Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialkassen des Baugewerbes. Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung. Fertigbaubetriebe. Tarifrecht

 

Orientierungssatz

  • Auf einen Betrieb, der Fertigbauarbeiten ausführt, erstreckt sich die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV nicht, wenn der Träger dieses Betriebes innerhalb eines Jahres nach Produktionsaufnahme unmittelbar oder mittelbar Mitglied in einem der in Abschn. I Abs. 2 Buchst. a des Ersten Teils der Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf Antrag genannten Verbände geworden ist.
  • Abschn. II der Einschränkungsklausel enthält eine Verweisung auf die Rechtsfolge des Abschn. I Abs. 1, nämlich die Nichterstreckung der AVE. Abschn. II setzt nicht voraus, dass der Betrieb einem der dort genannten fachlichen Geltungsbereiche von baufremden Tarifverträgen unterfällt. Andernfalls bliebe kein eigener Regelungsbereich für Abschn. II.
 

Normenkette

Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV) § 21; Bekanntmachung der AVE, Erster Teil, Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf Antrag Abschn. I; Bekanntmachung der AVE, Erster Teil, Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf Antrag Abschn. II

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 13.06.2003; Aktenzeichen 8 Sa 2353/02)

ArbG Berlin (Urteil vom 10.10.2002; Aktenzeichen 62 Ca 66897/01)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte für die Zeiträume von Januar 2000 bis Februar 2001 sowie von Juni 2001 bis Mai 2002 tariflich vorgesehene Auskünfte erteilen und für den Fall der nicht rechtzeitigen Erteilung Entschädigung leisten muss.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (im Folgenden: ZVK) und als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach Maßgabe des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV) in seinen jeweils für allgemeinverbindlich erklärten, auf die Anspruchszeiträume anwendbaren Fassungen die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagte wurde am 1. Januar 2000 gegründet. In ihrem Betrieb wurden – zu einem streitigen Anteil – Baufertigteile unterschiedlichen Materials wie zB Kunststoff, Glas, Holz, Aluminium, Metall und Beton auf den jeweiligen Baustellen eingebaut.

Der Geschäftsführer der Beklagten war und ist weiterhin Inhaber der J.… Seit dem Januar 1994 war er unter dieser Mitglied im Landesverband Sachsen-Anhalt der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie e.V. Die Beklagte hat die Mitarbeiter der Einzelfirma im Wege des Betriebsübergangs zum 1. Januar 2000 übernommen. Seit dem Tag ihrer Gründung ist die Beklagte ebenfalls Mitglied im Landesverband Sachsen-Anhalt der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie e.V., der seinerseits Mitglied des Hauptverbandes der Holz- und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e.V. ist. Zwischen dem Landesverband Sachsen-Anhalt der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie e.V. und der Gewerkschaft Holz und Kunststoff wurde am 21. November 1996 der Manteltarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie im Land Sachsen-Anhalt (MTV) abgeschlossen.

Die ZVK ist der Ansicht, die Beklagte werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst und sei deshalb verpflichtet, die begehrten Auskünfte zu leisten. Sie behauptet, die gewerblichen Mitarbeiter der Beklagten hätten zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, die mehr als 50 % der gesamtbetrieblichen Arbeitszeit ausgemacht hätte, Baufertigteile auf Baustellen eingebaut. Zum Beweis hat sie sich auf das Zeugnis der im Klagezeitraum beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer berufen. Der Prüfbericht des Arbeitsamts Magdeburg vom 28. April 2000 habe dies bestätigt. Auch die Beklagte selbst habe in einem Schreiben vom 3. April 2000 angegeben, dass sieben Arbeitskräfte zu 80 % der betrieblichen Arbeitszeit Montagearbeiten und zwei Arbeitnehmer zu 20 % der betrieblichen Arbeitszeit Bürotätigkeiten ausgeführt hätten. Auf Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung könne die Beklagte sich nicht berufen. Die Beklagte sei im Verhältnis zur Einzelfirma eine Neugründung. Die Mitgliedschaft der weiterhin bestehenden Einzelfirma im Landesverband Sachsen-Anhalt der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie e.V. sei nicht auf sie übergegangen. Eine Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz habe nicht stattgefunden. § 613a BGB lasse Arbeitsverhältnisse und nicht Mitgliedschaften übergehen. Auch nach der Satzung des Landesverbandes sei eine Übertragung der Mitgliedschaftsrechte von der Einzelfirma auf die Beklagte ausgeschlossen. Auf die Niederlassungen privilegierenden Regelungen in Abschn. I Abs. 2 Buchst. b und c der Einschränkungsklausel könne sich die Beklagte nicht berufen. Auch Abschn. II der Einschränkungen treffe nicht zu, weil der Betrieb der Beklagten nicht gem. Abschn. I Abs. 1 unter den fachlichen Geltungsbereich des MTV falle, da die Beklagte Baufertigteile nicht herstelle.

Im Termin vor dem Arbeitsgericht vom 14. Februar 2002 ist ein die Monate Juni bis August 2001 betreffendes klagestattgebendes Versäumnisurteil erlassen worden. Im Termin vor dem Arbeitsgericht vom 30. Mai 2002 ist ein klageabweisendes Versäumnisurteil betreffend die Auskunftserteilung für die Zeiträume Januar 2000 bis Februar 2001 und Juni 2001 bis November 2001 ergangen. Nach Verbindung mit weiteren Rechtsstreiten über weitere Auskunftszeiträume hat die ZVK zuletzt beantragt,

das Versäumnisurteil vom 30. Mai 2002 aufzuheben und das Versäumnisurteil vom 14. Februar 2002 aufrechtzuerhalten,

die Beklagte zu verurteilen,

der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Januar 2000 bis Februar 2001 und September 2001 bis Mai 2002 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsummen und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind,

für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an die Klägerin eine Entschädigungssumme in Höhe von 45.687,05 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, sie unterfalle nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Sie hat zuletzt behauptet, ihre Montagetätigkeiten, die sie überwiegend in öffentlichen Gebäuden ausführe, machten lediglich 20 % der betrieblichen Arbeitszeit aus. Zu 80 % betreibe sie Handel mit Fenstern und Türen. Sie hat gemeint, die Allgemeinverbindlicherklärung erstrecke sich nicht auf ihren Betrieb. Sie habe die Rechtsnachfolge der Einzelfirma angetreten, die zum Stichtag Mitglied im Landesverband Sachsen-Anhalt der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie e.V. gewesen sei. Jedenfalls sei der MTV der speziellere Tarifvertrag im Verhältnis zum VTV.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 21 VTV auf die geltend gemachten Auskünfte, da der Betrieb der Beklagten, auch wenn er dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfallen sollte, nicht von der Allgemeinverbindlicherklärung für die jeweiligen Zeiträume erfasst wird.

  • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betrieb der Beklagten unterfalle zwar grundsätzlich dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV, da er Baufertigteile unterschiedlichen Materials einbaue, jedoch erstrecke sich die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV nicht auf ihn. Dies folge zwar nicht aus Abschn. II der Einschränkungsklausel, jedoch sei Abschn. I Abs. 2 Buchst. a des Ersten Teils der Maßgaben zur Allgemeinverbindlicherklärung anzuwenden. Es komme auf die Mitgliedschaft der Einzelfirma zum Stichtag an, deren Betrieb die Beklagte nach ihrer Gründung am 1. Januar 2000 übernommen habe. Eine gesellschaftsrechtliche Rechtsnachfolge sei nicht erforderlich. Arbeitgeber iSd. Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung sei auch eine im gesellschaftsrechlichen Sinn andere juristische Person, auf die die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer gem. § 613a BGB übergegangen seien, wenn diese spätestens seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs ordentliches Mitglied eines der in Abs. 2 Buchst. a genannten Verbände sei.
  • Dem folgt der Senat im Ergebnis.

    1. Es kann unterstellt werden, dass der Vortrag der ZVK über die arbeitszeitlich überwiegend geleistete Tätigkeit zutrifft. Dann fielen die Arbeiten unter § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV als Fertigbauarbeiten, nämlich Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken, oder unter Nr. 37 als Trocken- und Montagebauarbeiten. Es kann daher auch dahinstehen, ob das Bestreiten der Beklagten erheblich ist, wonach sie zu 80 % Handel mit Fenstern und Türen betrieben habe.

    2. Der Betrieb der Beklagten wird jedoch nicht von der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV in seiner jeweiligen Fassung erfasst. Nur wenn dies der Fall wäre, wären die Normen des VTV gem. § 5 Abs. 4 TVG auf den Betrieb der Beklagten anwendbar, die nicht Mitglied in einer der den VTV abschließenden Tarifvertragsparteien ist.

    a) Die für den streitigen Zeitraum einschlägigen Bestimmungen über die Allgemeinverbindlichkeit des VTV verweisen hinsichtlich ihrer Reichweite auf die Einschränkung gemäß dem Ersten Teil der Maßgaben in der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifwerken für das Baugewerbe vom 17. Januar 2000 (BAnz. S. 1385). Diese Maßgaben haben folgenden Wortlaut:

    “Erster Teil

    Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf Antrag

    I.

    (1) Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland oder Ausland, die unter einen der im Anhang abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 1. Juli 1999 (Stichtag) geltenden Tarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie, … fallen.

    (2) Für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland gilt Absatz 1 nur dann, wenn sie

    a) bereits am Stichtag unmittelbar oder mittelbar ordentliches Mitglied des Hauptverbandes der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e.V., der Vereinigung Deutscher Sägewerksverbände e.V., der Sozialpolitischen Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden e.V., des Bundesverbandes der Deutschen Mörtelindustrie e.V., des Bundesverbandes der Deutschen Transportbetonindustrie e.V., des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie e.V., der Verbände der kunststoffverarbeitenden Industrie oder eines Arbeitgeberverbandes im Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände (Gesamtmetall) waren. In diesem Fall wird unwiderlegbar vermutet, dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

    b) nachweislich als Niederlassung eines Betriebes nach Absatz 1 (Stammbetrieb), der bereits vor dem Stichtag unmittelbar oder mittelbar ordentliches Mitglied eines der in Buchstabe a genannten Verbände war, nachgegründet worden sind, überwiegend solche Tätigkeiten ausführen, die zum fachlichen Geltungsbereich der in Absatz 1 genannten Tarifverträge gehören, und die ordentliche Mitgliedschaft in einem der in Buchstabe a genannten Verbände erworben haben. Wenn diese Betriebe nachweislich zu drei Viertel ihrer betrieblichen Arbeitszeit für den Stammbetrieb tätig sind, wird unwiderlegbar vermutet, dass sie unter einen der fachlichen Geltungsbereiche der in Absatz 1 genannten Tarifverträge fallen.

    c) ohne selbst Mitglied in einem der Verbände nach Buchstabe a zu sein, nachweislich als Niederlassung eines Stammbetriebes nach Absatz 1, der bereits vor dem Stichtag unmittelbar oder mittelbar ordentliches Mitglied eines der in Buchstabe a genannten Verbände war, nachgegründet worden sind, unter einen der fachlichen Geltungsbereiche der in Absatz 1 genannten Tarifverträge fallen und zumindest zu drei Viertel der betrieblichen Arbeitszeit für ihren Stammbetrieb tätig sind.

    II.

    Für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland, die bereits seit einem Jahr Fertigbauarbeiten ausführen, gilt die Ausnahme gemäß Abschnitt I Absatz 1, wenn sie unmittelbar oder mittelbar Mitglied eines der in Abschnitt I Absatz 2 Buchstabe a genannten Verbände geworden sind.”

    b) Es kann dahinstehen, ob der Betrieb der Beklagten, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, bereits nach Abschn. I Abs. 2 Buchst. a aus der Allgemeinverbindlicherklärung ausgenommen ist. Bedenken bestehen insoweit, als Betriebe als solche keine Verbandsmitgliedschaft erwerben können und die Beklagte zum Stichtag noch gar nicht existierte, folglich auch nicht Mitglied in einem Verband der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie sein konnte. Auch hat ein Betriebsübergang nach § 613a BGB nur arbeitsvertragliche und keine mitgliedsschaftsrechtlichen Folgen.

    c) Jedenfalls erfasst die Allgemeinverbindlicherklärung den Betrieb der Beklagten nicht, da die Voraussetzungen des Abschn. II vorliegen.

    Danach gilt die Ausnahme gem. Abschn. I Abs. 1 für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland, die bereits seit einem Jahr Fertigbauarbeiten ausführen, wenn sie unmittelbar oder mittelbar Mitglied eines der in Abschn. I Abs. 2 Buchst. a genannten Verbände geworden sind.

    aa) Unklar ist die Formulierung, ab welchem Zeitpunkt das Bezugsjahr zu laufen beginnt, in dem Fertigbauarbeiten ausgeführt sein müssen. Der Beklagten ist insoweit darin zuzustimmen, dass – einer Auskunft der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vom 17. Oktober 2001 folgend – die Vorschrift so zu lesen ist, dass die Betriebe ein Jahr nach der Aufnahme ihrer Tätigkeit erfasst werden, wenn sie bis dahin keine Mitgliedschaft in einem der in Abschn. I Abs. 2 Buchst. a genannten Verbände erworben haben. Dies entspricht § 2 Abs. 3 Mindestlohnverordnung vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3372 f.). Die Auslegung stimmt ferner inhaltlich mit den früheren Fassungen der Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV überein, welche lauteten:

    “…

    2. Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Fertigbauarbeiten ausführende Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen, die nach dem Stichtag neu gegründet werden.

    Solche Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen werden jedoch nach Ablauf eines Jahres seit der Produktionsaufnahme von der Allgemeinverbindlicherklärung erfaßt, wenn für sie nicht bis zu diesem Zeitpunkt die Mitgliedschaft bei einem der unter Nummer 1 genannten Verbände erworben worden ist; sie werden vor Ablauf eines Jahres seit der Produktionsaufnahme erfaßt, wenn für sie die Mitgliedschaft bei einem der Verbände des Baugewerbes begründet worden ist.”

    Diese Voraussetzungen sind gegeben.

    Die Beklagte hat ab dem 1. Januar 2000 ihre Tätigkeit begonnen und ist innerhalb eines Jahres, nämlich bereits zum Zeitpunkt der Gründung am 1. Januar 2000, Mitglied im Landesverband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Sachsen-Anhalt e.V. geworden.

    bb) Abschn. II setzt entgegen der Ansicht der ZVK und des Landesarbeitsgerichts nicht voraus, dass der Betrieb auch unter einen der im Anhang abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 1. Juli 1999 geltenden Tarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie fällt. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung. Der Wortlaut, wonach “die Ausnahme gem. Abschn. I Abs. 1” gilt, enthält keine weitere Voraussetzung für die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung.

    Das folgt daraus, dass die Vorschrift des Abschn. II überflüssig und sinnlos wäre, wenn in ihr dieselbe Voraussetzung aufgestellt würde, die auch in Abschn. I Abs. 1 enthalten ist. Unterfiele der Betrieb nämlich dem so definierten fachlichen Geltungsbereich eines der genannten Tarifverträge, wäre ein solcher Betrieb schon deshalb aus der Allgemeinverbindlicherklärung ausgenommen. An der erstinstanzlich geäußerten Ansicht, der Anwendungsbereich des Abschn. I Abs. 1 sei auf ausländische Betriebe begrenzt, so dass ein eigener Regelungsbereich für Abschn. II übrig bliebe, hat die ZVK zuletzt nicht mehr festgehalten. Sie trifft auch nicht zu. Die Änderung der früheren Einschränkungsklausel mag auf Druck ausländischer Betriebe über die Kommission der EU in den Jahren 1999/2000 zustande gekommen sein. Die Vorschrift umfasst jedoch ausdrücklich “Betriebe … von Arbeitgebern mit Sitz im Inland oder Ausland …”. Für Betriebe mit Sitz im Inland werden sodann in Abs. 2 des Abschn. I und in Abschn. II weitere Tatbestände aufgeführt, bei deren Vorliegen die Allgemeinverbindlicherklärung nicht eingreifen soll.

    Abschn. II enthält eine Sonderregelung für den Bereich der inländischen Fertigbaubetriebe. Dieser Bereich ist fachlich und persönlich enger als derjenige der in Abschn. I erwähnten Betriebe mit Sitz im Inland oder Ausland, die unter die Geltungsbereiche der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie, der Sägeindustrie und übriger Holzbearbeitung, der Steine- und Erdenindustrie, der Mörtelindustrie, der Transportbetonindustrie, der chemischen oder kunststoffverarbeitenden Industrie oder der Metall- und Elektroindustrie fallen. Nur für inländische Fertigbaubetriebe werden andere Voraussetzungen als diejenigen für inländische Betriebe in Abs. 2 aufgestellt, unter denen die Allgemeinverbindlicherklärung sich ebenfalls nicht auf sie erstrecken soll. Fertigbaubetriebe haben ein Jahr nach Produktionsaufnahme Zeit, Mitglied in einem der in Abs. 2 Buchst. a genannten Verbände zu werden, und so den Eintritt der Wirkungen der Allgemeinverbindlicherklärung, die anderenfalls nach Ablauf des Jahreszeitraums eintreten, zu vermeiden (vgl. BAG 4. Mai 1994 – 10 AZR 353/93 –).

    cc) Diese Lösung entspricht dem Zweck der Einschränkungsklausel, die Tarifkonkurrenzen vermeiden oder auflösen will. Systematisch ist dabei zunächst auf den betrieblichen Geltungsbereich der genannten Tarifverträge abgestellt worden, wie sie die Einschränkungsklausel eigenständig formuliert und gegenüber dem betrieblichen Geltungsbereich der genannten Tarifverträge selbst einschränkt. Hiernach sollen im Wesentlichen nur die herstellenden und im Übrigen Überschneidungstätigkeiten ausführenden Betriebe aus der Allgemeinverbindlicherklärung herausfallen. Weiterhin werden aus historischen Gründen Ausnahmen für bestehende Mitgliedschaften gemacht und dabei Sonderregelungen für nachgegründete Niederlassungen von Mitgliedsbetrieben getroffen. In Abschn. II wird eine früher bestehende Regelung der Einschränkungsklausel inhaltlich aufgenommen und leicht verändert. Sie gilt aber nur für Fertigbauarbeiten ausführende Betriebe. Dieser Bereich wird vom Normgeber der Allgemeinverbindlicherklärung für so bedeutsam gehalten, dass hier auch Neugründungen über eine Mitgliedschaft in einem baufremden Verband aus der Allgemeinverbindlicherklärung herausfallen sollen.

  • Die Kosten der erfolglosen Revision hat die ZVK zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
 

Unterschriften

Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Böhlo, Schlaefke

 

Fundstellen

Haufe-Index 1210347

NZA 2004, 1296

NJOZ 2004, 4114

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge