Entscheidungsstichwort (Thema)

Qualifikationszulage bei der Deutschen Bahn AG

 

Orientierungssatz

Sinn und Zweck der Qualifikationszulage nach dem Zulagentarifvertrag für die Arbeitnehmerin / den Arbeitnehmer der Bahn AG Anlage 1 ist es, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich dafür zu verschaffen, daß ihm eine Tätigkeit übertragen worden ist, die geringere Anforderungen an ihn stellt als es seiner Qualifikation entspricht, wenn das Vorhandensein dieser höheren Qualifikation als für den Arbeitgeber "notwendig oder förderlich anerkannt" ist.

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 13. Februar 1998 - 6 Sa 88/97 -

aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des

Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Juni 1997 - 18 Ca 68/97 -

abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung einer tariflichen Qualifikationszulage.

Die Klägerin ist seit 1. September 1986 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin als Zugbegleiterin beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit und kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der DB AG (MTV) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung.

Die Klägerin übt die Tätigkeit einer ICE/IC-Betreuerin aus. Vor dem 1. Januar 1994 war sie bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten in die Lohngruppe II a des Lohntarifvertrages der Deutschen Bundesbahn (LTV) eingruppiert. Auf Grund des Tarifvertrages über die Ersteingruppierung für die zur DB AG übergeleiteten Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer (ErsteingruppierungsTV) (in Kraft seit: 1. Januar 1994) wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe E 7 des Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer der DB AG (ETV) (in Kraft seit: 1. Januar 1994) übergeleitet. Nach dem Entgeltgruppenverzeichnis für die Arbeitnehmer der DB AG, welches als Anlage 1 Bestandteil des ETV ist (im folgenden nur: EGV), ist die Tätigkeit einer ICE/EC/IC/IR-Betreuerin eine solche der Entgeltgruppe E 6.

Da die Klägerin über die Qualifikation für eine Tätigkeit als Zug-Chefin ICE/EC/IC verfügt, welche eine Tätigkeit nach Entgeltgruppe E 8 des EGV darstellen würde, erhält sie von der Beklagten eine Qualifikationszulage entsprechend der Anlage 1 zum Zulagentarifvertrag für die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer der DB AG (ZTV).

Diese Anlage lautet:

"Qualifikationszulage

(1) Der Arbeitnehmerin/Dem Arbeitnehmer wird kalendermonatlich

eine Qualifikationszulage gezahlt, wenn die DB AG das

Vorhandensein oder den Erwerb der Qualifikation als für das

Unternehmen notwendig oder förderlich anerkennt. Dies ist in §

4 des Arbeitsvertrages zu vereinbaren.

(2) Die Höhe der Qualifikationszulage beträgt 25 % des

Unterschiedsbetrags der Anfangsentgeltstufen des

Monatstabellenentgelts der Entgeltgruppe, der der

Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend

übertragenen Tätigkeit und der Entgeltgruppe, für die die

Qualifikation gegeben ist.

(3) Die Qualifikationszulage kann widerrufen werden, wenn ein

Einsatz der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers in der Tätigkeit,

für die die Qualifikation erforderlich ist, aus persönlichen

oder betriebsbedingten Gründen auf Dauer ausscheidet.

(4) Die Qualifikationszulage wird für Stunden, für die der

Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer Entgeltausgleich nach § 3 Abs.

3 ETV erhält, entsprechend gekürzt.

..."

§ 3 Abs. 3 ETV lautet - soweit hier von Interesse:

"(3) a) Wird einem Arbeitnehmer der Entgeltgruppen E 1 bis

E 7 vorübergehend eine andere Tätigkeit übertragen, die

den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als seiner

Entgeltgruppe entspricht, und hat er die höherwertige

Tätigkeit mindestens eine volle Schicht ausgeübt, erhält

er für diese Schicht und für jede folgende volle Schicht

dieser Tätigkeit einen Entgeltausgleich.

...

b) Der Entgeltausgleich ist der Unterschiedsbetrag

zwischen dem Entgelt, das dem Arbeitnehmer zustehen würde,

wenn er in der höheren Entgeltgruppe eingruppiert wäre,

und dem Entgelt der Entgeltgruppe, in der er eingruppiert

ist."

Die Beklagte gewährt der Klägerin eine Qualifikationszulage in Höhe von 25 % des Unterschiedsbetrages zwischen der Anfangsentgeltstufe des Monatstabellenentgelts der Entgeltgruppe E 7 und derjenigen der Entgeltgruppe E 8. Dies macht einen Betrag von monatlich 81,75 DM brutto aus.

Die Klägerin ist der Meinung, die ihr übertragene Tätigkeit als ICE/IC-Betreuerin sei eine solche nach Entgeltgruppe E 6 des EGV. Daher müsse ihre Qualifikationszulage aus dem Differenzbetrag zwischen der Entgeltgruppe E 6 und der Entgeltgruppe E 8 des EGV errechnet werden. Ihr stehe daher eine monatlich um 23,81 DM brutto höhere Qualifikationszulage zu.

Dies habe die Beklagte auch mit Schreiben vom 24. September 1996 ihr gegenüber anerkannt.

Dieses Schreiben, das von der DB AG - Niederlassung Fernverkehr - an "alle betroffenen Mitarbeiter/Innen" versandt wurde, lautet:

"...

Auch wir sind der Überzeugung, daß Ihnen ein Teil des

Unterschiedsbetrages zwischen der Anfangsentgeltstufe des

Monatsentgelts der Entgeltgruppe der Ihnen übertragenen Tätigkeit

und der Entgeltgruppe, für die Sie Ihre Qualifikationszulage

erworben haben, zusteht.

Wir erkennen also Ihren Anspruch an, müssen Sie aber um

Verständnis dafür bitten, daß wir die Nachberechnung nicht

innerhalb der von Ihnen genannten Frist bewältigen können.

..."

Dieses Anerkenntnis habe die Beklagte nicht durch das Schreiben des Geschäftsbereichs Fernverkehr vom 20. Februar (richtig: 14. Januar) 1997 rückgängig machen können. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

"...

mit Schreiben vom 24.09.1996 - FNL 31 - wurde Ihnen mitgeteilt,

daß den betroffenen MitarbeiterInnen ein Teil des

Unterschiedsbetrages zwischen der Anfangsentgeltgruppe des

Monatsentgeltes der Entgeltgruppe der ihnen übertragenen Tätigkeit

und der Entgeltgruppe, für die sie die Qualifikation erworben

haben, zusteht.

Ein Anspruch der betroffenen MitarbeiterInnen wurde folglich mit

diesem Schreiben anerkannt.

Nach Prüfung der Rechtslage durch unseren Geschäftsbereich müssen

wir jedoch leider von unserer Zusage Abstand nehmen. Hierzu geben

wir Ihnen folgende Aussage zur Kenntnis:

§Als Qualifikation im Sinne der Anlage 1 zum ZTV gelten

Fachkenntnisse/Fertigkeiten, die einen uneingeschränkten und

eigenverantwortlichen Einsatz in Tätigkeiten ermöglichen, die

einer höheren Entgeltgruppe zugeordnet sind, bezogen auf die

Eingruppierung des Arbeitnehmers.'

Dies heißt für Sie, die Qualifikationszulage ergibt sich aus der

Differenz zwischen der dem/der MitarbeiterIn zugewiesenen

tatsächlichen Eingruppierung und der einer höher eingestuften

Entgeltgruppe. Nicht aber wird zur Berechnung der

Qualifikationszulage der Unterschied zwischen Bewertung des

Arbeitsplatzes und der Tätigkeit einer höheren Entgeltgruppe

zugrunde gelegt.

..."

Mit ihrer Klage macht die Klägerin rückständige Differenzbeträge für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 28. Februar 1997 in Höhe von insgesamt 619,06 DM brutto (26 x 23,81 DM) und ab 1. März 1997 in Höhe von 23,81 DM brutto monatlich geltend.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 619,06 DM brutto nebst

4 % Zinsen seit Zustellung zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab 1. März 1997 weitere

23,81 DM brutto monatlich zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie vertritt die Ansicht, die Klägerin könne sich nicht auf das Schreiben vom 24. September 1996 berufen, da durch dieses der Arbeitsvertrag mit der Klägerin nicht abgeändert worden sei.

Da die Klägerin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E 7 auf Grund des ErsteingruppierungsTV erhalte, sei diese und nicht die Entgeltgruppe E 6 die Entgeltgruppe für die ihr übertragene Tätigkeit i.S.d. Anlage 1 zum ZTV, so daß ihre Qualifikationszulage aus dem Unterschiedsbetrag zwischen der Entgeltgruppe E 7 und der Entgeltgruppe E 8 des EGV zu berechnen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und im Urteil die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat nur Anspruch auf eine Qualifikationszulage, die sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen der Entgeltgruppe E 7 und der Entgeltgruppe E 8 des EGV errechnet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet. Der Klägerin stehe eine Qualifikationszulage aus dem Unterschiedsbetrag der Entgeltgruppe E 6 und der Entgeltgruppe E 8 des EGV zu. Der Wortlaut der Anlage 1 zum ZTV sei eindeutig. Der Tarifvertrag spreche einerseits von der Entgeltgruppe der der Arbeitnehmerin übertragenen Tätigkeit - dies sei die Entgeltgruppe E 6 - und andererseits von der Entgeltgruppe, für welche die Qualifikation gegeben sei - dies sei vorliegend die Entgeltgruppe E 8. Für die Annahme eines anderweitigen Willens der Tarifvertragsparteien und eines von ihnen beabsichtigten anderen Sinnes und Zweckes des Tarifvertrages fehlten im Wortlaut des Tarifvertrages Anhaltspunkte.

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Der Klägerin steht nur eine auf der Grundlage des Unterschiedsbetrages zwischen den Entgeltgruppen E 7 und E 8 des EGV zu errechnende Qualifikationszulage zu, weil die "Entgeltgruppe, der der Klägerin nicht nur vorübergehend übertragenen Tätigkeit" i.S.d. Ziff. 2 der Anlage 1 zum ZTV nicht die Entgeltgruppe E 6, sondern die Entgeltgruppe E 7 des EGV ist. Dies ergibt eine sachgerechte Auslegung der tariflichen Regelung.

2. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts geht aus dem Wortlaut der Ziff. 2 der Anlage 1 zum ZTV nicht eindeutig hervor, was unter "Entgeltgruppe der der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend übertragenen Tätigkeit" zu verstehen ist.

So kann darunter die Entgeltgruppe verstanden werden, die sich für die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit auf Grund des EGV ergibt. Davon ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es kann mit diesem Begriff aber auch diejenige Entgeltgruppe gemeint sein, in die ein Arbeitnehmer nicht auf Grund des EGV eingruppiert ist, sondern in die er entsprechend seiner bisher nach dem LTV erfolgten Eingruppierung ab dem 1. Januar 1994 gemäß dem ErsteingruppierungsTV "übergeleitet", d.h. neu eingruppiert worden ist.

Aus dem Wortlaut der Ziff. 2 der Anlage 1 zum ZTV ergibt sich somit nicht zwingend, daß mit "Entgeltgruppe der dem Arbeitnehmer ... übertragenen Tätigkeit" nur diejenige Entgeltgruppe gemeint ist, die sich auf Grund des am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen EGV für die Tätigkeit des Arbeitnehmers ergibt. Genauso kann mit dieser Formulierung auch die Entgeltgruppe gemeint sein, in die der Arbeitnehmer auf Grund des ebenfalls am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen ErsteingruppierungsTV entsprechend seiner bereits vor dem 1. Januar 1994 ausgeübten Tätigkeit eingruppiert ist.

Ist der Wortlaut einer Tarifnorm nicht eindeutig, so ist deren Inhalt durch Auslegung zu ermitteln.

3. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst von dem Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen berücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhanges der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Verbleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlautes und des tariflichen Gesamtzusammenhanges als den stets und in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfalle noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auch auf weitere Kriterien, wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden, wobei es für die Gerichte eine Bindung an eine bestimmte Reihenfolge bei der Heranziehung dieser weiteren Auslegungsmittel nicht gibt (BAG Urteil vom 12. November 1997 - 10 AZR 206/97 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Deutsche Bahn, m.w.N.).

Bei Zugrundelegung dieser Auslegungsregeln ist Ziff. 2 der Anlage 1 zum ZTV so zu verstehen, daß die Entgeltgruppe der der Klägerin übertragenen Tätigkeit als ICE/IC-Betreuerin die Entgeltgruppe E 7 ist.

Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, die auch im Wortlaut der Anlage 1 zum ZTV ihren Niederschlag gefunden haben.

b) Sinn und Zweck der Qualifikationszulage ist es, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich dafür zu verschaffen, daß ihm eine Tätigkeit übertragen worden ist, die geringere Anforderungen an ihn stellt als es seiner Qualifikation entspricht, wenn das Vorhandensein dieser höheren Qualifikation als für die Beklagte "notwendig oder förderlich anerkannt" ist.

Diese Anerkennung ist im Falle der Klägerin unstreitig erfolgt und auch in deren schriftlichem "Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrags" vom 9. Februar 1996 ausdrücklich niedergelegt.

Dieser finanzielle Ausgleich soll dadurch geschaffen werden, daß der Arbeitnehmer 25 % des Unterschiedsbetrages zwischen der Entgeltgruppe, in der er auf Grund seiner Tätigkeit eingruppiert ist, und der Entgeltgruppe, in die er auf Grund seiner Qualifikation - nach Übertragung einer entsprechenden Tätigkeit - eingruppiert werden könnte, erhält.

Aus diesem Sinn und Zweck der Qualifikationszulage folgt zwingend, daß für die Berechnung dieser Differenz von der Entgeltgruppe auszugehen ist, in welcher der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit zutreffend eingruppiert ist. Die Klägerin ist entsprechend ihrer Tätigkeit nach den tariflichen Bestimmungen als ICE/IC-Betreuerin zutreffend in die Entgeltgruppe E 7 eingruppiert. Sie übte diese Tätigkeit bereits vor dem 1. Januar 1994 aus und war dementsprechend nach dem damals geltenden LTV in die Lohngruppe II a eingruppiert. Gem. dem ErsteingruppierungsTV wurde sie dann, nachdem sich ihre Tätigkeit nicht verändert hatte, ab dem 1. Januar 1994 in die neu geschaffene Entgeltgruppe E 7 übergeleitet. Damit war ab diesem Zeitpunkt diese Entgeltgruppe die für ihre Tätigkeit zutreffende Entgeltgruppe und damit auch die "Entgeltgruppe der der Arbeitnehmerin nicht nur vorübergehend übertragenen Tätigkeit" i.S.d. Ziff. 2 der Anlage 1 zum ZTV.

c) Dafür, daß die Tarifvertragsparteien nur die Differenz zwischen der Entgeltgruppe, welche die Klägerin tatsächlich und entsprechend den einschlägigen Tarifbestimmungen innehat, und der Entgeltgruppe, welche sie auf Grund ihrer Qualifikation - nach entsprechender Änderung ihrer Tätigkeit - erreichen könnte, der Errechnung der Qualifikationszulage zugrunde legen wollten, spricht auch die Ziff. 4 der Anlage 1 zum ZTV.

Dort ist festgelegt, daß einem Arbeitnehmer, der für die Stunden, in denen ihm vorübergehend eine andere Tätigkeit übertragen worden ist, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als seiner Entgeltgruppe entspricht und der deshalb einen Entgeltausgleich nach § 3 Abs. 3 ETV erhält, die Qualifikationszulage entsprechend gekürzt wird. Daraus wird der Wille der Tarifvertragsparteien deutlich, daß ein Arbeitnehmer, der auf Grund tariflicher Bestimmungen (vorübergehend) eine höhere Vergütung erhält, als sie ihm wegen seiner nicht nur vorübergehend übertragenen Tätigkeit nach dem ETV i.V.m. dem EGV eigentlich zustünde, nur eine Qualifikationszulage erhalten soll, die sich auf Grund der Differenz zwischen seiner tatsächlichen Vergütung und der auf Grund seiner Qualifikation möglichen Vergütung errechnet.

Diese in Ziff. 4 der Anlage 1 zum ZTV zum Ausdruck kommende Zweckrichtung der Qualifikationszulage führt auch dazu, daß die Ziff. 2 der Anlage 1 zum ZTV so zu verstehen ist, daß die Klägerin, die auf Grund des ErsteingruppierungsTV eine höhere Vergütung erhält, als ihr nach dem ETV i.V.m. dem EGV zustünde, nur eine Qualifikationszulage erhält, die sich aus der Differenz zwischen ihrer tatsächlichen Vergütung (Entgeltgruppe E 7) und der ihr auf Grund ihrer Qualifikation als Zug-Chefin ICE/EC/IC möglichen Vergütung (Entgeltgruppe E 8) errechnet.

4. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht auf Grund des Schreibens der Beklagten vom 24. September 1996 zu. Wollte man die in diesem Schriftstück enthaltenen Erklärungen als schriftliches Anerkenntnis i.S.d. § 781 BGB werten, so wäre dieses auf Grund der in § 19 MTV enthaltenen Regelung unwirksam.

§ 19 MTV lautet:

"Abweichungen vom Tarifvertrag

(1) Mit einem Arbeitnehmer der Entgeltgruppen AT 1 bis AT 4 können

abweichend von den §§ 3 Abs. 1 und 3, 5, 13 und 14

einzelvertraglich Vereinbarungen getroffen werden.

(2) Im übrigen sind Abweichungen von den Bestimmungen dieses

Tarifvertrags zum Nachteil des Arbeitnehmers unzulässig und

bleiben Abweichungen zugunsten des Arbeitnehmers dem Vorstand der

DB AG vorbehalten. Soll über einen Einzelfall hinaus zugunsten von

Arbeitnehmern von diesem Tarifvertrag abgewichen werden, bedarf

dies vorher einer Verständigung zwischen den Tarifpartnern.

(3) Für die in § 2 genannten Tarifverträge gilt Abs. 2

entsprechend."

In der Anlage 3 zu § 2 MTV ist der ZTV ausdrücklich erwähnt, so daß sich § 19 MTV auch auf diesen Tarifvertrag erstreckt.

Da die Klägerin auf Grund der Anlage 1 zum ZTV keinen Anspruch auf die Qualifikationszulage in der geforderten Höhe hat, würde eine Zusage der Zahlung einer Qualifikationszulage in der von der Klägerin geforderten Höhe durch die Beklagte eine Abweichung vom ZTV zugunsten der Klägerin darstellen. Eine solche Zusage könnte aber nach § 19 Abs. 2 MTV lediglich vom Vorstand der DB AG erteilt werden.

Das Schreiben vom 24. September 1996 stammt aber nicht vom Vorstand der DB AG, sondern lediglich von der Niederlassung Fernverkehr. Diese war demnach zur Abgabe eines Anerkenntnisses auf Grund der für die Parteien nach § 4 Abs. 1 TVG zwingend anzuwendenden Bestimmung des § 19 MTV nicht befugt. Die Niederlassung Fernverkehr handelte damit als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Die Wirksamkeit eines selbständigen Schuldanerkenntnisses, das einen einseitig verpflichtenden abstrakten Vertrag darstellt (Palandt, BGB, 56. Aufl., Einführung vor § 780 Rz 2) wäre demnach gem. § 177 BGB von der Genehmigung des Vorstandes der DB AG abhängig. Da eine solche Genehmigung nicht vorliegt, wäre ein Schuldanerkenntnis unwirksam.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Hauck Böck Reinecke

N. Schuster Peters

 

Fundstellen

Dokument-Index HI610798

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