Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Beschäftigungszeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

Keine Überführung der „Sektion Sozialistische Betriebswirtschaft” der ehemaligen Handelshochschule Leipzig auf den Freistaat Sachsen; keine Aufgabenübernahme durch den Freistaat Sachsen

 

Normenkette

BAT-O § 19; Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991 zu § 19; Einigungsvertrag Art. 13

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 27.06.1995; Aktenzeichen 7 Sa 1285/94)

ArbG Leipzig (Urteil vom 21.07.1994; Aktenzeichen 1 Ca 1764/94)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 27. Juni 1995 – 7 Sa 1285/94 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 21. Juli 1994 – 1 Ca 1764/94 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über anrechnungsfähige Beschäftigungszeiten der Klägerin nach § 19 BAT-O.

Die am 19. September 1941 geborene Klägerin war seit dem 1. November 1974 in der Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” der Handelshochschule Leipzig als wissenschaftliche Assistentin beschäftigt. Sie betreute die Fachgebiete Arbeitsökonomie, Arbeitswissenschaften und allgemeine Betriebswirtschaftslehre.

Die 1969 gegründete Handelshochschule Leipzig war eine juristische Person, und nach der Präambel ihres Statuts leistete sie einen Beitrag zur weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Sie gliederte sich in die sechs Sektionen:

Sozialistische Betriebswirtschaft, Sozialistische Volkswirtschaft, Marxismus-Leninismus (ab dem 15. Januar 1990 umbenannt in Politische Ökonomie/Sozialwissenschaften). Warenkunde und Technologie, Wirtschaftsinformatik sowie Gaststätten- und Hotelwesen. Diese Sektionen wurden mit Wirkung zum 9. September 1990 aufgelöst und statt dessen Fachbereiche gebildet. Dem neuen Fachbereich „Betriebswirtschaft”, später „Betriebswirtschaftslehre i.G.”, wurden die Institute Marketing und Handel, Unternehmensplanung und -finanzierung, Rechnungswesen und Controlling, Tourismus, Personalwirtschaft und Organisation zugeordnet. Die eingeschriebenen Studenten konnten ihr Studium unter Änderung der Lerninhalte und mit geänderten Studienplänen fortsetzen. 1990 und 1991 sind 350 bzw. 450 Studenten neu immatrikuliert worden. Die Klägerin wurde an dem Institut Unternehmensplanung und Finanzierung als Mitarbeiterin beschäftigt.

Die Sächsische Landesregierung beschloß am 11. Dezember 1990 „erste Schritte zur Neuordnung des Hochschulbereiches”. An der Handelshochschule Leipzig sollten die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft und deren Nachfolgeeinrichtungen” zum 31. Dezember 1990 abgewickelt werden, weil deren bisherige Aufgabenstellung hinfällig geworden sei. Aufgrund der §§ 8 und 9 des Sächsischen Hochschulstrukturgesetzes vom 10. April 1992 wurde die Handelshochschule Leipzig zum 30. September 1992 aufgelöst. Mit der Übernahme der Aufgaben und der Durchführung der Auflösung wurde die Universität Leipzig beauftragt, die ein gesondertes, bis zum 30. Juni 1996 laufendes Studienprogramm „Handelshochschule” einführte.

Nach § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990. Hinsichtlich der anrechnungsfähigen Beschäftigungszeiten enthalten § 19 BAT-O und die Übergangsvorschriften dazu, soweit vorliegend von Bedeutung, folgende Regelungen:

㤠19

Beschäftigungszeit

(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.

(2) Übernimmt ein Arbeitgeber eine Dienststelle oder geschlossene Teile einer solchen von einem Arbeitgeber, der von diesem Tarifvertrag erfaßt wird oder diesen oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet, so werden die bei der Dienststelle bis zur Übernahme zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des Absatzes 1 als Beschäftigungszeit angerechnet.

Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991:

  1. Als Übernahme im Sinne des Absatzes 2 gilt auch die Überführung von Einrichtungen nach Artikel 13 des Einigungsvertrages.
  2. Ist infolge des Beitritts der DDR der frühere Arbeitgeber weggefallen, ohne daß eine Überführung nach Artikel 13 des Einigungsvertrages erfolgt ist, gelten als Beschäftigungszeit nach Maßgabe des Absatzes 1

b) für Angestellte der Länder Zeiten der Tätigkeit bei zentralen oder örtlichen Staatsorganen und ihren nachgeordneten Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen oder Betrieben, soweit das Land deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat,

…”

Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 1991 in die VergGr. I b Fallgruppe 1 a BAT-O eingruppiert. Die personalverwaltende Stelle der Handelshochschule Leipzig setzte den Beginn der Beschäftigungszeit der Klägerin im Sinne von § 19 BAT-O auf den 1. Januar 1991 fest. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 6. April 1991 und vom 17. Dezember 1993 und verlangte erfolglos eine Anrechnung ihrer Beschäftigungszeit seit dem 1. November 1974. Bei Anrechnung dieser Zeit hätte die Klägerin unstreitig ab dem 1. Dezember 1991 einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. I b Fallgruppe 2 BAT-O in der Lebensaltersstufe 47.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auch die Zeit vom 1. November 1974 bis zum 31. Dezember 1990 sei ihr als Beschäftigungszeit bei dem Beklagten anzurechnen. Der Beklagte habe die Handelshochschule Leipzig überführt. Lediglich Teileinrichtungen seien nicht überführt worden. Außerdem habe der Beklagte mit dem Studienprogramm „Handelshochschule” an der Universität Leipzig Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche der ehemaligen Handelshochschule Leipzig vor dem 1. Januar 1991 ganz oder überwiegend i.S. von Nr. 2 Buchst. b Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O übernommen. Die Aufgaben der Klägerin hätten sich nicht gravierend geändert, sondern seien nahezu gleich geblieben.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01. Dezember 1991 nach der Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 2 der Vergütungsordnung Bund/Länder der Anlage 1 a zum BAT-O in der Lebensaltersstufe 47 zu vergüten nebst 4 % Zinsen seit dem 16. März 1994 zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, eine Anrechnung der Tätigkeit der Klägerin vor dem 1. Januar 1991 als Beschäftigungszeit bei dem Beklagten i.S. von § 19 BAT-O komme nicht in Betracht. Die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” sei nicht als Einrichtung nach Art. 13 Einigungsvertrag auf den Beklagten überführt worden. Der Beklagte habe auch nicht die Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche dieser Sektion übernommen. Dem stehe nicht entgegen, daß einzelne Mitarbeiter der ehemaligen Handelshochschule Leipzig durch die Universität Leipzig übernommen worden seien. Aus der Fortführung der Ausbildung der Studenten innerhalb des Studienprogramms „Handelshochschule” an der Universität Leipzig könne nicht auf eine Aufgabenübernahme geschlossen werden. Wesentliche Aufgabe der ehemaligen Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” sei die Ausbildung von Führungs- und Leitungskadern für die sozialistische Planwirtschaft gewesen. Diese Aufgabenstellung sei seit der Einführung der Marktwirtschaft völlig weggefallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte weiterhin seinen Antrag auf Klageabweisung. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des Berufungsurteils und unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts zur Abweisung der Klage.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Zeit vom 1. November 1974 bis zum 30. Dezember 1990 sei als Beschäftigungszeit der Klägerin i.S. von § 19 BAT-O anzurechnen. Der Beklagte habe die Handelshochschule Leipzig überführt. Jedenfalls habe der Beklagte die Aufgaben der früheren Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” mit teilweise verändertem Inhalt übernommen.

II. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Klage ist unbegründet.

1. Eine Anrechnung der Zeit vor dem 1. Januar 1991 als Beschäftigungszeit noch § 19 Abs. 1 BAT-O entfällt, da der Beklagte, der Freistaat Sachsen, mit der früheren Arbeitgeberin der Klägerin, der Handelshochschule Leipzig, nicht identisch ist. Damit ist die Zeit der Tätigkeit bei der Handelshochschule Leipzig keine Beschäftigungszeit bei „demselben Arbeitgeber” i.S. von § 19 Abs. 1 BAT-O. Eine Anrechnung der Beschäftigungszeit nach § 19 Abs. 2 BAT-O kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die frühere Arbeitgeberin der Klägerin nicht den BAT-O oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts angewendet hat.

2. Die Anrechnung folgt auch nicht aus Nr. 1 Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O. Nach dieser Tarifvorschrift gilt als Übernahme i.S. von § 19 Abs. 2 BAT-O auch die Überführung von Einrichtungen nach Art. 13 Einigungsvertrag. Die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” der Handelshochschule Leipzig wurde nicht als Einrichtung oder Teileinrichtung im Sinne des Art. 13 EV auf den jetzigen Arbeitgeber der Klägerin, den Beklagten, überführt.

a) Die Überführung einer Einrichtung oder Teileinrichtung gemäß Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Die Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BAG Urteil vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92BAGE 71, 147 = AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag; BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5/92 – BVerwGE 90, 220 = ZIP 1992, 1275). Sine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde i.S. von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die (Teil-)Einrichtung unverändert fortführte oder unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92BAGE 72, 176 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag). Die Überführung erforderte nicht nur eine vorübergehende, sondern eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit. Wurde die (Teil-)Einrichtung nur vorläufig mit dem Ziel der Auflösung fortgeführt, lag hierin keine Überführung i.S. von Art. 13 EV (BAG Urteil vom 28. Januar 1993, a.a.O.).

b) Eine Teileinrichtung setzte eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit mit eigener Aufgabenstellung und der Fähigkeit ihrer aufgabenbezogenen Eigensteuerung voraus. Bei der Feststellung einer organisatorischen Abgrenzbarkeit der Teileinrichtung ist nicht abzustellen auf die für jede öffentliche Einrichtung typischen internen Untergliederungen, wie Abteilung, Referat oder Dezernat, die lediglich zu Zwecken der Geschäftsverteilung gebildet werden. Entscheidend ist vielmehr, daß der betroffene Teil als organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit auch nach außen mit einem gewissen Grad an Selbständigkeit erscheint, ohne daß ihm damit zugleich eine eigene Rechtspersönlichkeit oder Behördencharakter zukommen müßte (BAG Urteil vom 15. Dezember 1994, a.a.O.).

c) Mit dieser Begründung hat der Achte Senat in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 15. Dezember 1994 (– 8 AZR 895/93 –) die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” der Handelshochschule Leipzig als überführungsfähige Teileinrichtung der öffentlichen Verwaltung nach Art. 13 EV angesehen, die als solche abgewickelt werden konnte. Die Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung hat er aus § 16 Abs. 2 des Statuts hergeleitet, wonach die Sektion als Träger der Forschung, Erziehung, der Aus- und Weiterbildung ausgewiesen gewesen sei. Der Beklagte habe die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” weder durch ausdrückliche noch durch konkludente Organisationsentscheidung überführt. Vielmehr habe der Beklagte eine ausdrückliche Abwicklungsentscheidung getroffen, mit der die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” in Vollzug des Kabinettsbeschlusses vom 11. Dezember 1990 aufgelöst und abgewickelt worden sei. Der Abwicklung stehe nicht entgegen, daß ein Teil der Hochschullehrer und Mitarbeiter befristet weiterbeschäftigt wurde. Der Beklagte sei damit nur seiner gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen, die Arbeitnehmer nach Möglichkeit wieder einzugliedern. Die Fortführung von Aufgaben oder Übernahme von bestehenden Strukturen sei damit nicht notwendig verbunden gewesen. Auch die Fortführung der Ausbildung der Studenten bei steigender Zahl von Neuimmatrikulationen besage nichts für eine Überführung. Der erkennende Senat schließt stell diesen Ausführungen des Achten Senats an.

3. Auch nach Nr. 2 Buchst. b Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O ist die Zeit vor dem 1. Januar 1991 nicht anzurechnen. Infolge des Beitritts der DDR ist die Handelshochschule Leipzig als frühere Arbeitgeberin der Klägerin weggefallen, ohne daß sie oder die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” als Teileinrichtung auf den Beklagten überführt wurde. Deshalb gelten nach Nr. 2 Buchst. b Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O als Beschäftigungszeiten der Klägerin nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 BAT-O Zeiten der Tätigkeit bei örtlichen Staatsorganen und ihnen nachgeordneten Einrichtungen, soweit der Beklagte deren Aufgabe bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat. An einer solchen Aufgabenübernahme fehlt es.

a) Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. BAG Urteile vom 29. Februar 1996 – 6 AZR 472/95 – AP Nr. 10 zu § 19 BAT-O; vom 28. März 1996 – 6 AZR 561/95BAGE 82, 334 = AP Nr. 5 zu § 19 BAT-O und vom 25. Juli 1996 – 6 AZR 673/95 – AP Nr. 11 zu § 19 BAT-O) bezieht sich die erforderliche Übernahme auf die Aufgaben der Einrichtung und nicht auf die Fortführung der Tätigkeit des Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz. Dies ergibt der Tarifwortlaut. Der Bedeutungsgehalt des Wortes „Aufgabe” ist nach allgemeinem Sprachverständnis identisch mit „Pflicht, Sendung, Arbeit, Anforderung” (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1. Band, 1980) oder auch „Funktion” (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl., 1989). Nach beiden Begriffserklärungen enthält das Wort „Aufgabe” ein finales Element, d.h. für die inhaltliche Bestimmung des Wortes ist das Ziel, das Ergebnis, entscheidend. Die Aufgabe der Einrichtung bestimmt sich somit nach dem Inhalt und Ziel der Tätigkeit der Einrichtung. Zur Ermittlung der Aufgabe sind, soweit nicht anderweitig festgelegt, die für die Einrichtung geltenden Rechtsgrundlagen und sonstigen Bestimmungen (Gesetze, Rechtsverordnungen, Erlasse usw.) heranzuziehen. Die so ermittelte Aufgabe ist mit der ebenso zu ermittelnden Aufgabe der „Nachfolgeeinrichtung” zu vergleichen (vgl. Senatsurteile vom 29. Februar 1996, 28. März 1996 und vom 25. Juli 1996, a.a.O.).

b) Die Aufgaben der Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” waren nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, das seinerseits auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen hat, auf die Bedürfnisse der sozialistischen Planwirtschaft zugeschnitten. Sie beinhalteten sozialistisches Gedankengut. So hatte die Handelshochschule Leipzig nach einem Statut vom 31. Oktober 1988 für die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft durch die Ausbildung und Erziehung hochqualifizierter Kader, denen die marxistisch-leninistische Weltanschauung bei aktiver Auseinandersetzung mit reaktionärer Politik der Ideologie des Imperialismus umfassend vermittelt wird, den erforderlichen Bildungsvorlauf zu schaffen. Dabei sollte ein auch den politischen Anforderungen gerecht werdender, wissenschaftlicher Nachwuchs entwickelt werden. In der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung sollte die Handelshochschule zur Entwicklung der gesellschaftlichen Grundposition des Sozialismus beitragen. Wie der Achte Senat im Urteil vom 15. Dezember 1994 (– 8 AZR 895/93 – nicht veröffentlicht) überzeugend dargelegt hat, ging es insbesondere darum, „die marxistisch-leninistische Theorie des sozialistischen Binnenhandels unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution und des ökonomischen Systems des Sozialismus in der DDR zu entwickeln”, „die steigende Zahl an Hochschulkadern für den sozialistischen Binnenhandel entsprechend den prognostischen und perspektivischen Anforderungen rationell und effektiv aus- und weiterzubilden” sowie „die Führungskader des sozialistischen Binnenhandels durch Vermittlung neuer und moderner sozialistischer, führungswissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden zur Beherrschung der komplexen und komplizierten Führungsaufgaben im sozialistischen Reproduktionsprozeß aus- und weiterzubilden”. Die neuen Ausbildungsziele unterscheiden sich hiervon grundlegend.

Die Leitung des Betriebs in einer sozialen Marktwirtschaft geschieht gänzlich anders als in einer sozialistischen Planwirtschaft. Schon das spricht dafür, nicht lediglich eine teilweise Änderung der Lehrinhalte in einer weiterhin bestehenden Einrichtung anzunehmen. Eine wissenschaftliche Einrichtung erhält das maßgebende Gepräge durch den Inhalt ihrer Forschung und Lehre. Der Wegfall der Lehrinhalte der Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft läßt die Tätigkeit insgesamt als eine andere erscheinen (vgl. BAG Urteil vom 15. Dezember 1994, a.a.O.). Dem wurde bereits für das Studienjahr 1990/91 Rechnung getragen, wie die „Ausgewählten Informationen für die Studierenden des Studiengangs Betriebswirtschaftslehre vom 1. Oktober 1990” ergeben. Neben den Strukturveränderungen durch Herausbildung dreier Fachbereiche, Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Wirtschaftsinformatik/Logistik wird für den gesamten Studiengang der Betriebswirtschaftslehre auf die Studiengänge in den alten Bundesländern Bezug genommen. Damit sind Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche der Handelshochschule Leipzig insoweit vom Beklagten weder ganz, noch überwiegend übernommen worden.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, H. Schmidt, K.-H. Reimann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1087106

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