Leitsatz (amtlich)

  • Nur wenn das erkennende Gericht, d.h. das Gericht, das die revisionsfähige Entscheidung getroffen hat, nicht vorschriftsmäßig besetzt war, ist ein unbedingter Revisionsgrund gegeben.
  • Ein Arbeitnehmer, der bei einer Staats- und Universitätsbibliothek überwiegend lediglich die ihm vorgeschriebenen Texte von Büchertiteln zu Katalogzwecken mit Hilfe einer Prägemaschine (Adrema) nach Art eines normalen Druckvorganges auf Prägeplatten zu übertragen hat, ist kein Angestellter, der unter die TO.A fällt.
 

Normenkette

ZPO § 551 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 15.01.1959; Aktenzeichen 3 Sa 266/58)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hannover vom 15. Januar 1959 – 3 Sa 266/58 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger, der bei der Niedersächsischen S… – und U… bibliothek in G… zunächst als Kraftfahrer und Bibliotheksgehilfe mit einem Stundenlohn von 1,75 DM tätig war, wird seit dem 15. Dezember 1956 weiterhin im Lohnverhältnis als Adremapräger beschäftigt. Sein Stundenlohn beträgt 1,60 DM.

Der Kläger ist der Ansicht, seine Tätigkeit erfülle die Merkmale der VergGr. IX TO.A. Er verlangt von dem Beklagten den Unterschiedsbetrag zwischen dem ihm gezahlten Lohn und der Vergütung nach VergGr. IX TO.A für die Zeit vom 1. April 1957 bis 31. März 1958. Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 720,– DM zu zahlen.

Der Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten, weil der Kläger zutreffend als Arbeiter entlohrt werde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hiergegen hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision erstrebt er weiterhin die Verurteilung des Beklagten, während dieser um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Gegen das angefochtene Urteil bestehen nicht etwa deshalb Bedenken, weil an der Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz ein Richter als Vorsitzender mitgewirkt hat, dessen Befähigung zur Bekleidung des Amtes eines Vorsitzenden beim Landesarbeitsgericht in Zweifel gezogen wird, wie dem Senat bekannt ist. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Zweifel begründet sind. Ebenso braucht nicht erörtert zu werden, ob ein solcher Mangel in der Besetzung des Gerichts von Amts wegen oder nur auf Rüge der Parteien zu berücksichtigen ist, die im übrigen trotz ausdrücklichen Hinweises insoweit keine Bestandung vorgebracht haben. Denn der unbedingte Revisionsgrund des § 551 Ziff. 1 ZPO ist nur dann gegeben, wenn das erkennende Gericht, d. h. das Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, nicht vorschriftsmäßig besetzt war (vgl. RAG 22, 172; Stein-Jonas-Schönke, ZPO, 18. Aufl., § 309 Anm. II; Wieczorek, ZPO, § 551 Anm. B I b; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 25. Aufl., § 309 Anm. 1; Zöller, ZPO, 9. Aufl., § 551 Anm. 1; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., § 140 III 3c). Das trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu, weil der betreffende Vorsitzende nicht an der angefochtenen Entscheidung, sondern, wie bereits gesagt, lediglich an der Beweisaufnahme mitgewirkt hat.

In der Sache selbst ist dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis beizutreten. Der Kläger hat einen tariflichen Anspruch auf Vergütung nach Maßgabe der TO.A dann, wenn er entweder in einer seine Arbeitskraft überwiegend beanspruchenden, nach § 1 (jetzt § 3 in der Fassung des AnVNG vom 23. Februar 1957) des Reichsangestelltenversicherungsgesetzes (AVG) versicherungspflichtigen Beschäftigung tätig oder in der Anlage 1 aufgeführt ist (§ 1 Abs. 1 TO.A). Dabei handelt es sich um zwei selbständige Voraussetzungen, von denen jede für sich die Geltung der TO.A für ein Arbeitsverhältnis begründet, ohne daß auch im Rahmen der zweiten Alternative stets Angestellteneigenschaft im Sinne des Angestelltenversicherungsrechts zu fordern ist, wie das Berufungsgericht irrig meint (vgl. BAG 8, 33).

Aufgeführt i. S. der zweiten Alternative des § 1 Abs. 1 TO.A ist der Kläger, wenn er in der Allgemeinen Vergütungsordnung zur TO.A nach Berufs- oder Tätigkeitsbezeichnung genannt wird, oder wenn die von ihm ausgeübte Tätigkeit den allgemeinen Merkmalen einer Fallgruppe in einer Vergütungsgruppe entspricht.

Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, ist es Aufgabe des Klägers bei der St… bibliothek in G…, die ihm – teilweise in fremden Sprachen – vorgeschriebenen Texte von Büchertiteln zu Katalogzwecken mit Hilfe einer Prägemaschine (Adrema) nach Art eines normalen Druckvorgangs auf Prägeplatten zu übertragen. Die Richtigkeit der Übertragung wird von der Bibliotheksabteilung anhand eines Bürstenabzugs nachgeprüft. Die Prägearbeiten beanspruchen etwa 6 Stunden der Arbeitszeit des Klägers. Daneben obliegen dem Kläger noch die Verwaltung des Plattenarchivs sowie andere Nebenarbeiten.

Mit Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß Adremapräger von der Art des Klägers weder ausdrücklich noch durch Beschreibung ihrer Tätigkeit in der Anlage 1 zur TO.A genannt werden. Der Kläger erfüllt aber auch nicht die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale einer Fallgruppe. Da er in einer Bibliothek arbeitet und die Tätigkeit in Büchereien in der Anlage 1 zur TO.A für sich und besonders erfaßt werden, z. B. in VergGr. X Fallgr. 2, VergGr. IX Fallgr. 4, VergGr. VIII Fallgr. 4 usw. scheiden andere Fallgruppen, wie etwa die vom Kläger zur Erörterung gestellte Fallgr. 1 der VergGr. IX TO.A (Angestellte mit einfacheren Arbeiten im Büro-… und sonstigen Innendienst), für eine Eingruppierung des Klägers aus (vgl. BAG 1, 85 ff.; BAG AP Nr. 20 zu § 3 TO.A). Von den die Tätigkeit in Büchereien betreffenden Fallgruppen könnte allenfalls die 2. Fallgr. der VergGr. X, die für “Angestellte mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit” vorgesehen ist, in Betracht kommen. Zwar mögen die vom Kläger zu verrichtenden und gegenüber seinen anderen Obliegenheiten überwiegenden Übertragungsarbeiten große Genauigkeit und Aufmerksamkeit erfordern; die insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsurteils könnten es aber im Hinblick auf das Maß der vom Kläger dabei zu erbringenden geistigen Leistung nicht rechtfertigen, in diesen Aufgaben des Klägers mehr als eine “vorwiegend mechanische Tätigkeit” i. S. der genannten VergGr. zu sehen. Indessen scheitert die Einreihung des Klägers selbst in diese Vergütungsgruppe daran, daß ihm die Verkehrsanschauung, nach der es sich bestimmt, ob er, wie dort vorausgesetzt wird, Angestellter ist, diese Eigenschaft nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils abspricht.

Diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, daß eine Verkehrsanschauung, d. h. eine Auffassung der im konkreten Fall beteiligten Berufskreise nicht besteht, die die Tätigkeit des Klägers als die eines Angestellten wertet, bindet nämlich das Revisionsgericht, da es sich um eine Tatsachenfeststellung handelt (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 616 BGB Angestellter). Zwar macht die Revision geltend, das Landesarbeitsgericht zähle zu Unrecht die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Landesversicherungsanstalt Hannover, die Gewerkschaft ÖTV und die DAG, deren Auffassung es erkundet habe, zu den beteiligten Berufskreisen, während es den Äußerungen der Staats- und Universitätsbibliotheken, des Vereins deutscher Bibliothekare und den sog. “Salzburger Richtlinien”, die Bediener von Adrema-Apparaten den VergGr. IX und VIII TO.A zuwiesen, keine Bedeutung beimesse. Soweit die Revision damit etwa rügen will, das Berufungsgericht gehe von einem unrichtigen Begriff der “beteiligten Berufskreise” aus, verkennt sie, daß zu diesen die genannten Gewerkschaften schon deshalb zu rechnen sind, weil gerade sie infolge ihrer Tarifaufgaben mit zu beurteilen haben, welche Arbeiten im Bereich des öffentlichen Dienstes als Angestellten- und welche als Arbeitertätigkeiten anzusehen sind. Dabei ist es entgegen der Ansicht der Revision unerheblich, ob bei den Gewerkschaften Adremapräger organisiert sind (vgl. dazu BAG 7,86). Ebensowenig bestehen Bedenken gegen eine Verwertung der Stellungnahme der Versicherungsträger durch das Landesarbeitsgericht, denn auch diese haben sich kraft ihrer Aufgaben mit der in Rede stehenden Frage zu befassen. Im übrigen hat das Berufungsgericht die Versicherungspraxis lediglich als Indiz gegen das Vorhandensein einer, wie der Kläger behauptet hat, ihm günstigen Verkehrsanschauung herangezogen. Soweit die Revision die Beurteilung bemängelt, die die Äußerungen der Staats- und Universitätsbibliotheken, des Vereins deutscher Bibliothekare usw. durch das Landesarbeitsgericht erfahren haben, und sie sich damit gegen die Erwägungen wendet, mit denen das Berufungsgericht an Hand des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung begründet, daß nach der Verkehrsanschauung die Arbeit eines Adremaprägers keine Angestelltentätigkeit ist, handelt es sich um einen unbeachtlichen Angriff gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts. Es ist auch entgegen der Meinung der Revision nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Einholung einer Auskunft bei der Stadt G… über deren Behandlung der Adremapräger unterlassen hat. Auf diesen Beweis kam es deshalb nicht an, weil sich aus der Praxis einer einzelnen Kommunalverwaltung noch nichts für das Bestehen einer bestimmten allgemeinen Auffassung der beteiligten Berufskreise entnehmen läßt. Ebensowenig greift die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobene Rüge einer Verletzung des § 139 ZPO durch, da sie den Anforderungen des § 554 Abs. 3 Ziff. 2b ZPO nicht entspricht. Die Revision hätte hier zumindest angeben müssen, welche Beweise der Kläger noch angetreten und welche Tatsachen die Beweiserhebung ihrer Ansicht nach ergeben hätte (vgl. Stein-Jonas-Schönke, aaO, § 554 Anm. III 3b; Baumbach-Lauterbach, aaO, § 554 Anm. 4 D).

Ist demzufolge der Kläger nach der Verkehrsanschauung nicht als Angestellter zu betrachten und kommt deshalb seine Einreihung in die 2. Fallgr. der VergGr. X TO.A nicht in Betracht, so steht dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zum Urteil des Senats vom 10. Juni 1959 (BAG 8, 33). Denn einmal war auch in dieser Entscheidung die Verkehrsanschauung mitbestimmend für die Bejahung der Angestellteneigenschaft des dortigen Klägers, zum anderen handelte es sich um einen Fall, in dem die Tätigkeit des Klägers als Beispiel zu einer bestimmten Fallgruppe einer Vergütungsgruppe angeführt war, in dem also die TO.A ausdrücklich zu erkennen gegeben hatte, daß sie eine solche Tätigkeit als Angestelltentätigkeit behandelt wissen wollte.

Ohne Rechtsirrtum nimmt das Landesarbeitsgericht weiter an, daß der Kläger auch nicht auf Grund der ersten Alternative des § 1 Abs. 1 unter die TO.A fällt, weil er keiner angestelltenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgeht. Zwar ist die Frage, ob eine Beschäftigung der Angestelltenversicherungspflicht unterliegt, an sich eine solche des Sozialversicherungsrechts. Da es sich jedoch im vorliegenden Fall lediglich um eine für die Entscheidung des Rechtsstreits erhebliche Vorfrage handelt, bestehen keine Bedenken gegen deren Beantwortung durch die Arbeitsgerichte (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 3 AVG). Ob die Arbeit des Klägers angestelltenversicherungspflichtig ist, bestimmt sich nach § 3 AVG in Verbindung mit dem diese Vorschrift ergänzenden Berufsgruppenkatalog vom 8. März 1924 (RGBl. I S. 274) in der Fassung vom 4. Februar und 15. Juli 1927 (RGBl. I S. 58, 222). Weder in § 3 AVG noch im Berufsgruppenkatalog ist aber die Tätigkeit eines Adremaprägers ausdrücklich genannt. Es kommt also, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, darauf an, ob der Kläger zu den Büroangestellten gehört, die nach § 3 Ziff. 3 AVG Angestellte i. S. des Gesetzes sind, soweit sie nicht ausschließlich mit Botengängen, Reinigung, Aufräumung oder ähnlichen Arbeiten beschäftigt werden. Letzteres ist zwar beim Kläger nicht der Fall. Da aber § 3 Ziff. 3 AVG keine Begriffsbestimmung des Büroangestellten gibt, ist auch im Rahmen dieser Vorschrift dafür, was als Arbeit eines Büroangestellten anzusehen ist, letztlich die Verkehrsanschauung entscheidend (vgl. Dersch, AVG, 3. Aufl., § 1 Anm. 8b; Etmer, AVG, § 3 Anm. 5; G. Hueck, in Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 616 BGB Angestellter). Diese geht, wie bereits erörtert, nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts dahin, daß die Tätigkeit eines Adremaprägers überhaupt keine Angestelltentätigkeit, mithin auch nicht die eines Büroangestellten ist. Infolgedessen besteht für den Kläger keine Angestelltenversicherungspflicht. Damit entfällt aber auch eine Anwendbarkeit der ersten Alternative des § 1 Abs. 1 TO.A.

Da schließlich das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, daß weder der 2. Direktor der S… bibliothek noch deren büroleitender Beamter dem Kläger eine Vergütung nach VergGr. IX TO.A oder eine über dem tatsächlichen Lohn liegende Sondervergütung zugesagt haben, scheiden auch die vom Kläger behaupteten arbeitsvertraglichen Vereinbarungen als Anspruchsgrundlage aus. Inwiefern angesichts dessen der Gedanke einer Haftung des Beklagten auf Grund einer Duldungsvollmacht der genannten Beamten der Klage noch weiterhelfen soll, wie die Revision glaubt, ist schlechterdings nicht ersichtlich. Ebensowenig kann der Kläger aus dem Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Vertragsschluß etwas für sich herleiten. Denn hier fehlt es schon an einem ausreichenden Sachvortrag des Klägers, aus dem ein eine Haftung des Beklagten begründendes Verschulden seiner Organe oder auch nur der erwähnten Beamten entnommen werden könnte.

Die Revision war danach unbegründet. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Poelmann, Dr. Pecher, Clemens, F. Werner

Bundesrichter Dr. Martel befindet sich in Urlaub

Dr. Poelmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 439672

RdA 1961, 259 (LT1-2)

AP § 551 ZPO (LT1-2), Nr. 1

RiA 1961, 186 (LT1-2)

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