Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Projektmitarbeiters beim Bundesvorstand des DGB. Eingruppierung Privatwirtschaft

 

Orientierungssatz

  • Die allgemeinen Anstellungsbedingungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes enthalten keine Eingruppierungsmerkmale für Projektmitarbeiter beim Bundesvorstand des DGB, die einem Referatsleiter zuarbeiten.
  • Die Vergütung richtet sich deshalb nach der konkreten einzelvertraglichen Regelung, selbst wenn auf die AAB im Arbeitsvertrag verwiesen worden ist.
 

Normenkette

Allgemeine Anstellungsbedingungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 14.12.2001; Aktenzeichen 6 Sa 1143/01)

ArbG Berlin (Urteil vom 12.04.2001; Aktenzeichen 63 Ca 19883/00)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 14. Dezember 2001 – 6 Sa 1143/01 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger ist seit dem 15. Dezember 1992 als Projektmitarbeiter in der Abteilung Berufliche Bildung beim Bundesvorstand des Beklagten beschäftigt. Grundlage ist der Anstellungsvertrag vom 13. Januar 1993, dessen Ziffer 4 auf die Allgemeinen Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten des Beklagten (AAB) in der jeweils gültigen Fassung sowie die maßgeblichen Betriebsvereinbarungen Bezug nimmt. Gemäß Ziffer 3 des Anstellungsvertrages erhält der Kläger Gehalt nach Gruppe 7 der Gehaltstabelle.

Die Allgemeinen Anstellungsbedingungen lauten, soweit vorliegend von Belang:

“§ 1 Geltungsbereich

1. Die Allgemeinen Anstellungsbedingungen (im folgenden als AAB bezeichnet) gelten für alle Beschäftigten des D …

§ 5 Eingruppierung, Arbeitsentgelt

1. Die Eingruppierung und die Höhe des Arbeitsentgeltes ergeben sich aus dem Tätigkeitskatalog und der Gehaltstabelle in der jeweils gültigen Fassung sowie aus den diese Regelungsbereiche ergänzenden Betriebsvereinbarungen.”

Der in den AAB in Bezug genommene Tätigkeitskatalog (vgl. Anl. 3) lautet auszugsweise:

“Gruppe 4

Bundesvorstand:

 – 

Sekretärinnen mit einer angemessenen Ausbildung oder mindestens dreijähriger Berufserfahrung.

Landesbezirke:

 – 

Sekretärinnen mit einer angemessenen Ausbildung oder mindestens dreijähriger Berufserfahrung.

Kreise:

 – 

Sekretärinnen mit einer angemessenen Ausbildung oder mindestens dreijähriger Berufserfahrung.

Gruppe 5

Bundesvorstand:

 – 

Hilfssachbearbeiter für Verwaltungsaufgaben.

 – 

Gewerkschaftssekretäre im ersten Ausbildungsjahr

Kreise:

 – 

Gewerkschaftssekretäre im ersten Ausbildungsjahr

Gruppe 6

Bundesvorstand:

 – 

Gewerkschaftssekretäre in Ausbildung nach dem ersten Ausbildungsjahr

Landesbezirke:

 – 

Gewerkschaftssekretäre in Ausbildung nach dem ersten Ausbildungsjahr.

Kreise:

 – 

Gewerkschaftssekretäre in Ausbildung nach dem ersten Ausbildungsjahr.

Gruppe 7

Bundesvorstand:

 – 

Sekretärin eines Geschäftsführenden Bundesvorstandsmitgliedes.

 – 

Leiter der Expedition.

 – 

Erster Buchhalter.

Landesbezirke:

 – 

Sachgebietssekretäre.

Kreise:

 – 

Gewerkschaftssekretäre.

Gruppe 8

Bundesvorstand:

 – 

Sachgebietssekretäre.

 – 

Sekretärinnen, die mindestens drei Fremdsprachen für die geforderte Tätigkeit beherrschen müssen.

 – 

Sekretärin des Vorsitzenden.

 – 

Fachlehrkräfte an Bundesschulen.

Landesbezirke:

 – 

Referatssekretäre.

Kreise:

 – 

Gewerkschaftssekretäre, die überwiegend vor Gerichten der 1. Instanz vertreten.

Gruppe 9

Bundesvorstand:

 – 

Referatssekretäre.

 – 

Bilanzbuchhalter.

 – 

Revisoren.

 – 

Lehrer an Bundesschulen mit fachlicher Ausbildung.

Landesbezirke:

 – 

Abteilungssekretäre.

 – 

Gewerkschaftssekretäre, die auftragsgemäß überwiegend vor Gerichten der 2. Instanz vertreten.

Kreise:

 – 

Kreisvorsitzende.

 – 

Gewerkschaftssekretäre, die auftragsgemäß überwiegend vor Gerichten der 2. Instanz vertreten.

Der Kläger ist im Rahmen des beim Bundesvorstand des Beklagten bestehenden Projektes “Weiterbildung und Betreuung der Beauftragten der Arbeitnehmer in den Berufsbildungs- und Prüfungsausschüssen der ‘zuständigen Stellen’ auf dem Gebiet der neuen fünf Länder der Bundesrepublik Deutschland”, das mit öffentlichen Mitteln des Bundes gefördert wird, tätig. Für das Projekt ist die Referatsleiterin Frau B… zuständig, der der Kläger unterstellt ist. Im Rahmen der ihm obliegenden Führung ihres Büros entwirft er unter anderem Seminarprogramme. Ferner erstellt er Arbeitsmappen oder Verwendungsnachweise im Zusammenhang mit der Weiterbildung und Betreuung von Arbeitnehmern. Er ist ehrenamtlicher Richter bei dem Arbeitsgericht Berlin, Mitglied verschiedener Arbeits-, Fach- und Prüfungsausschüsse des Beklagten, von Einzelgewerkschaften, Industrie- und Handelskammern etc.

Im Jahre 1992 stellte der Beklagte Herrn K… als Projektleiter ein; dieser erhielt Vergütung nach Gruppe 9 des Tätigkeitskataloges.

Mit seiner Klage hat der Kläger Vergütung nach Gruppe 9, hilfsweise 8 des Tätigkeitskataloges geltend gemacht und dazu vorgetragen, sein Tätigkeitsbereich entspreche dem eines Sachgebiets- oder sogar Referatssekretärs. Das von ihm betreute Projekt “Weiterbildung und Betreuung der Beauftragten der Arbeitnehmer in den Berufsbildungs- und Prüfungsausschüssen” stelle ein eigenständiges Sachgebiet dar, das er selbständig betreue. Das Gebiet umfasse die inhaltliche Konzeption, Vorbereitung und Durchführung der Lehrgänge sowie die permanente fachliche und gewerkschaftspolitische Betreuung der Beauftragten der Arbeitnehmer. Die Projektaufgaben hätten einen solchen Umfang angenommen, daß von Aufgaben im Rahmen eines Referates ausgegangen werden müsse. Die Bereiche eines Referates und eines Sachgebietes unterschieden sich nicht qualitativ, sondern lediglich quantitativ. Die individualvertragliche Vereinbarung der Vergütung nach Gruppe 7 verstoße gegen die Regelung in § 1 Ziffer 1 AAB.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei jedenfalls als Gewerkschaftssekretär anzusehen; das folge aus der Außenwirkung seiner Tätigkeit in den zahlreichen Gremien. Da der Tätigkeitskatalog Gewerkschaftssekretäre lediglich auf Kreisebene (in Gruppe 7) nenne, sich aus der Systematik des Katalogs aber ergebe, daß die Tätigkeit auf einer höheren Organisationsebene eine höhere Eingruppierung mit sich bringe, müsse er als beim Bundesvorstand beschäftigter Gewerkschaftssekretär Vergütung nach Gruppe 9, mindestens Gruppe 8 erhalten.

Sein Anspruch folge ferner aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, denn der nach Gruppe 9 vergütete Arbeitnehmer K… habe die gleiche Tätigkeit wie er zu verrichten.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihn seit Rechtshängigkeit entsprechend Vergütungsgruppe 9 der AAB des Beklagten zu bezahlen,

hilfsweise festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit Rechtshängigkeit nach Vergütungsgruppe 8 der AAB des Beklagten zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Kläger sei nicht Gewerkschaftssekretär, sondern Sachbearbeiter; die Darstellung und Vertretung gewerkschaftspolitischer Ziele nach außen obliege ihm nicht. Hierfür sei seine Referatsleiterin zuständig. Die Führung des Büros der Referatsleiterin sei klassische Sachbearbeitertätigkeit, nicht diejenige eines Referatssekretärs. Keine der im Tätigkeitskatalog genannten Tätigkeiten treffe auf den Kläger zu. Im Rahmen der vier bis fünf Projekte, für die der Kläger zuständig sei, müsse er alle von ihm geplanten oder vorgeschlagenen Maßnahmen mit der Referatsleiterin absprechen und von ihr genehmigen lassen. Die Mitgliedschaft des Klägers in verschiedenen Gremien sei ehrenamtlich, werde auch bei anderen Mitarbeitern nicht gesondert vergütet und stehe im Zusammenhang mit der Arbeit am Projekt.

Der inzwischen ausgeschiedene Arbeitnehmer K… sei mit dem Kläger nicht vergleichbar, denn er sei im Gegensatz zu diesem Projektleiter mit einem völlig eigenständigen Lehrgangsprogramm gewesen, für das er allein verantwortlich gewesen sei; er habe in inhaltlicher und finanzieller Art frei disponieren können und – ebenfalls im Unterschied zum Kläger – die Prüfungsausschüsse betreut, welche nicht beim Beklagten, sondern den Einzelgewerkschaften angesiedelt seien.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Gehaltsgruppe 9 oder 8 der Allgemeinen Anstellungsbedingungen des Beklagten.

  • Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für zulässig, in der Sache jedoch für nicht begründet gehalten. Es hat ausgeführt, ein Anspruch scheitere daran, daß der Kläger nicht die in den Gruppen 8 und 9 des Tätigkeitskataloges genannten Voraussetzungen erfülle. Dabei hat es dahingestellt sein lassen, ob er als Gewerkschaftssekretär anzusehen ist, hieran aber Zweifel geäußert, denn der Kläger habe seine diesbezügliche Darstellung trotz erheblichen Bestreitens nicht unter Beweis gestellt; ferner ergebe sich aus dem Zusammenhang des Tätigkeitskataloges, der neben Gewerkschaftssekretären auch Sachbearbeiter für Verwaltungsaufgaben kenne, daß nicht jeder, der Teilfunktionen des Beklagten ausübe, Gewerkschaftssekretär sei. Jedenfalls sei der Kläger nicht Sachgebiets- oder gar Referatssekretär, denn ein Sachgebiet stelle ein Aufgabengebiet dar, das über mehrere Projekte hinausgehe. Ein Referat erfasse als übergeordnete Organisationseinheit üblicherweise sogar mehrere Sachgebiete.

    Auch liege keine im Sinne des Klägers zu schließende Regelungslücke vor. Bei den AAB handle es sich mangels Unterzeichnung durch den Betriebsrat nicht um eine Betriebsvereinbarung, sondern um einseitig vorformulierte Vertragsbestandteile. Der Tätigkeitskatalog sehe – wohl auf Grund einer unbewußten Regelungslücke – die Beschäftigung von Gewerkschaftssekretären beim Bundesvorstand nicht vor. Eine ergänzende Auslegung im Sinne des klägerischen Begehrens komme gleichwohl nicht in Betracht, denn zum einen sei kein durchgängiges Prinzip erkennbar, wonach dieselbe Tätigkeit bei den Landesbezirken und beim Bundesvorstand stets eine bzw. zwei Gruppen höher bewertet werde als auf Kreisebene. Zum anderen entspreche es nicht dem Tarifgefüge, den Kläger wie einen Sachgebiets- oder gar Referatssekretär zu vergüten. Hier sei eine gemäß § 1 Nr. 1 AAB mögliche abweichende Regelung getroffen worden.

    Ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich selbst bei vergleichbarer oder identischer Tätigkeit des Mitarbeiters K… nicht, denn die anderweitige Vergütungsabrede lasse keine vom Beklagten selbstgeschaffene Regel erkennen. Auch habe der Kläger die Zuständigkeit des Arbeitnehmers K… für die Mittelverwendung nicht mit Nichtwissen bestreiten dürfen, sondern für das Gegenteil Beweis antreten müssen.

  • Die Revision hat keinen Erfolg.

    1. Die Klage ist zwar zulässig.

    Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch im privatwirtschaftlichen Bereich keine Bedenken bestehen (zB BAG 20. Juni 2002 – 8 AZR 499/01 – nv.). Der Kläger kann zumindest für die Zukunft, auf die sich die Klage auch erstreckt, seine Ansprüche nicht beziffern und ist daher insoweit an der Erhebung einer Leistungsklage gehindert (vgl. BAG 23. September 1992 – 4 AZR 30/92 – BAGE 71, 195, 199 = AP BGB § 612 Diskriminierung Nr. 1; 20. April 1988 – 4 AZR 678/87 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 93; 20. Juni 1984 – 4 AZR 208/82 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 2).

    2. Die Klage ist aber nicht begründet. Dem Kläger steht Arbeitsentgelt nach Gruppe 8 oder 9 der Gehaltstabelle zu den AAB unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

    a) Aus Ziffer 3 des Anstellungsvertrages vom 13. Januar 1993 folgt der Anspruch nicht, denn danach schuldet der Beklagte lediglich Vergütung nach Gruppe 7 der Gehaltstabelle.

    b) Auch aus dem Tätigkeitskatalog der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen AAB kann der Kläger sein Höhergruppierungsverlangen nicht herleiten. Der Kläger übt keine der in den Gruppen 8 oder 9 des Kataloges genannten Tätigkeiten aus. Insbesondere ist er weder Referatssekretär noch Abteilungssekretär.

    aa) Der Kläger ist nicht Referatssekretär im Sinne der Gruppe 9 des Tätigkeitskataloges. Dem Landesarbeitsgericht ist dahin zu folgen, daß der Begriff des Referates im Sinne der AAB eine dem Sachgebiet übergeordnete Organisationseinheit bezeichnet. Diese Auslegung ist vom Revisionsgericht voll nachprüfbar.

    Die Allgemeinen Arbeitsbedingungen des Beklagten sind kein Tarifvertrag (vgl. BAG 25. Juni 1964 – 5 AZR 440/63 – BAGE 16, 141 = AP BGB § 611 Gewerkschaftsangestellte Nr. 1). Sie sind auch keine Betriebsvereinbarung, das folgt schon aus der Nichteinhaltung der Schriftform gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. BetrVG. Bei den Allgemeinen Arbeitsbedingungen handelt es sich nach entsprechender Inbezugnahme, die hier vorliegt, um Regelungen auf der Ebene des Arbeitsvertrages. Ungeachtet ihres individualrechtlichen Charakters sollen die AAB für eine einheitliche Gestaltung der Gehalts- und Anstellungsbedingungen der Arbeitnehmer des Beklagten sorgen (BAG 18. März 1997 – 9 AZR 84/96 – BAGE 85, 306, 309 = AP BErzGG § 17 Nr. 8; 25. Juni 1964 – 5 AZR 440/63 – BAGE 16, 141, 147 = AP BGB § 611 Gewerkschaftsangestellte Nr. 1). Als vorformulierte Regelungen, die für eine unbestimmte Zahl von Arbeitsverträgen gelten sollen, sind sie ebenso wie die im öffentlichen Dienst gebräuchlichen Formularverträge “typische Verträge” vom Revisionsgericht ähnlich wie Rechtsnormen auszulegen (BAG 18. März 1997 – 9 AZR 84/96 – aaO; 8. November 1972 – 4 AZR 15/72 – AP BGB § 157 Nr. 3). Deshalb kommt es auf den typischen Sinn der Erklärung an, der grundsätzlich nach objektiven Maßstäben und unabhängig von den subjektiven Vorstellungen der Parteien unter Berücksichtigung der Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Erklärungsempfängers zu ermitteln ist (BAG 18. März 1997 – 9 AZR 84/96 – aaO; BGH 25. Oktober 1952 – I ZR 48/52 – BGHZ 7, 365).

    Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung der Begriffe Referat und Sachgebiet entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch; in diesem Sinne werden die Begriffe beispielsweise in Ministerien und anderen größeren Behörden verwendet. Das “Referat” als Basiseinheit auf der unteren Organisationsebene faßt mehre gleichartige oder verwandte Daueraufgaben oder Sachgebiete zu einer selbständigen im Organisationsplan ausgewiesenen organisatorischen Einheit mit fest abgegrenzten Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnissen zusammen (vgl. Eichhorn Hrg. Verwaltungslexikon 2. Aufl. Stichworte: “Organisationseinheit”, “Referat” und “Sachgebiet”).

    Auch ergibt sich aus der Systematik der AAB selbst die Stufenfolge Sachgebietssekretäre – Referatssekretäre – Abteilungssekretäre (vgl. Gruppen 7 bis 9 des Tätigkeitskataloges). Dem Argument, Sachgebiet und Referat unterschieden sich nur quantitativ, ist daher nicht zu folgen. Daß der Kläger mehrere Sachgebiete betreut, trägt er selbst nicht vor.

    Auch der Umstand, daß die Vorgesetzte des Klägers die Position einer Referatsleiterin innehat, spricht dagegen, daß der Kläger ebenfalls auf dieser Ebene angesiedelt ist. Daß der Kläger das Büro seiner Vorgesetzten betreut, macht ihn nicht zum Referats“sekretär” im Sinne der AAB, denn der Begriff des Sekretärs in Vergütungsregelungen einer Gewerkschaft kann nur als “Gewerkschaftssekretär” oder “Rechts(schutz)sekretär” verstanden werden. Sachbearbeitertätigkeiten genügen nicht; vielmehr ist eine Außendarstellung der Gewerkschaft erforderlich (BAG 17. Mai 2001 – 8 AZR 705/00 – AP BGB § 611 Gewerkschaftsangestellte Nr. 4). Daß insofern nicht bloße Bürotätigkeiten gemeint sind, ergibt sich schon daraus, daß die AAB in Fällen bloßer Bürotätigkeit in der weiblichen Form von “Sekretärinnen” (eines Geschäftsführenden Bundesvorstandsmitgliedes, des Vorsitzenden etc.) sprechen.

    bb) Der Kläger ist auch nicht Sachgebietssekretär. Unter Zugrundelegung der oben genannten Auslegungskriterien ergibt sich, daß ein Sachgebietssekretär ein Gewerkschaftssekretär ist, dem eigene Verantwortung für ein gesamtes Sachgebiet obliegt.

    Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger Gewerkschaftssekretär ist, ob er also nicht lediglich sachbearbeitend tätig ist, sondern den Beklagten in der Öffentlichkeit repräsentiert (vgl. BAG 17. Mai 2001 – 8 AZR 705/00 – aaO). Auch ist nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger ein ganzes Sachgebiet betreut; woran allerdings Zweifel bestehen, denn er ist dem Vorbringen des Beklagten nicht entgegengetreten, er sei nur für vier bis fünf von insgesamt 35 gleichartigen Projekten zuständig. Jedenfalls hat er nicht hinreichend konkret dargelegt, aus welchen Umständen sich seine Letztverantwortung für den ihm zugewiesenen Arbeitsbereich ergibt. Das Vorbringen des Beklagten, er könne alle Maßnahmen und Veranstaltungen lediglich planen, müsse sie dann aber mit seiner Vorgesetzten absprechen und auch von ihr genehmigen lassen, hat er nicht bestritten.

    Die Tätigkeit des Klägers in den Ausschüssen, Gremien usw. führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum Teil handelt es sich um ehrenamtliche Aufgaben ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis, etwa bei seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter, zum Teil handelt es sich um Tätigkeiten für Einzelgewerkschaften und nicht für den Beklagten. Aber auch soweit sich ein Bezug zum Arbeitsvertrag herstellen läßt, ist eine Bewertung im Sinne des Tätigkeitskataloges nicht möglich. Der Kläger hat nämlich weder den zeitlichen Umfang noch seine jeweilige genaue Funktion bei der Arbeit in den Gremien vorgetragen. Daher kann nicht geprüft werden, wie die Tätigkeiten eingruppierungsrechtlich zu bewerten sind.

    c) Für eine Analogie bzw. ergänzende Auslegung, die nach Auffassung des Klägers zu einer Höhergruppierung führt, ist kein Raum.

    aa) Die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätze zur Schließung einer unbewußten Tariflücke (vgl. dazu BAG 21. Juni 2000 – 4 AZR 931/98 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 276; 13. Dezember 1995 – 4 AZR 411/95 – AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 3) sind vorliegend nicht anzuwenden. Die AAB stellen keine kollektivrechtliche Regelung dar, sondern bilden zusammen mit den individuell auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zugeschnittenen Regelungen des Anstellungsvertrages einen einheitlichen Arbeitsvertrag (siehe oben b aa). Innerhalb dieser einheitlichen Regelung der Arbeitsbedingungen findet sich keine Lücke hinsichtlich der Vergütungshöhe, denn die Parteien haben diese in Ziffer 3 des Anstellungsvertrages individuell vereinbart. Dieser Abrede kommt konstitutive Bedeutung zu; die Bezugnahme auf die AAB – übrigens nicht auch ausdrücklich auf den Tätigkeitskatalog – ändert hieran nichts, denn die individuelle Abrede ist spezieller und geht vor. Selbst wenn man – wie im öffentlichen Dienst – auch im Bereich des Beklagten annähme, daß bei einer gleichzeitigen Inbezugnahme eines Eingruppierungssystems der Nennung einer Vergütungsgruppe im Regelfalle nur deklaratorische Bedeutung zukommt, führt dies im Streitfall nicht zu einem Anspruch des Klägers auf eine höhere Vergütung, da sich die Tätigkeit des Klägers in das Eingruppierungssystem nicht einordnen läßt. In einem solchen Fall ist die Vereinbarung einer bestimmten Vergütungsgruppe als konstitutive Regelung anzusehen (vgl. BAG 16. Mai 2002 – 8 AZR 460/01 – AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 21; 27. September 2000 – 10 AZR 146/00 – BAGE 96, 1; 16. Februar 2000 – 4 AZR 62/99 – BAGE 93, 340 = AP NachwG § 2 Nr. 3) .

    bb) Überdies lassen die AAB entgegen der Auffassung des Klägers keine Systematik erkennen, die eine ergänzende Vertragsauslegung zuließe. Insbesondere trifft die Behauptung, wonach eine Tätigkeit in einer höheren Organisationseinheit immer auch zu einer höheren Eingruppierung führt, nicht zu. So erhalten Gewerkschaftssekretäre, die überwiegend vor Gerichten der 2. Instanz vertreten, sowohl auf Kreis- als auch auf Landesbezirksebene Vergütung nach Gruppe 9. Sekretärinnen mit einer angemessenen Ausbildung oder mindestens dreijähriger Berufserfahrung wird auf allen drei Organisationsebenen Vergütung nach Gruppe 4 gewährt. Entsprechendes gilt in Gruppe 5 für Gewerkschaftssekretäre im ersten Ausbildungsjahr und in Gruppe 6 für Gewerkschaftssekretäre in Ausbildung nach dem ersten Ausbildungsjahr.

    d) Der Anspruch läßt sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten, denn der Beklagte hat nicht gegen diesen Grundsatz verstoßen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vor, wenn im wesentlichen gleichliegende Sachverhalte ohne sachlich einleuchtenden Grund unterschiedlich behandelt werden (für Tarifverträge BAG 28. Mai 1996 – 3 AZR 752/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 143 = EzA GG Art. 3 Nr. 55; 7. November 1995 – 3 AZR 870/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 138 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 105; 20. Juni 1995 – 3 AZR 539/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Nährmittelindustrie Nr. 1 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 41). Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln und nicht einzelne Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe willkürlich schlechter zu stellen oder eine sachfremde Gruppenbildung vorzunehmen (BAG 21. Juni 2000 – 5 AZR 806/98 – AP BGB § 612 Nr. 60 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 83; 17. November 1998 – 1 AZR 147/98 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 79) .

    aa) Im Bereich der individuellen Entgeltvereinbarung findet der Grundsatz der Gleichbehandlung keine Anwendung. Ein Arbeitnehmer kann nicht mit der Begründung, der Arbeitgeber gewähre anderen Arbeitnehmern bei gleicher oder vergleichbarer Tätigkeit höhere Entgelte, seinerseits höhere Vergütung verlangen (Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht-Künzl 2. Aufl. 2.1 Rn. 883), wenn die Entgelte das Ergebnis individueller Vereinbarung darstellen (BAG 24. Oktober 1989 – 8 AZR 6/89 – nv.; Küttner Personalbuch 2002 9. Aufl. Gleichbehandlung Rn. 43). Einen allgemeinen Grundsatz “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit” im Sinne eines die Vertragsfreiheit einschränkenden überpositiven Prinzips kennt die deutsche Rechtsordnung nicht (BAG 21. Juni 2000 – 5 AZR 806/98 – AP BGB § 612 Nr. 60 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 83).

    Im Bereich der Vergütung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz lediglich anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG 17. November 1998 – 1 AZR 147/98 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 79) bzw. ein Vergütungssystem aufstellt (BAG 19. August 1992 – 5 AZR 513/91 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 102 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 52).

    bb) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, läßt das Vorbringen des Klägers den Schluß auf eine vom Beklagten geschaffene arbeitsvertragliche Einheitsregelung bezüglich der Tätigkeit des Klägers bzw. des Arbeitnehmers K… nicht zu. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten des Klägers annimmt, daß beide die gleiche Tätigkeit verrichteten. Ein generalisierendes Prinzip, nach dem der Beklagte vergleichbaren Arbeitnehmern Vergütung mindestens nach Gruppe 8 gewährte, läßt sich nicht schon daraus entnehmen, daß nur ein anderer Arbeitnehmer eine höhere Vergütung erhält. Eine Gruppenbildung liegt nur vor, wenn die Besserstellung nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen. Fehlt es hieran, liegt der die Anspruchsvoraussetzung bildende kollektive Bezug nicht vor (BAG 13. Februar 2001 – 5 AZR 713/00 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 184).

  • Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
 

Unterschriften

Hauck, Dr. Wittek, Laux, Morsch, R. Iskra

 

Fundstellen

Haufe-Index 922256

NZA 2004, 456

ZTR 2003, 354

NJOZ 2004, 1538

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