Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer als Gruppenleiterin in Tagesbildungsstätte für geistig behinderte Kinder tätigen Sozialpädagogin

 

Leitsatz (redaktionell)

Von tarifgerechter Eingruppierung in VergGr. IV b BAT/VKA Fallgr. 17 (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) abhängige Vergütungsgruppenzulage nach Fußnote II zur Fallgr. 17 der VergGr. IV b des Tarifvertrages zur Änderung der Anl. 1 a zum BAT/VKA – Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst – vom 24. April 1991 in Kraft mit Wirkung vom 1. Januar 1991

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 19.01.1993; Aktenzeichen 11 (14) Sa 1354/92 E)

ArbG Nienburg (Urteil vom 24.06.1992; Aktenzeichen 1 Ca 275/92 E)

 

Tenor

1. Das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts vom 18. Mai 1994 wird aufrechterhalten.

2. Die Klägerin hat die weiteren Kosten zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Vergütungsgruppenzulage nach Fußnote II zur Fallgr. 17 der VergGr. IV b des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anl. 1 a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) – Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst – vom 24. April 1991 ab 1. Januar 1991 i. H. von 5 % hat.

Die Klägerin, eine graduierte Sozialpädagogin, ist ab 1. August 1977 als Gruppenleiterin in der Tagesbildungsstätte des beklagten Vereins in S. eingestellt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 20. Juni/26. Juli 1977 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen.

Der beklagte Verein betreibt in einer Gesamteinrichtung in S. einen Sonderkindergarten und eine Tagesbildungsstätte. Dabei werden die Kinder mit Erreichen des schulpflichtigen Alters aus dem Sonderkindergarten in die Tagesbildungsstätte übernommen und dort in kleinen Gruppen von vier bis acht Kindern bis zu einem Höchstalter von 18 Jahren betreut. Ziel der Betreuung ist es, die Kinder und Jugendlichen soweit zu fördern, daß eine spätere Aufnahme in eine Behindertenwerkstatt oder in günstigen Fällen auch ein Übergang zur Sonderschule oder auch in eine „normale Lehre” möglich wird.

Die Klägerin wurde nach § 4 des Arbeitsvertrages in VergGr. V b BAT eingruppiert. Dieser Vereinbarung der Vergütungsgruppe lag die Auffassung des beklagten Vereins zugrunde, die Tätigkeit der Klägerin sei nach VergGr. V b Fallgr. 1 k BAT/VKA – Erziehungsdienst – zuzuordnen.

Mit Wirkung vom 1. August 1981 erhielt die Klägerin Vergütung nach VergGr. IV b Fallgr. 3 BAT/VKA – Erziehungsdienst –.

Das Landessozialamt beanstandete anläßlich einer Überprüfung der Pflegesätze des beklagten Vereins, daß die Klägerin zu hoch eingruppiert worden sei. Daraufhin widerrief der beklagte Verein mit Schreiben vom 29. Februar 1984 die Eingruppierung der Klägerin und stellte sich auf den Standpunkt, sie habe nur Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. V b BAT/VKA – Erziehungsdienst –.

Gegen diese Rückgruppierung klagte die Klägerin. Das Arbeitsgericht Nienburg gab der Klage auf Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch über den 31. März 1984 hinaus Vergütung nach der VergGr. IV b BAT/VKA – Erziehungsdienst – zu zahlen, statt. Die dagegen eingelegte Berufung des beklagten Vereins wies das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Urteil vom 25. Juli 1985 – 10 Sa 21/85 E – zurück. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts erfüllte die Tätigkeit der Klägerin als Gruppenleiterin in einer Tagesbildungsstätte des beklagten Vereins die Anforderungen der VergGr. V b Fallgr. 1 k BAT/VKA – Erziehungsdienst –. Die Klägerin sei in einer heilpädagogischen Gruppe tätig. Die Klägerin erfülle auch das subjektive Merkmal einer Ausbildung als Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung. Bei einer solchen Ausbildung und bei einer Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe sei tariflich eine Eingruppierung in die VergGr. V b Fallgr. 1 k BAT/VKA – Erziehungsdienst – vorgesehen. Etwas anderes hätte nur dann gelten können, wenn die Klägerin ausdrücklich nur als Erzieherin eingestellt worden sei.

Dieses Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen ist rechtskräftig.

Die Klägerin begehrte gegenüber dem beklagten Verein mit Schreiben vom 13. April 1991 erfolglos „Bewährungszulage” rückwirkend ab 1. Januar 1991 unter Berufung auf den „Tarifabschluß …, der ab 1. Januar 1991 gilt”.

Mit der dem beklagten Verein am 7. April 1992 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin die durch die Änderung des BAT/VKA vom 24. April 1991 mit Wirkung vom 1. Januar 1991 erstmals eingeführte Vergütungsgruppenzulage nach Fußnote II der Fallgr. 17 der VergGr. IV b des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anl. 1 a zum BAT/VKA – Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst – weiter.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Vergütungsgruppenzulage stehe ihr zu.

Sie sei als Sozialpädagogin mit entsprechender Tätigkeit i. S. der VergGr. IV b Fallgr. 17 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – i.d. Fassung vom 24. April 1991 bei dem beklagten Verein beschäftigt.

Für die Zeit von Januar 1991 bis März 1992 verlangt die Klägerin Vergütungsgruppenzulagen von insgesamt 2.205,45 DM ausgehend von 147,03 DM als 5 % der Grundvergütung der Stufe 4 der VergGr. IV b BAT/VKA.

Die Klägerin hat beantragt,

den beklagten Verein zu verurteilen, an die Klägerin 2.205,45 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 7. April 1992 zu zahlen.

Der beklagte Verein hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Vergütungsgruppenzulage.

Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen für die VergGr. IV b Fallgr. 17 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – n. P. Sie erhalte die Vergütung nach VergGr. IV b BAT/VKA lediglich aus Gründen der Wahrung des Besitzstandes.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 25. Juli 1985 habe sich auf die alten Vergütungsgruppen BAT/VKA – Angestellte im Sozial- und im Erziehungsdienst – bezogen. Die damalige VergGr. IV b Fallgr. 3 – Angestellte im Erziehungsdienst – sei mit der jetzigen VergGr. IV b Fallgr. 17 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – nicht synonym. Die Klägerin sei tarifgerecht in die aktuelle VergGr. V c Fallgr. 5 mit der Protokollerklärung Nr. 6 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – eingruppiert. Der Klägerin seien als Gruppenleiterin Tätigkeiten zugewiesen, die dem Berufsbild einer Erzieherin entsprächen.

Die Gruppenerziehung mit Behinderten sei bei Sozialpädagogen in der Protokollerklärung Nr. 12 als schwierige Tätigkeiten i. S. der VergGr. IV b Fallgr. 16 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – nicht aufgeführt. Sozialpädagogen als Gruppenleiter seien wie sonstige Angestellte den Erziehern der VergGr. V c Fallgr. 5 oder der VergGr. V b Fallgr. 5 BAT/VKA gleichzustellen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Vereins hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision hat die Klägerin ihren Klageantrag weiterverfolgt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 1994 war die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten. Gegen das auf Antrag des beklagten Vereins gegen die Klägerin ergangene Versäumnisurteil hat die Klägerin am 18. Mai 1994 Einspruch eingelegt. Sie beantragt, unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 18. Mai 1994 ihrem Klagantrag zu entsprechen. Der beklagte Verein beantragt, das Versäumnisurteil vom 18. Mai 1994 aufrechtzuerhalten.

 

Entscheidungsgründe

Das am 18. Mai 1994 verkündete Versäumnisurteil war aufrechtzuerhalten.

I. Die Klägerin hat gegen das Versäumnisurteil vom 18. Mai 1994 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt mit der Folge, daß der Prozeß in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich bei Eintritt der Säumnis befand (§ 72 Abs. 5 ArbGG i. V. mit § 557 ZPO i. V. mit § 342 ZPO).

II. Das Versäumnisurteil vom 18. Mai 1994 war aber deswegen aufrechtzuerhalten, weil die Revision unbegründet ist.

Die Klägerin hat nämlich keinen Anspruch auf die mit der Änderung der Anl. 1 a zum BAT/VKA vom 24. April 1991 mit Wirkung ab 1. Januar 1991 eingeführte 5 % Vergütungsgruppenzulage nach Fußnote II der Fallgr. 17 der VergGr. IV b BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – i. H. von 2.205,45 DM brutto für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. März 1992.

Diese Fußnote lautet:

„Diese Angestellten erhalten nach sechsjähriger Tätigkeit in dieser Fallgruppe eine monatliche Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 5 v.H. der Grundvergütung der Stufe 4 der Vergütungsgruppe IV b. Bei der Berechnung sich ergebende Bruchteile eines Pfennigs unter 0,5 sind abzurunden, Bruchteile von 0,5 und mehr sind aufzurunden. Die Vergütungsgruppenzulage gilt bei der Bemessung des Sterbegeldes (§ 41) und des Übergangsgeldes (§ 63) als Bestandteil der Grundvergütung.”

Der Anspruch auf diese Zulage setzt voraus, daß die Klägerin nach dem Tarifvertrag zur Änderung der Anl. 1 a zum BAT/VKA vom 24. April 1991 die Voraussetzungen der VergGr. IV b Fallgr. 17 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – erfüllt. Dies ergibt sich aus § 6 des Tarifvertrages zur Änderung der Anl. 1 a zum BAT/VKA vom 24. April 1994. Diese Bestimmung lautet:

㤠6

Übergangsvorschriften für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände

Für die Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses folgendes:

  1. Hat der Angestellte am 31. Dezember 1990 Vergütung (§ 26 BAT) aus einer höheren Vergütungsgruppe erhalten als aus der Vergütungsgruppe, in der er nach diesem Tarifvertrag eingruppiert ist, wird diese Vergütung durch das Inkrafttreten dieses Tarifvertrages nicht berührt.
  2. Hängt die Eingruppierung oder der Anspruch auf eine Vergütungsgruppenzulage nach diesem Tarifvertrag von der Zeit einer Tätigkeit oder von der Zeit einer Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe oder von der Zeit einer Berufstätigkeit ab, wird die vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegte Zeit vorbehaltlich der nachstehenden Nr. 3 so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn dieser Tarifvertrag bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte.
  3. …”

Nach dieser Übergangsvorschrift ist es erforderlich, daß die Klägerin auch nach den geänderten Eingruppierungsmerkmalen für den Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes tarifgerecht in die VergGr. IV b Fallgr. 17 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – eingruppiert ist.

Das ist indes nicht der Fall.

Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung – (BAT/VKA) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung.

Dabei kommt es für die Eingruppierung der Klägerin nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT/VKA darauf an, ob zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IV b BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – i.d. ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung erfüllen.

Damit ist von dem in ständiger Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen, also von einer unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbaren und rechtlich selbständig zu bewertenden Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.).

Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß die gesamte Tätigkeit der Klägerin als ein Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehen ist.

Arbeitsergebnis der Tätigkeit ist die Leitung einer Gruppe in der Tagesbildungsstätte des beklagten Vereins. Alle von ihr im einzelnen ausgeübten Aufgaben (vgl. die von der Klägerin nicht in Abrede gestellte Auflistung des beklagten Vereins in der Berufungsbegründung des beklagten Vereins vom 15. Oktober 1992) dienen diesem Arbeitsergebnis. Die Tätigkeit ist der Klägerin allein übertragen.

Für die Eingruppierung der Klägerin sind folgende Tätigkeitsmerkmale des Tarifvertrages zur Änderung der Anl. 1 a zum BAT/VKA vom 24. April 1991 – Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst – heranzuziehen:

„Vergütungsgruppe IV b

16. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten. (hierzu Protokollerklärungen Nr. 1 und 2)

17. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

nach zweijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 10.

(hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

Vergütungsgruppe V b

5. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten

nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 5.

(hierzu Protokollerklärungen Nr. 1, 3, 5 und 6)

10. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

(hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

Vergütungsgruppe V c

5. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten.

(hierzu Protokollerklärungen Nr. 1, 3, 5 und 6)

Protokollerklärungen:

6. Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind z.B. die

  1. Tätigkeiten in Integrationsgruppen (Erziehungsgruppen, denen besondere Aufgaben in der gemeinsamen Förderung behinderter und nicht behinderter Kinder zugewiesen sind) mit einem Anteil von mindestens einem Drittel von Behinderten im Sinne des § 39 BSHG in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung,
  2. Tätigkeiten in Gruppen von Behinderten im Sinne des § 39 BSHG oder von Kindern oder Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten,
  3. Tätigkeiten in Jugendzentren/Häusern der offenen Tür,
  4. Tätigkeiten in geschlossenen (gesicherten) Gruppen,

12. Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die

  1. Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
  2. Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
  3. begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner,
  4. begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
  5. Koordinierung der Arbeiten mehrerer Angestellter mindestens der Vergütungsgruppe V b.”

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, aus diesen tariflichen Bestimmungen folge, daß die Tätigkeit der Klägerin als Gruppenleiterin in der Tagesbildungsstätte des beklagten Vereins die Anforderungen der VergGr. V b Fallgr. 5 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – i.d. Fassung vom 24. April 1991 erfülle. Sie sei als Gruppenleiterin mit erzieherischen Tätigkeiten in einer heilpädagogischen Gruppe beauftragt. Sie arbeite überwiegend mit schwerbehinderten Kindern und Jugendlichen, denen in langwierigen Prozessen grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt würden, die zu einem Abbau der Behinderung oder wo dies nicht möglich sei, dazu führten, den Betreffenden, soweit es erreichbar sei, ein menschenwürdiges und selbständiges Leben trotz der jeweiligen Leiden zu ermöglichen. Sie sei daher als eine sonstige Angestellte, die einer Erzieherin mit staatlicher Anerkennung gleichgestellt sei, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten betraut.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgericht ist zuzustimmen.

Die Klägerin ist zwar graduierte Sozialpädagogin. Mitarbeiter in Einrichtungen gemäß § 39 BSHG sind aber ungeachtet dieser Qualifikation im Hinblick auf die Protokollerklärung lediglich den VergGr. V c, v b BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – n. F. zugeordnet. Die Klägerin ist Gruppenleiterin in der Tagesbildungsstätte des beklagten Vereins, in der Kinder in kleinen Gruppen bis zu einem Höchstalter von 18 Jahren betreut werden mit dem Ziel, die Kinder und Jugendlichen soweit zu fördern, daß eine spätere Aufnahme in eine Behindertenwerkstatt oder ein Übergang zur Sonderschule möglich wird.

Damit erfüllt sie die Voraussetzungen der VergGr. V c Fallgr. 5 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – n. F. Sie ist sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeit – Erziehung – mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten ausübt. Letzteres folgt aus der Protokollerklärung Nr. 6 b, nach der Tätigkeiten in Gruppen von Behinderten i. S. des § 39 BSHG besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind.

Der beklagte Verein betreibt mit seiner Tagesbildungsstätte eine Einrichtung gem. § 39 BSHG. Die Klägerin arbeitet als Gruppenleiterin in dieser Einrichtung mit, indem sie eine Gruppe schwerbehinderter Kinder i. S. des § 39 BSHG bis zu einem Höchstalter von 18 Jahren betreut.

Im Wege des Bewährungsaufstiegs ist sie dann in VergGr. V b Fallgr. 5 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – n. F. eingruppiert.

Die der Klägerin übertragenen Tätigkeiten sind typische dem Berufsbild einer Erzieherin zuzuordnende Tätigkeiten.

Es ist nicht etwa so, daß bei Erziehern die Arbeit mit gesunden Kindern im Vordergrund steht und deswegen die Arbeit mit behinderten Kindern dem Sozialdienst zuzuordnen ist. Vielmehr haben Erzieher in Einrichtungen für behinderte Kinder und Jugendliche oder in integrativen Einrichtungen, in denen sinngeschädigte, körperlich und geistig Behinderte entweder in Form einer Tagesstätte, in Internatsunterbringung oder in besonderen Heimen und betreuten Wohngemeinschaften Hilfe finden, in enger Kooperation mit anderen Fachkräften (z.B. Mediziner. Therapeuten) die Aufgabe, mit gezielten Angeboten und Hilfen die bei den Behinderten vorhandenen Sinneskräfte, körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu entfalten, um die Behinderung zu überwinden oder weitgehend zu beseitigen und die jungen Menschen zu befähigen, trotz ihrer Behinderung ein möglichst selbständiges Leben zu führen (vgl. Blätter zur Berufskunde, Bd. 2 – IV A 20 Erzieher/Erzieherin, 6. Aufl. 1989, S. 16 f.). Dem hat zumindest die veränderte Fassung der Anl. 1 a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag/VKA Rechnung getragen. Während unter VergGr. V b Fallgr. 1 k BAT/VKA II Angestellte im Erziehungsdienst Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung in geschlossenen (gesicherten) Gruppen oder in Aufnahme-(Beobachtungs-)gruppen oder in heilpädagogischen Gruppen fielen, die im Wege des Zeitaufstieges nach VergGr. IV b Fallgr. 3 BAT/VKA II Angestellte im Erziehungsdienst aufsteigen konnten, sieht die Neuregelung das nicht mehr vor, sondern geht von Erziehern mit entsprechender Tätigkeit und sonstigen Angestellten, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, einerseits aus und von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit andererseits.

Die Tarifvertragsparteien unterscheiden also bei den Tätigkeitsmerkmalen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst zwischen Sozialpädagogen/Sozialarbeitern mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit und Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit. Sozialpädagogen/Sozialarbeiter sind in VergGr. V b Fallgr. 10 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – mit Bewährungsaufstiegsmöglichkeiten oder bei Erfüllung von Heraushebungsmerkmalen in VergGr. IV b Fallgr. 16 und höher eingruppiert. Demgegenüber sind Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit in VergGr. VI b Fallgr. 5 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – mit Bewährungsaufstiegsmöglichkeiten (VergGr. V c Fallgr. 7) oder bei Vorliegen von Heraushebungsmerkmalen in VergGr. V c Fallgr. 5, 6 oder in VergGr. V b Fallgr. 5 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – eingruppiert.

Daraus folgt, daß die Tätigkeit als Erzieher besonders und anders bewertet wird als die Tätigkeit von Sozialpädagogen/Sozialarbeitern.

Eine Gruppenleiterin, die als solche tätig ist, und zugleich graduierte Sozialpädagogin ist, übt daher keine „entsprechende Tätigkeit” eines Sozialpädagogen aus.

Das folgt letztlich daraus, daß die mit Wirkung ab 1. Januar 1991 geänderte Fassung des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anl. 1 a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag/VKA vom 24. April 1991 die Tätigkeit in Einrichtungen für Behinderte i. S. des § 39 BSHG als schwierige fachliche Tätigkeit für Erzieher ansieht. Damit ist die Klägerin in VergGr. V c Fallgr. 5 oder in V b Fallgr. 5 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – tarifgerecht eingruppiert. Den Erziehern werden die Heilpädagogen mit staatlicher Anerkennung in VergGr. V c Fallgr. 8 oder V b Fallgr. 6 gleichgestellt. Daraus folgt, daß Tätigkeiten in den Tagesbildungsstätten des Beklagten dem Berufsbild des Erziehers oder Heilpädagogen zugeordnet sind. Die Klägerin verfügt zwar über eine Ausbildung als Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung, so daß die subjektiven Anforderungen der von ihr reklamierten VergGr. IV b Fallgr. 17 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – erfüllt sind. Sie nimmt aber keine entsprechende Tätigkeit wahr, sondern eine solche Tätigkeit, die die Tarifvertragsparteien als eine solche von Erzieherinnen ansehen. Sie ist daher trotz ihrer Ausbildung zur graduierten Sozialpädagogin „sonstige Angestellte” i. S. der VergGr. V c Fallgr. 5 und V b Fallgr. 5 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst –. Die Tätigkeit der Klägerin ist die einer Erzieherin und nicht die einer Sozialpädagogin. Das zeigt folgendes: Die Gruppenerziehung mit Behinderten ist bei Sozialpädagogen in der Protokollerklärung Nr. 12 als schwierige Tätigkeit i. S. der VergGr. IV b Fallgr. 16 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – nicht aufgeführt, was nur den Schluß zuläßt, daß Sozialpädagogen als Gruppenleiter nicht als Sozialpädagogen zu vergüten sind, sondern als Erzieher, also als sonstige Angestellte den Erziehern gleichstehen.

Dem entspricht nur, daß, wäre der Standpunkt der Klägerin richtig, eine Gruppenleiterin wie die Klägerin, nur weil sie Sozialpädagogin ist, möglicherweise eine höhere Vergütung (VergGr. IV b Fallgr. 17 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst – zuzüglich Vergütungsgruppenzulage gem. Fußnote II) erhielte als ihr Vorgesetzter, der Leiter von Kindertagesstätten für Behinderte i. S. des § 39 BSHG mit weniger als 40 Plätzen (VergGr. IV b Fallgr. 9 BAT/VKA – Sozial- und Erziehungsdienst –), weil für ihn Vergütungsgruppenzulage nach Fußnote I nicht zeitbezogen, sondern erst bewährungsbezogen in Betracht kommt.

Das wäre der unterschiedlichen Verantwortlichkeit nicht angemessen.

Nach alledem sind die Tätigkeiten als Gruppenleiterin in Gruppen von Behinderten nach dem Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anl. 1 a zum BAT/VKA in der mit Wirkung ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung der Erzieherin zuzuordnen mit der Folge, daß die Klägerin keine Sozialpädagogin mit entsprechender Tätigkeit i.S. der VergGr. V b Fallgr. 10 BAT/VKA ist, so daß der Bewährungsaufstieg in VergGr. IV b Fallgr. 17 BAT/VKA und damit auch der Anspruch auf Vergütungsgruppenzulage nach Fußnote II zu dieser Fallgruppe ausscheidet.

Die materielle Rechtskraft der im Vorprozeß ergangenen Urteile (§ 322 ZPO), nach denen die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT/VKA hat, steht nicht entgegen. Zum einen haben die Parteien im Vorprozeß um die Feststellung gestritten, daß der beklagte Verein verpflichtet ist, der Klägerin auch über den 31. März 1984 hinaus Vergütung nach VergGr. IV b BAT/VKA zu zahlen, während die Klägerin nunmehr im Wege der Leistungsklage die Zahlung von Vergütungsgruppenzulagen für einen bestimmten Zeitraum begehrt. Zum anderen haben sich die Rechtsgrundlagen verändert. Erstmals wird der vorliegende Prozeß auf der Grundlage des Tarifvertrages zur Änderung der Anl. 1 a zum BAT/VKA vom 24. April 1991 anhand der ab 1. Januar 1991 in der neuen, veränderten Fassung anzuwendenden tariflichen Tätigkeitsmerkmale geführt, von deren Vorliegen die von der Klägerin begehrte, gleichfalls erst per 1. Januar 1991 eingeführte Vergütungsgruppenzulage abhängt (vgl. dazu die Urteile des Senats vom 18. Mai 1977 – 4 AZR 18/76 – AP Nr. 97 zu §§ 22, 23 BAT; vom 14. September 1983 – 4 AZR 78/81 –, n.v.; vom 19. Oktober 1983 – 4 AZR 340/81 – AP Nr. 80 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zu Abs. 2 der Gründe; vom 14. März 1984 – 4 AZR 14/82 – AP Nr. 87 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zu Abs. 1 der Gründe). Die Klägerin, die in VergGr. V c Fallgr. 5 BAT/VKA tarifgerecht eingruppiert ist, behält nur im Hinblick auf die Besitzstandsregelung in den Übergangsvorschriften für den Bereich der VKA (§ 6 Ziff. 1 des Tarifvertrages vom 24. April 1991) den Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT/VKA.

Damit ist der Anspruch auf Zahlung der Vergütungsgruppenzulage für den geltend gemachten Zeitraum unbegründet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. h.c. Schaub, Schneider, Dr. Friedrich, Jansen, Gotsche

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073592

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