Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Betriebsrente bei vorzeitiger Inanspruchnahme (§ 6 BetrAVG)

 

Leitsatz (amtlich)

  • Das Betriebsrentengesetz trifft keine Bestimmung dazu, wie die Betriebsrente zu berechnen ist, wenn ein Arbeitnehmer sie nach § 6 BetrAVG mit Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand in Anspruch nimmt. Es kommt deshalb darauf an, welche Regelungen die jeweiligen Versorgungsordnungen hierzu treffen.
  • Die Auslegungsregeln, die der Senat für die Berechnung einer nach § 6 BetrAVG vorzeitig in Anspruch genommenen Betriebsrente und die Behandlung einer in einer Versorgungsordnung enthaltenen Höchstbegrenzungsklausel aufgestellt hat (vgl. zuletzt Urteil vom 24. Juni 1986 – 3 AZR 630/84 – AP Nr. 12 zu § 6 BetrAVG; Urteil vom 8. Mai 1990 – 3 AZR 341/88 – AP Nr. 18 zu § 6 BetrAVG; Urteil vom 12. November 1991, BAGE 69, 19, 25 = AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG, zu II 3b der Gründe), gelten nur insoweit, wie die betriebliche Versorgungsregelung keine eigene billigenswerte Bestimmung getroffen hat.
 

Normenkette

BetrAVG § 6

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 21.06.1994; Aktenzeichen 9 Sa 216/94)

ArbG Köln (Urteil vom 28.09.1993; Aktenzeichen 12 Ca 4666/92)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. Juni 1994 – 9 Sa 216/94 – aufgehoben.
  • Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28. September 1993 – 12 Ca 4666/92 – abgeändert, soweit es dem Klageantrag entsprochen hat. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.

Der am 23. September 1926 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 1. Juni 1950 bis zum 31. Dezember 1987 beschäftigt. Er war aufgrund eines Vorruhestandsvertrages ausgeschieden, in welchem er sich verpflichtet hatte, frühestmöglich einen Antrag auf Altersruhegeld oder vergleichbare Leistungen zu stellen. Er bezieht seit dem 1. Oktober 1989 ein vorgezogenes Altersruhegeld. Seit demselben Zeitpunkt zahlt die Beklagte an den Kläger eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 1.068,-- DM. Grundlage hier für ist eine am 15. Dezember 1969 in Kraft getretene und am 21. Oktober 1976 durch Betriebsvereinbarung abgeänderte betriebliche Versorgungsordnung. Dort heißt es u.a.:

“ § 3

Bestimmungen über den Eintritt des Versorgungsfalles

  • Als Eintritt des Versorgungsfalles für die Altersrente gilt das Erreichen der Altersgrenze. Altersgrenze ist bei männlichen Betriebsangehörigen die Vollendung des 65. Lebensjahres, bei weiblichen Betriebsangehörigen die Vollendung des 60. Lebensjahres.
    • Als Eintritt des Versorgungsfalles für die Altersrente gilt für männliche Betriebsangehörige ferner das Ausscheiden nach Vollendung des 62. Lebensjahres, wenn sie durch Vorlage des Rentenbescheides eines Sozialversicherungsträgers nachweisen, daß sie von da ab Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 25 AVG, § 1248 RVO) beziehen. Die sich gem. § 4 Abs. 1 und 2 in Verb. mit § 9 ergebende Altersrente wird in diesem Fall für jeden vollen Kalendermonat, für den die Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird, um 0,5 % ihres Wertes gekürzt. …

§ 4

Höhe der Rente

  • Als Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrenten werden für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr (§ 5) Steigerungsbeträge von je 0,75 % des rentenfähigen Einkommens (§ 6) gewährt.
  • Für rentenfähige Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten wird eine Zusatzrente gewährt. Die Zusatzrente besteht aus einem prozentualen Zuschlag zum Steigerungsbetrag (§ 4 Abs. 1). Der prozentuale Zuschlag beträgt 1 % für jede volle DM 100,--, um die das rentenfähige Einkommen des jeweiligen Jahres die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze übersteigt. …
  • Die Firmenrente beträgt höchstens 35 % des rentenfähigen Einkommens.

§ 5

Anrechnungsfähige Dienstjahre

  • Als anrechnungfähige Dienstjahre gelten bei männlichen Betriebsangehörigen alle nach Vollendung des 30. Lebensjahres, bei weiblichen Betriebsangehörigen alle nach Vollendung des 25. Lebensjahres ohne Unterbrechung in den Diensten der Firma verbrachten vollen Kalenderjahre. …

§ 6

Rentenfähiges Einkommen

Als rentenfähiges Einkommen gilt 1/13 des lohnsteuerpflichtigen Jahresbruttobezugs, den der Betriebsangehörige im letzten Kalenderjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogen hat.

§ 9

Begrenzung der Rente

  • Die für den Betriebsangehörigen berechnete Rente, die gleichzeitig Grundlage für die Berechnung der Hinterbliebenenrente ist, wird dann und insoweit gekürzt, als sie monatlich zusammen mit den auf Pflichtbeiträgen beruhenden Renten aus der Sozialversicherung, der Rente aus der Berufsgenossenschaft sowie Renten aus öffentlich-rechtlicher oder anderweitiger betrieblicher Versorgung oder Zusatzversorgung 70 % des rentenfähigen Einkommens übersteigt. …

§ 10

Aufrechterhaltung von Ansprüchen beim vorzeitigen Ausscheiden

Scheidet ein Betriebsangehöriger vor Eintritt des Versorgungsfalles aus der Firma aus, erlöschen sämtliche sich nach dieser Versorgungsordnung ergebenden Anwartschaften, soweit sie nicht aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betr.AVG) vom 19.12.1974 bestehen bleiben. Bleibt die Anwartschaft bestehen, so erhält der Betriebsangehörige bei seinem Ausscheiden eine Bescheinigung, aus der sich die Höhe der Altersrente bei Erreichen der Altersgrenze (§ 3 Abs. 1) ergibt.”

Von diesen Vorschriften ausgehend errechnet die Beklagte den Betriebsrentenanspruch des Klägers wie folgt:

Hätte der Kläger bis zum Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand für die Beklagte gearbeitet, hätte er bei 33 anrechnungsfähigen Dienstjahren und den beim Ausscheiden maßgebenden Bemessungsgrößen einen Rentenanspruch in Höhe von 1.504,53 DM gehabt. Zusammen mit der zu diesem Zeitpunkt erreichbaren Sozialversicherungsrente ohne den Rententeil aus freiwilligen Beiträgen von 2.607,91 DM ergebe dies einen Gesamtbetrag von 4.112,44 DM. Dieser Betrag übersteige die Obergrenze von 70 % des rentenfähigen Einkommens (3.942,24 DM) um 170,20 DM. Um diesen Betrag sei der errechnete Rentenbetrag vorab auf 1.334,33 DM zu kürzen. Nach einem versicherungsmathematischen Abschlag um 12 % (24 × 0,5 %) und einer Kürzung wegen des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis (Zeitwertfaktor: 90,93 %) stehe dem Kläger eine Betriebsrente von 1.068,-- DM monatlich zu.

Mit seiner Klage hat der Kläger sich gegen diese Berechnung gewendet. Dabei macht er in erster Linie geltend, sein Betriebsrentenanspruch sei vom fiktiven Rentenbetrag ausgehend gekürzt um den versicherungsmathematischen Abschlag und entsprechend dem Zeitwertfaktor zu errechnen. Erst danach sei festzustellen, ob der sich hieraus ergebende Betriebsrentenbetrag zusammen mit der Sozialversicherungsrente 70 % des rentenfähigen Einkommens übersteige. Dies sei bei ihm nicht der Fall, so daß ihm die errechnete Betriebsrente ungekürzt zufließen müsse.

Der Kläger, der außerdem der Auffassung ist, bei ihm seien Steigerungsbeträge für 35 anrechnungsfähige Dienstjahre zugrunde zu legen, errechnet für sich auf dieser Grundlage einen monatlichen Betriebsrentenanspruch von 1.271,55 DM. Er ist im übrigen der Ansicht, soweit es auf die ihm zustehende Sozialversicherungsrente ankomme, könne nur von einem Betrag von 2.493,44 DM ausgegangen werden. Die Beitragsleistungen während des Vorruhestandsverhältnisses seien nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger hat beantragt,

  • die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.496,32 DM nebst 10 % Zinsen von je 203,55 DM in der Zeit vom 1. Oktober 1989 bis 1. Mai 1992 als restliche Betriebsrente für die Monate Oktober 1989 bis einschließlich Mai 1992 zu zahlen;
  • die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1. Juli 1992 über die gezahlte Betriebsrente in Höhe von 1.068,-- DM weitere 203,55 DM monatlich nebst 10 % Zinsen ab dem 1. eines jeden Monats, beginnend mit dem 1. Juni 1992, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält den ermittelten Rechenweg für richtig. Ihre Versorgungsordnung enthalte ein Gesamtversorgungssystem. Es sei deshalb zunächst die fiktive Betriebsrente anhand der Gesamtversorgungsobergrenze zu kürzen. Der sich daraus ergebende Betrag sei dann im Hinblick auf die vorgezogene Inanspruchnahme und das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu kürzen.

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger eine monatliche Betriebsrente von 1.203,90 DM zugesprochen und die Beklagte zur Zahlung rückständiger Differenzen von insgesamt 4.348,80 DM verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es ist mit der Beklagten von 33 anrechnungsfähigen Dienstjahren ausgegangen, hat aber die Höchstbegrenzungsklausel erst nach der zweifachen Kürzung der fiktiven Betriebsrente angewendet. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufung blieb erfolglos. Mit ihrer Revision strebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der gesamten Klage an.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht entgegen der Auffassung der Vorinstanzen keine höhere als die von der Beklagten gezahlte Betriebsrente zu.

I. Der Kläger hat Anspruch auf eine nach § 2 Abs. 1 BetrAVG berechnete Teilrente. Er ist bei der Beklagten vor Eintritt des Versorgungsfalles mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschieden.

1. Wer aufgrund eines Vorruhestandsvertrages aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und in ein Vorruhestandsverhältnis wechselt, scheidet im Sinne von § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 BetrAVG vor Erreichen des Versorgungsfalles aus dem Arbeitsverhältnis aus. Das Arbeitsverhältnis wird einvernehmlich beendet. Das Vorruhestandsverhältnis ist ein Rechtsverhältnis eigener Art, nicht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in anderer äußerer Gestalt. Für das Betriebsrentenrecht macht dies § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG deutlich. Diese Bestimmung behandelt das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund einer Vorruhestandsregelung als vorzeitiges Ausscheiden. Sie enthält für diesen Fall lediglich eine besondere Unverfallbarkeitsbestimmung, um Anreize für den Übergang in den Vorruhestand zu geben.

2. Zum Zeitpunkt seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis hatte der Kläger eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft nach § 1 Abs. 1 BetrAVG erworben. Er war beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis 61 Jahre alt und bereits mehr als 37 Jahre bei der Beklagten beschäftigt.

3. Für die Berechnung des sich hieraus ergebenden Anspruchs auf eine Teilrente gilt die gesetzliche Mindestbestimmung des § 2 Abs. 1 BetrAVG. Weder die betriebliche Versorgungsordnung, noch die Arbeitsvertragsparteien haben eine hiervon abweichende günstigere Bestimmung getroffen. Nach § 10 der Versorgungsordnung sollen bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die Rechte aus der Versorgungszusage nur in dem Umfang erhalten bleiben, wie dies das Betriebsrentengesetz vorsieht. Auch die Vorruhestandsvereinbarung vom 8./13. Juli 1987 enthält keine von § 2 Abs. 1 BetrAVG abweichende Bestimmung. Sie sieht lediglich vor, daß der Kläger seinen unverfallbaren Anspruch gegenüber der betrieblichen Altersversorgung behält. Eine exakte Berechnung und Mitteilung der Ansprüche erfolge zu gegebener Zeit.

II. Nach § 2 Abs. 1 BetrAVG hat der Kläger einen Rentenanspruch in Höhe des Teils der ohne sein vorheriges Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres entspricht. Dieser Anspruch hat die Beklagte zutreffend ermittelt. Er beläuft sich auf 1.068,-- DM. Einen darüber hinausgehenden Anspruch hat der Kläger nicht.

1. Der Unverfallbarkeitsfaktor nach § 2 Abs. 1 BetrAVG beträgt rechnerisch unstreitig 90,93 %. Er ist aus dem Verhältnis der Beschäftigungszeiten zu errechnen, die das Betriebsrentengesetz als Regeltatbestand nennt. Die Versorgungsordnung der Beklagten sieht für den Kläger keine frühere feste Altersgrenze vor, als die der Vollendung des 65. Lebensjahres.

Die durch § 3 Abs. 1a der Versorgungsordnung nachträglich eingefügte, § 6 BetrAVG entsprechende Möglichkeit, nach Vollendung des 62. Lebensjahres die betriebliche Altersrente zusammen mit der vorgezogenen gesetzlichen Rente in Anspruch zu nehmen, hat nicht zu einer neuen, vorgezogenen “festen” Altersgrenze geführt. Nach § 3 Abs. 1 der Versorgungsordnung wird die Vollrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres erworben. Die Inanspruchnahme im Zusammenhang mit dem vorzeitigen gesetzlichen Ruhestand führt nach der Regelung in § 3 Abs. 1a der Versorgungsordnung nur zu einem gekürzten Anspruch (vgl. hierzu auch BAGE 67, 301, 308 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, zu II 2a der Gründe).

Mit dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten stand der nach § 2 Abs. 1 BetrAVG errechnete Unverfallbarkeitsfaktor von 90,93 % unabhängig von der weiteren Entwicklung der Rechtsbeziehungen der Parteien abschließend fest.

2. Bezugsgröße des Unverfallbarkeitsfaktors ist nach § 2 Abs. 1 BetrAVG die ohne das vorzeitige Ausscheiden des Arbeitnehmers im Versorgungsfall zustehende Leistung. Nimmt der Arbeitnehmer die Betriebsrente mit dem Übergang in den vorgezogenen gesetzlichen Ruhestand in Anspruch, ist Versorgungsfall der Zeitpunkt des Eintrittes in den vorzeitigen Ruhestand. § 6 BetrAVG stellt diesen Fall als besonderen Versorgungsfall neben den des Erreichens der festen Altersgrenze. Dementsprechend formuliert § 3 Abs. 1a der Versorgungsordnung auch, daß dieser Zeitpunkt als Eintritt des Versorgungsfalles für die Altersrente gelte. Bezugsgröße der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung im Sinne des § 2 Abs. 1 BetrAVG ist bei einem Arbeitnehmer wie dem Kläger mithin die Betriebsrente, die er ohne sein vorheriges Ausscheiden bei Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand erhalten hätte (BAGE 67, 301, 307 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, zu II 2a der Gründe; BAGE 69, 19, 29 = AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG, zu II 7 der Gründe; Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG, Stand: Juni 1993, § 6 Rz 2681).

Obwohl die bis zum Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand erreichbare Betriebsrente die Bezugsgröße des Unverfallbarkeitsfaktors ist, bleibt es bei der Berechnung des Unverfallbarkeitsfaktors selbst dabei, daß hier auf die erreichbare Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres abzustellen ist. § 2 Abs. 1 BetrAVG schreibt diese Berechnung vor. Die Vergütungsordnung der Beklagten enthält keine hiervon abweichende günstigere Regelung.

3. Die vom Kläger bis zum Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand am 1. Oktober 1989 erreichbare Betriebsrente hat die Beklagte richtig errechnet. In diesem Fall hätte der Kläger Anspruch auf eine monatliche Betriebsrente von 1.174,21 DM gehabt.

a)  Das Betriebsrentengesetz schreibt nicht vor, wie die Betriebsrente eines Arbeitnehmers zu berechnen ist, der sie bei Eintritt in den vorzeitigen gesetzlichen Ruhestand in Anspruch nimmt. Es kommt deshalb darauf an, welche Bestimmungen die jeweiligen Versorgungsordnungen hierzu treffen. Dies ist durch deren Auslegung zu ermitteln. Im Zweifel, insbesondere bei Regelungslücken, ist eine Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen. In diesem Zusammenhang hat der Senat mehrfach entschieden, daß bei einer Inanspruchnahme der Betriebsrente nach § 6 BetrAVG eine ratierliche Kürzung der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Vollrente entsprechend § 2 BetrAVG vorgenommen werden kann. Er hat darüber hinaus für die zwischen den Parteien im Hinblick auf § 9 der Versorgungsordnung umstrittene Frage, wie eine Höchstbegrenzungsklausel in einer Versorgungsordnung bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen ist, Auslegungsregeln aufgestellt, von denen das Landesarbeitsgericht auch ausgegangen ist. Hiernach ist eine solche Klausel im Zweifel dahin auszulegen, daß die Voll- oder Teilrenten zunächst unabhängig von der Höchstbegrenzungsklausel zu berechnen sind; erst dann, wenn die so berechneten Renten die Höchstgrenze überschreiten, können sie gekürzt werden (BAGE 45, 1, 4 f. = AP Nr. 4 zu § 2 BetrAVG, zu II, III der Gründe; BAG Urteil vom 24. Juni 1986 – 3 AZR 630/84 – AP Nr. 12 zu § 6 BetrAVG, zu II der Gründe; Urteil vom 19. Mai 1987 – 3 AZR 513/85 – nicht veröffentlicht; Urteil vom 8. Mai 1990 – 3 AZR 341/88 – AP Nr. 18 zu § 6 BetrAVG, zu I 2, 3 der Gründe). Daß diese Auslegungsregel nicht ohne weiteres auf Fallgestaltungen übertragbar ist, in denen es um die Berechnung einer Teilrente aufgrund einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft geht, die dann später mit Eintritt in den vorgezogenen gesetzlichen Ruhestand geltend gemacht wird, hat der Senat in seinem Urteil vom 12. November 1991 (BAGE 69, 19, 25 = AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG, zu II 3b der Gründe) klargestellt.

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt es auf diese Auslegungsregeln aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht an. Die Versorgungsordnung der Beklagten ist, was die Behandlung des besonderen Versorgungsfalles des § 6 BetrAVG angeht, nicht lückenhaft. § 3 Abs. 1a Satz 2 der Versorgungsordnung regelt diesen Fall ausdrücklich.

Die Bestimmung über die Berechnung der betrieblichen Altersrente bei Inanspruchnahme des vorgezogenen gesetzlichen Ruhestandes, wonach die sich gem. § 4 Abs. 1 und 2 in Verb. mit § 9 der Versorgungsordnung ergebende Altersrente für jeden vollen Kalendermonat, für den die Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird, um 0,5 % ihres Wertes gekürzt wird, enthält drei Festlegungen:

Zunächst ist die Altersrente bei vorzeitiger Inanspruchnahme nicht in der Weise zu berechnen, daß die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres im Betrieb erreichbare Betriebsrente entsprechend § 2 BetrAVG ratierlich gekürzt wird. Vielmehr sind § 4 Abs. 1 und 2 der Versorgungsordnung anzuwenden. Es sind also die bis zum Zeitpunkt des vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand erdienten Steigerungsbeträge festzustellen. Anhand des letzten rentenfähigen Entgeltes ist dann die Altersrente (§ 4 Abs. 1 der Versorgungsordnung) sowie die Zusatzrente (§ 4 Abs. 2 der Versorgungsordnung) zu ermitteln.

Der sich ergebende Betrag ist anhand der Höchstbegrenzungsklausel in § 9 der Versorgungsordnung zu überprüfen. Es kommt damit nicht darauf an, ob der Höchstbegrenzungsklausel in § 9 der Versorgungsordnung bei isolierter Betrachtung entnommen werden könnte, daß hiermit ein Gesamtversorgungssystem eingeführt werden sollte, oder ob es hier nur um die Vermeidung von Überversorgungen geht. Die Regelung des § 9 muß in Verb. mit § 3 Abs. 1a Satz 2 der Versorgungsordnung gesehen werden. § 3 Abs. 1a Satz 2 der Versorgungsordnung verweist ausdrücklich zur Berechnung der Rente bei vorzeitigem Ausscheiden auf diese Bestimmung. Daraus folgt, daß die Höchstbegrenzungsklausel des § 9 auf die erreichbare Rente vor etwaigen Kürzungen angewendet werden soll. Nach der Versorgungsordnung soll die Versorgungslücke zwischen der gesetzlichen Rente und 70 % der letzten Bruttobezüge nur bei den Mitarbeitern vollständig ausgefüllt werden, die die volle Betriebstreue erbringen und die Betriebsrente erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen.

Im dritten Rechenschritt ist der bis hierhin ermittelte Betrag um den versicherungsmathematischen Abschlag von 0,5 % pro Monat des vorzeitigen Rentenbezuges vorzunehmen. Als Ergebnis erhält man die Betriebsrente, die dem Arbeitnehmer bei Betriebstreue bis zum Eintritt in den vorzeitigen gesetzlichen Ruhestand zustehen soll.

c) Die Regelung in § 3 Abs. 1a Satz 2 der Versorgungsordnung ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

Eine Rechtspflicht, die Betriebsrente bei vorzeitiger Inanspruchnahme entsprechend § 2 BetrAVG ratierlich zu berechnen, gibt es nicht. Jedenfalls dann, wenn die Versorgungsordnung gleichmäßige Steigerungssätze vorsieht, ist es nicht zu beanstanden, wenn für den Fall des § 6 BetrAVG eine Betriebsrente entsprechend den bis zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme erdienten Steigerungssätzen zu berechnen ist.

Ebensowenig gibt es eine Rechtspflicht, wonach Höchstbegrenzungsklauseln erst nach Ermittlung von Teilrenten berücksichtigt werden dürften. Hiervon geht der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung aus, wenn er in diesem Zusammenhang lediglich Auslegungsregeln zur Behandlung von Höchstbegrenzungsklauseln aufstellt. Es ist Sache des Arbeitgebers, ob er ein Gesamtversorgungssystem einführen, oder durch die Festlegung einer Höchstbegrenzungsklausel lediglich Überversorgungen vermeiden will.

Schließlich entspricht ein versicherungsmathematischer Abschlag von 0,5 % pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme der Betriebsrente auch billigem Ermessen (BAGE 38, 277, 283 = AP Nr. 4 zu § 6 BetrAVG, zu 4 der Gründe; Urteil vom 24. Juni 1986 – 3 AZR 630/84 – AP Nr. 12 zu § 6 BetrAVG, zu II 1b der Gründe).

4. Nach § 5 der Versorgungsordnung hätte der Kläger bis zum Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand 33 anrechnungsfähige Dienstjahre zurückgelegt. Er hätte damit nach § 4 Abs. 1 der Versorgungsordnung als Altersrente 24,75 % sowie nach § 4 Abs. 2 der Versorgungsordnung als Zusatzrente weitere 1,965 % seines rentenfähigen Einkommens erdient gehabt. Das rentenfähige Einkommen des Klägers betrug unstreitig 5.631,77 DM, so daß sich zunächst ein Gesamtrentenbetrag von 1.504,53 DM ergibt.

Die Anwendung der Höchstbegrenzungsklausel in § 9 der Versorgungsordnung führt zur Kürzung dieses Betrages auf 1.334,33 DM. Zur errechneten Betriebsrente von 1.504,53 DM ist eine Sozialversicherungsrente bei Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand ohne den Bestandteil aus freiwilligen Beiträgen in Höhe von 2.607,91 DM zu addieren. Dabei ist entgegen der Auffassung des Klägers auch der während des Vorruhestandsverhältnisses erdiente Teil der Rente mitzuberücksichtigen. Er beruht auf den Beiträgen, welche die Beklagte zusammen mit dem von ihr gezahlten Vorruhestandsgeld geleistet hat, auch wenn diese Beiträge teilweise von der Bundesanstalt für Arbeit erstattet worden sein mögen. Im übrigen ist bei der Berechnung der im Versorgungsfall erreichbaren Betriebsrente auch, was die Sozialversicherungsrente angeht, auf den Zeitpunkt des Eintritts in den vorzeitigen Ruhestand abzustellen.

Die Summe aus 2.607,91 DM und 1.504,53 DM übersteigt die Versorgungshöchstgrenze von 3.942,24 DM um 170,20 DM. Um diesen Betrag ist die errechnete Betriebsrente von 1.504,53 DM auf 1.334,33 DM zu kürzen.

Nach § 3 Abs. 1a Satz 2 der Versorgungsordnung ist nunmehr der versicherungsmathematische Abschlag von 12 % vorzunehmen, weil der Kläger die Betriebsrente 24 Monate vor Erreichen der festen Altersgrenze von 65. Lebensjahren in Anspruch genommen hat. Dies ergibt eine im Versorgungsfall erreichbare Betriebsrente von monatlich 1.174,21 DM.

Wendet man auf diese im Versorgungsfall erreichbare Betriebsrente nach § 2 Abs. 1 BetrAVG den Unverfallbarkeitsfaktor von 90,93 % an, ergibt sich – aufgerundet – die von der Beklagten monatlich gezahlte Betriebsrente von 1.068,-- DM. Die auf Zahlung einer höheren Betriebsrente gerichtete Klage kann danach keinen Erfolg haben.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Bepler, Kaiser, H. Frehse

Richter Kremhelmer ist in Urlaub

Dr. Heither

 

Fundstellen

Haufe-Index 870891

BB 1995, 1853

NZA 1996, 39

ZIP 1995, 1842

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