimmen ist, kann offen bleiben. Auch wenn zu Gunsten der Klägerin angenommen wird, der Ausschluß der Anrechnung könne sich aus dem Gesamtzusammenhang eines Tarifvertrags ergeben, verhilft ihr das nicht zum Erfolg. Mit der Änderung des § 10 BUrlG durch das BeschFG 1996 sollte in den über den Mindesturlaub des § 3 BUrlG hinausgehenden Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers eingegriffen werden. Die Arbeitgeber sollten, wie es einleitend in der Begründung zum Gesetzentwurf heißt (BT-Drucks. 13/4612 S 1), von “beschäftigungsfeindlichen” hohen Lohnzusatzkosten entlastet werden. Gegenstand der Anrechnung sollte nicht nur ein arbeitsvertraglich vereinbarter übergesetzlicher Urlaub sein, sondern auch der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Tarifurlaub. Dem Zusammenhang eines Tarifvertrags läßt sich deshalb ein Anrechnungsverbot nur entnehmen, wenn hinreichend deutlich wird, daß die Tarifvertragsparteien eine Regelung treffen wollten, die dem gesetzlichen Eingriff entgegen wirken sollte.

Auf einen solchen Willen der Tarifvertragsparteien kann nicht schon dann geschlossen werden, wenn die Urlaubsdauer oder die Bedingungen zur “Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Kuren” eigenständig ausgestaltet sind. Die Eigenständigkeit bewirkt zwar, daß nicht jede spätere Änderung der gesetzlich bestimmten Ansprüche zum Nachteil des Arbeitnehmers auf die tariflichen Leistungen “durchschlägt”. Diese Wirkung beschränkt sich aber auf den in der Norm geregelten Gegenstand (vgl. hierzu nur BAG 16. Juni 1999 – 5 AZR 297/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 7; 16. Juni 1999 – 5 AZR 67/97 – BAGE 89, 95). Aus einer tarifvertraglich festgelegten Dauer des Erholungsurlaubs oder aus Regelungen zur Entgeltfortzahlung bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation und Vorsorge läßt sich daher nicht ohne weiteren Anhalt herleiten, die Tarifvertragsparteien hätten auch einen gesetzlichen Eingriff in den Tarifurlaub abwehren wollen, der darin besteht, den Arbeitgeber zu berechtigen, tarifliche Ansprüche durch Anrechnung anderer Leistungen zu mindern.

b) Weder Einzelbestimmungen noch der Gesamtzusammenhang der Regelungen des BMT-G II in seiner seit 1997 unverändert geltenden Fassung ließen auf einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien schließen, die gesetzliche Anrechnungsbefugnis abzubedingen.

aa) Aus dem Zusammenspiel zwischen den Regelungen des BMT-G II über den Urlaub (§ 41) einerseits und über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall andererseits folgt kein Anrechnungsverbot. Zwar enthält § 34 BMT-G II folgende Regelung:

  • Wird der Arbeiter durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, erhält er Krankenbezüge nach Maßgabe der Absätze 2 bis 9.

    Als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Unterabsatzes 1 gilt auch die Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation, die ein Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- oder Unfallversicherung, eine Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder ein sonstiger Sozialleistungsträger bewilligt hat und die in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation stationär durchgeführt wird (…).”

Aus dem tariflichen Zusammenhang ergibt sich damit, daß die Tarifvertragsparteien Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation als einen Fall der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und nicht als einen Fall von Urlaub behandeln wollen. In derartige Regelungen sollte durch § 10 BUrlG idF ArbBeschFG aber gerade eingegriffen werden. Daß die Tarifvertragsparteien über eine Regelung der Behandlung von Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation hinaus derartige gesetzliche Eingriffe abwehren wollten, ergibt sich aus den tariflichen Bestimmungen nicht (wie hier: Hock NZA 1998, 695; Schmidt ZTR 1998, 498; aA Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand: März 2002 § 48 Rn. 11a; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand: Januar 1999 Anhang 1 zu § 48 Ziff. III und mit ähnlicher Begründung Giesen RdA 1997, 198, 199).

bb) Auch die – ebenfalls in § 34 BMT-G II enthaltenen – Regeln über den Krankengeldzuschuß bei der Durchführung von Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation sprechen nicht für ein Anrechnungsverbot. Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

  • “(…)
  • Der Krankengeldzuschuß wird bei einer Beschäftigungszeit (§ 6)

    • von mehr als einem Jahr längstens bis zum Ende der 13. Woche,
    • von mehr als drei Jahren längstens bis zum Ende der 26. Woche

    seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, jedoch nicht über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus, gezahlt.

  • (…)
  • In den Fällen des Absatzes 1 Unterabs. 2 wird die Zeit der Maßnahme bis zu höchstens zwei Wochen nicht auf die Fristen des Unterabsatzes 1 angerechnet.
  • (…)”

§ 34 Abs. 4 BMT-G II regelt die Höchstdauer des Krankengeldzuschußes und begründet den Anspruch für Beschäftigungszeiten von mehr als einem Jahr. Unterabs. 3 der genannten Vorschrift nimmt Zeiten einer Maßnahme nach § 34 Abs. 1 Unterabs. 2 BMT-G II – also Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation – von der Anrechnung auf diese Fristen aus, wobei längstens zwei Wochen anrechnungsfrei bleiben. Im Ergebnis verlängert sich damit die Höchstdauer des Krankengeldzuschußes für die berechtigten Arbeiter um maximal zwei Wochen, wenn in die Zeit des Krankengeldbezuges eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation fällt. Auch darin liegt keine Regelung der Anrechnung von Kuraufenthalten auf den Erholungsurlaub.

cc) Ein Anrechnungsverbot ergibt sich ferner nicht aus § 45 Abs. 3 BMT-G II. Die Vorschrift lautet:

“Erkrankt der Arbeiter während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Krankheitstage, an denen er arbeitsunfähig war, auf den Urlaub nicht angerechnet; § 35 Abs. 1 gilt entsprechend.”

Diese Vorschrift betrifft nur eine Arbeitsunfähigkeit iSd. gesetzlichen Entgeltfortzahlungsrechts, nicht jedoch die Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation. Das folgt aus der Verweisung auf § 35 Abs. 1 BMT-G II. Diese Bestimmung regelt die Anzeigepflichten des Arbeiters nur bei Krankheit, wohingegen die Anzeigepflichten bei der Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation in § 35 Abs. 2 BMT-G II geregelt sind. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 BMT-G II Zeiten der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gleichstellt. Diese Gleichstellung bezieht sich nur auf Unterabs. 1 dieser Vorschrift und damit auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, nicht jedoch auf die Urlaubsanrechnung.

dd) Gegen ein Anrechnungsverbot spricht auch die Tarifgeschichte. Bis Ende 1969 war in § 45 Abs. 2 BMT-G II ein ausdrückliches Verbot der Anrechnung von Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation auf den Urlaub enthalten. Ab dem 1. Januar 1970 wurde dies durch § 47a Abs. 1 BMT-G II ersetzt. Danach war für derartige Maßnahmen Sonderurlaub zu gewähren. Diese Vorschrift entfiel ab dem 1. September 1995 (zur Tarifgeschichte: Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G Stand: September 2001 § 45 Rn. 3). Beide Vorschriften hätten eine Anrechnung von Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation auf den Urlaub ausgeschlossen. Sie sind gestrichen worden, ohne daß die Tarifvertragsparteien vergleichbare Regelungen in den Tarifvertrag eingefügt hätten.

4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die von dem Beklagten vorgenommene Anrechnung lagen vor.

Der Beklagte war berechtigt, für je fünf Arbeitstage Kur zwei Tage Urlaub anzurechnen. Diese Grenze ist eingehalten. Angesichts der tariflichen Urlaubsdauer von 30 Arbeitstagen war mit der Anrechnung von acht Tagen der gesetzliche Mindesturlaub von 24 Werktagen (§ 3 Abs. 1 BUrlG), was 20 Arbeitstagen entspricht, nicht beeinträchtigt. Die Maßnahme war auch von einem Sozialleistungsträger gem. § 9 Abs. 1 EFZG durchgeführt.

Daß eine der Ausnahmen nach § 10 Abs. 1 Satz 2 des § 10 BUrlG idF ArbBeschFG vorliegt, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen der Nr. 2 dieser Vorschrift sind nicht gegeben. Danach war eine Anrechnung nicht zulässig, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig nach § 3 EFZG war. Diese Bestimmung wurde nicht etwa deshalb anwendbar, weil § 34 Abs. 1 Unterabs. 2 BMT-G II die Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation einer Arbeitsunfähigkeit gleichgestellt. Die gesetzliche Regelung nahm ausdrücklich den gesetzlichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit in Bezug und war damit von tariflichen Definitionen der Arbeitsunfähigkeit unabhängig. Zudem definiert die tarifliche Vorschrift auch ausdrücklich nur den Begriff der Arbeitsunfähigkeit iSv. Unterabs. 1 des § 34 BMT-G II. Sie hat demnach auf die Anrechnungsbefugnis des Arbeitgebers nach § 10 BUrlG idF ArbBeschFG keine Auswirkungen (aA Rzadkowski PersR 1997, 432, 433, 434).

5. Der Beklagte hat auch von seiner Berechtigung zur Anrechnung zulässig Gebrauch gemacht. Er hat gegenüber der Klägerin die Anrechnung erklärt. Diese Erklärung hat nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BUrlG idF ArbBeschFG bewirkt, daß die jeweils ersten zwei Tage der vierwöchigen medizinischen Rehabilitation als Urlaubstage gelten.

Dabei ist unerheblich, daß der Beklagte seine Anrechnungserklärung erst abgegeben hat, nachdem die Klägerin die Rehabilitationsmaßnahme bereits angetreten hatte.

Das ist mit der Rechtsprechung des Senats zur rückwirkenden Freistellung vereinbar. Der Senat vertritt zwar die Auffassung, ein Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer für die Dauer einer nicht von einem Sozialversicherungsträger angeordneten Kurmaßnahme Urlaub iSv. § 7 Abs. 1 BUrlG erteilen wolle, müsse den Urlaub vor Kurantritt gewähren (1. Oktober 1991 – 9 AZR 290/90 – BAGE 68, 309 mwN). Für die Anrechnungsbefugnis des Arbeitgebers nach § 10 Abs. 1 BUrlG idF ArbBeschFG gilt das aber nicht.

Im Unterschied zur Freistellungserklärung bewirkte eine Anrechnungserklärung iSv. § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG idF ArbBeschFG nicht, daß der Arbeitnehmer für die jeweils ersten zwei Tage der Woche einer Rehabilitationsmaßnahme von seiner Arbeitspflicht befreit wurde. Dem Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubs und zugleich Schuldner der Entgeltfortzahlung wurde vielmehr eine Ersetzungsbefugnis eingeräumt. Das Gesetz berechtigte ihn, Tage der Arbeitsverhinderung, für die er an sich Entgeltfortzahlung nach § 9 Abs. 1 iVm. § 3 Abs. 1 EFZG schuldete, auf den Urlaubsanspruch erfüllungshalber anzurechnen (Leinemann BB 1996, 1381). Zur Anrechnung war deshalb lediglich eine hierauf gerichtete Erklärung über die Inanspruchnahme der gesetzlichen Berechtigung erforderlich. Diese Erklärung war keine Urlaubserteilung nach § 7 Abs. 1 BUrlG. An den so angerechneten Tagen wurde der Arbeitnehmer nicht zum Erholungsurlaub freigestellt. Die angerechneten Tage “galten” nur als Urlaubstage. Der Arbeitnehmer war bereits kraft Gesetzes, nämlich “infolge einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation … an seiner Arbeitsleistung verhindert”.

Dieses Ergebnis wird im Umkehrschluß durch die Regelung des § 4a Abs. 1 Satz 1 EFZG in der Fassung des BeschFG 1996 bestätigt (vgl. ErfK/Dörner 1. Aufl. § 10 BUrlG Rn. 11). Danach konnte der Arbeitnehmer bis zum dritten Arbeitstag nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit sein Wahlrecht ausüben und zur Vermeidung einer auf 80 % des Entgelts abgesenkten Fortzahlung die Anrechnung von Urlaub verlangen. Dagegen enthielt § 10 Abs. 1 BUrlG für die Anrechnungsbefugnis des Arbeitgebers keine entsprechende zeitliche Begrenzung.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.

 

Unterschriften

Düwell, Zwanziger, Fr. Holze, Furche

Richterin am BAG Reinecke ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert.

Düwell

 

Fundstellen

Haufe-Index 848022

RiA 2003, 111

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge