Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Urteil vom 13.11.1997; Aktenzeichen 5 Ca 442/97)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.04.2002; Aktenzeichen 9 AZR 819/98)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 13.11.1997 – 5 Ca 442/97 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Anrechnung von Tarifurlaub nach dem BMT-G II auf eine Rehabilitationsmaßnahme gemäß § 10 BUrlG.

Die am 08.02.1940 geborene Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft … und seit 1969 als Reinigungskraft bei dem Beklagten mit einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 89 Stunden zu einem Bruttomonatslohn von zuletzt DM 1.835,06 beschäftigt.

Die … Braunschweig bewilligte der Klägerin für die Zeit vom 07.01. bis 04.02.1997 eine vierwöchige Rehabilitationsmaßnahme, auf die ihr der Beklagte acht Tage ihres tariflichen Erholungsurlaubs unter Hinweis auf § 10 BUrlG anrechnete. Dagegen hat die Klägerin nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben mit dem Antrag

festzustellen, daß der Beklagte nicht berechtigt war, wegen einer vierwöchigen Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin diese acht Tage ihres Erholungsurlaubes anzurechnen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und die Auffassung vertreten, § 10 BUrlG in der aufgrund des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09.96 seit dem 01.10.96 geltenden Fassung lasse die Anrechnung entgegen § 34 Abs. 1 und 2 BMT-G II zu.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 13.11.1997 der Feststellungsklage stattgegeben nach einem Streitwert von DM 600,– und die Berufung zugelassen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand und wegen der Würdigung dieses Vorbringens auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts ergänzend Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen dieses ihm am 11.12.1997 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 12.01.1998, einem Montag, Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese am 11.02.1998 begründet.

Der Beklagte sieht in § 34 BMT-G II in der Fassung des 44. Änderungstarifvertrags zum BMT-G II vom 12.06.1995, gültig ab 01.09.1995 keine konstitutive tarifrechtliche Regelung, die die Anrechnungsmöglichkeit ausschließe und deswegen auch keine gegenüber § 10 BUrlG n.F. günstigere Regelung habe treffen wollen. Die in § 9 EFZG bestimmte Gleichstellung der Arbeitsverhinderung wegen einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation mit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit beinhalte für die Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation eine Rechtsfolgeverweisung, ohne daß die Maßnahme dadurch zur Krankheit wird. Dies ergebe sich auch daraus, daß die Anrechnung von Tarifurlaub auf Krankheitszeiten während einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation ausgeschlossen ist. Bereits die Rechtsprechung zu § 8 d MuSchG 1968 habe die anteilige Kürzung des Jahresurlaubs wegen der Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub gebilligt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 13.11.1997 – 5 Ca 442/97 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts als der Rechtslage entsprechend.

Die Klägerin macht geltend, der vom Normsetzungswillen der Tarifvertragsparteien getragene tarifliche Urlaubsanspruch verbiete es dem Gesetzgeber, in diese tarifliche Regelung einzugreifen und den Urlaubszweck zu Lasten des Arbeitnehmers zu verändern. Zweck der verordneten Maßnahme sei ihre gesundheitliche Rehabilitation. Dies sei in § 34 Abs. 1 BMT-G II abschließend und eigenständig geregelt. Weil die Teilnahme an einer medizinisch verordneten Rehabilitationsmaßnahme als Arbeitsunfähigkeit zu behandeln ist, sei die Anrechnung von Urlaubstagen auf diese Maßnahme gemäß § 9 BUrlG ausgeschlossen. Ferner sieht die Klägerin die in Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes geschützte Koalitionsfreiheit als durch § 10 BUrlG verletzt an.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die Berufungsbegründung und -erwiderung ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG kraft Zulassung statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Beklagte hat sich ausführlich mit den Entscheidungsgründen des Urteils des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt und ist ihnen entgegengetreten. Damit ist seine Berufung zulässig.

II.

Die Berufung konnte jedoch keinen Erfolg haben, weil das Arbeitsgericht zutreffend der Feststellungsklage stattgegeben hat.

1.

Die Feststellungsklage ist zulässig. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung, ob die Anrechnung des Beklagten von acht Tagen ihres Tarifurlaubs 1997 auf ihre Rehabilitationsmaßnahme wirksam ist oder nicht.

2.

Die Klage ist begründet. Der Beklagte vermag die beabsichtigte Kürzung des Tarifurlaubs der Klägerin für 1997 um acht Tage nicht auf § 10 BUrlG zu stüt...

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