Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderliche Dauer einer sozial-psychiatrischen Zusatzausbildung

 

Leitsatz (amtlich)

Nach der Protokollerklärung Nr. 15 zur VergGr. Kr. VI Fallgr. 7 der Anlage 1b Abschn. A zum BAT hängt die Höhergruppierung von dem Besuch eines mindestens einjährigen Lehrganges oder eines mindestens zweijährigen berufsbegleitenden Lehrganges ab.

Ein berufsbegleitender Lehrgang, der sich allein aufgrund von äußeren Umständen, die weder auf dessen Konzept noch den vermittelten Inhalten beruhen, auf einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstreckt, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23; Anlage 1b Abschn. A VergGr. Kr. VI Fallgr. 7; Protokollerklärung Nr. 15

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 11.08.1993; Aktenzeichen 2 Sa 322/93)

ArbG Essen (Urteil vom 10.12.1992; Aktenzeichen 3 Ca 3006/92)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. August 1993 – 2 Sa 322/93 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des als Krankenpfleger in einer geschlossenen psychiatrischen Aufnahmestation im Krankenhaus der Beklagten tätigen Klägers.

Der Kläger war seit November 1984 bis zum 30. September 1992 bei der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der sog. “BAT-Kirchliche Fassung (BAT-KF)” und die dazu gültige Pflegepersonalvergütungsordnung (PVergO-BAT-KF) Anwendung. Der Kläger war in die VergGr. Kr. V PVergO-BAT-KF eingruppiert.

In der Zeit von September 1989 bis Dezember 1991 nahm der Kläger an einer vom Deutschen Berufsverband für Krankenpflege (DBfK) durchgeführten Fortbildungsmaßnahme “Psychosoziale Kompetenz” – Pflegeberufe in der Psychiatrie – teil, die an insgesamt 284 Stunden stattfand. Die Fortbildung war aus unterschiedlichen Gründen mehrfach unterbrochen. Ursprünglich war sie auf 90 Gesamtstunden in einem Zeitraum von zunächst 10 Monaten angesetzt worden, wurde aber aufgrund festgestellter Wissenslücken einiger Teilnehmer auf deren Wunsch zweimal zeitlich gestreckt. Die Abschlußprüfung bestand der Kläger laut Zertifikat “mit Auszeichnung”.

Nach Abschluß der Fortbildungsmaßnahme beantragte er erfolglos die Eingruppierung in die VergGr. Kr. VI Fallgr. 7 PVergO-BAT-KF.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es komme allein auf die tatsächliche Dauer der Fortbildungsmaßnahme von Beginn bis Abschluß an, ohne Rücksicht auf irgendwelche Unterbrechungen. Da die Maßnahme mehr als zwei Jahre gedauert habe, müsse er in die VergGr. Kr. VI eingruppiert werden, weil er damit eine Zusatzausbildung im Sinne der Fallgr. 7 dieser Vergütungsgruppe absolviert habe.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß er im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 1992 in die VergGr. Kr. VI des Bundes-Angestelltentarifvertrages Kirchliche Fassung (BAT-KF) einzugruppieren ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich darauf berufen, die von der DBfK angebotene Fortbildungsmaßnahme habe sich zunächst nur auf 90 Gesamtstunden erstrecken sollen, sei aber aufgrund von Ergänzungsangeboten des DBfK zunächst um weitere 45 Stunden und sodann schließlich auf insgesamt ca. zwei Jahre verlängert worden, weil ein Teil der Teilnehmer – im Gegensatz zum Kläger – keine oder zu wenig psychiatrische Erfahrung gehabt hätte. Die vom DBfK angebotene Maßnahme sei eine Fort- und nicht eine Zusatzausbildung im Sinne der Tarifvorschrift gewesen. Der in der VergGr. Kr. VI Fallgr. 7 PVergO-BAT-KF vorausgesetzte Umfang der Zusatzausbildung müsse sich jedoch auf das ursprüngliche Konzept der Maßnahme beziehen. Darüber hinaus erbringe der Kläger auch keine der von ihm begehrten Vergütungsgruppe entsprechende Tätigkeit, da sich diese vor und nach der Maßnahme in keinerlei Hinsicht geändert habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht nach einer Beweisaufnahme zum Konzept, insbesondere der vorgesehenen Dauer der Maßnahme, die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. Kr. VI PvergO-BAT-KF, da die von ihm absolvierte Ausbildung die dort in der Fallgr. 7 geforderte Dauer nicht erfüllt.

I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und nach ständiger Senatsrechtsprechung keinen prozeßrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Senatsurteile vom 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel = EzA § 4 TVG Großhandel Nr. 2, zu I der Gründe, m.w.N.; vom 11. November 1992 – 4 AZR 117/92 –, n.v.; sowie vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 4 zu § 12 AVR Caritasverband). Hieran ändert sich auch nichts dadurch, daß die Feststellung einen bereits abgelaufenen Zeitraum umfaßt und der Kläger insoweit hinsichtlich der zu zahlenden Vergütung eine Leistungsklage hätte erheben können. Durch die Feststellung der zutreffenden Eingruppierung wird nicht nur die geschuldete Vergütung festgestellt, sondern es werden auch weitere statusrechtliche Fragen entschieden, die auch noch in die Zukunft hinein wirken können.

II. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fanden nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Regelungen des sog. BAT-KF Anwendung. Für die Eingruppierung des Klägers kommt es daher darauf an, ob zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der vom Kläger in Anspruch genommenen VergGr. Kr. VI BAT-KF erfüllen.

Dabei ist unter Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.).

Der Senat hat in der Entscheidung vom 28. Juni 1989 – 4 AZR 277/89 – AP Nr. 147 zu §§ 22, 23 BAT 1975 angenommen, die qualifizierte Krankenpflegetätigkeit in einer psychiatrischen Klinik sei in zwei Arbeitsvorgänge aufteilbar; nämlich einmal in die spezielle Betreuung des Patientenkreises nach den Grundsätzen der Psychiatrie, zum andern die übrige Pflegetätigkeit. Demgegenüber hat er in der Entscheidung vom 6. Februar 1991 – 4 AZR 371/90 – (ZTR 1991, 295) angenommen, die Tätigkeit in der sozialpsychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses sei als ein einziger Arbeitsvorgang einzuordnen. Arbeitsergebnis sei die pflegerische Betreuung der in der Station aufgenommenen psychisch-kranken Personen; dieses Arbeitsergebnis sei nicht weiter aufteilbar, sämtliche Tätigkeiten dienten diesem einheitlichen Arbeitsergebnis. Die allgemeinen pflegerischen Aufgaben und die qualifizierten Aufgaben eines Fachkrankenpflegers in der Psychiatrie seien nicht aufzuteilen.

Das Landesarbeitsgericht hat es offen gelassen, ob die Tätigkeit des Klägers als ein Arbeitsvorgang zu werten oder ob von zwei Arbeitsvorgängen auszugehen ist, so daß auch die psychische Pflege mindestens zur Hälfte auf die Arbeitszeit des Klägers entfallen müßte, was zwischen den Parteien streitig ist. Es spricht vieles dafür, auch bei einem Krankenpfleger in einer psychiatrischen Klinik von einem einzigen Arbeitsvorgang auszugehen. Arbeitsergebnis ist die pflegerische Betreuung der in der Station aufgenommenen psychisch-kranken Personen. Dieses Arbeitsergebnis ist nicht weiter teilbar. Alle Tätigkeiten eines Krankenpflegers dienen auch in einer psychiatrischen Klinik diesem einheitlichen Arbeitsergebnis. Auch die Tarifvertragsparteien gehen von einem einheitlichen Arbeitsergebnis aus. Da sie den Begriff “Krankenpfleger” zum Tätigkeitsmerkmal erhoben haben, bringen sie hierdurch zum Ausdruck, daß alle damit verbundenen Tätigkeiten zu einem Arbeitsvorgang zusammenzufassen sind. Wenn die Tarifvertragsparteien einen bestimmten Aufgabenbereich – wie vorliegend die Tätigkeit eines Krankenpflegers – zum selbständigen Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsgruppe erheben, schreiben sie damit zugleich zwingend vor, daß alle Einzeltätigkeiten, die zu diesem Aufgabenbereich gehören, einheitlich zu bewerten sind, sofern nicht besonders qualifizierte Einzeltätigkeiten des Aufgabenbereichs einer anderen Vergütungsgruppe zugeordnet sind (BAG Urteil vom 25. März 1981 – 4 AZR 1026/78 – AP Nr. 43 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Diese Frage kann jedoch letztlich unentschieden bleiben, denn jedenfalls erfüllt die Maßnahme, an der der Kläger teilgenommen hat, nicht die Anforderungen der Protokollnotiz Nr. 15 zu der VergGr. Kr. VI Fallgr. 7 PVergO-BAT-KF.

III.1.a) Die vom Kläger in Anspruch genommene VergGr. Kr. VI Fallgr. 7 PVergO-BAT-KF hat – soweit es hier interessiert – folgenden Wortlaut:

  • Anlage 1b
  • PVergO-BAT-KF
  • Vergütungsgruppe Kr. VI

    • Krankenschwestern mit erfolgreich abgeschlossener sozial-psychiatrischer Zusatzausbildung und entsprechender Tätigkeit$ [1]

      Anmerkungen

Diese Formulierung entspricht der Formulierung in der VergGr. Kr. VI Fallgr. 7 des Teils II Abschn. A Anl. 1b zum BAT.

b) Weder haben die Tarifvertragsparteien im Bereich des BAT noch ist im sogenannten BAT-KF näher definiert, wie die geforderte Zusatzausbildung durchzuführen ist. Sie haben nicht klargestellt, ob deren ununterbrochene Dauer erforderlich ist oder ob auch Unterbrechungen, wenn ja, wie viele und mit welcher Dauer, zulässig sind. Ebensowenig haben sie Regelungen getroffen über den Inhalt des von ihnen geforderten Lehrgangs. Auch gesetzliche Bestimmungen, die Gang und Inhalt der tariflich geforderten sozial-psychiatrischen Zusatzausbildung regeln, gibt es nicht.

Das Landesarbeitsgericht hat es dahingestellt gelassen, ob die von der DBfK angebotene, vom Kläger wahrgenommene und erfolgreich abgeschlossene Maßnahme sich ihrem Schwerpunkt nach auf das Gebiet der Sozialpsychiatrie bezogen hat, weil es nach dem Ergebnis zur Beweisaufnahme festgestellt hat, daß das Erfordernis der mindestens zweijährigen Dauer der Ausbildung nicht erfüllt sei.

Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar genügt es nach den bei der Auslegung von Tarifnormen in erster Linie zu berücksichtigenden Wortlaut, wenn der Lehrgang länger als zwei Jahre gedauert hat und sich seinem Schwerpunkt nach auf die Sozialpsychiatrie erstreckt hat, diese also den Hauptinhalt der Zusatzausbildung ausmachte und eine derartige Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wurde (BAG Urteil vom 3. September 1986 – 4 AZR 335/85 – AP Nr. 124 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 28. Juni 1989 – 4 AZR 277/89 – AP Nr. 147 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Nach dem bei der Auslegung der tariflichen Vorschrift ebenfalls zu bewertenden Sinn und Zweck der Vorschrift und dem Gesamtzusammenhang, soll das Tätigkeitsmerkmal einer erfolgreich abgeschlossenen sozial-psychiatrischen Zusatzausbildung die besondere Qualifikation, die eine Krankenschwester dadurch gewonnen hat, durch eine höhere Vergütung abgelten. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß sämtliche in der Kr. VI aufgeführten Krankenpflegepersonen sich entweder durch Unterstellungsverhältnisse, langjährige Tätigkeiten in den VergGr. Kr. V bzw. Kr. Va oder durch besondere Ausbildungen aus den Grundvergütungsgruppen Kr. IV bis Va herausheben. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß eine Höhergruppierung durch die Vorschrift dann gewährleistet werden soll, wenn in einer entsprechenden Ausbildung Ausbildungsinhalte vermittelt werden, die zu einer verbesserten Qualifikation führen und in der entsprechenden Tätigkeit ein- bzw. umgesetzt werden können. Das Erfordernis des Zwei-Jahres-Zeitraumes trägt dabei den Besonderheiten einer berufsbegleitenden Ausbildung Rechnung, die notwendigerweise nicht so intensiv durchgeführt werden kann, wie ein einjähriger Voll-Lehrgang. Dabei müssen die vermittelten Ausbildungsinhalte eines einjährigen Lehrgangs denen einer zweijährigen berufsbegleitenden Maßnahme entsprechen, sollen nicht unterschiedliche Eingruppierungsvoraussetzungen für dieselbe Vergütungsgruppe geschaffen werden. Daraus folgt, daß die Dauer des berufsbegleitenden Lehrgangs nicht durch auf äußeren Umständen beruhende Zufälligkeiten beeinflußt werden darf, die mit den vermittelten Inhalten nicht in Beziehung stehen.

c) Insoweit hat das Landesarbeitsgericht aufgrund der Beweisaufnahme unangegriffen festgestellt, daß die Maßnahme, die der Kläger durchlaufen hat, von dem Konzept her auf eine Dauer von 16 Monaten angelegt worden ist und sich im konkreten Falle lediglich aufgrund längerer Pausen und durch Umstände auf einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstreckt hat, die sich im wesentlichen auf Wünsche und Bedürfnisse der Beklagten und dem mangelnden Kenntnisstand einiger Teilnehmer zurückführen ließen.

Ist eine Maßnahme neben der Berufstätigkeit auf eine Dauer von 16 – 18 Monate angelegt, kann sie zwangsläufig nicht die Inhalte vermitteln, wie ein einjähriger Voll-Lehrgang. Legt man bei einem Voll-Lehrgang lediglich 30 Unterrichtsstunden je Woche zugrunde, ergeben sich mehr als 1.200 Unterrichtsstunden. Dagegen sind nach dem eigenen Vortrag des Klägers höchstens 284 Stunden unterrichtet worden. Eine Zusatzausbildung, die vom ursprünglichen Konzept her auf eine so kurze Zeit angelegt ist, sich aber aufgrund von äußeren Umständen wie Dozentenausfall oder Organisationsschwierigkeiten des Arbeitgebers oder Nachholbedürfnisse einiger Teilnehmer auf eine längere Zeit mit der Folge erstreckt, daß der Zwei-Jahres-Zeitraum erreicht wird, entspricht deshalb nicht den Tarifvoraussetzungen.

Wie das Landesarbeitsgericht, vom Kläger nicht angegriffen, festgestellt hat, ist die von diesem absolvierte Ausbildung vom Konzept des Trägers her nicht auf zwei, sondern nur auf eineinhalb Jahre angelegt gewesen. Ihre Dauer von mehr als zwei Jahren ist vielmehr allein auf äußere Umstände zurückzuführen. Unter diesen Umständen hatte der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Eingruppierung.

IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Bott, Schneider, Konow, Jürgens

 

Fundstellen

Haufe-Index 856770

NZA 1995, 1008

[1] …,

Eine Zusatzausbildung im Sinne dieser Tätigkeitsmerkmale liegt nur dann vor, wenn sie durch einen mindestens einjährigen Lehrgang oder in mindestens zwei Jahren berufsbegleitend vermittelt wird.

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