Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung des Arbeitsvertrages bei Daueraufgaben

 

Orientierungssatz

Soziale Motive des Arbeitgebers können nur dann als ein die Befristung des Arbeitsvertrags sachlich rechtfertigender Grund anerkannt werden, wenn das Interesse des Arbeitgebers, aus sozialen Erwägungen mit dem betreffenden Arbeitnehmer nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, auch angesichts des Interesses des Arbeitnehmers an unbefristeter Beschäftigung schutzwürdig ist. Dies ist dann der Fall, wenn es ohne den sozialen Überbrückungszweck überhaupt nicht zum Abschluß eines Arbeitsvertrages, auch nicht eines befristeten, gekommen wäre.

 

Normenkette

BGB § 620 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.12.1984; Aktenzeichen 3 Sa 1067/84)

ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 06.06.1984; Aktenzeichen 2 Ca 492/84)

 

Tatbestand

Der 1950 geborene Kläger ist Volljurist. Er wurde von der Beklagten aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 28. Mai 1982 befristet für die Zeit vom 1. Juni 1982 bis 30. April 1983 für das Arbeitsamt M als Aushilfsangestellter unter Eingruppierung in VergGr. V c MTA eingestellt und nach einmonatiger Einarbeitungszeit mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines Sachbearbeiters nach dem Sozialgerichtsgesetz und dem Ordnungswidrigkeitengesetz beschäftigt.

Mit Schreiben vom 7. März 1983 bat der Kläger um Verlängerung seines Arbeitsvertrags. In einem Gespräch vom 29. März 1983 teilte der Abteilungsleiter der Verwaltung des Arbeitsamts M dem Kläger u.a. mit, daß sein Vertrag nicht verlängert werden könne. Mit Schreiben vom 5. April 1983 bat der Kläger erneut um Verlängerung seines Arbeitsvertrages. Nach Rücksprache mit dem ihm übergeordneten Abteilungsleiter J richtete der Kläger folgendes Schreiben vom 7. April 1983 an die Beklagte:

"Betr.: Verlängerung des befristeten Arbeitsver-

trages

Sehr geehrter Herr Direktor]

Meine Bemühungen um eine jur. Arbeitsstelle haben

bisher keinen Erfolg gehabt. Diese lassen aber

erwarten, daß ich möglicherweise eine Stelle als

Rechtsanwalt, spätestens am 1.7.84 antreten kann.

Ich bitte deshalb um eine entsprechende Ver-

längerung meines bis zum 30.4.83 befristeten Ar-

beitsvertrages."

Daraufhin schlossen die Parteien unter dem 28. April 1983 eine Änderungsvereinbarung, durch die der Kläger für die Zeit vom 1. Mai 1983 bis 30. Juni 1984 als Aushilfsangestellter beim Arbeitsamt M weiterbeschäftigt wurde. Eine vom Kläger gewünschte Weiterbeschäftigung nach dem 30. Juni 1984 lehnte die Beklagte ab.

Der Kläger hält die Befristung der Arbeitsverträge vom 28. Mai 1982 und vom 28. April 1983 für unwirksam. Er hat mit seiner am 11. April 1984 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage beantragt

festzustellen, daß das seit dem 1. Juni 1982

bestehende Arbeitsverhältnis über den

30. Juni 1984 unbefristet fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Befristung des ersten Vertrages vom 28. Mai 1982 hat sie im wesentlichen vorgetragen, der Kläger sei eingestellt worden, weil eine erhebliche Steigerung der Zahl der zu bearbeitenden Widersprüche zu erwarten gewesen sei. Da es sich um eine zeitlich begrenzte Mehrarbeit gehandelt habe, sei der Vertrag des Klägers zum 30. April 1983 befristet worden. Der zweite befristete Vertrag vom 28. April 1983 sei auf Wunsch des Klägers abgeschlossen worden. Auf sein Schreiben vom 7. März 1983 sei ihm mitgeteilt worden, daß eine Dauerbeschäftigung nicht in Frage komme und eine befristete Vertragsverlängerung daran scheitere, daß ein sachlicher Grund für die Befristung nicht gegeben sei. Gesprächsweise seien dann auch die beruflichen Überlegungen des Klägers für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Arbeitsamt erörtert worden. Dabei habe der Kläger erklärt, sich laufend um anderweitige Tätigkeiten zu bemühen und den Beruf des Rechtsanwalts anzustreben. Eine feste Zusage habe der Kläger nach seiner Erklärung noch nicht gehabt, aber mit Anwaltskanzleien in Verbindung gestanden und daher davon ausgehen können, mit einer Anstellung rechnen zu können. Erst aufgrund des unter Formulierungshilfe des Vorgesetzten J erstellten Schreibens des Klägers vom 7. April 1983 sei der zweite befristete Vertrag abgeschlossen worden. Darauf, daß seine Angaben in diesem Schreiben möglicherweise unzutreffend seien, könne sich der Kläger nicht berufen. Ohne den in diesem Schreiben geäußerten Wunsch des Klägers nach einer Befristung, der als sachlicher Grund anzuerkennen sei, hätte sie den Kläger nicht eingestellt. Der Kläger habe Tätigkeiten verrichtet, die regelmäßig von Beamten oder Angestellten des gehobenen Dienstes ausgeübt würden. Überdies habe sie, die Beklagte, mit der befristeten, wenn auch unterwertigen Beschäftigung eine verbesserte Möglichkeit für arbeitslose Juristen schaffen wollen, eine angemessene Stelle zu finden.

Der Kläger hat hinsichtlich der Befristung des ersten Vertrages geltend gemacht, ein lediglich vorübergehender Beschäftigungsbedarf habe nicht vorgelegen. Die Befristung des zweiten Vertrages habe nicht seinem Wunsch entsprochen; der Beklagten sei vielmehr sein Wunsch auf unbefristete Weiterbeschäftigung bekannt gewesen. Das Schreiben vom 7. April 1983 habe er den Wünschen der Beklagten entsprechend abgefaßt. Auf seine Schreiben vom 7. März und 5. April 1983 sei ihm vom Abteilungsleiter der Verwaltung und vom übergeordneten Abteilungsleiter J bedeutet worden, daß er mit diesen Angaben eine Vertragsverlängerung nicht erreichen könne. Bei dieser Vorgabe der Beklagten habe er nur die Wahl gehabt, bei der Formulierung seines Verlängerungsantrages auf die Wünsche der Beklagten einzugehen oder auf eine Vertragsverlängerung zu verzichten. Am 29. März 1983 sei ihm nur mitgeteilt worden, sein Vertrag könne nicht verlängert werden, wenn er in seinem Antrag nicht zum Ausdruck bringe, weiterhin auf der Suche nach einer juristischen Arbeitsstelle zu sein. Für seine Beschäftigung bei der Beklagten habe auch weiterhin Bedarf bestanden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Ersturteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet, denn das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, daß zwischen den Parteien über den 30. Juni 1984 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

I. Es kann dahinstehen, ob die Würdigung des Landesarbeitsgerichts zutrifft, schon die Befristung des ersten Vertrages vom 28. Mai 1982 sei unwirksam, weil die Beklagte den Kläger nicht zur Bearbeitung nur vorübergehender zeitlich begrenzter, sondern zur Erledigung von Daueraufgaben eingestellt habe. Denn Gegenstand der Überprüfung, ob ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, ist lediglich der letzte zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 28. April 1983.

1. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 8. Mai 1985 (- 7 AZR 191/84 - EzA § 620 BGB Nr. 76, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) unter Aufgabe seiner früheren abweichenden Rechtsprechung entschieden, daß es für die Frage, ob die Befristung eines Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, grundsätzlich nur auf den zuletzt abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag ankommt. Denn wollen die Arbeitsvertragsparteien im Anschluß an einen befristeten Arbeitsvertrag ihr Arbeitsverhältnis noch für eine bestimmte Zeit fortsetzen und schließen sie deshalb vorbehaltslos einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag, so bringen sie damit jedenfalls regelmäßig zum Ausdruck, daß der neue Vertrag fortan für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgeblich sein soll.

2. Dieser Wille der Vertragsparteien, den Vertrag vom 28. April 1983 zur alleinigen Grundlage ihrer Rechtsbeziehungen zu machen, ist im Entscheidungsfall gegeben. Ein Vorbehalt, daß sich der Kläger bereits aufgrund des Vertrages vom 28. Mai 1982 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befinde und daß dieses unbefristete Arbeitsverhältnis als weitere Grundlage des Arbeitsverhältnisses aufrechterhalten werde, ist weder aus der Vertragsurkunde noch aus sonstigen Umständen ersichtlich. Unerheblich ist insbesondere, daß es sich beim Vertrag vom 28. April 1983 um eine "Änderungsvereinbarung" handelt, durch die der Vertrag vom 28. Mai 1982 in der Weise geändert wurde, daß der Kläger befristet bis zum 30. Juni 1984 weiterbeschäftigt wird. Denn auf die Formulierung, mit der sich die Parteien auf die befristete Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses einigen, kommt es nicht an. Entscheidend ist, daß mangels eines Vorbehalts der bezeichneten Art ein unbefristetes und ein befristetes Arbeitsverhältnis mit sonst gleichem Inhalt nicht nebeneinander bestehen können; beide schließen einander aus. Auch durch die vorbehaltslose Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses stellen die Parteien ihre Rechtsbeziehungen hinsichtlich der Dauer auf eine neue Grundlage, so daß für die Frage, ob ihr Arbeitsverhältnis wirksam befristet ist, nicht darauf zurückgegriffen werden kann, ob eine frühere Befristung unwirksam war und die Parteien daher vor der Vereinbarung der letzten Befristung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden hatten.

II. Die mithin allein entscheidende Befristung des zweiten Vertrages zum 30. Juni 1984 ist vom Landesarbeitsgericht zu Recht für unwirksam gehalten worden.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß der vom Kläger im Schreiben vom 7. April 1983 geäußerte Wunsch, sein Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni 1984 zu verlängern, im Entscheidungsfalle keinen sachlichen Grund für die Befristung darstellt.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann zwar der Wunsch des Arbeitnehmers die Befristung eines Arbeitsvertrages sachlich rechtfertigen (vgl. BAG 10, 65, 72 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu C 3 der Gründe; BAG 25, 125 = AP Nr. 38 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAG Urteil vom 26. April 1985 - 7 AZR 316/84 - AP Nr. 91 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag = EzA § 620 BGB Nr. 74). Dazu müssen aber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen gefolgert werden kann, daß der Arbeitnehmer ein Interesse gerade an einer befristeten Beschäftigung hat. Denn nur so läßt sich einigermaßen zuverlässig feststellen, ob es der wirkliche, vom Arbeitgeber unbeeinflußte Wunsch des Arbeitnehmers war, nur befristet beschäftigt zu werden. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person (z.B. wegen familiärer Verpflichtungen oder wegen einer noch nicht abgeschlossenen Ausbildung) nur für einen begrenzten Zeitraum arbeiten will oder kann. Als Indiz dafür, daß der Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages im Interesse des Arbeitnehmers liegt, kann auch der Umstand herangezogen werden, daß der Arbeitnehmer von sich aus die Vereinbarung einer Befristung gewünscht hat.

b) Diese Voraussetzungen liegen im Entscheidungsfalle nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor.

Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, der Wunsch des Klägers nach einer befristeten Verlängerung habe nicht auf seinen eigenen Interessen an einer zeitlichen Begrenzung der gewünschten Vertragsverlängerung beruht, sondern allein dazu gedient, den von der Beklagten für den Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages geforderten sachlichen Grund zu liefern. Der Kläger habe diesen Wunsch allein deshalb geäußert, weil die Beklagte ihm zuvor zu verstehen gegeben habe, sie werde einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit ihm nicht abschließen und sei zum Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes bereit. Dem für den Abschluß des Verlängerungsvertrages zuständigen Abteilungsleiter der Verwaltung Mü seien die vorangegangenen Anträge des Klägers vom 7. März und 5. April 1983 bekannt und die fehlende konkrete Aussicht des Klägers auf eine Stelle als Rechtsanwalt bewußt gewesen.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen fehlt es im Entscheidungsfall an den erforderlichen objektiven Anhaltspunkten dafür, daß der Kläger gerade nur an einer befristeten Beschäftigung interessiert war und mithin die Befristung auf einem von der Beklagten unbeeinflußten Wunsch des Klägers beruhte. Der Beklagten war vielmehr das Interesse des Klägers an einer unbefristeten Anstellung insbesondere aus seinen Schreiben vom 7. März und 5. April 1983 bekannt; insofern liegt der Entscheidungsfall ebenso wie derjenige, der dem bereits angeführten Senatsurteil vom 26. April 1985 zugrunde lag.

c) Auch die Rügen der Revision können zu keiner abweichenden Beurteilung führen. Sie betreffen nicht die entscheidungserhebliche Frage, ob für die Beklagte objektive Anhaltspunkte dafür vorlagen, der Kläger sei von sich aus nur an einer befristeten Einstellung interessiert. Die Revision rügt vielmehr im wesentlichen, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien widersprüchlich, weil es feststelle, der Kläger habe in seinem Schreiben vom 7. April 1983 seine b e r e c h t i g t e Erwartung zum Ausdruck gebracht, ab 1. Juli 1984 eine Arbeitsstelle als Rechtsanwalt antreten zu können. Indessen ist hierin ein Widerspruch zu den sonstigen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu sehen. Mit dem angeführten Satz hat das Landesarbeitsgericht ersichtlich nicht sagen wollen, die Erwartungen des Klägers seien objektiv berechtigt oder zumindest von der Beklagten als objektiv berechtigt zu verstehen gewesen. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr lediglich gesagt, der Kläger habe zum Ausdruck gebracht, seine Erwartung sei berechtigt; hierzu steht nicht in Widerspruch, wenn das Landesarbeitsgericht an anderer Stelle sagt, die Beklagte habe den befristeten Vertrag nicht im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Klägers abgeschlossen, weil ihr die fehlende konkrete Aussicht des Klägers auf eine Stelle als Rechtsanwalt bewußt gewesen sei.

2. Die Befristung des zweiten Arbeitsvertrages ist auch nicht aus sozialen Gründen sachlich gerechtfertigt.

a) Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt anerkannt, daß der soziale Überbrückungszweck eines Arbeitsvertrages dessen Befristung sachlich rechtfertigen kann. Das gilt etwa dann, wenn der Arbeitgeber seinem wirksam gekündigten Arbeitnehmer zur Überwindung von Übergangsschwierigkeiten aus sozialen Gründen einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag anbietet und der Arbeitnehmer hierauf eingeht (BAG GS 10, 65, 72 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu C 3 der Gründe) oder wenn dies zu dem genannten Zweck im Anschluß an ein auslaufendes wirksam befristetes Arbeitsverhältnis geschieht, um dem Arbeitnehmer das Finden eines neuen Arbeitsplatzes zu erleichtern (BAG Urteil vom 7. März 1980 - 7 AZR 177/78 - AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 5 der Gründe; BAG 36, 171, 178 = AP Nr. 60 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 3 der Gründe; BAG Urteil vom 3. Oktober 1984 - 7 AZR 132/83 - BAG 47, 44, 48 = AP Nr. 88 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 26. April 1985 - 7 AZR 316/84 - aaO).

Soziale Motive des Arbeitgebers können aber nur dann als ein die Befristung des Arbeitsvertrags sachlich rechtfertigender Grund anerkannt werden, wenn das Interesse des Arbeitgebers, aus sozialen Erwägungen mit dem betreffenden Arbeitnehmer nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, auch angesichts des Interesses des Arbeitnehmers an unbefristeter Beschäftigung schutzwürdig ist. Das ist der Fall, wenn es ohne den sozialen Überbrückungszweck überhaupt nicht zum Abschluß eines Arbeitsvertrages, auch nicht eines befristeten, mit dem betreffenden Arbeitnehmer gekommen wäre. Gerade die Berücksichtigung der sozialen Belange des Arbeitnehmers und nicht die Interessen des Betriebes oder der Dienststelle müssen auf Seiten des Arbeitgebers im Vordergrund der Überlegungen gestanden haben und für den Abschluß des Arbeitsvertrages ausschlaggebend gewesen sein. Trifft das zu, so verdient die durch den sozialen Beweggrund bedingte Befristung des Arbeitsvertrages die Anerkennung der Rechtsordnung. Es handelt sich dann nicht um eine im Hinblick auf den gesetzlichen Kündigungsschutz funktionswidrige Verwendung dieser rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit. Ein verständiger und verantwortungsbewußter Arbeitgeber würde bei einer solchen Sachlage einen befristeten Arbeitsvertrag abschließen, wenn er sonst auf den Abschluß eines Arbeitsvertrages mit dem betreffenden Arbeitnehmer überhaupt verzichten müßte. Es liegt dann auch im objektiven Interesse des Arbeitnehmers, wenigstens für eine begrenzte Zeit bei diesem Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zu erhalten.

An den Nachweis eines derartigen Sachverhalts sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Angebliche soziale Erwägungen des Arbeitgebers dürfen nicht zum Vorwand für den Abschluß befristeter Arbeitsverträge genommen werden. Es bedarf der Feststellung konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung darauf schließen lassen, daß die für eine Beschäftigung des Arbeitnehmers sprechenden eigenen betrieblichen oder dienstlichen Interessen des Arbeitgebers für sich allein als Motiv für die Einstellung dieses Arbeitnehmers nicht ausreichten. Solche Eigeninteressen des Arbeitgebers brauchen allerdings nicht ganz zu fehlen. Daß eine sinnvolle Beschäftigung des Arbeitnehmers möglich ist, hindert nicht die Annahme, daß der Vertrag ohne den sozialen Aspekt nicht abgeschlossen worden wäre.

Da in aller Regel das für den Abschluß eines Arbeitsvertrages maßgebliche Interesse des Arbeitgebers dahin geht, sich die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers für seine unternehmerischen Zwecke nutzbar zu machen, handelt es sich bei dem als "Sozialmaßnahme" gedachten Arbeitsvertrag in dem erörterten Sinne um einen Ausnahmefall, dessen Vorliegen der Arbeitgeber anhand nachprüfbarer Tatsachen darlegen und im Bestreitensfalle beweisen muß.

b) Im Entscheidungsfall hat das Landesarbeitsgericht - wenn auch bereits im Rahmen der Prüfung des ersten Arbeitsvertrages - im Ergebnis zutreffend erkannt, daß nicht der soziale Zweck, dem Kläger das Finden einer ausbildungsadäquaten Arbeitsstelle zu erleichtern, sondern die dienstlichen Interessen der Beklagten an der Beschäftigung des Klägers für den Abschluß des Arbeitsvertrages ausschlaggebend gewesen sind.

Zwar hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, in der Absicht der Beklagten, arbeitslosen jungen Juristen durch befristete Einstellung die Bemühungen um eine angemessene Arbeitsstelle zu erleichtern, liege eine Berücksichtigung von Drittinteressen, die als sachlicher Grund für eine Befristung ausgeschlossen sei. Mit dieser Begründung läßt sich das Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht verneinen, weil die Beklagte durch ein derartiges soziales Motiv die Interessen des Klägers und berechtigterweise auch die Interessen der mit dem Kläger vergleichbaren anderen arbeitslosen jungen Juristen im Auge hat. Der Kläger hat kein Recht darauf, eine soziale Maßnahme der Beklagten in der Weise für sich zu monopolisieren, daß er unbefristet eingestellt wird und dadurch andere in gleicher Lage befindliche Arbeitslose von dieser Sozialmaßnahme ausgeschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 3. Oktober 1984 - 7 AZR 132/83 - BAG 47, 44, 53 = AP Nr. 88 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 2 der Gründe).

Indessen ergibt sich auch hinsichtlich dieser sozialen Gründe aus den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, daß seine rechtliche Würdigung im Ergebnis richtig ist. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Kläger habe als Sachbearbeiter in der Widerspruchsstelle Aufgaben wahrgenommen, die ihrer Art nach ständig zu erledigen waren; die Einstellung des Klägers habe dem regelmäßigen Bedarf an Sachbearbeitern Rechnung getragen. Auch seien im Jahre 1983 sieben Planstellen für Sachbearbeiter vorhanden gewesen. Unter diesen Umständen fehlt es bereits an ausreichenden objektiven Anhaltspunkten dafür, daß der Kläger vornehmlich zur Wahrung seiner sozialen Belange eingestellt worden ist. Die fortlaufende Erledigung der beim Arbeitsamt M anfallenden Sachbearbeitertätigkeit lag vielmehr im dienstlichen Interesse der Beklagten; ausschlaggebend für die Einstellung des Klägers war das Bedürfnis der Beklagten, ihre laufend anfallenden Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Hierfür spricht auch, daß es sich bei den Sachbearbeitertätigkeiten nach dem SGG und dem OWiG in erster Linie um die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben handelt, zu deren ordnungsgemäßer Durchführung Rechtskenntnisse erforderlich sind, so daß die Beklagte auch insoweit durch die Beschäftigung von Volljuristen ihren dienstlichen Interessen Rechnung getragen hat (vgl. das bereits angeführte Senatsurteil vom 26. April 1985 - 7 AZR 316/84 - zu III 3 c bb der Gründe). Darauf, daß es sich hierbei nur um vorübergehend anfallende Aufgaben gehandelt habe, hat sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Befristung des zweiten Arbeitsvertrags vom 28. April 1983 nicht berufen.

Dr. Seidensticker Roeper Dr. Steckhan

Wagner Metzinger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441136

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