Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanabfindung. Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Orientierungssatz

Der allgemeine betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es nur, einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen Arbeitnehmern bzw Gruppen in vergleichbarer Lage ohne sachlichen Grund schlechterzustellen. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt.

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 13. November 1998 - 4 Sa287/98 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

Die Klägerin wurde seit Oktober 1992 als Gärtnerin in der "Europäischen Jugenderholungs- und Begegnungsstätte W " (EJB) beschäftigt. Die Einrichtung wurde durch den Beklagten auf der Grundlage eines Pachtvertrags mit dem Land Brandenburg geführt. Der Beklagte ist ein freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in der Rechtsform eines Vereins. Er betreibt - unterstützt durch öffentliche Mittel - bundesweit 600 Einrichtungen. Anfang September 1996 beschloß sein Vorstand, die EJB zum 31. Dezember 1996 zu schließen. Er kündigte deshalb alle Arbeitsverhältnisse der dort Beschäftigten, das der Klägerin mit Schreiben vom 27. September 1996 zum 31. Dezember 1996. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 4. November 1996 beendet. Die Klägerin schied mit dem 31. Dezember 1996 aus dem Arbeitsverhältnis aus und erhielt eine Abfindung von 8.200,00 DM.

Seit dem 28. Oktober 1996 verhandelten der Beklagte und die Grundstücksentwicklungsgesellschaft J mbH (GEG) über die Fortführung der EJB. Am 16. Dezember 1996 schlossen sie einen Vertrag, wonach die GEG Teile der Gesamtliegenschaft W ab dem 1. Januar 1997 als "funktionale Nachfolgerin" des Beklagten betreiben sollte. Betreut wird die Liegenschaft seitdem für das Land Brandenburg von der Wohnungsverwaltungsgesellschaft J mbH (WVG). Die GEG übernahm die vom Beklagten für das Geschäftsjahr 1997 eingegangenen Beherbergungsverträge. Sie trat ferner in die für verschiedenes Inventar bestehenden Leasingverträge ein und übernahm kostenfrei die Küche der Einrichtung. Außerdem verpflichtete sich der Beklagte, an die GEG kostenlos verschiedene technische Anlagen zu übereignen.

Personal des Beklagten sollte die GEG ausdrücklich nicht übernehmen. Dennoch stellten die GEG und die WVG bis zum 12. Februar 1997 24 Arbeitnehmer des Beklagten ein, allerdings befristet und zu einem geringeren Entgelt. Sie alle hatten zuvor ihre mit dem Beklagten geführten Kündigungsschutzrechtsstreitigkeiten beendet und sich auf eigene Initiative bei der GEG oder der WVG beworben. Auch die Klägerin erhielt zum 1. Februar 1997 - zunächst bis zum 31. Dezember 1997 befristet - einen Arbeitsplatz bei der WVG. Statt ihrer früheren monatlichen Vergütung von 3.413,83 DM brutto bezog sie nunmehr 2.600,00 DM. Sechs Arbeitnehmer des Beklagten nahmen noch nach dem 12. Februar 1997 Arbeitsverhältnisse bei der GEG bzw. der WVG auf, zwei von ihnen am 1. März 1997, vier am 1. April 1997. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Beklagten hatte vor dem 12. Februar 1997 eine Stelle bei einem anderen Arbeitgeber angetreten, danach erhielten fünf weitere Arbeitnehmer bis einschließlich 1. Juni 1997 einen neuen Arbeitsplatz außerhalb der EJB.

Nachdem der Beklagte und sein Betriebsrat erfolglos über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan verhandelt hatten, riefen sie die Einigungsstelle an. Bei ihrer zweiten Sitzung am 12. Februar 1997 paraphierte diese den Entwurf eines Sozialplans, auf dessen Grundlage eine betriebsinterne Kommission eine abschließende Regelung erarbeiten sollte. Der Entwurf ging in § 2 von einem Sozialplanvolumen von 1,8 Mio. DM aus. Davon abgezogen werden sollten die Abfindungen, die auf die Arbeitnehmer entfielen, die am Tag des Entwurfs durch das Nachfolgeunternehmen befristet übernommen worden waren. Für diese Arbeitnehmer sollte umgekehrt eine Pauschalabfindung von jeweils 15.000,00 DM addiert werden. Das Sozialplanvolumen sollte nach einem der betriebsinternen Kommission überlassenen Punktwertverfahren verteilt, bereits gezahlte Abfindungen sollten angerechnet werden. § 2 des erst im Mai oder Juni 1997 ohne weitere Vermittlung der Einigungsstelle geschlossenen Sozialplans entsprach dem Entwurf mit der Maßgabe, daß ein Härtefonds eingerichtet wurde. § 2 Nr. 2, 4 und 5.3 des Sozialplans lauten wie folgt:

"2. Das Ausgangsvolumen der Abfindungen beträgt 1,8 Mio. DM. Davon abgezogen werden die auf die 24 zum Zeitpunkt der Paraphierung des Sozialplanes von der Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH J und der Wohnungsverwaltungsgesellschaft J mbH befristet übernommenen Arbeitnehmer/innen entfallenden individuellen Abfindungen. Addiert wird der Gesamtbetrag von 24 x 15.000,00 DM (Pauschalabfindung).

4. Der DM-Wert je Punkt berechnet sich wie folgt:

Es wird die Gesamtpunktsumme aus allen individuellen Punktwerten über alle abfindungsberechtigten Arbeitnehmer/innen gebildet. Das Volumen nach § 2 Ziff. 2 wird durch diese Gesamtpunktsumme dividiert.

5.3 Abfindungen für befristet weiterbeschäftigte Arbeitnehmer/innen werden aus dem Volumen der Pauschalabfindungen (24 x 15.000,00 DM) entsprechend der jeweiligen individuellen Punktwerte gezahlt: d.h., die jeweils errechnete individuelle Abfindung wird mit dem Faktor multipliziert, der sich aus dem Verhältnis der Summe der Pauschalabfindungen und der Summe der individuellen Abfindungen ergibt."

Nach den Regelungen des Sozialplans erhielt die Klägerin über die aufgrund des Vergleichs bezahlte Abfindung hinaus 9.199,00 DM, insgesamt also 17.399,00 DM. Die ungekürzte Abfindung hätte weitere 10.907,00 DM betragen. Der Abfindungsanspruch war demnach um 38,53 % vermindert. Zu den 24 Arbeitnehmern, die von der GEG oder der WVG bis zum 12. Februar 1997 eingestellt wurden, gehörten auch Frau Ilona M und Herr Reinhard M . An sie wurde im Dezember 1996 jeweils aufgrund eines Vergleichs eine Abfindung bezahlt, an Frau M 15.000,00 DM, an Herrn M 16.000,00 DM. Im Juli 1997 erhielten sie weitere Abfindungsbeträge. Dieser überstieg im Fall von Frau M die verringerte Abfindung des Sozialplans, an sie wurden weitere 16.271,00 DM brutto statt 11.770,00 DM bezahlt. Auf den Anspruch von Herrn M wurde die vergleichsweise gewährte Abfindung nicht angerechnet, er erhielt aber zusätzlich lediglich den nach dem Sozialplan reduzierten Betrag von 16.562,00 DM brutto. Im August 1998 forderte die Beklagte die - wie sie behauptet hat - versehentlich überzahlten Nettobeträge zurück.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die im Sozialplan getroffene Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern, die befristet und gegen geringeres Entgelt von der GEG bzw. der WVG eingestellt worden seien, und solchen, die einen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber erhalten hätten, verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine Ungleichbehandlung liege weiter darin, daß auch Arbeitnehmern, die kurz nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten Altersrente in Anspruch genommen hätten, die volle Abfindung gewährt worden sei. Auch der Stichtag des 12. Februar 1997 sei willkürlich gewählt. Es treffe nicht zu, daß nur die Stichtagsregelung die Änderung des Sozialplanvolumens habe ausschließen können, zumal es sich gerade nicht um den Zeitpunkt der beabsichtigten Betriebsschließung - nämlich den 31. Dezember 1996 - gehandelt habe. Zum einen regele der paraphierte Entwurf die Verteilung nicht. Zum anderen sehe er keinen Härtefonds vor. Schließlich habe der Beklagte auch bei der Anwendung des Sozialplans gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, weil er an Herrn und Frau M - wie die Klägerin behauptet hat, bewußt - die volle Abfindung bezahlt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 10.907,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht geäußert, die Kürzung der Abfindungen der Arbeitnehmer, die bis zum 12. Februar 1997 eine Stelle bei der GEG oder der WVG gefunden hätten, sei sachlich gerechtfertigt. Da sie in ihrer bisherigen Funktion auf einem vertrauten Arbeitsplatz eingesetzt würden, bestehe für sie ein geringeres Risiko, daß sie für die Tätigkeit nicht geeignet seien und deswegen ihren Arbeitsplatz verlören.

Das Arbeitsgericht hat der Hauptforderung stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Ungleichbehandlung der Mitarbeiter, die bis zum 12. Februar 1997 ein Arbeitsverhältnis mit der GEG oder der WVG aufgenommen hätten, sei sachlich gerechtfertigt. Das gelte sowohl in bezug auf die Arbeitnehmer, die bei einem anderen Arbeitgeber eine Stelle gefunden hätten, als auch hinsichtlich der Mitarbeiter, die erst nach dem Stichtag des 12. Februar 1997 von einem der beiden Folgeunternehmen eingestellt worden seien. Die Gruppe der bei der GEG oder der WVG Beschäftigten sei gegenüber derjenigen, die sich an andere Arbeitgeber gewandt habe, dadurch begünstigt, daß die Arbeitnehmer die ihnen vertraute Arbeit in ihrer bisherigen Umgebung hätten leisten können, ohne längere Wege zum Arbeitsplatz hinnehmen zu müssen. Die Differenzierung nach dem Stichtag sei ebenfalls gerechtfertigt. Er sei als der Zeitpunkt, in dem die Eckpunkte für die Abfindungsregelung des Sozialplans paraphiert worden seien, nicht willkürlich gewählt. Vielmehr sei auf diese Weise eine ausfüllungsfähige Regelung geschaffen worden. Bei den zu hohen Abfindungszahlungen an Herrn und Frau M habe es sich erkennbar um Versehen gehandelt.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Der Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Der Klägerin steht kein höherer Abfindungsbetrag zu.

I. Die Klägerin erfüllt dem Grunde nach die Voraussetzungen eines Abfindungsanspruchs nach § 1 Nr. 1 des Sozialplans. Daß sie die Kündigung vom 27. September 1996 im Vergleichswege hinnahm, ändert nichts am Ausspruch der Kündigung im Zusammenhang mit dem Personalabbau in der EJB. Sie schied auf Grund betriebsbedingter Kündigung iSv. § 1 Nr. 1 des Sozialplans aus.

Wortlaut und in ihm zum Ausdruck gekommener Sinn der Regelung des § 2 Nr. 2 des Sozialplans beschränken indessen iVm. § 2 Nr. 3 bis 5 die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf 61,47 % der vollen Abfindung. Den sich daraus errechnenden Betrag hat der Beklagte unter Berücksichtigung der der Klägerin bereits nach dem Vergleich im Kündigungsschutzverfahren gewährten Abfindung ordnungsgemäß ausgezahlt. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

II. Es verstößt nicht gegen den allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, daß der Abfindungsanspruch der Klägerin auf der Grundlage von § 2 Nr. 2 und 5.3 des Sozialplans nicht in der vollen Höhe des § 2 Nr. 3 bis 5.2 entstand.

1. Den Betriebspartnern steht ein weiter Spielraum bei der Entscheidung darüber zu, in welchem Umfang und in welcher Weise sie die wirtschaftlichen Nachteile, die für die Arbeitnehmer infolge einer Betriebsänderung auftreten, ausgleichen oder mildern wollen. Begrenzt wird der angemessene Ausgleich lediglich durch Recht und Billigkeit (siehe nur BAG 15. Dezember 1998 - 1 AZR 332/98 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 126 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 103, zu 2 c dd der Gründe). Die Betriebsparteien können auch gänzlich von einem Nachteilsausgleich absehen oder danach unterscheiden, ob die Nachteile vermeidbar sind. Sie sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile auszugleichen und deshalb berechtigt, Arbeitnehmer von Leistungen des Sozialplans auszunehmen. Nach dem Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG soll den von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeitern mit einem begrenzten Sozialplanvolumen eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe gewährt werden (BAG 31. Juli 1996 - 10 AZR 45/96 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 103 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 86, zu II 2 a der Gründe). Der allgemeine betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es nur, einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen Arbeitnehmern bzw. Gruppen in vergleichbarer Lage ohne sachlichen Grund schlechterzustellen. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt (BAG 11. Februar 1998 - 10 AZR 22/97 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 121 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 97, zu II 1 der Gründe). Die mit jeder Gruppenbildung und Stichtagsregelung unvermeidbar verbundenen Härten müssen hingenommen werden, wenn die Gruppenbildung und die Einführung eines Stichtags überhaupt am gegebenen Sachverhalt orientiert, somit sachlich vertretbar sind und das auch auf die zwischen den Gruppen gezogenen Grenzen zutrifft (vgl. BAG 14. Februar 1984 - 1 AZR 574/82 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 21 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 30, zu 3 e der Gründe, für eine Höchstbegrenzungsklausel, wobei allerdings insoweit anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG geprüft wurde).

2. Ausgehend von diesen Vorgaben ist es zum einen sachlich gerechtfertigt, zwischen der Gruppe der Arbeitnehmer, die - wie die Klägerin - bis spätestens 12. Februar 1997 von der GEG bzw. der WVG befristet "übernommen" worden waren, und der Gruppe der Mitarbeiter zu differenzieren, die außerhalb der beiden Unternehmen - ob vor oder nach dem 12. Februar 1997 - einen neuen Arbeitsplatz gefunden hatten (a). Zum anderen ist die Unterscheidung gegenüber den Arbeitnehmern, die eine Umschulung begannen, Rente in Anspruch nahmen oder langfristig erkrankt waren, aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden (b). Der gewählte Stichtag des 12. Februar 1997 hält der rechtlichen Überprüfung stand. Er trennt die Gruppe der Klägerin von der Gruppe der Mitarbeiter, die erst danach von der GEG oder der WVG "übernommen" wurden (c). Soweit die Revision die bewußte Zahlung höherer Abfindungen an das Ehepaar M rügt, widerspricht dies der für den Senat bindenden Feststellung des Landesarbeitsgerichts, es habe sich insoweit um ein Versehen gehandelt (d).

a) Während die Sondervorschrift des § 2 Nr. 5.3 des Sozialplans den Anspruch der Klägerin in lediglich begrenzter Höhe entstehen läßt, beläßt § 2 Arbeitnehmern, die außerhalb der GEG oder der WVG einen neuen Arbeitsplatz antraten, den vollen Anspruch. Damit haben die Betriebspartner ihre Regelungsbefugnis nicht gleichheitswidrig überschritten. Vielmehr haben sie in zulässiger Weise zwei Ausgleichszwecke verbunden.

aa) Einerseits haben sie die von der GEG oder der WVG ebenso wie die von anderen Arbeitgebern eingestellten Arbeitnehmer insoweit gleichbehandelt, als sie sie dem Grunde nach nicht von den Abfindungsleistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben. Die Teilhabe am Sozialplan ist zulässig. Obwohl einzelne Arbeitnehmer im Hinblick auf ihre neuen Arbeitsverhältnisse möglicherweise überhaupt keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden oder sich sogar verbessern, können Sozialpläne an sie pauschaliert Abfindungen gewähren (grundlegend BAG GS 13. Dezember 1978 - GS 1/77 - BAGE 31, 176, 206 f.). Damit wird der Verlust des Arbeitsplatzes nicht ohne Rücksicht auf künftige Nachteile entschädigt, sondern mithilfe des Alters, der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Unterhaltspflichten eine Prognose darüber getroffen, welche wirtschaftlichen Nachteile für den infolge der Betriebsänderung ausscheidenden Arbeitnehmer typischerweise zu erwarten sind. Für die Möglichkeit einer solchen pauschalierten Betrachtung sprechen insbesondere praktische Bedürfnisse. Sie erlauben es häufig nicht, die konkrete Höhe des Nachteils festzustellen, der sich im Einzelfall noch lange Zeit nach der Betriebsänderung verwirklichen kann (vgl. ausführlich BAG 23. April 1985 - 1 ABR 3/81 - BAGE 48, 294, 300). Zudem haben die Betriebsparteien den schon entstandenen Nachteil berücksichtigt, daß das neue Arbeitsverhältnis durch den Verlust des allgemeinen Kündigungsschutzes für beide Gruppen während der bei dem neuen Arbeitgeber zurückzulegenden Wartezeit eine geringere Sicherheit bot als das bisherige (dazu zB BAG 30. November 1994 - 10 AZR 578/93 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 89 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 80, zu II 3 a der Gründe).

bb) Andererseits haben die Betriebspartner in zulässiger Weise danach unterschieden, ob sich der Arbeitnehmer an ein neues Arbeitsumfeld und neue Arbeitsinhalte gewöhnen mußte oder nicht. Das rechtfertigt die Begünstigung der von diesem Nachteil betroffenen Mitarbeiter durch einen höheren Abfindungsanspruch. Obgleich beide Gruppen bei ihrem neuen Arbeitgeber noch keinen Kündigungsschutz genossen, waren doch die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, die eine Einarbeitung in Kauf nehmen mußten, bei gebotener typisierender Betrachtung eher gefährdet als die der Gruppe der Klägerin, die ihre bisherige Erfahrung und berufliche Spezialisierung in vollem Umfang verwerten konnte. Die Nachteile des geringeren Entgelts und der Befristung konnten - pauschaliert gewürdigt - sowohl die eine als auch die andere Gruppe treffen. Insofern unterschieden sich die Gruppen demzufolge nicht. Es kann auf sich beruhen, ob eine mit Blick auf diese Belastungen differenziertere Regelung sinnvoller gewesen wäre. Ein Anspruch der Klägerin, mit den Arbeitnehmern gleichbehandelt zu werden, die außerhalb der GEG oder der WVG ein unbefristetes oder in der bisherigen Höhe vergütetes Arbeitsverhältnis aufnahmen, entsteht daraus nicht. Da die Betriebspartner nicht alle denkbaren Belastungen ausgleichen müssen, überschreiten sie den ihnen für den Ausgleich der Nachteile eingeräumten Regelungsspielraum nicht, wenn sie weitere Unterscheidungsmerkmale außer acht lassen. Sie können mehr oder weniger differenziert pauschalieren (vgl. in dem anderen Zusammenhang der Frage der Wirksamkeit eines durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommenen Sozialplans BAG 23. April 1985 - 1 ABR 3/81 - aaO S 305 f.).

b) Die Klägerin kann weiter nicht beanspruchen, mit den Arbeitnehmern gleichbehandelt zu werden, die bei ihrem Ausscheiden langfristig erkrankt waren, sich nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten umschulen ließen oder Rente beanspruchten und gleichwohl die volle Abfindung erhielten.

Was die erkrankten und diejenigen Arbeitnehmer betrifft, die sich umschulen ließen, sind die Sachverhalte nach der sachlich gerechtfertigten Zielrichtung des Sozialplans bereits nicht vergleichbar. Eine geringere Abfindung sollten nur die Arbeitnehmer erhalten, deren - wenn auch geringerer - Verdienst durch ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einer der beiden Nachfolgerinnen zumindest zeitweise gesichert war und die sich darüber hinaus nicht an einen anderen Arbeitsinhalt sowie eine andere Arbeitsumgebung gewöhnen mußten. Schon hinsichtlich des ersten Kriteriums waren die beiden genannten Arbeitnehmergruppen stark belastet. Sie konnten ihren Lebensunterhalt nicht aufgrund eines neuen Arbeitsverhältnisses selbst bestreiten, sondern waren auf die Leistungen Dritter - der Sozialversicherungsträger oder der Bundesanstalt für Arbeit - angewiesen, die überdies lediglich temporär erbracht wurden.

Soweit sich die Klägerin mit Versorgungsempfängern verglichen hat, ist weder festgestellt noch erkennbar, ob diese schon im Zeitpunkt ihres Ausscheidens berechtigt waren, Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin hat vorgetragen, sie seien "kurz nach" Ende des Arbeitsverhältnisses in Rente gegangen. Eine Aufklärungsrüge ist nicht erhoben. Wird die sofortige Berechtigung und damit eine fehlende Versorgungslücke dennoch unterstellt, heißt das nicht, daß die Betriebspartner gezwungen gewesen wären, die betreffenden Personen von den Leistungen des Sozialplans auszunehmen oder ihnen ausschließlich verminderte Abfindungen zuzugestehen, wenngleich sie dazu uU berechtigt gewesen wären (eingehend BAG 26. Juli 1988 - 1 AZR 156/87 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 45 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 43, zu II und III der Gründe).

c) Auch die Bestimmung des § 2 Nr. 2 des Sozialplans, nach der Arbeitnehmer, die erst seit dem 13. Februar 1997 von der GEG oder der WVG beschäftigt werden, anders als die Klägerin die volle Abfindung beanspruchen konnten, ist nicht zu beanstanden.

aa) Allerdings handelt es sich bei dem Stichtag nicht um den Zeitpunkt der Betriebsänderung. Der Beklagte stellte den Betrieb der EJB bereits mit dem 31. Dezember 1996 ein. Hintergrund der Stichtagsregelung war aber, daß die Einigungsstelle in ihrer Sitzung vom 12. Februar 1997 verläßliche Grunddaten für das verhältnismäßig komplizierte Punktwertverfahren festlegen wollte, das von der betriebsinternen Kommission noch zu erarbeiten war. Zu diesem Zeitpunkt war nicht abzusehen, welche weiteren Arbeitnehmer in der Folge ein Arbeitsverhältnis mit der GEG oder der WVG aufnehmen würden. Am Stichtag konnte die Begrenzung des infolge der Betriebsänderung aufgetretenen wirtschaftlichen Nachteils lediglich für die Arbeitnehmer festgestellt werden, die schon einen Arbeitsplatz bei der GEG oder der WVG innehatten. Bei allen anderen war es ungewiß, ob sie ihren Verdienst in ihrer bisherigen Arbeitsumgebung auch nach dem Ende ihres Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten würden sichern können. Es war zumindest nicht geboten, ihren Abfindungsanspruch zu reduzieren.

bb) Stichtage sind in Sozialplänen jedoch grundsätzlich als Ausdruck der gebotenen pauschalierten Betrachtung zulässig, wobei den Betriebsparteien bei ihrer Bestimmung ein weiter Regelungsspielraum zukommt. Stichtage verursachen unvermeidbar gewisse Härten. Solche Härten müssen akzeptiert werden, wenn sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und demnach sachlich vertretbar ist (BAG 30. November 1994 - 10 AZR 578/93 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 89 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 80, zu II 3 b der Gründe).

Der Zeitpunkt, zu dem die auszugleichenden Nachteile beurteilt werden, ist in § 112 BetrVG nicht festgelegt. Da es zulässig ist, den Ausgleich für typischerweise zu erwartende wirtschaftliche Nachteile der entlassenen Arbeitnehmer mehr oder weniger differenziert zu pauschalieren, kommt es für die Prognose, welche wirtschaftlichen Belastungen auftreten werden, nicht zwingend auf den Zeitpunkt an, in dem der Sozialplan tatsächlich vereinbart wird.

cc) Der Senat hat im Beschluß vom 23. April 1985 (- 1 ABR 3/81 - aaO) angenommen, daß die Einigungsstelle bei Bemessung der Sozialplanleistungen auf die typischerweise im Zeitpunkt der (dort) Betriebsstillegung zu erwartenden Nachteile auch dann abstellen kann, wenn der Sozialplan erst geraume Zeit danach beschlossen wird und feststeht, daß einzelne Arbeitnehmer diese Nachteile tatsächlich nicht erlitten haben. Dies ist aber nicht dahin zu verstehen, daß nicht auch ein anderer Zeitpunkt gewählt werden k a n n . Selbst wenn man für die Einigungsstelle insoweit einen engeren Spielraum annehmen wollte, ist nicht ersichtlich, warum die Betriebspartner bei einer einverständlichen Regelung nicht bei einem späteren Abschluß auch sollten berücksichtigen können, ob und welche tatsächlichen Nachteile zwischenzeitlich aufgetreten sind (vgl. auch MünchArbR/Matthes, § 354 Rn. 23, wonach maßgeblich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung der Einigungsstelle sein sollen; ähnlich von Hoyningen-Huene, RdA 1986, 102, 110; dagegen Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. §§ 112, 112 a Rn. 98). Gehen sie von einem Zeitpunkt zwischen Vollzug der Betriebsänderung und Abschluß des Sozialplans aus, kann auch das gerechtfertigt sein, wenn sachliche Gründe dafür erkennbar sind.

dd) Der hier gewählte Stichtag hält sich im Regelungsspielraum der Betriebspartner. Zwar wurde am 12. Februar 1997 der Sozialplan noch nicht abgeschlossen. Es wurde aber eine Einigung über das Gesamtvolumen erzielt und auch eine Vereinbarung paraphiert. Diese enthält bereits die hier streitige Sonderregelung, nach der eine bestimmte Arbeitnehmergruppe eine nach dem Volumen der Pauschalabfindungen (jeweils 15.000,00 DM) berechnete und damit entsprechend niedrigere Abfindung erhalten sollte (vgl. § 2 c des paraphierten Sozialplans = § 2 Nr. 5.3 des endgültigen Sozialplans).

Standen also die Eckpunkte des Sozialplanes zwischen den Betriebspartnern am 12. Februar 1997 fest, war es nicht sachwidrig, auch bei dem endgültigen Abschluß von diesem Zeitpunkt auszugehen, ohne zu berücksichtigen, daß zwischenzeitlich weitere (sechs) Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag mit der GEG/WVG abgeschlossen hatten. Dies hätte andernfalls entsprechend zu einer Veränderung des Gesamtvolumens geführt und damit möglicherweise die Einigung wieder in Frage gestellt. Die nachträgliche Einrichtung eines Härtefonds besagt insoweit nichts, da mit diesem andere Ziele verfolgt wurden. Der Umstand, daß diejenigen Arbeitnehmer, die erst danach ein Arbeitsverhältnis mit der GEG/WVG abgeschlossen haben, günstiger dastehen, stellt keine willkürliche Ungleichbehandlung dar. Ob dies anders zu werten wäre, wenn bereits am 12. Februar 1997 bekannt gewesen wäre, daß diese Arbeitsverhältnisse demnächst abgeschlossen würden, kann dahingestellt bleiben; hinreichende Anhaltspunkte hierfür liegen nicht vor.

d) Erfolglos bleibt schließlich auch der Angriff der Revision, der sich auf die Behauptung stützt, an Herrn und Frau M seien wissentlich höhere Abfindungsbeträge geleistet worden, obwohl sie der Vergleichsgruppe der Klägerin angehört hätten. Die durch das Landesarbeitsgericht gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Würdigung des Inhalts der Verhandlung, die diese streitige Behauptung der Klägerin für unzutreffend erachtet, ist für den Senat nach § 561 Abs. 2 ZPO bindend. Das Verfahren ist nicht gerügt, vielmehr setzt die Revision lediglich ihre Würdigung an die Stelle derjenigen des Gerichts. Letztere ist aber zumindest möglich. So legen die Schreiben vom 6. und 7. August 1998, mit denen die Mitarbeiter zur Rückzahlung aufgefordert wurden, die durch das Berufungsgericht gewonnene Überzeugung nahe. Gegen eine bewußte Überzahlung spricht zudem, daß sich die den beiden Arbeitnehmern zugewandten Beträge unterschiedlich berechneten, worauf das Berufungsgericht hinweist.

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Fundstellen

Dokument-Index HI610834

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