Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtszulage eines Lehrers in Thüringen. Begriff der Zusatzausbildung in einer Sonderpädagogischen Fachrichtung. Eingruppierung öffentl. Dienst

 

Orientierungssatz

Ein eineinhalbjähriges postgraduales Studium am Zentralinstitut für Weiterbildung der Lehrer und Erzieher in Ludwigsfelde mit dem Fachabschluß für Lehrer an Hilfsschulen stellt keine Zusatzausbildung in einer Sonderpädagogischen “Fachrichtung” dar, da hier nur sozialpädagogisches Grundlagenwissen vermittelt wurde.

 

Normenkette

BAT § 22 Lehrer, § 23 Lehrer; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O § 2 Nr. 3; GG Art. 74a Abs. 1, Art. 72 Abs. 1; BBesG § 1 Abs. 4, § 20 Abs. 3; Thüringer Besoldungsgesetz vom 22. August 1995 Anlage 1; Thüringer Förderschulgesetz vom 21. Juli 1992 i.d.F. vom 15. Dezember 1998

 

Verfahrensgang

Thüringer LAG (Urteil vom 23.04.2002; Aktenzeichen 5/6 Sa 532/2000)

ArbG Gera (Urteil vom 09.11.2000; Aktenzeichen 5 (3) Ca 2785/99)

 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Freistaats wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 23. April 2002 – 5/6 Sa 532/2000 – aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 9. November 2000 – 5 (3) Ca 2785/99 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des beklagten Freistaats, dem Kläger eine monatliche Amtszulage in Höhe von 261,54 DM (= 133,72 Euro) entsprechend der Fußnote 5 zur Besoldungsgruppe A 12 der Anlage 1 zum Thüringer Besoldungsgesetz zu zahlen.

Der Kläger ist als Lehrer an einer Förderschule des Freistaats Thüringen tätig und in die VergGr. III BAT-O eingruppiert. Er verfügt über einen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erworbenen Hochschulabschluß (Staatsexamen) als Diplomfachlehrer für Polytechnik. In der Zeit vom 1. September 1988 bis 28. Februar 1990 absolvierte er ein postgraduales, berufsbegleitendes Studium am Zentralinstitut für Weiterbildung der Lehrer und Erzieher in Ludwigsfelde mit dem Fachabschluß für Lehrer an Hilfsschulen. Dort legte er Einzelleistungen in den Fächern Grundlagen der Sonderpädagogik, Kennzeichnung der Population und Gestaltung des sonderpädagogischen Prozesses ab. Ihm wurde das Recht erteilt, die Ergänzung zur Berufsbezeichnung “Lehrer für Hilfsschulen” zu führen.

Der Kläger hat gemeint, ihm stehe eine Amtszulage zu, da er als Lehrer an einer Förderschule tätig sei und als Diplomlehrer für die Klassen fünf bis zehn sogar über eine qualitativ höhere Ausbildung als eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung verfüge. Mit dem Studium in Ludwigsfelde habe er eine Zusatzausbildung im sonderpädagogischen Bereich erworben.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. August 1999 eine Amtszulage in Höhe von monatlich 261,54 DM entsprechend der Besoldungsgruppe A 12 ThürBesG, Fallgruppe Lehrer als Lehrer an einer Förderschule zu zahlen.

Der beklagte Freistaat hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, daß der Kläger nicht als Lehrer an Förderschulen iSd. ThürBesG anzusehen sei. Er verfüge nicht über eine Lehrbefähigung für die unteren Klassen, sondern für die Klassen fünf bis zehn. Als Diplomlehrer mit einer Lehrbefähigung für ein Fach an allgemeinbildenden Schulen sei er in die VergGr. III BAT-O und zwar bereits im Eingangsamt eingruppiert. Diese Eingruppierung sehe keine Amtszulage vor. Das unterschiedliche Besoldungssystem für Diplomlehrer und Lehrer für untere Klassen sei nicht gleichheitswidrig. Selbst wenn man zugunsten des Klägers annehme, die Diplomlehrerausbildung umfasse die Ausbildung eines Lehrers für untere Klassen, verfüge der Kläger nicht über die notwendige Zusatzausbildung in einer sonderpädagogischen Fachrichtung. Das postgraduale Studium genüge diesen Anforderungen nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage, die zunächst mit einem Zahlungsantrag erhoben worden ist, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem in zweiter Instanz gestellten Feststellungsantrag stattgegeben. Mit der Revision begehrt der beklagte Freistaat die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Freistaats hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Amtszulage.

  • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der Kläger zwar Diplomlehrer mit einer Lehrbefähigung für ein Fach an allgemeinen oder berufsbildenden Schulen ist, aber als Lehrer an einer Förderschule anzusehen sei. Der Kläger verfüge zwar nicht über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung, aber über eine mit Staatsexamen abgeschlossene Hochschulausbildung für Lehrer der zehnklassigen polytechnischen Oberschule an der pädagogischen Hochschule in Erfurt. Diese sei “eher” höherwertiger als die pädagogische Fachschulausbildung. Im Wege der verfassungskonformen Auslegung sei sie deshalb für die Amtszulage zu berücksichtigen, auch wenn sie nicht im Gesetzestext als anspruchsbegründend erwähnt sei. Damit gelte die Fußnote 5 zur Besoldungsgruppe A 12 des Thüringer Besoldungsgesetzes, die einen Anspruch auf eine Amtszulage begründe, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen der Fußnote 8 zur Besoldungsgruppe A 12 erfüllt seien. Der Kläger habe seit dem 1. August 1999 eine achtjährige Lehrtätigkeit an einer Förderschule vorzuweisen. Die Zusatzausbildung in einer sonderpädagogischen Fachrichtung habe der Kläger durch sein postgraduales Studium erworben.
  • Dieser Begründung vermag der Senat nicht zu folgen, die Revision ist daher begründet.

    1. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. nur 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 114; 10. März 1999 – 10 AZR 480/98 –). Es ist davon auszugehen, daß sich das beklagte Land als Körperschaft des öffentlichen Rechts auch einem Feststellungsurteil für einen zurückliegenden abgeschlossenen Zeitraum beugen wird.

    2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der Fußnote 5 zur Besoldungsgruppe A 12 des Thüringer Besoldungsgesetzes liegen nicht vor.

    a) Vor dem Arbeitsgericht haben die Parteien im Kammertermin unstreitig gestellt, daß arbeitsvertraglich die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages-Ost mit allen Ergänzungen und Änderungen vereinbart ist.

    Damit sind folgende Bestimmungen maßgeblich:

    “Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom 8. Mai 1991 zum Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O)

    § 2

    Übernahme der Vergütungsordnung des BAT

    3. Die Anlage 1a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die

    als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 l I fallen,

    beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. …”

    b) Der Kläger ist Lehrkraft im Sinne der tariflichen Bestimmungen, da er an einer zu den allgemeinbildenden Schulen gehörenden Sonderschule bzw. Förderschule des Beklagten Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes vermittelt. Sonderschulen (Förderschulen) gelten als allgemeinbildende Schulen (st. Rspr. des BAG vgl. 13. Juni 1996 – 6 AZR 858/94 – BAGE 83, 201 = AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 45; 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 46). Deshalb ist für seine Eingruppierung nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 die Anlage 1a zum BAT-O nicht anzuwenden. Der Kläger ist gemäß § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vielmehr in die Vergütungsgruppe eingestuft, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher er eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Die in dieser Form im Tarifvertrag vorgenommene Verweisung auf beamtenrechtliche Besoldungsvorschriften begegnet keinen rechtlichen Bedenken (st. Rspr. des BAG vgl. zB 20. April 1994 – 4 AZR 312/93 – BAGE 76, 264, 271 = AP BAT-O § 11 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Öffentl. Dienst Nr. 12; 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – AP BAT-O § 11 Nr. 9).

    c) Auf der Grundlage von Art. 74a Abs. 1 und Art. 72 Abs. 1 GG regelt das Bundesbesoldungsgesetz auch die Besoldung der Lehrer der Länder, § 1 Abs. 1 Nr. 1 BBesG. Nach § 1 Abs. 4 BBesG können die Länder diesbezüglich besoldungsrechtliche Vorschriften nur erlassen, soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Nach § 20 Abs. 3 BBesG dürfen in Landesbesoldungsordnungen Ämter nur aufgenommen werden, soweit dies im Bundesbesoldungsgesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn sie sich von den Ämtern in den Bundesbesoldungsordnungen nach dem Inhalt der zugeordneten Funktionen wesentlich unterscheiden.

    Nach der Bundesbesoldungsordnung sind keine Ämter für Sonderschullehrer oder vergleichbare Lehrer an Sonderschulen mit einer Lehrbefähigung, die in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erworben wurde, ausgebracht.

    Eine landesgesetzliche Regelung für die Eingruppierung und Amtszulagen erfolgte durch das Thüringer Besoldungsgesetz vom 22. August 1995 (ThürGVBl. S. 249 ff.). Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind folgende Vorschriften der Besoldungsordnung A = Anlage 1 zum Thüringer Besoldungsgesetz (ThürBesG) von Bedeutung:

    Anlage 1 zum ThürBesG (Thüringer Besoldungsordnung A):

    “Besoldungsgruppe A 11

    Lehrer

     – 

    als Lehrer an einer Förderschule – (6)), (8)), (9))

    Fußnote 6)

    Als Eingangsamt.

    Fußnote 7)

    Mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für die unteren Klassen oder einer vergleichbaren Ausbildung wie zum Beispiel als Freundschaftspionierleiter/Erzieher mit einer Ergänzungsausbildung in den entsprechenden Fächern der Lehrer für die unteren Klassen nach dem Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.

    Fußnote 8)

    Für Lehrer nach Fußnote 7 zu dieser Besoldungsgruppe mit einer Zusatzausbildung in einer sonderpädagogischen Fachrichtung.

    Fußnote 9)

    Erhält eine Amtszulage nach Anlage 3.

    Besoldungsgruppe A 12

    Förderschullehrer

     – 

    als Lehrer im sonderpädagogischen Unterricht an einer Förderschule – (3)), (4))

     – 

    als Diplomlehrer für Hilfsschulen im sonderpädagogischen Unterricht an einer Förderschule – (3)), (5)), (6))

    Lehrer

     – 

     – 

    als Lehrer an einer Förderschule – (5)), (8))

     – 

    als Diplomlehrer mit einer Lehrbefähigung für ein Fach an allgemein- oder berufsbildenden Schulen – (9))

     – 

    Fußnote 5)

    Erhält eine Amtszulage nach Anlage 3.

    Fußnote 6)

    Für Lehrkräfte mit einem Abschluß als Diplomlehrer für Hilfsschulen (Universität Rostock) nach dem Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.

    Fußnote 8)

    Die Fußnote 8 zur Besoldungsgruppe A 11 gilt entsprechend. In diese Besoldungsgruppe können nur Beamte nach mindestens dreißigjähriger entsprechender Lehrtätigkeit davon mindestens sechs Jahre im neuen Schulsystem seit dem 1. August 1991 oder nach mindestens zwanzigjähriger entsprechender Lehrtätigkeit davon mindestens sieben Jahre im neuen Schulsystem seit dem 1. August 1991 oder nach mindestens achtjähriger entsprechender Lehrtätigkeit im neuen Schulsystem seit dem 1. August 1991 eingestuft werden.

    Fußnote 9)

    Für Diplomlehrer und vergleichbare Lehrkräfte mit einer nach dem Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erworbenen Lehrbefähigung für ein Fach der Klassen 5 bis 10 oder 5 bis 12 sowie Lehrer für untere Klassen mit einer zusätzlichen pädagogischen Hochschulausbildung für ein Fach der Klassen 5 bis 10 oder 5 bis 12, das auch im neuen Schulsystem anerkannt ist.”

    d) Die Voraussetzungen für die Zahlung einer Amtszulage nach Fußnote 5 zur Besoldungsgruppe A 12 iVm. Anlage 3 zum ThürBesG liegen nicht vor.

    Der Kläger ist nicht “Förderschullehrer” iSd. Besoldungsgruppe A 12.

    Nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6, Abs. 8 des Thüringer Schulgesetzes handelt es sich bei Förderschulen um eine Schulart des Freistaats, die in § 2 des Thüringer Förderschulgesetzes vom 21. Juli 1992 idF vom 15. Dezember 1998 näher geregelt ist. Nach § 17 Abs. 2 des Förderschulgesetzes wird die Befähigung zum Lehramt an Förderschulen erworben

    • durch ein Studium an einer Hochschule oder Universität als Grundschullehrer oder als Lehrer anderer Schularten sowie ein mindestens viersemestriges sonderpädagogisches Aufbaustudium, das mit der 1. Staatsprüfung für zwei sonderpädagogische Fachrichtungen und nach einem zweijährigen Vorbereitungsdienst mit der 2. Staatsprüfung abgeschlossen wird, oder
    • durch ein grundständiges, mindestens achtsemestriges, sonderpädagogisches Studium, das mit der 1. Staatsprüfung für zwei sonderpädagogische Fachrichtungen und nach einem zweijährigen Vorbereitungsdienst mit der 2. Staatsprüfung abgeschlossen wird.

    Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

    Der Kläger ist nicht “Lehrer an einer Förderschule” im Sinne der Fußnote 8 zur Besoldungsgruppe A 12 des ThürBesG. Das ergibt sich aus der Besoldungsgruppe A 11 Fußnote 7 und 8 ThürBesG. Hiernach sind nämlich Lehrkräfte mit der Fachschulausbildung als Lehrer für die unteren Klassen oder einer vergleichbaren Ausbildung wie zum Beispiel als Freundschaftspionierleiter als “Lehrer an einer Förderschule” eingestuft, wenn sie über eine Zusatzausbildung in einer sonderpädagogischen Fachrichtung verfügen. Dieser Begriff des “Lehrers an einer Förderschule” entspricht auch den §§ 20, 21 der Thüringer Schuldienstlaufbahnverordnung vom 11. Oktober 2000 (ThürGVBl. S. 317).

    Der Kläger hat keine abgeschlossene Fachschulausbildung als Lehrer für die unteren Klassen oder eine vergleichbare Ausbildung wie zum Beispiel als Freundschaftspionierleiter, sondern er hat eine abgeschlossene pädagogische Hochschulausbildung (Statsexamen) als Diplomlehrer für die Klassen 5 bis 10 in den Fächern Polytechnik und den Fächern Wirtschaft und Technik. Die Lehrbefähigung für die Klassen 5 bis 10 umfaßt nicht automatisch die Lehrbefähigung für die unteren Klassen. Es handelt sich dabei um abgegrenzte Formen der Lehrerausbildung. Bei den Ausbildungen werden jeweils gesonderte, auf den späteren Abschluß abgestimmte Kenntnisse vermittelt. Der Kläger ist vielmehr Diplomlehrer im Sinne des dritten Spiegelstriches bei der Untergruppe “Lehrer” und damit Lehrer im Sinne der Fußnote 9 zur Besoldungsgruppe A 12.

    Der Kläger hat des weiteren keinen Abschluß als Diplomlehrer für Hilfsschulen der Universität Rostock nach Fußnote 6. Die Fußnote 5 zur Besoldungsgruppe A 12, die eine Amtszulage vorsieht, gilt nach dem ThürBesG aber nur für diese beiden Arten von Lehrern.

    Für Diplomlehrer mit einer Lehrbefähigung für ein Fach an allgemein- und berufsbildenden Schulen nach Besoldungsgruppe A 12 wie den Kläger ist eine Amtszulage nicht vorgesehen, die Fußnote 5 gilt hier nicht.

    Es ist nicht davon auszugehen, bei dem Umstand, daß Einfachdiplomlehrern keine Amtszulage zusteht, handele es sich um ein Versehen, was das Landesarbeitsgericht anklingen läßt, ohne dies weiter auszuführen. Das folgt aus der ausdifferenzierten Regelung in der Besoldungsgruppe A 12, welche für einige konkrete Fälle eine Amtszulage vorsieht und für andere nicht. Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten, um diese Regelung für ein ggf. im Wege der Auslegung zu korrigierendes Redaktionsversehen des Gesetzgebers zu behandeln.

    e) Es kann offenbleiben, ob die Tatsache, daß Lehrer an Förderschulen im Gegensatz zu Diplomlehrern mit einer Lehrbefähigung für ein Fach an allgemein- und berufsbildenden Schulen eine Amtszulage zur Besoldungsgruppe A 12 erhalten, generell gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, wie das Landesarbeitsgericht meint. Weitere anspruchsbegründende Voraussetzung ist nämlich in jedem Fall nach Fußnote 8 zur Besoldungsgruppe A 12, die auf die Fußnote 8 zur Besoldungsgruppe A 11 verweist, das Vorliegen einer “Zusatzausbildung in einer sonderpädagogischen Fachrichtung”. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verfügt der Kläger über eine solche Zusatzausbildung in einer sonderpädagogischen Fachrichtung nicht.

    Der Kläger hat vom 1. September 1988 bis zum 28. Februar 1990 ein postgraduales Fernstudium am Zentralinstitut für Weiterbildung der Lehrer und Erzieher in Ludwigsfelde absolviert, mit dem er das Recht verliehen bekam, die Ergänzung zur Berufsbezeichnung “Lehrer für Hilfsschulen” zu führen. Der Senat hat mit Urteil vom 18. April 2002 (– 8 AZR 296/01 – ZTR 2002, 588) entschieden, daß die besagte Ausbildung eine pädagogische Zusatzausbildung zum sonderpädagogischen Oberassistenten im Sinne der Fußnote 8 zur Besoldungsgruppe A 10 darstellt. Ein solcher Fachabschluß, wie er auch im Streitfall vom Kläger erworben worden ist, stellt jedoch keine “Zusatzausbildung in einer sonderpädagogischen Fachrichtung” im Sinne der Fußnote 8 zur Besoldungsgruppe A 11 dar.

    Bei einer Zusatzausbildung im Thüringer Besoldungsgesetz handelt es sich um eine mit einem Abschluß versehene Bildungsmaßnahme, die Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt, die über diejenigen auf pädagogischem Gebiet liegenden Fähigkeiten und Kenntnisse hinausgehen, die bei der grundständigen Ausbildung vermittelt wurden (zum Begriff der Zusatzausbildung ausführlich Senat 18. April 2002 – 8 AZR 296/01 – aaO). Da der Kläger mit dem postgradualen Studium einen Fachschulabschluß und das Recht, die Ergänzung zur Berufsbezeichnung “Lehrer an Hilfsschulen” zu führen, erwarb, handelt es sich hierbei um eine “Zusatzausbildung” in diesem Sinne.

    Anders als Fußnote 7 zur Besoldungsgruppe A 10 setzt die Ausbildung nach Fußnote 8 zur Besoldungsgruppe A 11 jedoch inhaltlich voraus, daß es sich um eine Zusatzausbildung “in einer sonderpädagogischen Fachrichtung” handelt. Diesen inhaltlichen Anforderungen wird ein postgraduales Fernstudium wie das vom Kläger absolvierte nicht gerecht.

    Bei der sonderpädagogischen Ausbildung wird zwischen Grundlagenfächern und sonderpädagogischen Fachrichtungen unterschieden. Zu den Grundlagenfächern gehört nach dem heute gültigen Recht die allgemeine Sonderpädagogik und die Psychologie der Behinderten, zu den sonderpädagogischen Fachrichtungen die Geistigbehindertenpädagogik, die Lernbehindertenpädagogik, die Sprachbehindertenpädagogik und die Verhaltensgestörtenpädagogik (vgl. beispielsweise § 2 Abs. 2 und 3 der Thüringer Verordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Förderschulen vom 6. Mai 1994 (ThürGVBl. S. 693) zuletzt geändert am 18. Juni 1996 (ThürGVBl. S. 133) nebst der ausführlichen Anlage A und B zu § 2 Abs. 1 der Verordnung). Auch in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wurden sonderpädagogische Fachrichtungen als solche bezeichnet und behandelt. Nach der Gemeinsamen Anweisung des Ministers für Volksbildung und des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen zur Ausbildung von Pädagogen für Einrichtungen des Sonderschulwesens vom 1. August 1984 erfolgte die Ausbildung in folgenden “Fachrichtungen”: Pädagogik der intellektuell Geschädigten, der Blinden und Sehschwachen, der Gehörlosen und Schwerhörigen, der Körperbehinderten, der Sprachgeschädigten und Verhaltensgeschädigten. Gleiches gilt nach der Gemeinsamen Anweisung des Ministers für Volksbildung und des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen über das Fernstudium zur Ausbildung von Pädagogen für Einrichtungen des Sonderschulwesens vom 1. August 1984. Nach dieser Anweisung konnten Lehrer und Erzieher mit praktischen Erfahrungen in einem zweijährigen Fernstudium an der Humboldt-Universität Berlin einen Hochschulabschluß in einer sonderpädagogischen Fachrichtung erwerben.

    Die Ausbildung des Klägers beruhte dagegen auf der Anweisung Nr. 19/84 über das postgraduale Studium zur sonderpädagogischen Qualifizierung von Lehrern, Erziehern und Kindergärtnerinnen in Einrichtungen des Sonderschulwesens vom 29. Oktober 1984. Nach § 3 dieser Anweisung wurde mit dem postgradualen Studium lediglich die Qualifikation für die Tätigkeit als Lehrer, Erzieher oder Kindergärtnerin an einer Einrichtung des Sonderschulwesens erworben. Es handelte sich inhaltlich nur um eine Vermittlung von Grundlagenwissen, wie auch das Zeugnis vom 28. Februar 1990 zeigt. Bescheinigt wurden hiermit Kenntnisse in Grundlagen der Sozialpädagogik, Kennzeichnung der Population und Gestaltung des sonderpädagogischen Prozesses. Spezielle und vertiefte Kenntnisse in einzelnen sonderpädagischen Fachrichtungen wurden in dieser Ausbildung demnach nicht erworben. Mit dem postgradualen Fernstudium nach der Anweisung Nr. 19/84 wurde demnach eine allgemeine sonderpädagogische Zusatzausbildung, aber nicht eine Zusatzausbildung in einer sonderpädagogischen Fachrichtung absolviert.

    Da die Amtszulage aber nur die qualifizierte Tätigkeit eines Lehrers an Förderschulen belohnen will, der über spezielle Kenntnisse in einer sonderpädagogischen Fachrichtung verfügt, sind die Voraussetzungen für die Zahlung einer Amtszulage nicht gegeben.

  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
 

Unterschriften

Hauck, Dr. Wittek, Laux, Binder, Mache

 

Fundstellen

Haufe-Index 1004556

NZA 2004, 1240

ZTR 2004, 155

PersR 2004, 325

NJOZ 2004, 3788

Tarif aktuell 2004, 9

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge