Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewissensentscheidung und Kündigung

 

Normenkette

BGB §§ 315, 611; KSchG § 1; GG Art. 4

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 24.10.1988; Aktenzeichen 11 (17) Sa 352/88)

AG Mönchengladbach (Urteil vom 20.01.1988; Aktenzeichen 5 (4) Ca 1155/87)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. Oktober 1988 – 11 (17) Sa 352/88 – aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die am 30. September 1961 geborene Klägerin, verheiratet, war seit 1. Januar 1984 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Pharmazeutischen Industrie, als Schwester in der Humanpharmakologie beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt etwa 4.200,– DM.

In der Hauptverwaltung der Beklagten in N. werden ca. 210 Arbeitnehmer beschäftigt, von denen etwa 50 in der Forschung eingesetzt sind. Diese gliedert sich im wesentlichen in die Phase 1 (Humanpharmokologie) und in die Phase 2.

Als die Muttergesellschaft der Beklagten im März 1987 der Beklagten die Forschung an der Substanz BRL 43 694 übertrug, die geeignet ist, Erbrechen zu unterdrücken, kam es zu Gesprächen zwischen der Beklagten und den mit der Forschung befaßten Mitarbeitern wegen der Verpflichtung, an der Entwicklung dieser Substanz mitzuarbeiten. Die Substanz ist auch geeignet, im Falle eines nuklearen Krieges an Soldaten gegen eine Emesis verabreicht zu werden. Bei einem Informationsgespräch bei der Muttergesellschaft war erörtert worden, im Falle einer erfolgreichen Entwicklung der Substanz erschließe sich für die Gesellschaft ein „huge market”.

Im Mai 1987 kündigte die Beklagte zweien in der Humanpharmakologie beschäftigten Ärzten, die die Mitarbeit an der Entwicklung der Substanz unter Berufung auf ihr Gewissen verweigert hatten. Die Ärzte erhoben gegen die Kündigung Klage, die Rechtsstreite sind noch nicht abgeschlossen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Prozesse – 2 AZR 283 und 285/88 – zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

In Gesprächen im Mai 1987 erklärte die Klägerin, auch sie könne aus Gewissensgründen an der Substanz BRL 43 694 nicht mitarbeiten.

Nachdem in den Kündigungsschutzverfahren der beiden entlassenen Ärzte das Arbeitsgericht am 12. August 1987 eine Entscheidung verkündet hatte, fand am 26. August 1987 ein weiteres Gespräch statt, an dem die Klägerin, ihre Kollegin A. sowie der Leiter der Humanpharmakologie Dr. G. und der Personalleiter P., der Fachvorgesetzte der Klägerin Dr. E. und der Betriebsratsvorsitzende B. teilnahmen. Hierbei erklärte der Fachvorgesetzte, er müsse für die weitere Durchführung der Studien mit der Substanz BRL 43 694 auf die Mitarbeit der Klägerin und ihrer Kollegin zurückgreifen, da die beiden anderen Schwestern F. und D. bis Ende September mit der Studie einer anderen Substanz befaßt seien und ein Austausch nicht möglich sei. Die Klägerin blieb bei ihrer Weigerung und berief sich auf eine Zusage, ihre Gewissensentscheidung werde toleriert. Sie hielt es für zumutbar, in der Humanpharmakologie weiterbeschäftigt zu werden, war aber auch bereit, ein gleichwertiges Arbeitsangebot anzunehmen.

In einem Schreiben vom 27. August 1987 bestritt die Beklagte, der Klägerin erklärt zu haben, ihre Gewissensentscheidung werde toleriert. In dem Schreiben heißt es wörtlich weiter:

„…

Da Sie jegliche Mitarbeit an dem Anti-Emetikum abgelehnt haben, verweigern sie insoweit die vertraglich übernommene Mitarbeit. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, eine andere Einsatzmöglichkeit für Sie zu suchen. Innerhalb der Humanpharmakologie ist die Mitarbeit an der Studie über eine andere Substanz aus den Ihnen von Herrn Dr. G. und Herrn Dr. E. dargelegten Gründen nicht möglich.

Ein anderer Arbeitsplatz innerhalb des Forschungsinstitutes für Klinische Pharmakologie ist nicht vorhanden. Es ist deshalb die Prüfung eingeleitet worden, ob wir Sie auf einem anderen Arbeitsplatz innerhalb unserer Unternehmensgruppe weiterbeschäftigen können, zu gleichen oder unter geänderten Vertragsbedingungen. Gleichzeitig bitten wir Sie, uns mitzuteilen, ob und welche Weiterbeschäftigung Sie selbst in unserer Gruppe sehen …”

Die Klägerin und ihre Kollegin erwiderten am 4. September 1987 betreffend eine Weiterbeschäftigung wie folgt:

„…

Anschließend führen wir eine Liste von Tätigkeitsfeldern an, die ohne weiteres von uns in der Humanpharmokologie – N. – sofort erledigt werden können:

  • Vertretung Fr. L.
  • Vertretung Fr. O.
  • Studie 14/87 Dokumentation
  • alte Studien aufarbeiten (Dokumentation)
  • Impedanz erlernen
  • Sternberg Tests
  • Übernahme der 6-Wochen-Studie
  • zukünftige Projekte”

Am 22. September 1987 fand dann ein Gespräch zwischen der Klägerin und ihrer Kollegin einerseits sowie den Herren Dr. G., P. und P. (Betriebsratsmitglied) andererseits statt, in dem die Beklagte der Klägerin Mitteilung über die Ergebnisse ihrer Überprüfung von Einsatzmöglichkeiten machen wollte. Im Anschluß an dieses Gespräch unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 22. September 1987 wie folgt:

„Anhörung vor Kündigung

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir beabsichtigen, folgenden Mitarbeiterinnen fristgerecht zu kündigen:

  1. zum 31.12.87 (Kündigungsfrist 6 Wochen zum Quartalsende)

    Frau V. A., geboren am … in D., wohnhaft in D., bei uns beschäftigt seit dem 01.10.1981 als Krankenschwester für die Humanpharmakologie.

  2. zum 31.12.1987 (Kündigungsfrist 6 Wochen zum Quartalsende)

    Frau A. B., geboren am … in R., wohnhaft in D., bei uns beschäftigt seit dem 01.01.1984 als Krankenschwester in der Humanpharmakologie.

Begründung:

Beide Mitarbeiterinnen bekleiden die Funktion einer Krankenschwester in unserer Human Pharmakologie. Ihre Aufgabe besteht in der medizinischen und administrativen Mitwirkung bei der Durchführung von einzelnen Studien, d.h. medizinische und administrative Betreuung der Probanden, Mitarbeit bei der Methoden-Entwicklung und allen sonstigen Arbeiten, die die ordnungsgemäße Durchführung der Studien erfordern.

Wie Ihnen anläßlich der verschiedenen Gespräche, die mit den Damen geführt worden sind und Ihnen als Gesprächsteilnehmer bekannt geworden ist, lehnen beide Mitarbeiterinnen jegliche Mitarbeit an dem Anti-Emetikum ab, mit denselben Argumenten, mit denen Herr Dr. R. und Frau Dr. L. ihre Mitarbeit vor einigen Monaten abgelehnt haben. Die Verweigerung der Mitarbeit ist von beiden Mitarbeiterinnen in dem am heutigen Tage geführten Gespräch, an dem aus Ihrem Gremium Herr Pr. teilgenommen hat, ausdrücklich erklärt worden.

Die abschließende Überprüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu gleichen oder auch unter geänderten Vertragsbedingungen hat ergeben, daß eine anderweitige Arbeitsmöglichkeit mangels entsprechender Vakanzen nicht realisiert werden kann.

Das gilt für den Bereich des Forschungsinstituts für klinische Pharmakologie wie auch für alle anderen Bereiche innerhalb der B.-Gruppe in N.

Beide Mitarbeiterinnen wurden mit Schreiben vom 27.08.87 bis zur abschließenden Überprüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten freigestellt.

Die Durchführung der Arbeiten, die beiden Mitarbeiterinnen obliegen, wird z.Zt. von einer befristeten Aushilfskraft (Frau K.) und durch verstärkten Einsatz der übrigen Krankenschwestern vorgenommen.

Die zügige Bearbeitung der Substanz BRL 43 694 ist zur Sicherstellung unserer Forschungsarbeit, mit der letztlich ein Vertriebsunternehmen steht und fällt, unerläßlich.

Wir haben bewußt auch in diesem Falle von einer rechtlich zulässigen, fristlosen Entlassung abgesehen. Weitere Einzelheiten über die Notwendigkeit fristgerechter Kündigung und möchten wir Ihnen gern in Ihrem Anhörungsverfahren noch einmal persönlich darlegen.

Wir bitten um umgehende schriftliche Stellungnahme nach Durchführung Ihres Anhörungsverfahrens.

p.”

Am 23. September 1987 schrieben die Klägerin und ihre Kollegin der Beklagten:

„… bezugnehmend auf unser Gespräch vom 22.09.1987 möchten wir Ihnen mitteilen, daß wir mit zwei weiteren Tätigkeitsbereichen einverstanden wären, auch unter evtl. geänderten Vertragsbedingungen.

1.) Umschulung zur Pharmareferentin im Außendienst

2.) Sachbearbeitung im Innendienst

Weiterhin sind wir immer noch der Meinung, daß folgende Arbeitsmöglichkeiten in der Humanpharmakologie-N. vorhanden sind:

  • alte Studien aufarbeiten
  • Impedanz erlernen
  • Sternberg Tests
  • zukünftige Projekte.”

Am 30. September 1987 verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung wie folgt:

„Betr.: Anhörung vor Kündigung – Ihr Schr. vom 22.9.87

Sehr geehrter Herr P.!

Nach Anhörung der Mitarbeiterinnen Frau A. und Frau B. am 23.9.87 und einer weiteren Anhörung von Herrn P. und Herrn Dr. G. auf der Grundlage Ihres Schreibens vom 22.9.87 hat der Betriebsrat in seiner Sitzung am 23.9.87 beschlossen, den beabsichtigten Kündigungen der Mitarbeiterinnen

Frau V. A., Krankenschwester in der Humanpharmakologie und Frau A. B., Krankenschwester in der Humanpharmakologie

gemäß § 102 Absatz 3 BetrVG Nr. 3., 4. und 5. die Zustimmung zu verweigern und beiden Kündigungen zu widersprechen.

Begründung:

Frau A. und Frau B. lehnten gegenüber Herrn Dr. G. die Arbeit im Zusammenhang mit der zu erforschenden Substanz BRL 43694 ab, weil dieses Arzneimittel auch im Falle eines nuklearen Krieges von verstrahlten Soldaten zur Wiederherstellung ihrer Kampfesfähigkeit gegen die strahlenbedingte Emesis angewandt werden kann.

Gleichzeitig baten beide Mitarbeiterinnen um die Zuweisung neuer Aufgaben zur Fortsetzung ihrer Tätigkeiten als Krankenschwestern in der Humanpharmakologie im Sinne ihres Arbeitsvertrages.

Herr Dr. G. erwiderte daraufhin beiden Mitarbeiterinnen, daß er hinsichtlich der beabsichtigten Weiterbeschäftigung Möglichkeiten sehe, da andere Arbeit außerhalb der Studie BRL 43694 innerhalb der Humanpharmakologie vorhanden sei. Herr P. wies in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit vorhandener Planstellen hin.

Nach Prüfung ist der Betriebsrat der Auffassung, daß beide Mitarbeiterinnen weiterbeschäftigt werden können

  1. durch Aufarbeitung alter Studien,
  2. durch Mitarbeit an bevorstehenden neuen Projekten.

Ferner besteht Möglichkeit, durch zumutbare Umschulungsmaßnahmen beide Mitarbeiterinnen zu Pharmareferentinnen für Tätigkeiten im Außendienst einzusetzen.

Beide Mitarbeiterinnen sind außerdem bereit, unter veränderten Vertragsbedingungen andere Tätigkeiten ohne größere Verminderungen ihres jetzigen Arbeitsentgeltes durchzuführen.

für den Betriebsrat: J. P. B. Be.”

Die Beklagte kündigte hierauf am 30. September 1987 das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Dezember 1987.

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam.

Sie macht geltend, ein Kündigungsgrund habe nicht bestanden, da sie die Arbeit aus Gewissensgründen habe verweigern dürfen, zumal sie bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses nicht mit einem Gewissenskonflikt der vorliegenden Art habe rechnen müssen.

Schließlich sei es möglich gewesen, sie weiter zu beschäftigen. In ihrer Abteilung hätte die Arbeit so umorganisiert werden können, daß die Schwestern F., D. und K. die Bearbeitung der Substanz BRL 43 694 übernommen hätten.

Es wäre auch – selbst bei Berücksichtigung der Vertretungsnotwendikeit – ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, sie und ihre Kollegin ohne die Substanz BRL 43 694 in der Abteilung weiter zu beschäftigen. So seien die Studien über die Substanzen BRL 40 015, 30 892, 14 747, 34 915, 29 060, 28 195, 31 660, 31 448, 28 630, 35 135, 34 778, 43 694 nicht abgeschlossen gewesen.

Die Beklagte hätte sie auch auf eine Tätigkeit als Pharmareferentin im Außendienst oder als Sachbearbeiterin im Innendienst umschulen können. In diesen Bereichen hätten Einsatzmöglichkeiten bestanden.

Zudem sei auch der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden, insbesondere seien die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht hinreichend mit ihm erörtert worden.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 30. September 1987 nicht aufgelöst worden sei, sondern über den 31. Dezember 1987 hinaus weiter fortbestehe;
  2. die Beklagte zu verurteilen, sie weiter vertragsgemäß als Krankenpflegerin in der Humanpharmakologie des Forschungsbereichs D. zu beschäftigen; hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, sie nach vorheriger Umschulung als Pharmareferentin im Außendienst und als Sachbearbeiterin im Innendienst zu beschäftigen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt, hilfsweise das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei gerechtfertigt, weil die Klägerin die ihr übertragenen Arbeiten trotz wiederholter Aufforderungen vertragswidrig nicht ausgeführt habe.

Eine Beschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden. Am 28. August 1987 habe sie eine innerbetriebliche Überprüfung in Gang gesetzt, ob eine Einsatzmöglichkeit außerhalb der Humanpharmakologie in Betracht kommen könne. Das Ergebnis sei negativ gewesen.

Der Klägerin sei klar gemacht worden, daß es unmöglich sei, sie mit Arbeiten zu betrauen, die keinerlei Bezug zur Substanz BRL 43 694 gehabt hätten, da die Klägerin sich strikt geweigert habe, irgendwelche mit der Substanz zusammenhängenden Arbeiten auszuführen. Die Klägerin habe es sogar einmal abgelehnt, einen Video-Film zu holen, der zur Unterhaltung eines Probanden gedacht gewesen sei.

In der Zeit von November 1987 bis April 1988 sei im wesentlichen nur die Substanz BRL 43 694 erforscht worden.

Bei einem so kleinen Schwesternteam von 3 bzw. 4 Schwestern seien bedingt durch die Arbeitsabläufe (Spätdienst, Krankheit, Urlaub) wechselseitige Vertretungen unvermeidlich.

Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Die von der Klägerin im Schreiben vom 4. September 1987 angegebenen Tätigkeitsfelder seien in Anwesenheit eines Vertreters des Betriebsrates, Herrn Pr., mit der Klägerin durchgesprochen worden. Auch hier habe keine Einsatzmöglichkeit bestanden:

a) Eine Einsatzmöglichkeit außerhalb des Forschungsinstituts für klinische Pharmakologie habe weder kurz noch mittelfristig bestanden.

b) Eine Einsatzmöglichkeit innerhalb des Forschungsinstituts sei ebenfalls ausgeschieden. Eine Vertretung von Frau L. habe sich verboten, weil diese die Substanz BRL 43 694 bearbeitet habe. Die Vertretung von Frau O. hätte darin bestanden, Prüfpläne für Studien mit der Substanz BRL 43 694 zu schreiben. Die Studie 14/87 Dokumentation sei bereits während der Krankheit der Klägerin von Frau D. begonnen worden und sei mittlerweile abgeschlossen. Soweit alte Studien hätten aufgearbeitet werden können, hätten die Klägerin und ihre Kollegin diese Studien bereits selbst erledigt. Die Erlernung der Impedanz könne nicht losgelöst werden von der tatsächlichen Durchführung einer Studie. Mit der Erlernung der Impedanz sei zu einer Zeit, als die Klägerin und ihre Kollegin krank gewesen seien, eine Schwester beauftragt worden, die über eine qualifizierte Ausbildung verfüge und diese Methode während des Laufs einer Studie erlernt habe. Die Sternberg-Tests seien bereits beendet gewesen, weitere seien nicht geplant gewesen. Die Übernahme der Sechs-Wochen-Studie, die die Behandlung der Impedanz voraussetze, ende im September 1987. Neue Studien stünden z.Zt. nicht an. Die zukünftigen Projekte stünden alle unter der Überschrift BRL 43 694. Hierfür sei eine Frist von etwa zwei Jahren anzusetzen.

Soweit die Klägerin sich auf eine andere Tätigkeit, insbesondere eine solche als Pharmareferentin im Außendienst nach Umschulung und eine solche als Sachbearbeiterin im Innendienst berufe, sei dies nicht möglich. Eine Umschulung scheide schon aus, weil im Außendienst die Notwendigkeit bestehe, sich für alle von der Beklagten hergestellten Produkte einzusetzen. Zudem sei zur Erlangung der Qualifikation als Pharmareferentin ein sechsmonatiges Seminar zu absolvieren. Sie selbst veranstalte keine Ausbildungskurse, die Klägerin hätte sich die Ausbildung also selbst finanzieren müssen, was einschließlich Verdienstausfalls einen Betrag zwischen 35.000,– und 40.000,– DM ausgemacht hätte. Hieran hätte sich dann noch eine Produktschulung für eine Dauer von ca. 3 Monaten anschließen müssen. Während dieser Zeit hätte das zu zahlende Gehalt nur 3.500,– DM betragen.

Hinsichtlich der Innendienste verfüge die Klägerin nicht über die notwendigen schreib technischen Kenntnisse und Fähigkeiten. Dennoch habe der Personalleiter recherchiert, ob überhaupt eine solche freie Beschäftigungsmöglichkeit bestanden habe. Dies sei nicht der Fall gewesen.

Der Betriebsrat sei über diese Dinge informiert gewesen. Zusätzlich zu den Angaben im Schreiben vom 22. September 1987 sei der Betriebsrat ergänzend rd. 2 1/2 Stunden mündlich durch den Personalleiter P. und den Forschungsleiter Dr. G. über die Kündigungsabsicht und alle maßgebenden Umstände informiert worden. Im Detail seien hierbei auch andere Einsatzmöglichkeiten bis hin zu einer evtl. Umschulung behandelt worden. An diesem Gespräch habe für den Betriebsrat Herr Pr. teilgenommen.

Bereits vorher, nämlich nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts in den Kündigungsschutzprozessen der beiden Ärzte habe ein Gespräch der Beklagten mit der Klägerin und ihrer Kollegin stattgefunden, an dem der Betriebsratsvorsitzende Be. teilgenommen habe. Die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden sei schon erforderlich gewesen wegen notwendiger Überlegungen zum Personaleinsatz. Hinsichtlich einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit hätten die Klägerin und ihre Kollegin sich noch Gedanken machen wollen. Das Gespräch sei daher mit gleicher Besetzung am folgenden Tag fortgesetzt worden.

Den Auflösungsantrag begründet die Beklagte damit, die Klägerin habe sich an einer gezielten Öffentlichkeits- (Presse) und Verleumdungskampagne gegen sie beteiligt.

Die Klägerin beantragt, den Auflösungsantrag zurückzuweisen und bestreitet das dahingehende Vorbringen der Beklagten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, ihre Mitwirkung bei der Bearbeitung der Substanz BRL 43 694 zu verweigern.

Soweit der Klägerin von Dr. G. zugesichert worden sei, sie aus einer Tätigkeit mit der Substanz BRL 43 694 herauszuhalten, könne diese Erklärung aus dem Gesamtzusammenhang nur so verstanden werden, der Klägerin könne eine andere Tätigkeit dann zugewiesen werden, wenn eine solche vorhanden sei. Von einer absoluten Zusage dahingehend, die Klägerin ohne Rücksicht auf betriebliche Gegebenheiten und Notwendigkeiten von der Arbeit an der Substanz zu befreien, könne nicht ausgegangen werden. Es habe allerdings eine Einsatzmöglichkeit für die Klägerin nicht bestanden.

Die Möglichkeit, sie gänzlich aus der Mitarbeit aus der Substanz BRL 43 694 herauszuhalten, sei ausgeschlossen gewesen. Bei einem so kleinen Schwesternteam seien wechselseitige Vertretungen (Spätdienst, Urlaub, Krankheit, sonstige Ausfallzeiten) unvermeidbar. Es hätte auch kein Tausch der Arbeitsbereiche zwischen den Schwestern stattfinden können, denn die Schwestern F. und D. seien bereits seit September mit der Studie einer anderen Substanz befaßt, die zu einem Zeitpunkt begonnen habe, als die Klägerin krank gewesen sei. Es sei wirtschaftlich nicht sinnvoll, innerhalb einer Studie zu wechseln. Der Vortrag der Klägerin, eine Umorganisation sei möglich gewesen, sei zu unbestimmt.

Auch die von der Klägerin aufgezeigten Einsatzmöglichkeiten seien nicht vorhanden gewesen: Die Tätigkeiten der Frauen L. und O. hätten zwangsläufig Bezug zur Substanz BRL 43 694 gehabt. Ein Aufarbeiten alter Studien sei nicht in Betracht gekommen, da solche Studien nicht vorhanden gewesen seien. Die Studie 14/87 sei zum hier interessierenden Zeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen. Das Erlernen der Impedanz sei als alternative Tätigkeit schon deshalb ausgeschieden, weil hierauf nur etwa 2 % bis 3 % der Gesamttätigkeit der damit betrauten Schwestern entfalle. Sternberg-Tests seien nicht vorgesehen gewesen, der letzte Test sei beendet gewesen. Künftige Projekte seien zum damaligen Zeitpunkt nicht geplant gewesen, erst im September 1988 habe ein Projekt begonnen, das nicht die hier interessierende Substanz betroffen habe.

Eine Umschulung zur Pharmareferentin oder eine Tätigkeit im Innendienst könne die Klägerin nicht verlangen. Da die von der Klägerin für ihren Gewissenskonflikt aufgezeigten Gründe nicht ausgereicht hätten, die vertragsmäßige Arbeit zu verweigern, habe für die Beklagte nicht die Verpflichtung bestanden, der Klägerin eine völlig anders geartete Tätigkeit, die noch dazu eine Umschulung erfordert hätte, zur Verfügung zu stellen.

Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Bereits aus dem Anhörschreiben ergebe sich, daß dem Betriebsrat als Gesprächsteilnehmer verschiedener Gespräche die Problematik hinlänglich bekannt gewesen sei. Es werde ausdrücklich auf ein Gespräch vom 22. September 1987, an dem seitens des Betriebsrates Herr Prägla teilgenommen habe, verwiesen, aus dem sich ergebe, daß die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit überprüft worden sei, eine solche jedoch nicht bestanden habe. An den Gesprächen vom 26./27. August 1987 habe der Betriebsratsvorsitzende, am Gespräch vom 22. September 1987 ein anderes Betriebsratsmitglied teilgenomnen. Bereits in den Gesprächen am 26./27. August sei die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erwähnt worden. Die Beklagte habe detailliert zu allen Einsatzmöglichkeiten Stellung genommen, die die Klägerin aufgezeigt habe. Der Betriebsrat müsse sich die Kenntnis des Betriebsratsvorsitzenden und die des Betriebsratsmitgliedes P. anrechnen lassen.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im wesentlichen der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die Beklagte war entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht berechtigt, der Klägerin mit der Begründung zu kündigen, sie verweigere ohne Grund ihre Mitwirkung bei der Bearbeitung der Substanz BRL 43 694.

a) Wie der Senat am 24. Mai 1989 (2 AZR 285/88 – EzA § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) in Parallelprozessen von im Bereich der Humanpharmakologie der Beklagten tätigen Ärzte entschieden hat, hat der Arbeitgeber im Rahmen des billigen Ermessens nach § 315 Abs. 1 BGB, der noch eine notwendige Konkretisierung der geschuldeten Leistung voraussetzt, einen ihm offenbarten Gewissenskonflikt des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (Bestätigung von BAGE 47, 363 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Maßgebend ist hierbei der sogenannte subjektive Gewissensbegriff. Dabei hat der Arbeitnehmer darzulegen, ihm sei wegen einer aus einer spezifischen Sachlage folgenden Gewissensnot heraus nicht zuzumuten, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Läßt sich sodann aus den festgestellten Tatsachen im konkreten Fall ein Gewissenskonflikt ableiten, so unterliegt die Relevanz und Gewichtigkeit der Gewissensbildung keiner gerichtlichen Kontrolle. Verbietet eine nach § 315 Abs. 1 BGB im Rahmen des billigen Ermessens erhebliche Gewissensentscheidung dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer eine an sich geschuldete Arbeit zuzuweisen, so kann ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund gegeben sein, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, wenn eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer nicht besteht.

b) Der Senat hält an dieser Auffassung auch angesichts des Vortrags der Beklagten in der Revision fest. Die hier erhobenen Bedenken sind bereits im wesentlichen in der zitierten Entscheidung des Senats behandelt worden. Hervorgehoben sei nur, daß der Senat nicht davon ausgegangen ist, Grundrechte fänden im Verhältnis privater Rechtssubjekte zueinander unmittelbar Anwendung. Der Senat hat vielmehr, was die Beklagte offenbar auch an anderer Stelle nicht verkennt, die Berücksichtigung einer Gewissensentscheidung im Rahmen des billigen Ermessens nach § 315 Abs. 1 BGB gefordert. Dadurch wird auch nicht, wie die Beklagte meint, das Grundrecht des Arbeitgebers auf freie Forschung nach Art. 5 Abs. 3 GG beeinträchtigt. Der Senat hat vielmehr ausdrücklich betont, daß die Gewissensentscheidung eines Arbeitnehmers die unternehmerische Freiheit der Produktionsbestimmung nicht einschränkt.

c) Die Klägerin konnte sich vorliegend unter Anwendung der eingangs dargelegten Rechtsgrundsätze auch auf einen Gewissenskonflikt berufen. Hiergegen spricht insbesondere nicht, wie die Beklagte unvollständig vorträgt, es sei Ziel des Unternehmens gewesen, Stoffe zu erforschen und zu entwickeln, die Kranken helfen und die Linderung versprechen. Die Klägerin hat sich nicht gegen die allgemeine Zielsetzung des Unternehmens gewandt, sondern sich vielmehr darauf berufen, die Substanz BRL 43 694 bekämpfe eine Indikation, die gerade im Falle atomarer Verstrahlung massenhaft vorkomme. Es war der Klägerin nämlich bekannt, daß bei der Muttergesellschaft der Beklagten erörtert worden war, es erschließe sich für die Gesellschaft ein großer Markt im militärischen Bereich, da die Substanz geeignet sei, im Falle eines nuklearen Krieges gegen eine Emesis verabreicht zu werden.

2. Entscheidungserheblich für die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung ist somit, ob die Beklagte außerstande war, die Klägerin anderweitig zu beschäftigen. Das Berufungsgericht hat diese Frage zwar geprüft, jedoch nicht unter Zugrundelegung der maßgeblichen Vorschrift von § 1 Abs. 2 KSchG, sondern nur im Rahmen einer von der Klägerin behaupteten Zusage der Beklagten, sie weiterzubeschäftigen, wobei es jedenfalls unstreitig ist, daß die Beklagte der Klägerin hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung kein über die Regelung von § 1 KSchG hinausgehendes Angebot unterbreitet hat. Die vom Landesarbeitsgericht im Rahmen seiner Prüfung zur Weiterbeschäftigung getroffenen Feststellungen können schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht, was die Revision verfahrensrechtlich zulässig gerügt hat, Beweisangebote der Klägerin übergangen und damit § 286 ZPO verletzt hat.

a) Die Klägerin hatte geltend gemacht, es wäre selbst bei Berücksichtigung der Vertretungserfordernisse ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, sie und ihre Kollegin so in der Abteilung weiterzubeschäftigen, daß sie mit der Substanz BRL 43 694 nicht befaßt zu werden brauchten. Sie hatte insoweit substantiiert vorgetragen, die Studie sei hinsichtlich 12 im einzelnen aufgeführten Substanzen noch nicht abgeschlossen gewesen (erstinstanzlicher Schriftsatz vom 15. Dezember 1987 – Seite 4/5 – auf den in der Berufungsbegründung – Schriftsatz vom 16. Mai 1988 – Seite 2 – nebst Anlagen und Beweisantritten Bezug, genommen worden war). Die Klägerin hatte sich zur Richtigkeit ihrer Behauptung berufen auf das Zeugnis L. (jetzt K.), Dr. R. sowie die Betriebsratsmitglieder P. und B. Die Beklagte hatte demgegenüber einerseits geltend gemacht, bei einem kleinen Schwesternteam seien wechselseitige Vertretungen nicht zu vermeiden. Im übrigen hat sie sich darauf berufen, alte Studien seien nicht mehr vorhanden gewesen.

aa) Der Beweis beschluß des Landesarbeitsgerichts bezieht demgegenüber unter Ziff. I 3 nur die Tätigkeitsfelder ein, die die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 4. September 1987 benannt hatte – der weitere substantiierte Vortrag im Prozeß wird nicht berücksichtigt –, als Zeuge wurde nur der von der Beklagten benannte Dr. G. vernommen.

Das Urteil beruht auch auf diesem übergangenen Beweisantritt. Es kann insbesondere aus der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, bei einem so kleinen Schwesternteam seien wechselseitige Vertretungen unvermeidlich, dem die Klägerin nichts entgegengesetzt habe, nicht hergeleitet werden, dies gelte auch dann, wenn tatsächlich nicht nur 4 (so Seite 29 des Urteils), sondern, wie von der Klägerin behauptet, 12 Studien zu bearbeiten gewesen seien. Es ist nicht auszuschließen, daß die Vertretung dann hätte erfolgen müssen im Hinblick auf diese 12 Studien und nicht auf die Substanz 43 694.

bb) Das Landesarbeitsgericht hat sich unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung auch nicht mit der Frage befaßt, ob eine Weiterbeschäftigung der Klägerin nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen (§ 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG) möglich gewesen wäre.

Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, eine solche Prüfung verbiete sich schon deshalb, weil die Beklagte zu einer Weiterbeschäftigung nicht nach dem Gesetz, sondern nur deshalb verpflichtet gewesen wäre, weil hier der Klägerin eine entsprechende Zusage gemacht worden sei. Diese Zusage beziehe sich jedoch nicht auf eine Weiterbeschäftigung nach Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen. Das Landesarbeitsgericht wird dieser Frage daher unter Berücksichtigung des widersprechenden Vortrags der Parteien nachzugehen haben.

b) Soweit die Klägerin sich auf eine Tätigkeit als Pharmareferentin im Außendienst nach Umschulungsmaßnahmen beruft, kommt eine solche Beschäftigung allerdings nicht in Betracht, wenn dieser Tätigkeit auch ein Einsatz für die von der Klägerin abgelehnte Substanz BRL 43 694 zugrundeliegt. Es käme dann auch auf die mit einer Umschulung verbundenen Kosten nicht mehr an.

c) Hinsichtlich einer anderen Tätigkeit im Innendienst hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Beklagte hat insoweit substantiiert vorgetragen, es seien keine entsprechenden Stellen frei gewesen. Die Klägerin hat dazu Gegenteiliges behauptet.

3. Die vor bezeichnete weitere Sachaufklärung ist erforderlich, weil entgegen der Auffassung der Klägerin die Kündigung nicht deshalb unwirksam ist, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend eine ordnungsgemäße Anhörung bejaht.

a) Nach § 102 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören, anderenfalls ist die Kündigung unwirksam. Die Unwirksamkeit tritt nicht nur ein, wenn die Anhörung ganz unterblieben ist, sondern auch dann, wenn eine durchgeführte Anhörung fehlerhaft erfolgt ist (BAGE 27, 209 = AP Nr. 4 zu § 102 BetrVG 1972). Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat schriftlich oder mündlich neben den näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers, die Art und den Zeitpunkt der Kündigung, vor allen Dingen die seiner Ansicht nach maßgeblichen Gründe für die beabsichtigte Kündigung mitzuteilen (BAGE 30, 176; 34, 309, 315 = AP Nr. 15 und 22 zu § 102 BetrVG 1972). Hierfür genügt es in der Regel nicht, die Kündigungsgründe nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig zu bezeichnen und bloße Werturteile ohne Angabe der für die Bewertung maßgebenden Tatsachen anzugeben (BAGE 30, 386 = AP Nr. 17 zu § 102 BetrVG 1972; KR-Etzel, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rz 62, 62 c; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 102 Rz 32). Der vom Arbeitgeber als maßgebend erachtete Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluß hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (BAGE 30, 386, 394 = AP, a.a.O.).

Die Regelung in § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verfolgt jedoch keinen Selbstzweck. Sinn und Zweck dieser primär dem kollektiven Interessenschutz dienenden Bestimmung (BAGE 49, 136 = AP Nr. 37 zu § 102 BetrVG 1972) ist es, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sein Mitbestimmungsrecht (Anhörungsrecht) ordnungsgemäß auszuüben und sich eine Meinung bilden zu können. An diesem Zweck sind auch die Anforderungen auszurichten, die an eine substantiierte Unterrichtung des Betriebsrats zu stellen sind.

Hat der Betriebsrat (d.h. der Vorsitzende, sein Stellvertreter oder ein vom Betriebsrat bevollmächtigtes Mitglied) bereits den erforderlichen Kenntnisstand, um sich über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe ein Bild zu machen, dann wäre es eine reine Förmelei, vom Arbeitgeber gleichwohl noch eine detaillierte Begründung zu verlangen (BAGE 26, 102 = AP Nr. 3 zu § 102 BetrVG 1972 mit Anmerkung von Herschel; 31, 83 = AP Nr. 19 zu § 102 BetrVG 1972; 44, 249 = AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972). Der Betriebsrat kann auch ein Betriebsratsmitglied zur Entgegennahme von Arbeitgebererklärungen in Kündigungsangelegenheiten ermächtigen. In diesem Fall kann der Arbeitgeber seine Kündigungsabsicht und die Kündigungsgründe gegenüber dem ermächtigten Betriebsratsmitglied erklären (vgl. KR-Etzel, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rz 83; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 63).

b) Das Landesarbeitsgericht hat diese Grundsätze ohne Rechtsfehler berücksichtigt.

aa) Es steht fest, daß die Beklagte den Betriebsrat ihre subjektiven Erwägungen zu einer Weiterbeschäftigung der Klägerin mitgeteilt und ihm keine von ihr angestellten Erwägungen vorenthalten hat.

Dies ergibt sich bereits aus Absatz 2 des Anhörschreibens, wonach mündliche Gespräche in Anwesenheit des Betriebsrats stattgefunden hatten. In dem Ablehnungsschreiben des Betriebsrates werden sogar ausdrücklich Äußerungen von Dr. G. und von Herrn P. zitiert, die dem Betriebsrat nicht bekannt hätten sein können, wenn er an den Gesprächen nicht teilgenommen hätte. Die Beklagte hat im Prozeß darüber hinaus vorgetragen, der Betriebsratsvorsitzende habe an den Tagen 26. und 27. August 1987 an Gesprächen mit der Klägerin teilgenommen, bei denen die Frage der Weiterbeschäftigung eingehend erörtert worden sei. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, substantiiert seien sodann alle von der Klägerin aufgezeigten Einsatzmöglichkeiten (vgl. Schriftsatz vom 20. November 1987, S. 36–39) in einem zweieinhalbstündigen Gespräch mit dem Betriebsrat erörtert worden. Aus dem Vortrag der Beklagten, der insoweit auch weder in der Tatsacheninstanz bestritten worden ist noch in der Revision rechtlich bemängelt wird, ergibt sich, daß Herr P. „als Vertreter des Betriebsrates” teilgenommen hatte. Herr Pr. hat auch die Stellungnahme des Betriebsrates neben dem Betriebsratsvorsitzenden mit unterzeichnet. Danach ist davon auszugehen, daß dem Betriebsrat hier nicht eine zufällige Kenntnis durch irgendein Betriebsratsmitglied zugerechnet werden soll, sondern daß ein auch von ihm so gewünschtes Verfahren stattfand.

bb) Die Beklagte war vorliegend auch nicht gehindert, nach entsprechendem Vorbringen der Klägerin ihren Vortrag zur fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu konkretisieren. Der Arbeitgeber kann sich zwar im Prozeß nicht auf Kündigungsgründe oder für einen Kündigungssachverhalt wesentliche Umstände berufen, die er dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hat (BAGE 34, 309 = AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972). Er beruft sich aber nicht auf einen anderen oder erweiterten Kündigungssachverhalt, wenn er ergänzend Stellung nimmt zum Vortrag des Arbeitnehmers hinsichtlich einer von diesem behaupteten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit (vgl. hinsichtlich der entsprechenden Rechtslage bei der sozialen Auswahl BAG Urteil vom 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88 – zur Veröffentlichung bestimmt).

Vorliegend hatte die Klägerin die zwölf Studien, aus denen sie eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung herleiten will, selbst erst im Prozeß bezeichnet. Der Betriebsrat konnte demgemäß von der Beklagten auch zu dieser Art der Weiterbeschäftigung noch nicht substantiiert gehört worden sein.

Das Schreiben der Klägerin betreffend Umschulung und Fortbildung ging erst am 23. September 1987 bei der Beklagten ein, nachdem das Anhörverfahren bereits eingeleitet war. Dazu macht die Beklagte geltend, selbst diese Problematik sei bereits in der zweieinhalbstündigen Unterredung angesprochen worden. Hierfür spricht, daß der Betriebsrat sich in seiner Stellungnahme gerade auf eine solche Möglichkeit nach Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen beruft.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Bitter, Dr. Ascheid, Thieß, Binzek

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1076629

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