Entscheidungsstichwort (Thema)

Abbau einer planwidrigen Überversorgung

 

Leitsatz (redaktionell)

Weitgehend Parallelsache zum Urteil vom 28. Juli 1998 – 3 AZR 100/98 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Zeitpunkt des Versorgungsfalls Erwerbsunfähigkeit, wenn der Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag wegen des Wegfalls seines Arbeitsplatzes schließt und sich aus einem späteren Rentenbescheid ergibt, daß der Arbeitnehmer bereits bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erwerbsunfähig war.

 

Normenkette

BetrAVG §§ 1, 2 Abs. 1, 5; BGB § 242; BetrVG §§ 76-77, 87 Abs. 1 Nr. 10; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 16.12.1997; Aktenzeichen 9 Sa 511/97)

ArbG Köln (Urteil vom 11.12.1996; Aktenzeichen 10 Ca 600/95)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 16. Dezember 1997 – 9 Sa 511/97 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger vor Eintritt eines Versorgungsfalles aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, welche Gesamtversorgungsobergrenzen gelten und wie die Betriebsrente im einzelnen zu berechnen ist.

Der am 18. April 1938 geborene Kläger war vom 1. Februar 1961 bis zum 30. Juni 1993 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Mit Schreiben vom 10. Dezember 1992 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sein Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen sei und eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht bestehe. Zur Vermeidung einer Kündigung solle das Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen zum 30. Juni 1993 aufgelöst werden. Zur Abgeltung der Nachteile erhalte er Abfindungsleistungen. Am 20. Dezember 1992 unterschrieb der Kläger die Einverständniserklärung. Seit 1. Januar 1994 bezog er aufgrund des Rentenbescheids der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 26. Oktober 1993 eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente von 2.412,38 DM, die zunächst bis zum 31. Dezember 1996 befristet war.

Die Beklagte hatte im Jahre 1951 eine betriebliche Versorgung eingeführt, die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenrenten umfaßte. Die Alters- und Invaliditätsrente der Angestellten betrug nach einer Wartezeit von zehn Jahren 15 % des letzten Grundgehalts. Der Steigerungssatz belief sich für jedes weitere Dienstjahr auf 1 %. Durch die Rentenreform des Jahres 1957 erhöhten sich die meisten Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich. Daraufhin nahm die Beklagte in ihre ab 1. Januar 1958 geltenden Richtlinien (RL 58) Gesamtversorgungsobergrenzen auf. Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren durften die Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Altersversorgung insgesamt nur 65 % des letzten Grundgehalts betragen. Dieser Prozentsatz erhöhte sich für jedes weitere Dienstjahr um 0,75 % bis zu höchstens 80 % bei 45 Dienstjahren. Diese Vorschriften wurden unverändert in die Versorgungsrichtlinien vom 6. Mai 1968 (RL 68) übernommen.

Die Beklagte schloß dieses Versorgungswerk zum 31. Dezember 1973 für neu eintretende Arbeitnehmer. Für sie wurden ungünstigere Versorgungsregelungen geschaffen. Die Altersversorgung der vorher eingestellten Arbeitnehmer richtete sich weiterhin nach den Bestimmungen der Richtlinien vom 6. Mai 1968. Seit 1980 versuchte die Beklagte mehrfach, im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die in den RL 68 enthaltenen Gesamtversorgungsobergrenzen entsprechend der Entwicklung der Nettoarbeitseinkommen abzuändern. Die auf Antrag der Beklagten errichtete Einigungsstelle beschloß am 4. Dezember 1993, Abschnitt VIII B 2 a und b RL 68 wie folgt zu ändern:

„2.a) Die Bezüge der Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Versorgung werden durch Kürzung der Betriebsrente wie folgt begrenzt:

Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren auf 59 % des letzten Grundgehaltes. Für jedes weitere Dienstjahr erhöht sich dieser Prozentsatz um 0,6 % bis zu höchstens 71 % bei 45 Dienstjahren. Bezüge der Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die auf freiwilliger Höherversicherung oder freiwilliger Weiterversorgung beruhen, bleiben unberücksichtigt.

2.b) Unabhängig von der Bestimmung in 2.a) wird die betriebliche Rente in jedem Falle mit einem Mindestrentenbetrag in Höhe von 40 % der gemäß 1. ermittelten Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente gewährt; sie darf jedoch zusammen mit der Sozialversicherungsrente 100 % des pensionsfähigen Nettoentgelts nicht überschreiten.”

Mit Schreiben vom 10. Dezember 1992 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, daß er bei Erreichen des 65. Lebensjahres eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 1.683,00 DM beanspruchen könne. Im Schreiben vom 16. April 1997 errechnete sie anhand des Spruchs der Einigungsstelle eine Betriebsrente von 1.300,00 DM.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß er keine ratierliche Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG hinnehmen müsse. Nach § 101 Abs. 1 SGB VI sei die gesetzliche Rente mit Beginn des siebten Monats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsunfähigkeit zu zahlen. Daraus und aus dem Rentenbescheid ergebe sich, daß der Kläger mit Eintritt des Versorgungsfalles „Erwerbsunfähigkeit” aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Die von der Einigungsstelle beschlossenen Änderungen der Versorgungsordnung seien auf die vorher ausgeschiedenen Versorgungsberechtigten nicht anwendbar. Der Eingriff in den vom Kläger erworbenen Besitzstand sei auch unangemessen gewesen. Eine planwidrige Überversorgung fehle. Jedenfalls sei eine Nettobegrenzung nicht Geschäftsgrundlage der Versorgungsordnung gewesen. Außerdem sei die Rentenberechnung der Beklagten fehlerhaft. Bei der Gesamtversorgungsobergrenze habe die Beklagte auf den Bruttobetrag der Sozialversicherungsrente abgestellt und den Kläger dadurch ungerechtfertigt benachteiligt. Die zugrunde gelegte Betriebsrente sei bereits nach dem tatsächlichen Dienstalter berechnet worden. Sie könne nicht anschließend nochmals ratierlich gekürzt werden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. Ja-nuar 1994 bis zum 31. März 1998 28.199,42 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. September 1997 (mittleres Zinsdatum) zu zahlen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend mit dem 1. April 1998, jeweils im voraus bis zum Dritten des Monats, eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 2.086,16 DM nebst 4 % Zinsen ab dem Vierten eines jeden Monats zu zahlen abzüglich einer anerkannten Betriebsrente in Höhe von monatlich1.300,00 DM.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei vor Eintritt eines in der Versorgungsordnung geregelten Versorgungsfalles aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Das Arbeitsverhältnis sei durch den Aufhebungsvertrag vom 10. Dezember/20. Dezember 1992 aus betriebsbedingten Gründen und nicht wegen Erwerbsunfähigkeit beendet worden. Die Gesamtversorgungsobergrenzen hätten der Entwicklung der Nettoarbeitseinkommen angepaßt werden dürfen. Im Beschlußverfahren sei die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle rechtskräftig festgestellt worden. Er sei auch auf die ausgeschiedenen Arbeitnehmer anzuwenden, um die erforderliche Gleichbehandlung zu gewährleisten. Die Geschäftsgrundlage für die bisherige Versorgungsordnung sei weggefallen. Durch die Nettogesamtversorgungsobergrenze werde die zwischenzeitlich eingetretene planwidrige Überversorgung abgebaut. Im Jahre 1958 habe die Gesamtversorgung in der Regel höchstens 100 % des letzten monatlichen Nettogehalts betragen. Zwischenzeitlich sei die Abgabenbelastung um mehr als 50 % gestiegen. Die Beklagte habe immer wieder versucht, mit dem Betriebsrat eine einvernehmliche Lösung zu finden. Sie habe nicht den Eindruck erweckt, daß sie von einem Abbau der Überversorgung absehen werde. Ihre Betriebsrentenberechnung sei richtig. Sie entspreche den geltenden Versorgungsregelungen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht keine höhere Betriebsrente zu.

I. Die Beklagte durfte die Betriebsrente nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitanteilig kürzen. Der Kläger ist aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, bevor ein in der Versorgungsordnung vorgesehener Versorgungsfall eingetreten war.

1. Nach Abschnitt IV Nr. 1 der Versorgungsrichtlinien gewährt die Beklagte Erwerbsunfähigkeitsrente, wenn der Arbeitnehmer „infolge einer Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung” ausscheidet. Auf die Form der Vertragsbeendigung kommt es nicht an. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses muß aber wenigstens im engen Zusammenhang mit dem Leiden stehen, das in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Anerkennung des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit führt (vgl. dazu BAG Urteil vom 14. August 1990 – 3 AZR 285/89 – AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Invaliditätsrente, zu I 2 a der Gründe). Mit dem Wort „infolge” verlangen die Versorgungsrichtlinien, daß die Erwerbsunfähigkeit für die konkrete Beendigung des Arbeitsverhältnisses ursächlich geworden ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, schied der Kläger wegen des ersatzlosen Wegfalls seines Arbeitsplatzes aus. Der Kläger hat nach der von ihm nicht bestrittenen Behauptung der Beklagten einen Aufhebungsvertrag wegen Erwerbsunfähigkeit sogar abgelehnt. Er beendete das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen und erhielt dafür die im Sozialplan vorgesehene Abfindung.

2. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses führte nicht dazu, daß der Kläger seine Anwartschaft auf Erwerbsunfähigkeitsrente verlor. Auch Anwartschaften auf Invaliditätsversorgung werden unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrAVG unverfallbar (vgl. BAG Urteil vom 24. Juni 1998 – 3 AZR 288/97 – BetrAV 1998, 260 ff. = DB 1998, 1969 ff., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 2 der Gründe). Die Beklagte hat den gesetzlichen Unverfallbarkeitsvorschriften ausreichend Rechnung getragen. Sie gewährt auch den Arbeitnehmern, die nicht invaliditätsbedingt, sondern aus anderen Gründen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, eine betriebliche Erwerbsunfähigkeitsrente. Dabei stellt die Beklagte auf den Rentenbescheid ab. Der Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wurde am 26. Oktober 1993 erlassen und sprach dem Kläger die gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente ab 1. Januar 1994 zu. Das Arbeitsverhältnis hatte bereits am 30. Juni 1993 geendet. Der Kläger ist bei der Beklagten nicht als Betriebsrentner, sondern als Anwartschaftsberechtigter ausgeschieden.

II. Die Beklagte hat die dem Kläger nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zustehende Rente richtig berechnet.

1. Der Unverfallbarkeitsfaktor entspricht nach § 2 Abs. 1 BetrAVG dem Verhältnis der tatsächlich erreichten zu der bis zum 65. Lebensjahr erreichbaren Betriebszugehörigkeit. Der einschlägige Sozialplan schrieb vor, daß zugunsten der Arbeitnehmer nicht auf das 65. Lebensjahr, sondern auf das 63. Lebensjahr abzustellen ist. Die Beklagte hat dies berücksichtigt und den Unverfallbarkeitsfaktor zutreffend errechnet. Er beläuft sich auf 32,417: 40,217 = 0,806.

Der Unverfallbarkeitsfaktor ist eine feste Größe. Er ist vom Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers an eindeutig bestimmt und unabänderlich. Der Zeitpunkt des späteren Versorgungsfalls spielt keine Rolle. Der Unverfallbarkeitsfaktor gilt für alle Versorgungsfälle einschließlich der Invalidität.

2. Bezugsgröße des Unverfallbarkeitsfaktors ist nach § 2 Abs. 1 BetrAVG die Leistung, die dem Arbeitnehmer ohne sein vorzeitiges Ausscheiden im Versorgungsfall zugestanden hätte. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, daß der Kläger keine betriebliche Altersrente, sondern eine betriebliche Erwerbsunfähigkeitsrente verlangt und erhält.

a) Nach Abschnitt B VIII Nr. 1 Buchst. d) der Versorgungsrichtlinien hängt die Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente von den bei Eintritt des Versorgungsfalles erreichten Dienstjahren ab. Der Kläger hat in diesem Zeitpunkt aufgerundet 33 Dienst-jahre erreicht. Der Sockelbetrag von 15 % des letzten Grundgehalts erhöht sich für jedes nach Erfüllung der Wartezeit (zehn Jahre) zurückgelegte Dienstjahr um 1 %. Dies ergibt eine Vollrente von 15 % + 23 % = 38 %. Das maßgebliche Gehalt beläuft sich auf 6.470,00 DM. Die Vollrente beträgt 38 % dieses Betrages = 2.458,60 DM.

b) Nach § 2 Abs. 1 BetrAVG sind die in den Versorgungsrichtlinien festgelegten Gesamtversorgungsobergrenzen bereits bei der Berechnung des Teilanspruchs zu berücksichtigen. Sie sind nicht erst auf die zeitanteilig ermittelte Rente anzuwenden (BAG Urteil vom 12. November 1991 – 3 AZR 520/90BAGE 69, 19, 23 ff. = AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG, zu II 3 der Gründe).

aa) Bei der Berechnung der Rente, die dem Versorgungsberechtigten ohne das vorzeitige Ausscheiden zustünde, sind sämtliche Bemessungsgrundlagen zu berücksichtigen. § 2 BetrAVG enthält keine Einschränkungen, wenn Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen sind. Die gesetzliche Vorschrift unterscheidet nicht danach, ob die Versorgungsordnung eine volle oder teilweise Anrechnung der Sozialversicherungsrenten auf die Betriebsrenten oder eine Begrenzung der Gesamtversorgung aus Betriebsrenten und Sozialversicherungsrenten vorsieht. Nach § 2 Abs. 1 BetrAVG sollen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bis zum Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze fortbesteht, und vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer nicht die gleiche Altersversorgung erhalten. Die vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer müssen eine zeitanteilige Kürzung der Betriebsrente hinnehmen.

bb) Von § 2 Abs. 1 BetrAVG kann zwar zugunsten der Anwartschaftsberechtigten abgewichen werden. Die Versorgungsordnung der Beklagten enthält aber keine Anhaltspunkte dafür, daß eine derartige Besserstellung vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer gewollt war. Im Gegenteil: Die vor dem Betriebsrentengesetz erlassene Versorgungsordnung machte die Zahlung von Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrenten davon abhängig, daß der Arbeitnehmer nicht vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Unternehmen ausschied. Diese Einschränkung verstößt zwar gegen die Unverfallbarkeitsvorschrift des § 1 BetrAVG und ist nach § 17 Abs. 3 BetrAVG, § 134 BGB unwirksam. Aus dieser Regelung ergibt sich aber, daß vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer keinesfalls mehr als die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Betriebsrente erhalten sollten.

cc) Der Senat hat zwar folgende Auslegungsregel entwickelt: Eine Höchstbegrenzungsklausel ist im Zweifel so auszulegen, daß Teilrenten zunächst unabhängig von der Höchstbegrenzungsklausel zu berechnen sind und die so ermittelten Renten erst bei Überschreiten der Höchstgrenzen zu kürzen sind (BAG Urteil vom 8. Mai 1990 – 3 AZR 341/88 – AP Nr. 18 zu § 6 BetrAVG, zu I 2 b der Gründe, m.w.N.). Diese Auslegungsregel betrifft aber die Berechnung von Teilrenten bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand und bezieht sich nicht auf das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Die Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist nach § 6 BetrAVG ein Versorgungsfall. § 6 BetrAVG regelt nicht, wie die vorgezogene Betriebsrente zu berechnen ist, sondern überläßt dies den Versorgungsordnungen. Die darauf zugeschnittene Auslegungsregel läßt sich nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles übertragen (BAG Urteil vom 12. November 1991 – 3 AZR 520/90BAGE 69, 19, 25 = AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG, zu II 3 b der Gründe). Für diese Fallgestaltung enthält § 2 BetrAVG eine gesetzliche Berechnungsvorschrift.

III. Die im Spruch der Einigungsstelle vorgesehene Gesamtversorgungsobergrenze ist auf den Versorgungsanspruch des Klägers anzuwenden. Die von der Einigungsstelle beschlossene Änderung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ob sie im vorliegenden Fall normativ gilt, kann dahingestellt bleiben. Die Beklagte durfte sie jedenfalls durch Ausübung ihres einzelvertraglichen Gestaltungsrechts auf das Versorgungsverhältnis des Klägers übertragen.

1. Der Spruch der Einigungsstelle ist wirksam. Diese Frage war bereits Gegenstand des Beschlußverfahrens (– 3 ABR 21/95 – AP Nr. 4 zu § 83 ArbGG 1979). Das Arbeitsgericht hatte dem Antrag des Betriebsrats, die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle festzustellen, nur insoweit stattgegeben, als Abschnitt VIII B 2 b (Mindestversorgung) geändert worden ist. Auf die Beschwerde der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats insgesamt abgewiesen. Der Senat hat die nach Ausscheiden des letzten Betriebsratsmitglieds eingelegte Rechtsbeschwerde mit Beschluß vom 27. August 1996 (– 3 ABR 21/95 –, aaO) als unzulässig verworfen. In den Gründen (aaO, zu B II 3 der Gründe) hat er offengelassen, ob dadurch der Beschluß des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig geworden ist. Auch im vorliegenden Rechtsstreit kommt es nicht darauf an. Ebensowenig spielt es eine Rolle, wie weit die Bindungswirkung reichen würde. Das Landesarbeitsgericht hatte richtig entschieden. Die Einigungsstelle durfte die Gesamtversorgungsobergrenzen absenken.

a) Unschädlich ist es, daß der Spruch der Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung ersetzte und in Rechte aus einer Gesamtzusage eingriff. Die Gesamtzusage ist zwar der einzelvertraglichen Ebene zuzuordnen. Das Günstigkeitsprinzip steht aber einer Betriebsvereinbarung nicht entgegen, soweit die Geschäftsgrundlage der Versorgungszusage weggefallen ist und damit die bisherigen Versorgungsregelungen vertragsrechtlich nicht mehr geschützt sind (vgl. BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82BAGE 53, 42, 75 f. = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, zu C IV 2 und 3 der Gründe). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Entwicklung der Steuern und Sozialversicherungsabgaben hatte zu einer planwidrigen Überversorgung geführt.

b) Ob eine planwidrige Überversorgung vorliegt, hängt von dem in der jeweiligen Versorgungsordnung angestrebten Versorgungsgrad ab. Gesamtversorgungssysteme können auf eine geringfügige Aufstockung der Sozialversicherungsrenten, die Erhaltung des im aktiven Dienst erreichten Lebensstandards oder eine darüber hinausgehende Versorgung ausgerichtet sein. Wenn der Arbeitgeber eine Überversorgung vertraglich verspricht, muß er sie erbringen, ohne sich auf veränderte Gerechtigkeitsvorstellungen berufen zu können (BAG Urteile vom 30. Oktober 1984 – 3 AZR 236/82BAGE 47, 130, 136 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung, zu II 1 c der Gründe und vom 23. Oktober 1990 – 3 AZR 260/89BAGE 66, 145, 151 f. = AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 2 a und b der Gründe). Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber die Überversorgung nicht bewußt in Kauf genommen, sondern lediglich eine Vollversorgung angestrebt.

aa) Wenn die Versorgungszusage nicht auf einer individuellen Vereinbarung, sondern auf einer allgemeinen Versorgungsordnung beruht, kommt es für die Feststellung des Versorgungszieles auf den Zeitpunkt an, in dem das Versorgungssystem geschaffen worden ist. Bei einer Gesamtzusage ist auf deren Erteilung und nicht auf den Beginn des einzelnen Arbeitsverhältnisses abzustellen. Sie hat für alle angesprochenen Arbeitnehmer den gleichen Inhalt und die gleiche Bedeutung.

bb) Die RL 58 führten eine Gesamtversorgungsobergrenze ein. Aus ihr ergibt sich, daß die Betriebsrenten lediglich die Sozialversicherungsrenten ergänzen und den bisherigen Lebensstandard in einem gewissen, von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängigen Umfang gewährleisten sollten. Bei einer Überschreitung der Gesamtversorgungsobergrenze war die Betriebsrente zu kürzen. Durch diese Ausgestaltung der Versorgungsordnung wurde der Versorgungsbedarf in den Vordergrund gestellt. Er richtete sich nach dem Einkommen, das die Betriebsrentner als aktive Arbeitnehmer erzielt hatten. Eine geplante Überversorgung läßt sich weder den RL 58 noch den Begleitumständen entnehmen.

Als die Rentenreform 1957 zu deutlichen Erhöhungen der gesetzlichen Renten führte, nahm die Beklagte in die RL 58 Gesamtversorgungsobergrenzen auf. Daraus ergibt sich, daß die Beklagte die Betriebsrentner nicht besser stellen wollte als die aktiven Arbeitnehmer, sondern allenfalls den bisherigen Lebensstandard aufrecht erhalten wollte. Die in den RL 58 eingeführte Gesamtversorgungsobergrenze entsprach diesem Versorgungsziel. Damals erschien ein Abschlag von 20 % vom Bruttoarbeitsverdienst als ausreichend, um die Abgabenbelastung auszugleichen, die auf die Arbeitsverdienste vergleichbarer Arbeitnehmer entfiel. Im Urteil vom 10. April 1962 (– 3 AZR 346/61 – BAGE 13, 70, 77 = AP Nr. 83 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu III 3 der Gründe) und im Beschluß vom 8. Dezember 1981 (– 3 ABR 53/80BAGE 36, 327, 341 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 b (1) der Gründe) hat das Bundesarbeitsgericht eine Bruttolohnquote von 85 % als geeignete, äußerste Grenze einer Vollversorgung angesehen. Dies entspricht den allgemein zugänglichen statistischen Erkenntnissen, die zu den offenkundigen Tatsachen i. S. d. § 291 ZPO gehören. Im Jahre 1958 lag das Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit bei 85,1 % (Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1964 Abschnitt XXIII 9, S. 554). Die Gesamtversorgungsobergrenze der RL 58 von 80 % lag sogar darunter. Damit trug die Beklagte der Vergütungsstruktur des erfaßten Arbeitnehmerkreises Rechnung.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß die Versorgungsordnung einen generalisierenden und pauschalierenden Maßstab anwenden darf. Unerheblich ist es, wenn bereits 1958 in fünf Fällen die Steuern und Sozialversicherungsabgaben insgesamt über 20 % lagen. Der gewählte Prozentsatz baute auf einer Schätzung auf, die auf den Regelfall zugeschnitten war. Die Pauschalierung konnte zwar – im Gegensatz zu einer rechnerisch exakten Ermittlung der jeweils letzten Nettoeinkünfte – zu Unter- oder Überversorgungen führen. Dies ändert aber nichts an dem Ziel, die Arbeitnehmer bei Eintritt in den Ruhestand vor Einbrüchen im Lebensstandard zu schützen (vgl. BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89BAGE 67, 385, 395 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 b (1) der Gründe).

Soweit die RL 58/68 eine Mindestrente von 40 % vorsahen, haben sie allenfalls eine engbegrenzte Überversorgung in Kauf genommen. Diese Ausnahmeregelung stellt das Grundprinzip nicht in Frage. Im vorliegenden Fall spielt die Mindestrente keine Rolle. Die Betriebsrente des Klägers liegt über der Mindestrente.

Die Beibehaltung der Obergrenze von 80 % des Bruttogehalts in den RL 68 besagt nicht, daß die Beklagte seither Überversorgungen hinnehmen wollte. Schweigen und Untätigkeit enthalten nur in Ausnahmefällen eine Willenserklärung. Soweit Regelungen unverändert bleiben, behalten sie grundsätzlich ihren bisherigen Inhalt. Aus einer planwidrigen Überversorgung wird nicht ohne weiteres eine zugesagte. Eine derartige Umgestaltung der Versorgungsregelung hätte eine entsprechende Änderung der Gesamtzusage vorausgesetzt. Die Beklagte hat keine solche Willenserklärung abgegeben.

Im übrigen hatten sich in der Zeit von 1958 bis zum Erlaß der Richtlinien vom 6. Mai 1968 die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer nicht so erhöht, daß die Beklagte von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgehen mußte. Während die Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit im Jahre 1958 bei 85,1 % des Bruttoverdienstes lagen, beliefen sie sich im Jahre 1967 auf 81,6 % und im Jahre 1968 auf 80,4 % (Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1969 Abschnitt XXIV 9, S. 503).

cc) Die weitere Entwicklung der gesetzlichen Abzüge führte zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. Während sich bei den Arbeitseinkommen der aktiven Arbeitnehmer die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge seit 1958/68 laufend erhöhten, stiegen die Steuern und Sozialversicherungsabgaben der Betriebsrentner nicht in entsprechendem Umfang. Die durchschnittlichen Abzüge beliefen sich 1991 auf insgesamt 31,5 % der Bruttoarbeitsentgelte, so daß die durchschnittlichen Nettoverdienste auf 68,5 % sanken (Essig/Strohm, Wirtschaft und Statistik, 1991, 577, 591). Diese Entwicklung hat sich auch im Jahre 1993 fortgesetzt (vgl. Tabellen in Wirtschaft und Statistik, 1995, 286). Vor allem die Auswirkungen der Steuerprogression und die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge führten dazu, daß die Nettoverdienstquote drastisch abnahm. Die Abzüge lagen um mehr als 50 % über dem Niveau von 1958/68. Überversorgungen waren nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Dies war mit dem Versorgungsziel, das den RL 58/68 zugrunde lag, nicht mehr zu vereinbaren.

c) Wie stark die Beklagte durch die unveränderte Fortzahlung der Betriebsrenten belastet würde, spielt keine Rolle. Der Abbau einer Überversorgung ist weder ein Fall der wirtschaftlichen Notlage noch ein Fall des unverhältnismäßigen Auseinanderklaffens von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzstörung), sondern ein Fall der Zweckverfehlung. Er hängt nicht von der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ab (vgl. BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89BAGE 67, 385, 394 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 a der Gründe, m.w.N.).

2. Die Gesamtversorgungsobergrenze konnte zwar durch den Spruch der Einigungsstelle geändert werden. Der Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung oder eines Spruchs der Einigungsstelle reicht aber nicht weiter als die Regelungskompetenz der Betriebspartner. Sie können nach herrschender Meinung nicht in die Rechte der Mitarbeiter eingreifen, die bereits aus dem Betrieb ausgeschieden sind (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. u.a. Beschluß vom 16. März 1956 – GS 1/55 – BAGE 3, 1 ff. = AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG 1952; Urteil vom 25. Oktober 1988 – 3 AZR 483/86BAGE 60, 78, 82 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, zu I 2 der Gründe; Urteil vom 13. Mai 1997 – 1 AZR 75/97 – AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG 1972, zu I der Gründe; zustimmend u.a. Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 77 Rz 72; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 77 Rz 10; Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Einl. Rz 246; Höfer, BetrAVG, 4. Aufl., ART Rz 764). Demnach erstrecken sich Änderungen einer Versorgungsordnung durch Betriebsvereinbarung oder Spruch der Einigungsstelle nicht unmittelbar auf die mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer und die Ruheständler. Diese Auffassung wird in der Literatur zunehmend kritisiert (vgl. u.a. Fitting/Kaiser/Heither/ Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 77 Rz 36 a; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 33; Kreutz, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 153 ff.; Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, Rz 141 ff.; Stege/Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 77 Rz 28; MünchArbR/ Matthes, § 318 Rz 12; Dieterich, NZA 1984, 273, 278; Waltermann, NZA 1996, 357, 363 ff.). Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist oder die Gegenansicht den Vorzug verdient. Jedenfalls war die Beklagte berechtigt, die den ausgeschiedenen Mitarbeitern erteilten Versorgungszusagen so umzugestalten, wie der Spruch der Einigungsstelle es vorsah.

a) Der Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen planwidriger Überversorgung löst ein Anpassungsrecht (Widerrufsrecht) des Arbeitgebers aus (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B IV 1 der Gründe; BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82 –, aaO, zu C IV 3 der Gründe; Blomeyer/ Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Einl. Rz 548 ff.; Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, Rz 849 ff.; Höfer, BetrAVG, 4. Aufl., ART Rz 374 ff.). Eine Verhandlungspflicht mit den einzelnen Arbeitnehmern widerspräche dem Inhalt und der Bedeutung der Gesamtzusage. Sie ist auf eine einheitliche Regelung für einen bestimmten Personenkreis gerichtet. Da verschiedene Lösungsmöglichkeiten bestehen (z.B. andere Bruttogesamtversorgungsobergrenzen, mehr oder weniger pauschalierte oder einzelfallbezogene Nettoversorgungsobergrenzen), bedarf es einer rechtsgestaltenden Entscheidung. Sie ist dem Arbeitgeber vorbehalten, weil er die Regelung für die freiwillige Versorgungsleistung geschaffen und nicht mit den einzelnen Arbeitnehmern ausgehandelt hat. Bei der Aufstellung der neuen Verteilungsgrundsätze muß er jedoch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beachten (vgl. BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82 –, aaO, zu C IV 3 der Gründe; BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B I der Gründe). Dies ist geschehen.

b) § 2 Abs. 5 BetrAVG steht dem Anpassungsrecht des Arbeitgebers nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift bleiben Veränderungen der Versorgungsregelung, soweit sie nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers eintreten, außer Betracht. Im Interesse der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit ist die im Ausscheidenszeitpunkt geltende Versorgungsordnung zugrunde zu legen. Die sich aus ihr ergebenden Rechte des Arbeitgebers bleiben erhalten. § 2 Abs. 5 BetrAVG dient nicht dazu, Störungen der maßgeblichen Versorgungsordnung festzuschreiben.

Die Wiederherstellung einer vertragsgemäßen Versorgungsordnung stellt i. S. d. § 2 Abs. 5 BetrAVG keine „Veränderung der Versorgungsregelungen” dar. Der Abbau einer planwidrigen Überversorgung verschafft lediglich dem schon bisher angestrebten Versorgungsziel Geltung. Soweit sich der Arbeitgeber auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann, braucht er als Schuldner die Versorgungsansprüche nicht in vollem Umfang zu erfüllen. Sie sind kraft Gesetzes eingeschränkt (BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82 –, aaO, zu C IV 2 der Gründe).

c) Die von der Einigungsstelle beschlossene Änderung der Versorgungsordnung setzt die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage um und hält sich dabei in den rechtlich zulässigen Grenzen. Auf diese zulässige Anpassungsregelung konnte die Beklagte bei der Ausübung ihres Gestaltungsrechts zurückgreifen, soweit die Versorgungsrechte nicht unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und die Zuständigkeit der Einigungsstelle fielen. Dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprach es, die planwidrige Überversorgung nach einheitlichen Maßstäben abzubauen und die bereits ausgeschiedenen Anwartschaftsberechtigten nicht besser zu behandeln als die betriebstreuen.

3. Die von der Einigungsstelle beschlossenen und von der Beklagten auf die bereits ausgeschiedenen Anwartschaftsberechtigten übertragenen Anpassungsregelungen sind interessengerecht. Sie tragen den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit Rechnung.

a) Mit der Änderung der Gesamtversorgungsobergrenzen hat die Beklagte angemessen auf die zwischenzeitlich eingetretene Überversorgung reagiert. Der Abbau einer Überversorgung rechtfertigt grundsätzlich auch Eingriffe in den erdienten Besitzstand (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80BAGE 36, 327, 340 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 b der Gründe; Urteil vom 17. März 1987 – 3 AZR 64/84BAGE 54, 261, 273 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 c (1) der Gründe; Urteil vom 27. August 1996 – 3 AZR 466/95BAGE 84, 38, 54 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu IV 2 b der Gründe; Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B III 2 a der Gründe). Die geänderte Gesamtversorgungsobergrenze ist geeignet, die planwidrige Überversorgung zu beseitigen. Die Anpassungsregelung hält sich im Rahmen der Geschäftsgrundlage, die den RL 58/68 zugrunde lag.

aa) Die Gesamtversorgungsobergrenze wurde entsprechend der zwischenzeitlichen Entwicklung der Abgabenbelastung abgesenkt. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des Gesamtversorgungssystems. Es stellt auf den Versorgungsbedarf ab. Er hängt davon ab, welche Beträge den aktiven Arbeitnehmern zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts und ihrer persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung standen. Mit der Veränderung der Abgabenbelastung verändert sich auch der Versorgungsbedarf.

bb) Das verfügbare Arbeitseinkommen ist auch bei bruttolohnbezogenen Gesamtversorgungsobergrenzen entscheidend. Bruttoentgelt- und nettoentgeltbezogene Gesamtversorgungsobergrenzen dienen dem gleichen Ziel. Sie legen fest, in welchem Umfang der bisherige Lebensstandard abgesichert werden soll (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B II 3 c der Gründe). Je mehr bei den gesetzlichen Abgaben auf den Einzelfall abgestellt wird, desto genauer wird das Versorgungsziel erreicht. Andererseits ist der Verwaltungsaufwand um so größer, je mehr die individuellen Verhältnisse berücksichtigt werden. Versorgungsordnungen dürfen typisieren und pauschalieren, müssen es aber nicht. Für welchen Weg sich die Betriebspartner entscheiden, ist eine Zweckmäßigkeitsfrage.

Die bruttoentgeltbezogene Gesamtversorgungsobergrenze in den RL 58/68 baute auf einer Schätzung auf. Sie konnte – gemessen an einer rechnerisch exakten Ermittlung der jeweiligen letzten Nettoeinkünfte – zu einer geringfügigen Unter- oder Überversorgung führen. Dies ändert nichts an dem Ziel, dem Arbeitnehmer mit Eintritt in den Ruhestand ein bedarfsorientiertes Einkommen zu sichern. Auch Nettoklauseln müssen nicht exakt, sondern nur annäherungsweise das Versorgungsziel erreichen (BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89BAGE 67, 385, 395 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 b (1) der Gründe). Im Spruch der Einigungsstelle ist das bisherige Versorgungssystem beibehalten und den veränderten Verhältnissen angepaßt worden.

cc) Die Einigungsstelle hat nicht nur die Abgabenentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmern, sondern auch die Abgabenentwicklung bei den Betriebsrentnern berücksichtigt. Während im Jahre 1958 auf die Renten nahezu aller Arbeitnehmer fast keine Abgaben entfielen, müssen die Betriebsrentner nunmehr Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung leisten. Auf die Abgabenlast der Betriebsrentner hat die Einigungsstelle in ihrem Spruch vom 4. Dezember 1993 ausdrücklich hingewiesen und im Ergebnis auf die Nettorentenbezüge abgestellt. Die auf die Betriebsrenten entfallenden Abgaben wurden durch eine fünfprozentige Anhebung der zunächst vorgesehenen Steigerungssätze ausgeglichen. Diese Pauschalierung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

dd) Unerheblich ist es, wieviele Arbeitnehmer die höchstmögliche Beschäftigungsdauer von 45 Dienstjahren erreichen können. Bei geringeren Dienstzeiten sollte nach den RL 58/68 keine Vollversorgung, sondern ein geringerer Versorgungsgrad erreicht werden. Dieser ursprünglich vorgesehene Versorgungsgrad wird durch die Anpassungsregelung wiederhergestellt. Eine die Anpassungsbefugnis begründende „Überversorgung” kann auch insoweit vorliegen, als die Versorgungsordnung nur einen unterhalb der letzten Nettoeinkünfte liegenden Versorgungsgrad angestrebt hat und dieser Versorgungsgrad nunmehr aufgrund der Änderungen im Abgabenrecht planwidrig erheblich überschritten wird (BAG Beschluß vom 23. Septem-ber 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B II 3 a der Gründe).

ee) Ebensowenig spielt es eine Rolle, daß bei einem vorzeitigen Ausscheiden gemäß § 2 Abs. 5 BetrAVG eine fiktiv hochgerechnete Sozialversicherungsrente zugrunde gelegt wird und eine ratierliche Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG erfolgt. Diese gesetzlichen Regelungen sind Bestandteil des Versorgungssystems. Die den Anwartschaftsberechtigten daraus entstehenden Nachteile muß der Arbeitgeber nicht durch planwidrige Erweiterungen der zugesagten Versorgung ausgleichen.

b) Das Vertrauen der Arbeitnehmer auf eine Gesamtversorgung von mehr als 100 % des Nettoeinkommens ist nicht schutzwürdig (ständige Rechtsprechung; BAG Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80BAGE 36, 327, 340 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 der Gründe; Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89BAGE 67, 385, 396 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 1 der Gründe; Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B III 2 a der Gründe). Es besteht kein Anlaß, diese Rechtsprechung zu ändern. Auch im vorliegenden Fall konnten die Begünstigten nicht darauf vertrauen, daß die Arbeitgeberin der Fehlentwicklung nicht mehr begegnen werde.

aa) Ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer hat der Senat selbst dann verneint, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er beabsichtige, den Altbestand von Versorgungsberechtigten auch künftig zu schonen. Solche Erwartungen müßten in rechtsverbindlicher Weise festgelegt werden, bei einer Betriebsvereinbarung etwa durch den Ausschluß der Kündigung (BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 –, aaO, zu III 2 der Gründe). Die Beklagte hat sich zu keinem Zeitpunkt rechtsgeschäftlich verpflichtet, die Überversorgung beizubehalten. Selbst eine entsprechende Absichtserklärung fehlt.

bb) Ein Vertrauenstatbestand ergibt sich nicht daraus, daß die Gesamtversorgungsobergrenzen erst nach längerer Zeit angepaßt wurden (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B III 2 a der Gründe). Unter welchen Voraussetzungen eine Überversorgung vorliegt und abgebaut werden darf, wurde erst nach 1980 durch das Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen geklärt (vgl. BAG Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80BAGE 36, 327, 342 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 b (1) der Gründe; Urteil vom 9. Juli 1985 – 3 AZR 546/82 – AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu I 2 b der Gründe). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte seit 1980 mehrfach versucht, wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Überversorgung mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung über die Änderung der RL 68 zu schließen.

cc) Unerheblich ist es, daß der Kläger bereits vor Anpassung der Versorgungsordnung bei der Beklagten ausgeschieden war. Er konnte nicht erwarten, daß ihm lediglich wegen seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis eine Fehlentwickung zugute komme und er – gemessen am ursprünglichen Versorgungsziel – überhöhte Betriebsrenten erhalten werde.

dd) Eine einzelfallbezogene Angemessenheitsprüfung (konkrete Billigkeitsprüfung) kommt bei Überversorgungen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Von einer besonderen Härte kann keine Rede sein, wenn die Gesamtversorgungsobergrenze auf das Niveau zurückgeführt wird, dessen Überschreitung schlechthin nicht schutzwürdig ist (BAG Urteil vom 23. Oktober 1990 – 3 AZR 260/89 – BAGE 66, 146, 154 = AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu IV der Gründe). Selbst wenn der Kläger mit der Überversorgung gerechnet und sich hierauf eingestellt hat, verdient er keinen Schutz (BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89BAGE 67, 385, 398 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 3 der Gründe).

4. Die Beklagte hat weder auf ihr Anpassungsrecht verzichtet noch hat sie es verwirkt. Für eine Verwirkung genügt es nicht, daß der Rechtsinhaber längere Zeit sein Recht nicht ausgeübt hat. Außerdem ist erforderlich, daß der von diesem Recht Betroffene nach dem früheren Verhalten des Rechtsinhabers damit rechnen durfte, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht (vgl. u.a. BAG Beschluß vom 14. November 1978 – 6 ABR 11/77 – AP Nr. 39 zu § 242 BGB Verwirkung, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 6. November 1997 – 2 AZR 162/97 – AP Nr. 45 zu § 242 BGB Verwirkung, zu II 3 b der Gründe). Dieses sog. Umstandsmoment setzt einen Vertrauenstatbestand voraus, der im vorliegenden Fall fehlt.

a) Dem Aufhebungsvertrag läßt sich, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, kein Verzicht auf das Anpassungsrecht entnehmen. Ebensowenig enthält die von der Beklagten erteilte Auskunft über die Höhe der Versorgungsanwartschaft eine derartige Willenserklärung. Die Beklagte hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach § 2 Abs. 6 BetrAVG nachkomme. Die Auskunft war lediglich eine Wissenserklärung. Gestaltungsrechte wurden dadurch nicht aufgehoben oder beseitigt. Die nach § 2 Abs. 6 BetrAVG erteilte Auskunft enthält kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis (BAG Urteil vom 8. November 1983 – 3 AZR 511/81 – AP Nr. 3 zu § 2 BetrAVG, zu II 2 und 3 der Gründe; Urteil vom 9. Dezember 1997 – 3 AZR 695/96 – AP Nr. 27 zu § 2 BetrAVG, zu III 2 a der Gründe, m.w.N., und zur Veröffentichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

b) Die Beklagte hat zwar dem Kläger gegenüber erst mit Schreiben vom 16. April 1997 ihr Anpassungsrecht ausgeübt und damit mehr als drei Jahre nach Erlaß des Spruchs der Einigungsstelle. Trotz dieser längeren Untätigkeit fehlt das für eine Verwirkung erforderliche schutzwürdige Vertrauen des Klägers. Er konnte nicht davon ausgehen, daß die Beklagte ihm gegenüber von der Anpassung absehen werde. Im Schreiben vom 24. Februar 1993 hatte die Beklagte ihn ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie die eingetretene Überversorgung nicht länger hinnehmen könne und eine Anpassungsregelung mit Hilfe der Einigungsstelle durchsetzen wolle. Er mußte damit rechnen, daß die bisherige Rente versehentlich weitergezahlt wurde.

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Friedrich, Dr. Michels ist wegen Ablauf seiner Amtszeit an der Unterschrift verhindert. Dr. Heither, G. Hauschild

 

Fundstellen

Dokument-Index HI952040

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