Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung nach dem HRG

 

Normenkette

HRG §§ 1, 53, 57b Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5; FachHSchG Rheinl.-Pfalz § 34 Abs. 1, § 143

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 04.10.1994; Aktenzeichen 8 Sa 528/94)

ArbG Koblenz (Urteil vom 22.03.1994; Aktenzeichen 3 Ca 2572/93)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. Oktober 1994 – 8 Sa 528/94 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der 1962 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur (FH). Mit Arbeitsvertrag vom 16. Januar 1989 wurde er als Assistent an der Fachhochschule des Landes Rheinland-Pfalz in Koblenz, Fachbereich Elektrotechnik, befristet bis zum 15. Januar 1991 eingestellt. Der Arbeitsvertrag lautete auszugsweise wie folgt:

㤠1

Die Verwaltungsvorschriften über die Beschäftigung von Assistenten an der Fachhochschule des Landes Rheinland-Pfalz sind Bestandteil dieses Arbeitsvertrages.”

In den zum damaligen Zeitpunkt geltenden Verwaltungsvorschriften, veröffentlicht im Amtsblatt des Kultusministeriums von Rheinland-Pfalz (Nr. 21/1981 S. 451 f.), war u.a. ausgeführt:

„1. Zweck des Assistentenverhältnisses

Personen mit einem erfolgreich abgeschlossenen Hochschulstudium können haupt- oder nebenberuflich als Assistenten beschäftigt werden. Hauptberufliche Assistenten werden befristet oder in besonders begründeten Ausnahme fällen auf Dauer als Angestellte beschäftigt (§ 43 Abs. 1 u. 3 FachHSchG).

Die Assistenten unterstützen die Professoren bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Die Aufgaben sollen zugleich dazu dienen, die Kenntnisse und Fertigkeiten, die sie im Studium erworben haben, insbesondere zur Verbesserung der beruflichen Aussichten außerhalb der Fachhochschule zu ergänzen und zu vertiefen.”

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch den Nachtrag vom 21. Dezember 1990 bis zum 15. Januar 1993 verlängert. Eine weitere Verlängerung erfolgte durch den Nachtrag vom 7. Dezember 1992 bis zum 31. Dezember 1993.

Der Kläger wurde überwiegend im Rahmen des Studiengangs Elektrotechnik und teilweise auch im Studiengang des berufsintegrierenden Studiums „Elektrotechnik” eingesetzt. Zu seinen Aufgaben gehörte im wesentlichen das Aufstellen von Versuchsanleitungen, die Durchführung und Überwachung von Praktika/Laboruntersuchungen sowie die verwaltungsmäßige Betreuung der Versuchsreihen (Beschaffung von Soft-Ware, Hard-Ware, Büromaterial etc.).

Der Kläger hält die Befristung seines Arbeitsverhältnisses für unwirksam. Ein Befristungsgrund nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 Hochschulrahmengesetz (HRG) sei nicht gegeben. Er habe keine Tätigkeiten verrichtet, die seiner Fort- oder Weiterbildung außerhalb der Hochschule gedient hätten. Ihm seien auch keine Kenntnisse vermittelt worden, die seine Berufsqualifikation verbessert hätten. Er habe nur Tätigkeiten ausgeführt, die auch ein fachlich vorgebildeter Nichtassistent habe erbringen können. Im übrigen könne sich das Land nicht auf den Befristungsgrund nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 berufen, da dieser im Arbeitsvertrag nicht angegeben gewesen sei. Der im Arbeitsvertrag enthaltene Hinweis auf Verwaltungsvorschriften reiche zur Erfüllung der Formerfordernisse des § 57 b Abs. 5 HRG nicht aus, zumal die Verwaltungsvorschriften dem Arbeitsvertrag nicht beigefügt gewesen seien. Schließlich sei auch nur der Arbeitsvertrag vom 16. Januar 1989 der Befristungskontrolle zu unterziehen. Bei den Nachträgen habe es sich um Annex-Verträge gehandelt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Dezember 1993 geendet hat, sondern über den genannten Zeitpunkt hinaus unbefristet fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG gerechtfertigt. Als Lehrhilfsperson habe der Kläger den Studenten Fachwissen und praktische Fertigkeiten vermittelt und sie in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden unterwiesen. Durch die Erfahrungen bei der Durchführung von Laboruntersuchungen bzw. der Anleitung von Studenten bei diesen Tätigkeiten seien die Berufsaussichten des Klägers aufgrund der gesammelten pädagogischen und technischen Erfahrungen erheblich verbessert worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel. Das beklagte Land hat die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat am 31. Dezember 1993 geendet. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrages vom 7. Dezember 1992 zum 31. Dezember 1993 ist wirksam, weil der für diesen Vertrag angegebene Befristungsgrund des § 57 b Abs. 2 Nr. 12. Alternative HRG vorgelegen hat und sich das beklagte Land hierauf auch berufen kann.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht nur den letzten zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom 7. Dezember 1992 der Befristungskontrolle unterzogen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen arbeitsgerichtlicher Befristungskontrolle nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu prüfen. Ob die vorangegangenen Arbeitsverträge wirksam befristet waren ist unerheblich (st. Rechtspr., BAG Urteil vom 19. August 1992 – 7 AZR 560/91BAGE 71, 118 zu II der Gründe, m.w.N. = AP Nr. 2 zu § 57 b HRG). Entgegen der Ansicht des Klägers hat es sich bei dem Nachtrag vom 7. Dezember 1992 nicht um einen unselbständigen Annex-Vertrag zum Arbeitsvertrag vom 16. Januar 1989 gehandelt. Ein Annexvertrag setzt einen Willen der Vertragsparteien voraus, die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit an später eintretende, nicht vorhersehbare Umstände anzupassen. Anhaltspunkte hierfür sind weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen. Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, haben die Parteien vorbehaltlos neue Arbeitsverträge geschlossen, mit denen sie ihr Arbeitsverhältnis jeweils auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt haben. Sie haben lediglich der Einfachheit halber auf den im Arbeitsvertrag vom 16. Januar 1989 dokumentierten Vertragsinhalt Bezug genommen, weil die Vertragsbedingungen übereinstimmten und auch der Befristungsgrund gleichbleibend war.

2. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrages war nach § 57 b Abs. 2 Nr. 12, Alternative HRG wirksam.

a) Nach § 57 a Satz 1 HRG gelten für den Abschluß befristeter Arbeitsverträge mit wissenschaftlichen Mitarbeitern im Sinne des § 53 HRG die Vorschriften der §§ 57 b57 f HRG. Der Kläger war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule in Koblenz. Fachhochschulen sind nach § 1 Satz 1 HRG Hochschulen im Sinne des HRG. Er war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts als Fachhochschulassistent im Sinne des § 43 des Landesgesetzes über die Fachhochschulen Rheinland-Pfalz (FachHSchG i.d.F. vom 10. September 1987 (GVBl. S. 289) eingesetzt. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte die Mitwirkung am Lehrbetrieb einschließlich seines fachpraktischen Teils. Dabei handelte es sich um wissenschaftliche Dienstleistungen im Sinne des § 53 HRG ungeachtet dessen, daß § 34 Abs. 1 FachHSchG als hauptberuflich tätiges wissenschaftliches Personal der Fachhochschule nur die Professoren und Lehrkräfte für besondere Aufgaben, nicht aber die Assistenten nennt (BAG Urteil vom 19. August 1992, a.a.O., zu I 2 a cc der Gründe).

b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der sachliche Befristungsgrund des § 57 b Abs. 2 Nr. 12. Alternative habe vorgelegen, trifft zu. Nach der Vertragsauslegung des Berufungsgerichts, die mit Revisionsrügen nicht angegriffen worden ist, sind die Verwaltungsvorschriften des Landes Rheinland-Pfalz Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden. Nach deren Ziffer 1 sollen die dem Assistenten übertragenen Aufgaben zugleich dazu dienen, die während des Studiums erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten zur Verbesserung der beruflichen Aussichten außerhalb der Fachhochschule zu ergänzen und zu vertiefen. Das entspricht der Zielsetzung des § 57 b Abs. 2 Nr. 12. Alternative HRG. der gerade die Qualifizierung für eine Tätigkeit außerhalb der Fachhochschule betrifft (BAG Urteil vom 14. Dezember 1994 – 7 AZR 342/94 – EzA § 620 BGB Nr. 129 zu II 1 b der Gründe) und nach der Senatsrechtsprechung keinen speziellen Fort- oder Weiterbildungszweck verlangt (BAG Urteil vom 19. August 1992, a.a.O., zu I 2 b der Gründe).

Diese Zielsetzungen konnten nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch erreicht werden. Als Assistent hat der Kläger Versuchsanleitungen für Studenten aufgestellt, Praktika und Laboruntersuchungen durchgeführt, sie überwacht und verwaltungsmäßig betreut. Durch seine aktive Mitwirkung am Lehrbetrieb hat er pädagogische und technische Erfahrungen sammeln können, über die er bei Abschluß seines Studiums noch nicht verfügt hatte. Unerheblich ist, ob diese besonderen Erfahrungen die Bewerbungschancen des Klägers auf eine Stelle außerhalb der Fachhochschule verbessern und einem Stellengesuch zum Erfolg verhelfen. Der in § 57 b Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative HRG angesprochene Fort- und Weiterbildungszweck bestimmt sich nicht danach, ob die erworbenen Zusatzkenntnisse im Nachhinein erfolgreich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertet werden können.

c) Entgegen der Ansicht der Revision ist es dem beklagten Land nach § 57 b Abs. 5 HRG nicht verwehrt, sich auf den angegebenen und auch tatsächlich vorliegenden Befristungsgrund des § 57 Abs. 2 Nr. 12. Alternative HRG zu berufen.

Wird ein Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf § 57 b Abs. 2 HRG befristet, ist nach § 57 b Abs. 5 HRG der jeweilige Befristungsgrund im Arbeitsvertrag anzugeben. Unterbleibt diese Angabe, kann die Rechtfertigung der Befristung nicht auf die im HRG normierten Befristungsgründe gestützt werden. Vorliegend ist der Befristungsgrund der Fort- und Weiterbildung nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag aufgeführt, sondern ergibt sich aus einer vertraglichen Bezugnahme auf konkret bezeichnete Verwaltungsvorschriften. Das reicht nach der Senatsrechtsprechung aus, um den Formerfordernissen des § 57 b Abs. 5 HRG zu genügen (BAG Urteile vom 31. Januar 1990 – 7 AZR 125/89 – AP Nr. 1 zu § 57 b HRG zu II 2 der Gründe; 19. August 1992, a.a.O., zu II a der Gründe). Denn diese Vorschrift enthält kein ausdrückliches Zitiergebot des Inhalts, wonach der jeweilige Befristungsgrund ausdrücklich genannt werden muß. Es genügt, wenn dem Arbeitsvertrag im Wege der Auslegung mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann, auf welchen Grund die Befristung gestützt wird und welche Tatbestände des § 57 b Abs. 2 diesen Gründen zuzuordnen sind. Strengere Anforderungen ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck der Vorschrift, die allein dazu dient, zwischen den Vertragsparteien Klarheit darüber zu schaffen, ob zur Rechtfertigung der Befristung des Arbeitsverhältnisses ein in § 57 b Abs. 2 HRG geregelter Befristungsgrund in Anspruch genommen werden soll.

Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, ist durch die Einbeziehung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften in § 1 des Arbeitsvertrags der Befristungsgrund des § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG zum Vertragsinhalt geworden. Ob der Kläger von diesen Verwaltungsvorschriften im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis hatte, weil sie dem Vertrag in einer Anlage beigefügt waren, ist unerheblich. Die Formerfordernisse des § 57 b Abs. 5 HRG dienen nicht dem Schutz des Arbeitnehmers, sich auf Vertragsinhalte einzulassen, deren Auswirkungen er in Unkenntnis des Wortlautes im einzelnen nicht zu überschauen vermag. Im übrigen war es dem Kläger auch nicht unzumutbar, sich vor Abschluß des letzten Nachtrages mit den veröffentlichten und damit allgemein zugänglichen Verwaltungsvorschriften vertraut zu machen. Dabei wäre ihm der in § 57 b Abs. 2 Nr. 12. Alternative HRG genannte Fort- und Weiterbildungszweck als Befristungsgrund nicht verborgen geblieben. Denn für befristete Arbeitsverhältnisse wird in den Verwaltungsvorschriften allein die in § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG genannte Zweckbestimmung angesprochen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Weller, Bröhl, Schmidt, Peter, Haeusgen, Olga Berger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1086604

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge