Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung am Rosenmontag. Betriebliche Übung

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelsache zu 5 AZR 16/92

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 01.04.1992; Aktenzeichen 7 Sa 982/91)

ArbG Köln (Urteil vom 12.09.1991; Aktenzeichen 13 Ca 2318/91)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 1. April 1992 – 7 Sa 982/91 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für nicht erbrachte Arbeitsleistung am 11. Februar 1991 (Rosenmontag) Vergütung zusteht.

Die Klägerin ist seit dem 1. April 1985 beim Hauptzollamt Köln-Rheinau als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Aufgrund jeweiliger vorheriger, jährlich schriftlich wiederholter Mitteilung des Amtsvorstehers („Dienstregelung an Karnevalstagen”) erhielt die Klägerin wie alle anderen Angestellten der Behörde am Rosenmontag Dienstbefreiung. Die Anordnungen des Amtsvorstehers hatten im wesentlichen immer den folgenden Inhalt:

„Die Regelung der Dienstzeit an den Karnevalstagen hat sich gegenüber den letzten Jahren nicht verändert.

Danach beginnt der Dienst bei den Dienststellen in Köln am Freitag nach Weiberfastnacht um 9.00 Uhr.

Der Rosenmontag ist dienstfrei.

Am Karnevalsdienstag endet der Dienst um 14.00 Uhr.”

Sie gingen zurück auf eine an alle nachgeordneten Dienststellen gerichtete Regelung der Oberfinanzdirektion Köln vom 26. Januar 1977, die auszugsweise lautet:

„Betr.: Dienstregelung an den Karnevalstagen jeden Jahres

Ich bin damit einverstanden, daß künftig bis auf weiteres zu „Weiberfastnacht” je nach den örtlichen Gepflogenheiten und soweit es die dienstlichen Belange gestatten, der Dienst um 11.11 Uhr beendet und bis 19.00 Uhr eine gesellige Veranstaltung unter Ausschank von Bier, Wein und Sekt in der Kantine Ihrer Dienststelle durchgeführt wird.

Bei der Oberfinanzdirektion Köln und bei den nachgeordneten Dienststellen in Köln beginnt der Dienst am Freitag nach „Weiberfastnacht” um 9.00 Uhr. Der Rosenmontag ist dienstfrei. Am Karnevalsdienstag endet der Dienst um 14.00 Uhr.

Die Vorsteher der nachgeordneten Dienststellen und die Leiter der Außenstellen der Oberfinanzdirektion außerhalb von Köln sowie der Bundeskasse Bonn werden ermächtigt, die Dienstzeit am Freitag nach „Weiberfastnacht” entsprechend der Regelung für die Kölner Dienststellen und die Dienstzeit am Rosenmontag und am Karnevalsdienstag entsprechend den örtlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung der karnevalistischen Tradition zu regeln.”

Nach Ausbruch des Golfkrieges im Januar 1991 beschloß das Festkomitee des Kölner Karnevals, diesmal auf Veranstaltungen unter freiem Himmel zu verzichten. Das betraf insbesondere den Kölner Rosenmontagszug. Daraufhin ordnete der Bundesminister der Finanzen unter dem 19. Januar 1991 an, daß Dienstbefreiung aus Anlaß des Karnevals in der Bundesverwaltung in diesem Jahr nicht zugelassen werde. Der Vorsteher des Hauptzollamtes Köln-Rheinau teilte den Bediensteten der Behörde mit, daß aufgrund des Golfkrieges die Karnevalstage in diesem Jahr (einschließlich Rosenmontag) normale Arbeitstage seien.

Die Klägerin hat daraufhin beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach ihr für den Rosenmontag (11. Februar 1991) Dienstbefreiung zu gewähren sei. Sie hat dann an diesem Tage auch nicht gearbeitet. Die Beklagte will deswegen eine Entgeltkürzung vornehmen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Sie hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihr für den 11. Februar 1991 Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Bezüge zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Ein Anspruch auf Dienstbefreiung am Rosenmontag ergebe sich weder aus den gesetzlichen noch aus den tariflichen Bestimmungen. Auch der Arbeitsvertrag der Klägerin biete keine Grundlage für das Verlangen, am Rosenmontag vom Dienst unter Fortzahlung der Bezüge befreit zu werden. Ein solcher Anspruch sei insbesondere nicht aufgrund betrieblicher Übung entstanden. Selbst wenn man dies aber annehmen wollte, so sei der Grund für eine Dienstbefreiung im Jahre 1991 weggefallen gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Klage zu Recht abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Klägerin ein Anspruch auf bezahlte Freizeit nur aus Vertrag entstanden sein könnte. Es hat einen solchen Anspruch zu Recht verneint.

1. Die Vertragsbeziehungen der Parteien könnten sich nur aufgrund betrieblicher Übung zu einem Anspruch auf bezahlte Freizeit am Rosenmontag ausgestaltet haben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Willenserklärung des Arbeitgebers, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (vgl. nur BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost; aus neuester Zeit BAGE 59, 73, 84 f. = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 3 a der Gründe, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Bei der Anspruchsentstehung ist nicht entscheidend ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern nur die Frage, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durften (§§ 133, 157 BGB).

Für die Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes gelten diese Grundsätze jedoch nur mit Einschränkung. Hier ist davon auszugehen, daß der Arbeitgeber im Zweifel nur die von ihm zu beachtenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Normen vollziehen will. Daher müssen selbst bei langjährigen Vergünstigungen besondere zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes über das gewährte tarifliche Entgelt hinaus weitere Leistungen einräumen will, die auf Dauer gewährt und damit Vertragsbestandteil werden sollen (vgl. statt vieler nur BAGE 59, 73, 85 = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 3 a der Gründe, ebenfalls mit weiteren Nachweisen).

2. An derartigen für den Bereich des öffentlichen Dienstes zur Anspruchsentstehung aus betrieblicher Übung zu verlangenden besonderen Umständen fehlt es. Das Gegenteil folgt aus der Tatsache, daß die Dienstbefreiung in jedem Jahr ausdrücklich erfolgte und mit dem besonderen Hinweis, die Dienstzeitregelung an den Karnevalstagen habe sich gegenüber den letzten Jahren nicht verändert. Schon hierdurch wurde zum Ausdruck gebracht, daß Veränderungen möglich seien und andere Regelungen vorbehalten blieben. Unter diesen Umständen konnte kein Vertrauen der beteiligten Arbeitnehmer darauf entstehen, daß ihnen die Arbeitsbefreiung am Rosenmontag auf Dauer und uneingeschränkt als besondere Vergünstigung gewährt werden solle. Auch aus der Dienstregelung der Oberfinanzdirektion Köln vom 26. Januar 1977 konnte die Klägerin nichts anderes entnehmen. Einmal enthält diese Regelung die Einschränkung „bis auf weiteres”, vor allem aber erging die Regelung als interne Dienstanweisung an die nachgeordneten Dienststellen zur weiteren Einzelhandhabung, nicht aber an alle Mitarbeiter dieser Dienststellen.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke, Dr. Schlemmer, Blank-Abel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1080752

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