Entscheidungsstichwort (Thema)

Verschlechternde Ablösung einer Unterstützungskassen-Versorgung

 

Normenkette

BetrAVG § 1 Ablösung, § 2 Abs. 1, 5, § 16; GG Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 30.06.2000; Aktenzeichen 3 Sa 1277/99 B)

ArbG Hannover (Urteil vom 28.04.1999; Aktenzeichen 11 Ca 521/98 B)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 30. Juni 2000 – 3 Sa 1277/99 B – aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Teilwiderrufs einer Versorgungszusage.

Der 1952 geborene Kläger war seit dem 1. Oktober 1977 zunächst bei der ursprünglich beklagten Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV) und ist seit deren Vereinigung mit anderen zu der beklagten Gewerkschaft bei dieser als Gewerkschaftssekretär beschäftigt. Der Anstellungsvertrag des Klägers vom 1. Oktober 1978 und die Allgemeinen Anstellungsbedingungen bei der HBV verweisen wegen einer betrieblichen Altersversorgung auf die Satzung und Richtlinien der Unterstützungskasse des DGB eV (im folgenden: Unterstützungskasse). Die HBV war eines der Mitglieder dieser Unterstützungskasse. Für Arbeitnehmer wie den Kläger, die am 31. Dezember 1982 bei der Unterstützungskasse angemeldet waren, galten die am 1. April 1988 in Kraft getretenen Unterstützungsrichtlinien 1988 (URL 88) in der Fassung vom 20. Mai 1994. Für später eingetretene Mitarbeiter waren die Unterstützungsrichtlinien 1983 (URL 83) maßgeblich. Die URL 88 sehen endgehaltsbezogene Versorgungsleistungen und eine Gesamtversorgungsobergrenze von 70 % vor und werden durch eine den Besitzstand aus vorangegangenen Versorgungsregelungen wahrende sog. Altlastregelung ergänzt. Die Finanzierung der Unterstützungskasse erfolgte im Umlageverfahren. Die Kassenmitglieder, auch die HBV, leisteten aus ihren Einnahmen jeweils Zahlungen an die Unterstützungskasse, um deren laufende Aufwendungen für die Betriebsrentner zu refinanzieren.

Am 6. Juni 1995 beschloß die Unterstützungskasse eine Neuregelung der Versorgung in Form der Versorgungsordnung 1995 (VO 95). Nach deren § 1 Abs. 2 gilt sie für die Beschäftigten und früheren Beschäftigten der Kassenmitglieder nur dann, wenn ihr Kassenmitglied die schriftliche Erklärung abgegeben hat, daß es dieser Versorgungsordnung beitritt. In der VO 95 ist eine beitragsorientierte Versorgung vorgesehen, bei der die Anwartschaften über eine Rückdeckungsversicherung voraus finanziert werden. Die Mitglieder der Unterstützungskasse zahlen monatliche Beiträge für die bei ihnen Beschäftigten. Deren monatliche Unterstützung errechnet sich aus der Summe von Rentenbausteinen, die während der Anrechnungszeit in jedem Kalenderjahr erworben werden (§ 6 VO 95). Weiter heißt es in der VO 95 unter der Überschrift “Unterstützungs-Richtlinien 1988 und 1983 – § 26 Ablösung der Gesamtversorgungszusage”):

“(1) Ein Kassenmitglied kann durch schriftliche Erklärung gegenüber seinen Begünstigten und gegenüber der Unterstützungskasse bestimmen, daß die Gesamtversorgungszusagen nach § 6 ab einem bestimmten Zeitpunkt durch eine anderweitige Regelung abgelöst werden. …”

Zusammen mit der VO 95 ist die Richtlinie zur Versorgung durch Gehaltsumwandlung in Kraft getreten, nach der die Begünstigten durch Gehaltsumwandlung zusätzliche Versorgungsanwartschaften erhalten können.

Mit einer am 18. Oktober 1996 abgeschlossenen “Betriebsvereinbarung zur Umsetzung der U-Kassen-Reform vom 66.95 (Versorgungsordnung 1995) und zur Eingrenzung der Versorgungsverpflichtungen der Gewerkschaft HBV (Ohne Gesamtversorgung URL 88)” vereinbarten die HBV und der bei ihr bestehende Betriebsrat ua.:

“Angesichts der in der Zukunft dramatisch ansteigenden Versorgungslast aus den Zusagen nach den Unterstützungsrichtlinien 1988 und 1983 sowie der dargelegten aktuellen und sich weiter abzeichnenden wirtschaftlichen Entwicklung der Gewerkschaft HBV stimmen Geschäftsführender Hauptvorstand und Betriebsrat nach ausführlichen Beratungen überein, daß ausreichend triftige Gründe vorliegen, die Eingriffe in das bestehende Versorgungssystem unerläßlich machen.

Betriebsrat und GHV stimmen überein, daß die Erfüllung der zugesagten (aber noch nicht fälligen) Leistungen der Gewerkschaft HBV nicht zumutbar ist, da sie in einer längerfristigen Prognose den Bestand der Gewerkschaft HBV gefährden könnte.

1.1. Die Gewerkschaft HBV tritt ab 1. Januar 1997 der Versorgungsordnung 1995 (VO 95) bei und löst gleichzeitig zum 31.12. 96 die Versorgungszusagen nach den Unterstützungs-Richtlinien 1983 ab. …

6. Schließung der Altersversorgung

Die Vertragspartner stimmen ebenfalls darin überein, daß die Schließung der betrieblichen Altersversorgung für neu eingestellte Beschäftigte ab dem 1. Januar 1997 sachgerecht und geboten ist.

…”

Am 8. Oktober 1997 schloß die HBV mit dem Betriebsrat eine “Ergänzungsvereinbarung zur Betriebsvereinbarung zur Umsetzung U-Kassen-Reform vom 6.06.1995 (VO '95) und zur Eingrenzung der Versorgungsverpflichtung der Gewerkschaft HBV vom 18.10.1996”, die auszugsweise wie folgt lautet:

“§ 1

Hinter die Ziffer 2 wird eine neue Ziffer 3 eingefügt. Die Ziffern 3. bis 7. werden zu den Ziffern 4. bis 8.

§ 2

Die neue Ziffer 3. erhält folgenden Wortlaut:

3. Gesamtversorgungszusagen (URL '88)

3.1. Bei allen Anwartschaften nach den Unterstützungsrichtlinien 1988 (URL 88 -Gesamtversorgungszusagen) wird in Anwendung des § 4 Abs. 5 der Unterstützungsrichtlinien 1988 für das Bemessungsentgelt eine Obergrenze wie folgt festgesetzt:

Das Bemessungsentgelt gem. § 4 Abs. 1 der URL 88 wird ab 1. Januar 1998 auf 90 % des Arbeitsentgeltes des Kalenderjahres 1997 gem. § 4 Abs. 1 URL 88 festgesetzt. Vereinbarte kollektive Erhöhungen des Arbeitsentgelts gem. § 4 Abs. 1 URL 88 in den Folgejahren steigern das Bemessungsentgelt um zwei Drittel der vereinbarten Erhöhung. In § 4 der URL 88 nicht genannte Einmalzahlungen bleiben unberücksichtigt. Individuelle Veränderungen des Arbeitsentgeltes (Eingruppierungen und Einstufungen) verändern das Bemessungsentgelt entsprechend im vollen Umfang.

3.2. Führt die Reduzierung des Bemessungsentgeltes gem. Ziffer 3.1 dazu, daß mit Bezug der Altersrente auf Basis des dann gültigen gesetzlichen Rentenniveaus die Unterstützungsleistung weniger als die Hälfte der Unterstützung bei unvermindertem Bemessungsentgelt betragen würde, wird die Unterstützung um den Betrag angehoben, der erforderlich ist, um die Hälfte der Unterstützung zu erreichen, die bei unvermindertem Bemessungsentgelt zu berechnen gewesen wäre. Die Altlast-Regelung vom 20. Mai 1994 entfällt ab dem 1. Januar 1998. …

3.4. Besitzstandsklausel

Ist eine Unterstützung aus einem Unterstützungsfall ab dem 1. Januar 1998, die nach Ziffer 3.1. zu kürzen ist, niedriger als der Betrag der bis zum 31.12.1997 zeitanteilig erworbenen Anwartschaft nach § 9 URL '88 zuzüglich Altlast-Regelung, darf dieser Betrag nicht unterschritten werden.

…”

Mit Schreiben vom 4. Dezember 1997 erklärte die HBV, die mit Wirkung vom 1. Januar 1997 der VO 95 beigetreten war, gegenüber dem Kläger den Widerruf ihrer Zusage auf Gewährung einer Unterstützung nach den URL 88 zum 31. Dezember 1997 aus triftigen wirtschaftlichen Gründen. Sie sagte ihm gleichzeitig eine Betriebsrente auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 8. Oktober 1997 zu.

Nach einer Berechnung der HBV aus April 1998 hatte der Kläger zum Stichtag 31. Dezember 1997 auf der Grundlage der URL 88 eine unverfallbare Teilanwartschaft in Höhe von 1.184,00 DM erworben. Bei Eintritt des Unterstützungsfalls mit Vollendung des 65. Lebensjahres wäre die Anwartschaft nach den URL 88 auf bis zu 3.978,00 DM angewachsen. Nach der Neuregelung kann der Kläger dagegen lediglich eine Unterstützung in Höhe von höchstens 2.524,00 DM erwarten.

Die Gewerkschaft HBV bezog mehr als 90 % ihrer Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, die jeweils 1 % des Bruttomonatsentgelts des einzelnen Gewerkschaftsmitglieds ausmachen. Der Mitgliederstand bei der HBV, der sich im Jahr 1991 durch die Vereinigung mit der HBV-DDR deutlich erhöht hatte, ging in der Folgezeit wieder zurück. Deshalb beschloß die HBV 1993 eine Personalreduzierung von 1.042 Mitarbeitern am 31. Dezember 1992 auf ca. 700 im Jahr 1998. Aus Beiträgen ihrer Mitglieder erzielte die HBV zwischen 1992 und 1997 die folgenden Einnahmen: 1992: 135.280 TDM, 1993: 138.440 TDM, 1994: 137.225 TDM, 1995: 134.500 TDM, 1996: 131.900 TDM und 1997: 130.469 TDM. Die sonstigen Einnahmen beliefen sich 1992 auf 14.550 TDM, 1993 auf 9.470 TDM, 1994 auf 5.983 TDM, 1995 auf 4.815 TDM, 1996 auf 5.854 TDM und 1997 auf 6.207 TDM.

In den Jahren 1992 bis 1994 hatte die Gewerkschaft HBV zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten den “Vermögensstamm” auf 52,76 % des Stammes aus dem Jahr 1992 reduziert. Bis 1998 gelang es ihr, den Vermögensstamm wieder auf das Niveau des Jahres 1991 aufzubauen. Das Vermögen der HBV belief sich 1995 auf 32.379 TDM, 1996 auf 40.315 TDM, 1997 auf 53.645 TDM und 1998 auf 59.741 TDM. Den größten Teil ihrer Vermögenswerte, darunter ihren Streikfonds und eine Beteiligung an der Beteiligungsgesellschaft der Gewerkschaften (BGAG), ließ die HBV von der Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH (VVG), deren Alleingesellschafterin sie ist, treuhänderisch verwalten.

Ein von der Gewerkschaft HBV in Auftrag gegebenes versicherungsmathematisches Prognose-Gutachten der AHT Allgemeine Treuhandgesellschaft mbH (AHT) vom 30. April 1998 kommt unter Berücksichtigung der Schließung der Altersversorgung ab 1. Januar 1997 und unter Zugrundelegung der bisherigen Unterstützungsrichtlinien (Altregelung) zu dem Ergebnis, daß die Rentensumme und die entsprechende Beitragslast für Rentenzahlungen von 4.240 TDM im Jahr 1998 auf 12.280 TDM im Jahr 2014, die ungedeckten Pensionsverpflichtungen im gleichen Zeitraum von 114.150 TDM auf 186.960 TDM stetig angestiegen wären und das Verhältnis zwischen der Beitragslast und den Gehältern sich von 7,9 % auf 30,2 % erhöht hätte. Auf der Grundlage der in den Jahren 1996 und 1997 beschlossenen Änderungen steigt nach den Berechnungen des Gutachtens die auf Grund der eingeführten Rückdeckung im Vergleich zur Altregelung bis in das Jahr 2007 höhere Beitragslast von zunächst 5.420 TDM im Jahr 1998 auf 8.780 TDM im Jahr 2014, die ungedeckten Pensionsverpflichtungen erhöhen sich von 88.000 TDM im Jahr 1998 bis auf 106.500 TDM im Jahr 2007 und sinken anschließend kontinuierlich auf 96.370 TDM im Jahr 2014 ab, das Verhältnis zwischen Beitragslast und Gehältern entwickelt sich im Zeitraum 1998 bis 2014 von 10 % auf 21,6 %. Das Gutachten vom 30. April 1998 beruht ua. auf der von der HBV vorgegebenen Annahme, daß sich die Beschäftigtenzahl in 1998 von 700 auf 681 in 1999 reduziert und ab 2000 ein jährlicher Abbau um 2,2 % auf 488 im Jahr 2014 erfolgt. Weiter wird davon ausgegangen, daß die Altersrente zum jeweils frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Rentenreformgesetz 1999 beantragt wird, die Gehaltserhöhungen für 1998 2,2 % und ab 1999 jährlich 1,7 % betragen, die künftigen Unterstützungszahlungen mit einem Rechnungszinsfuß von 6 % zu bewerten sind und die laufenden Unterstützungen jährlich um 1,2 % angepaßt werden. Die Bestandsentwicklung erfolgte nach dem sog. Monte-Carlo-Verfahren, einer stochastischen Zufallssimulation.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Widerruf sei unwirksam. Die Gewerkschaft HBV könne sich nicht auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berufen. Eine planwidrige Überversorgung liege nicht vor. Er ist der Ansicht, ein Eingriff in die erdiente Dynamik liege schon deshalb vor, weil das Bemessungsentgelt von 100 % auf 90 % reduziert werde. Triftige Gründe hierfür seien nicht ersichtlich. Die ungedeckten Verpflichtungen für die Versorgungsanwartschaften seien nicht zu berücksichtigen. Es bestehe keine Pflicht, entsprechende Rückstellungen zu bilden. Sie finanziere nur die bereits laufenden Leistungen. Auf eine etwaige Unterkapitalisierung könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie diese – wie die anderen DGB-Gewerkschaften auch – mit der Wahl des Versorgungsweges über eine Unterstützungskasse in Kauf genommen habe. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gewerkschaft HBV sei ein Prognosezeitraum von lediglich drei Jahren unzureichend. In die Betrachtung müsse die Einnahmen- und Ausgabensituation der VVG einbezogen werden, deren Erträge der HBV zugeleitet würden. Hierzu fehle konkreter Vortrag der Beklagten, die von 1993 bis 1997 erhebliche Überschüsse erwirtschaftet habe. Die kritische Situation aus den Jahren 1991 bis 1993 sei überwunden. Es müsse auch berücksichtigt werden, daß er bereits durch Verzicht auf Gehaltsbestandteile und Gehaltserhöhungen einen Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der HBV geleistet habe. Ferner dürfe bei der Prognose die zum Zeitpunkt des Widerrufs geplante Verschmelzung der HBV mit anderen Gewerkschaften zur Beklagten nicht außer Betracht gelassen werden.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß der Widerruf vom 4. Dezember 1997 seine Ruhegeldansprüche nicht abändert.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Widerruf sei wirksam. Die Geschäftsgrundlage der bisherigen Altersversorgung sei weggefallen. Darüber hinaus rechtfertige ihre wirtschaftliche Lage den Widerruf. Es sei zweifelhaft, ob überhaupt ein Eingriff in die erdiente Dynamik vorliege. Jedenfalls lägen triftige Gründe vor. Auf Grund ihrer dramatischen Finanzlage sei sie zu erheblichen Eingriffen in das Rentensystem gezwungen gewesen, um eine Substanzauszehrung zu vermeiden. Neben dem erheblichen Mitgliederverlust seien auch strukturelle Probleme in der Mitgliedschaft erkennbar, was auf eine weitere Verschlechterung der Einnahmesituation hindeute. Es sei schon für die Jahre 1999 bis 2002 mit weiter rückläufigen Beitragseinnahmen zu rechnen gewesen, für 1999 mit 125.391 TDM, für 2000 mit 123.890 TDM, für 2001 mit 121.899 TDM und für 2002 mit 120.248 TDM. Eine noch stärkere Reduzierung der Mitarbeiterzahl sei nicht vertretbar. Ansonsten wäre die flächendeckende Betreuung der Mitglieder in Frage gestellt, was wiederum den Mitgliederschwund beschleunigen würde. Bei der Prüfung, ob triftige Gründe vorlägen, seien auch die ungedeckten Verpflichtungen aus den Versorgungsanwartschaften zu berücksichtigen. Der Abschluß der Betriebsvereinbarungen stelle ein Indiz für die Erforderlichkeit der vorgenommenen Änderungen dar. Der Kläger könne nicht auf die getätigten Vermögenszuführungen verweisen, denn diese seien notwendig, um überhaupt Streiks führen zu können. Sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, als Reaktion auf die prekäre Finanzlage den Streikfonds anzugreifen. Als eine gem. Art. 9 Abs. 3 GG grundgesetzlich geschützte Koalition obliege ihr eine autonome Entscheidung über den Einsatz ihrer Mittel. Es habe auch keine Verpflichtung für die HBV bestanden, die mögliche Gründung der Beklagten in die Prognose einzubeziehen. Zu den maßgeblichen Änderungsstichtagen hätten lediglich Planungen in dieser Richtung bestanden. Ob, auf welche Weise und unter Beteiligung welcher Gewerkschaften eine Dienstleistungsgewerkschaft tatsächlich gebildet werde, sei damals aber noch nicht absehbar gewesen.

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag entsprochen. Die Berufung blieb erfolglos. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Vor einer abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits bedarf es weiterer Sachaufklärung. Dies führt zur Zurückverweisung (§ 565 Abs. 1 ZPO).

I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, nach denen die Wirksamkeit eines Eingriffs in eine Versorgungszusage unter Einschaltung einer Unterstützungskasse nach der ständigen Senatsrechtsprechung zu überprüfen ist. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht bislang nicht fest, daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten durch ihren Widerruf vom 4. Dezember 1997 beim Kläger überhaupt in die zweite Besitzstandsstufe, die sogenannte erdiente Dynamik, eingegriffen hat. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an einen solchen Eingriff unter den besonderen Umständen des Einzelfalls verkannt und keine ausreichenden Feststellungen getroffen, aus denen auf das Fehlen triftiger Gründe zu schließen wäre.

1. Unterstützungskassen schließen grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf die in Aussicht gestellten Versorgungsleistungen aus. Gleichwohl nimmt der Senat in ständiger vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandeter Rechtsprechung an, daß aus einer Versorgungszusage unter Einschaltung einer Unterstützungskasse ein Rechtsanspruch erwächst, dieser aber ganz oder teilweise aus sachlichem Grund widerruflich ist (seit BAG 17. Mai 1973 – 3 AZR 381/72 – BAGE 25, 194, 199 ff.; BVerfG 19. Oktober 1983 – 2 BvR 298/81 – AP BetrAVG § 1 Unterstützungskassen Nr. 2, zu B II 1a der Gründe). Zur Konkretisierung der Anforderungen an einen wirksamen Eingriff in eine Versorgungszusage nach Maßgabe von Leistungsrichtlinien einer Unterstützungskasse hat das Bundesarbeitsgericht ein dreistufiges Schema entwickelt (8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80 – BAGE 35, 327, 337 f.; 17. April 1985 – 3 AZR 72/83 – BAGE 49, 57, 65 ff.; 17. März 1987 – 3 AZR 64/84 – BAGE 54, 261, 270 ff.; 22. Mai 1990 – 3 AZR 128/89 – BAGE 65, 157, 161; 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/89 – BAGE 91, 310, 318 f.). Es geht vom Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsgebot aus, wonach Eingriffe in Versorgungsordnungen um so gewichtigerer Eingriffsgründe bedürfen, je schützenswerter das Vertrauen auf die erreichte Rechtsposition ist: Der während der Geltung der bisherigen Ordnung und im Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 5 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann allenfalls aus zwingenden Gründen, zB wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage der Versorgungszusage entzogen werden. Eingriffe in die sogenannte erdiente Dynamik, die insbesondere bei endgehaltsbezogenen Zusagen in Betracht kommen und durch die das Vertrauen des Arbeitnehmers enttäuscht wird, das von ihm Erdiente werde nach Maßgabe seines bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erreichten Endgehaltes dynamisiert, sind nur aus triftigem Grund möglich. Solche Gründe liegen insbesondere vor, wenn ein Fortbestand der bisherigen Versorgungsregelung den Bestand des Versorgungsschuldners gefährdet, insbesondere wenn unveränderte Versorgungsverbindlichkeiten voraussichtlich nicht aus den Erträgen des Unternehmens finanziert werden können und für deren Ausgleich auch keine hinreichenden Wertzuwächse des Unternehmens zur Verfügung stehen. Auf der dritten Eingriffsstufe, bei Eingriffen in noch nicht erdiente Zuwachsraten durch Änderungen von Unterstützungskassen-Richtlinien reichen demgegenüber schon sachlich-proportionale Gründe. Solche Eingriffe dürfen nicht willkürlich sein. Sie müssen nachvollziehbar erkennen lassen, welche Umstände und Erwägungen zur Änderung der Versorgungszusage Anlaß gegeben haben. Das Vertrauen der Arbeitnehmer in den Fortbestand der bisherigen Regelung darf nicht über Gebühr beeinträchtigt werden.

2. Das Landesarbeitsgericht ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat angenommen, die Neuregelung greife auf der zweiten Besitzstandsstufe in die erdiente Dynamik ein. Dies ergebe sich allein aus der Herabsetzung des Bemessungsentgelts auf 90 % und der nur teilweisen Berücksichtigung von kollektivvertraglichen Entgelterhöhungen seit dem 1. Januar 1998. Es komme nicht auf eine Prognose an, ob tatsächlich eine Einbuße gegenüber dem bis zum Ablösungsstichtag erdienten Besitzstand unter Berücksichtigung der erdienten Dynamik eingegriffen worden ist. Dem folgt der Senat nicht.

a) Bei der Prüfung, ob in die erdiente Dynamik eingegriffen worden ist, darf nicht maßgeblich auf die gewählte Regelungstechnik abgestellt werden. Der Umstand allein, daß der Berechnungsfaktor Endgehalt verändert wurde, rechtfertigt noch nicht die Annahme, daß auch in die erdiente Dynamik eingegriffen wurde. Dies ist nur dann ohne Weiteres richtig, wenn eine endgehaltsbezogene Versorgungszusage durch Widerruf oder Richtlinienänderung für die Zukunft gänzlich aufgehoben worden ist und nur der sich aus § 2 Abs. 1 BetrAVG ergebende und entsprechend § 2 Abs. 5 BetrAVG errechnete Versorgungsbesitzstand aufrechterhalten worden ist. Anders verhält es sich aber, wenn zwar in den Faktor “Endgehalt” verschlechternd eingegriffen, zugleich aber die Möglichkeit eröffnet wurde, nach den veränderten Berechnungsmaßstäben weitere dienstzeitabhängige Zuwächse zu erwerben. In einem solchen Fall kann erst beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis festgestellt werden, ob mit der ablösenden Neuregelung in die vom begünstigten Arbeitnehmer erdiente Dynamik eingegriffen worden ist. Besitzstandswahrung bedeutet nicht, daß der Arbeitnehmer Anspruch darauf hat, den dynamisch bis zum Ausscheiden fortgeschriebenen Besitzstand im Ablösungszeitpunkt erhalten zu bekommen und zusätzlich Zuwächse nach der Neuregelung zu erwerben. Der Besitzstand aus einer erdienten Dynamik ist bereits dann aufrechterhalten, wenn der begünstigte Arbeitnehmer im Versorgungsfall zumindest den Betrag oder Rentenwert erhält, den er zum Ablösungsstichtag bei Aufrechterhaltung der bisherigen Dynamik der dienstzeitunabhängigen Bemessungsfaktoren erreicht hatte. Besitzstandswahrung bedeutet bei arbeitgeberfinanzierten Versorgungszusagen in erster Linie Vertrauensschutz. Verbleibt dem Arbeitnehmer in jedem Falle das, worauf er zum Ablösungsstichtag vertrauen durfte, verletzt eine verschlechternde Neuordnung schützenswertes Vertrauen nicht.

b) Die Richtigkeit einer solchen ergebnisbezogenen Betrachtungsweise wird dann besonders deutlich, wenn man sich Regelungsalternativen vor Augen führt, die zwar zu demselben wirtschaftlichen Ergebnis führen, deren Eingriff aber nach unterschiedlichen Maßstäben zu prüfen wäre, beurteilte man die Eingriffsintensität allein danach, wo die Neuregelung ansetzt: Eine Versorgungsordnung kann alle Zuwächse widerrufen oder sie auf einen ganz geringen Prozentsatz zurückführen, an dem Berechnungsfaktor “Endgehalt” aber uneingeschränkt festhalten. Sie kann aber auch diesen Berechnungsfaktor auf den Ablösungszeitpunkt festschreiben, an Stelle dessen aber feste Steigerungsbeträge pro Beschäftigungsjahr vorsehen, die im Ergebnis zu einer höheren Betriebsrente als die erstgenannte Regelung führen. Es wäre sinnwidrig, die letztgenannte Regelung nach strengeren Maßstäben zu überprüfen als die erste, bei der sachlich-proportionale Eingriffsgründe ausreichen.

c) Der mit dem Grundgedanken der Besitzstandswahrung übereinstimmenden ergebnisbezogenen Ermittlung, auf welcher Stufe eine verschlechternde Neuregelung in ein betriebliches Versorgungswerk eingegriffen hat, stehen weder durchgreifende Praktikabilitätserwägungen noch Bedenken aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz entgegen.

aa) Zwar wird regelmäßig zum Zeitpunkt der verschlechternden Neuregelung eines endgehaltsbezogenen Versorgungswerks noch nicht sicher feststehen, ob hierdurch überhaupt in die erdiente Dynamik aller oder der meisten Begünstigten eingegriffen worden ist, wenn die Neuregelung den Erwerb von weiteren Anwartschaftswerten bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vorsieht. Vielfach wird es aber einem Arbeitnehmer oder – bei einer Neuregelung durch Betriebsvereinbarung oder Einigungsstellenspruch – dem Betriebsrat auch schon zum Ablösungsstichtag möglich sein, plausibel darzulegen, daß ein Eingriff in die erdiente Dynamik ernsthaft in Betracht kommt. Jedenfalls dann kann eine sofortige gerichtliche Klärung herbeigeführt werden, daß den Begünstigten im Ergebnis als Betriebsrente zumindest das Produkt aus dem bis zum Ablösungsstichtag erdienten Prozentsatz und dem tatsächlichen Endgehalt beim Ausscheiden zusteht.

bb) Der ergebnisbezogenen Betrachtungsweise bei der Ermittlung der Eingriffsintensität steht auch nicht der Umstand entgegen, daß die weitere Betriebszugehörigkeit nach dem Ablösungsstichtag für bestimmte Arbeitnehmer mit hohem Besitzstand im wirtschaftlichen Ergebnis möglicherweise nicht mehr zu einer Steigerung des Anwartschaftswertes führt. Hierin liegt kein Verstoß gegen Gleichbehandlungspflichten im Verhältnis zu denen, bei denen sich dieselben Beschäftigungsjahre wegen eines geringen oder fehlenden Versorgungsbesitzstandes aus der ursprünglichen Versorgungsregelung anwartschaftssteigernd auswirken. Auch dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Besitzstandswahrung bei einer arbeitgeberfinanzierten Versorgungszusage. Ein Arbeitnehmer, der zunächst unter der Geltung einer günstigeren Versorgungsordnung gearbeitet hat und dann unter der Geltung einer anderen ungünstigeren Versorgungsordnung weiterarbeitet, welche die ursprünglich endgehaltsbezogene Zusage für die Zukunft ablöst, hat auf Grund der ersten Zusage bis zum Ablösungsstichtag unter dem Gesichtspunkt der erdienten Dynamik nur das schützenswerte Vertrauen darauf erworben, daß er im Versorgungsfall den bis dahin erdienten Steigerungssatz multipliziert mit seinem tatsächlichen Endgehalt erhalten wird. Für die Folgezeit ist auf Grund der Zusage des Arbeitgebers sein Vertrauen darauf zu schützen, daß er den bis zum Ablösungsstichtag erdienten – nicht dynamisierten – Besitzstand und die künftigen Steigerungsbeträge nach der neuen Ordnung als Betriebsrente beziehen wird. Ein Vertrauen darauf, den dynamisierten Besitzstand und zusätzlich die Steigerungsbeträge zu erhalten, hat der Versorgungsschuldner nie begründet. Demgemäß bedeutet Besitzstandswahrung nur, daß der Arbeitnehmer mit seinem Versorgungsanspruch insgesamt nicht hinter den höchsten Anwartschaftswert zurückfallen darf, auf den er während seines Arbeitsverhältnisses einmal vertrauen durfte.

d) Nach diesen Maßstäben steht noch nicht sicher fest, daß durch die Neuregelung zum 1. Januar 1998 überhaupt in die vom Kläger erdiente Dynamik eingegriffen wird.

aa) Die erdiente Dynamik wird allerdings nicht durch die Besitzstandsklausel in § 2 Ziffer 3.4 der Betriebsvereinbarung vom 8. Oktober 1997 gewahrt. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist zwar nicht völlig eindeutig. Es spricht jedoch mehr dafür, daß die Betriebspartner mit “der bis zum 31.12.1997 zeitanteilig erworbenen Anwartschaft nach § 9 URL '88 zuzüglich Altlastregelung” nur den nach § 2 Abs. 1 und entsprechend § 2 Abs. 5 BetrAVG ermittelten Anwartschaftswert absichern wollten, den Berechnungsfaktor Endgehalt also auf den 31. Dezember 1997 festgeschrieben haben. Dagegen wendet sich die Beklagte auch nicht. Auch die Berechnungsregel des § 2 Ziffer 3.2 hat erkennbar nicht die Wahrung der erdienten Dynamik zum Ziel.

bb) Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß der Kläger bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auf der Grundlage der Neuregelung eine Betriebsrente erhalten wird, die über dem liegt, was er bis zum 31. Dezember 1997 auf der Grundlage der bis dahin erzielten Steigerungssätze und seinem tatsächlichen Endgehalt beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erdient hatte. Dies allein schließt aber während des weiter bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines etwaigen Eingriffs in die erdiente Dynamik nicht aus. Das wäre nur dann der Fall, wenn ein solcher Eingriff auszuschließen wäre. Konsequenzen ergeben sich insbesondere dann, wenn für eine verschlechternde Neuregelung zwar keine triftigen, aber sachlich-proportionale Gründe vorliegen. In diesem Fall könnte nur festgestellt werden, daß sich die künftigen Versorgungsansprüche des Arbeitnehmers zwar nach der Neuregelung richten, aber zumindest in der Höhe bestehen, wie sie am Ablösungsstichtag auf der Grundlage der bisherigen Regelung und unter Wahrung der Dynamik bis zum Ausscheiden erdient waren.

3. Aus der vom Landesarbeitsgericht gewählten Begründung ergibt sich nicht, daß für den Eingriff der Rechtsvorgängerin der Beklagten durch den Teilwiderruf vom 4. Dezember 1997 nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung vom 8. Oktober 1997 keine rechtfertigenden triftigen Gründe bestanden. Insoweit bedarf es weiterer Sachaufklärung.

a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, triftige Gründe fehlten auch dann, wenn man zu Gunsten der Gewerkschaft HBV berücksichtige, daß sie nicht auf Gewinnerzielung aus sei und es ihr unbenommen bleiben müsse, bestimmte Anteile der Einnahmen vorrangig dem Vermögen zuzuführen, um ihre Streikfähigkeit und Kampfkraft zu erhalten. Die Versorgungsansprüche führten nicht zu einer Substanzgefährdung. Nach einer krisenhaften Situation 1993 habe die Beklagte eine Konsolidierung ihrer finanziellen Situation erreicht, da die übrigen Einnahmen ab 1994 durchweg angestiegen seien. Für die Zukunft zeichne sich eine etwa stabile Einnahmesituation ab. Auch die Vermögenssituation habe sich wieder konsolidiert. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine zu befürchtende Substanzauszehrung. Dabei könne sogar dahingestellt bleiben, ob sich die Lage durch die – während der Berufungsinstanz noch bevorstehende – Gründung der Beklagten verbessern werde, deren Ziel es sei, Synergieeffekte auszunutzen und als attraktive, mächtige Gewerkschaft neue Mitglieder zu gewinnen. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, daß die Versorgungslasten der HBV ungedeckt gewesen seien. Auch ohne die Neuregelung sei mit einer kontinuierlichen Verringerung der hypothetischen Überschuldung zu rechnen. Das gelte insbesondere deshalb, weil die Beklagte ebenso wie die übrigen DGB-Gewerkschaften über Jahrzehnte hinweg einen zwangsläufig zur Unterkapitalisierung führenden Versorgungsweg gewählt habe.

b) Der Senat folgt mehreren entscheidungserheblichen Wertungen des Landesarbeitsgerichts nicht.

aa) Ein triftiger Grund, der einen Eingriff in die erdiente Dynamik rechtfertigen kann, liegt vor, wenn ein unveränderter Fortbestand des Versorgungswerkes langfristig zu einer Substanzgefährdung des Versorgungsschuldners führen würde. Dies ist dann der Fall, wenn die Kosten des bisherigen Versorgungswerks nicht mehr aus den Unternehmenserträgen und etwaigen Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens erwirtschaftet werden können, so daß eine die Entwicklung des Unternehmens beeinträchtigende Substanzaufzehrung droht. Dabei können die zu § 16 BetrAVG vom Senat entwickelten Regeln, bei deren Erfüllung eine Anpassung der laufenden Betriebsrenten auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers verweigert werden kann, als Orientierungsmaßstab dienen (BAG 18. April 1989 – 3 AZR 299/87 – BAGE 61, 273, 280; 18. November 1992 – 3 AZR 76/92 – BAGE 71, 372, 381; 26. August 1997 – 3 AZR 235/96 – BAGE 86, 216, 222). Es geht bei der Prüfung, ob ein triftiger Grund für einen Eingriff vorlag, also um die Frage, ob dem Versorgungsschuldner im Interesse einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung seines Unternehmens eine Entlastung im Bereich der Versorgungsverbindlichkeiten verwehrt werden darf (BAG 17. April 1989 – 3 AZR 299/87 – BAGE 61, 273, 281). Bei der Gewerkschaft HBV als einem steuerbefreiten Berufsverband in der Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins, der nicht am Markt zur Gewinnerzielung tätig war, galten allerdings insoweit Besonderheiten, als ihr im ganz wesentlichen nur Mitgliedsbeiträge als Einkünfte zur Verfügung standen. Darüber hinaus genoß die HBV den verfassungsrechtlichen Schutz der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG. Er untersagt es den Gerichten für Arbeitssachen grundsätzlich, die Verwendung der gewerkschaftlichen Einkünfte im einzelnen zu überprüfen oder gar zu bewerten. Andererseits muß die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin aber auch wie jeder andere Arbeitgeber die Verbindlichkeiten erfüllen, die sie gegenüber ihren Arbeitnehmern übernommen hat, und darf in versorgungsrechtliche Erwerbschancen nur nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingreifen.

Für die Feststellung triftiger Gründe bedarf es sachkundig erstellter Prognosen auf der Grundlage der Entwicklung bis zum Ablösungsstichtag. Dabei sind sichere Voraussagen über die künftige Entwicklung von Beitragsaufkommen und Versorgungsverbindlichkeiten grundsätzlich nicht möglich. Es reicht aus, wenn die Prognose auf der Grundlage der bisherigen Entwicklung und unter vertretbaren und nachvollziehbaren Annahmen für die Zukunft erstellt worden ist. Der Rückgriff auf eine derart erstellte Prognose wird nicht durch dadurch ausgeschlossen, daß die tatsächliche Entwicklung in der Folgezeit teilweise anders verläuft.

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war in erster Linie nicht auf die Vermögenssituation und deren Entwicklung, sondern auf die vorhersehbare Entwicklung der Einkünfte der HBV und ihr Verhältnis zu den zu erwartenden Ausgaben aufgrund von Versorgungsverbindlichkeiten abzustellen, um festzustellen, ob der HBV bei Fortbestand des bisherigen Versorgungswerks eine Substanzauszehrung drohte. Die von der Beklagten substantiiert behauptete, aber vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellte künftige Entwicklung des Beitragsaufkommens einerseits und der Versorgungsverbindlichkeiten andererseits reichen grundsätzlich für eine solche Annahme aus. Hiernach war bei im wesentlichen gleichbleibenden Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und sonstigen Einnahmen von wesentlichen Steigerungen der laufenden Versorgungsverbindlichkeiten auszugehen, sollte das Versorgungswerk unverändert fortgeführt werden. Die Umschichtung der zur Verfügung stehenden Mittel, die hiernach erforderlich geworden wären, hätte notwendigerweise zu einer über die bereits geplanten und teilweise durchgeführten Kürzungen im Personalbereich hinausgehenden Einschränkung im gewerkschaftlichen Personaleinsatz, in eingeschränktem Umfang auch bei den Sachausgaben, führen müssen, und damit zu einer Beeinträchtigung der bisher wahrgenommenen Aktivitäten. Daraus würde sich bereits eine langfristige Gefährdung der Gewerkschaft HBV durch Substanzauszehrung ergeben haben, die diese nicht hinnehmen mußte. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Beklagtenvortrag insoweit entsprechenden Feststellungen kommen, spricht alles dafür, daß die Gewerkschaft HBV jedenfalls nach ihrer Ertragslage auf Grund der laufenden Einkünfte durch einen Eingriff in das Versorgungswerk, auch in die erdiente Dynamik, reagieren durfte.

Die Beklagte war nicht gehalten, im einzelnen darzulegen, wie sich die ansonsten eingetretene weitere Verringerung der für die tägliche Arbeit der Gewerkschaft HBV zur Verfügung stehenden Mittel auf deren Aufgabenerfüllung ausgewirkt hätte. Die HBV durfte die ihr zur Verfügung stehenden Mittel nur zu den satzungsmäßig vorgegebenen koalitionspolitischen Zwecken verwenden. Sie hatte die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Freiheit, ihre koalitionspolitischen Aufgaben und die Form, die Art und Weise sowie die Intensität der Aufgabenerfüllung festzulegen. Eine Überprüfung und Bewertung dieser Entscheidung steht den Gerichten für Arbeitssachen jedenfalls dann nicht zu, wenn es nur um die Aufrechterhaltung der bisherigen Aktivitäten geht. Ebensowenig wie ein Unternehmer von der Verfolgung wirtschaftlicher Ziele absehen, etwa seine Produktion einschränken muß, um Versorgungswerke unverändert fortführen zu können, hatte die Gewerkschaft HBV die Pflicht, ihre koalitionspolitischen Aufgaben wegen künftig anwachsender Versorgungsverbindlichkeiten zu reduzieren oder die Intensität ihrer Aufgabenwahrnehmung einzuschränken. Einer Darlegung im einzelnen, warum die Gewerkschaft in einzelnen Bereichen keine Einsparungen zum Ausgleich steigender Rentenbelastungen vornehmen wollte oder konnte, bedarf es angesichts der grundsätzlichen Bindung aller Mittel an den Einsatz für koalitionspolitische Ziele nicht. Soweit die HBV in der Vergangenheit dem Streikfonds Vermögen zugeführt hat, könnte das nur insoweit von Bedeutung sein, als diese das übliche Ausmaß wesentlich überschritten.

Auch die allgemeinen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Vermögenssituation der Gewerkschaft HBV sprechen nicht durchgreifend dagegen, daß sie hinreichende triftige Gründe für einen etwaigen Eingriff in die erdiente Dynamik hatte. Für die Erfüllung künftiger Versorgungsverbindlichkeiten kommt es darauf an, ob diese aus den Vermögenszuwächsen hätten erwirtschaftet werden können. Hierfür fehlen hinreichende Feststellungen.

Zu Unrecht wendet sich das Landesarbeitsgericht gegen die Behauptungen der Beklagten zu dem Umfang der ungedeckten Verbindlichkeiten und deren Verhältnis zum Gewerkschaftsvermögen, woraus sich eine bilanzielle Überschuldung der HBV ablesen ließ. Der Beklagten ist dieser Hinweis nicht deshalb versagt, weil die HBV als ursprünglich nicht rechtsfähiger Idealverein nicht bilanzieren mußte und dies in der Vergangenheit auch nicht getan hatte. Bei der – gegenüber der Einschätzung der künftigen Einnahmen-/Ausgabensituation nachrangigen – Prüfung, inwieweit die vorhersehbare Vermögensentwicklung eines Versorgungsschuldners geeignet ist, Steigerungen künftiger Versorgungsverbindlichkeiten aufzufangen, ohne daß dessen Substanz beeinträchtigt wird, geht es um ein realistisches Bild von dessen Vermögenslage. Hierfür ist eine nach den einschlägigen handelsrechtlichen Bestimmungen erstellte Bilanz grundsätzlich unabhängig davon am besten in der Lage, ob es hierfür eine handelsoder steuerrechtliche Pflicht gibt. Eine zutreffende Abbildung der wirtschaftlichen Lage nach bilanzrechtlichen Regeln kann dem Versorgungsschuldner nicht deshalb versagt werden, weil dieser hierauf in der Vergangenheit unter Außerachtlassung wirtschaftlicher Vernunft verzichtet und so die wahre Vermögenslage objektiv falsch dargestellt hat. An einer solchen Verhaltensweise, die Gläubiger und Arbeitsplätze gefährdet, kann niemand von Rechts wegen festgehalten werden.

Der Vortrag der Beklagten ist auch nicht deshalb unerheblich, weil die HBV einen Versorgungsweg gewählt hätte, der zwangsläufig zu einer Unterkapitalisierung führte, wie das Landesarbeitsgericht meint. Für eine Unterstützungskassenversorgung ohne Rückdeckung mag es typisch sein, daß beim Arbeitgeber in erheblichem Umfang ungedeckte Versorgungsverbindlichkeiten entstehen, weil das Kassenvermögen nicht den vollen Gegenwert der Versorgungsverbindlichkeiten erreichen darf, so daß das hinter der Unterstützungskasse stehende Trägerunternehmen regelmäßig selbst für die Deckung eines Teils der künftigen Versorgungsverbindlichkeiten sorgen muß. Daraus ergibt sich indes nicht, daß der beim Trägerunternehmen erforderliche ergänzende Deckungsbetrag zwangsläufig oder auch nur typischerweise wesentlich höher liegt als dessen Vermögen. So verhält es sich aber nach den von der Beklagten vorgetragenen Zahlen.

cc) Das Landesarbeitsgericht läßt auch zu Unrecht unberücksichtigt, daß die Gewerkschaft HBV in der Vergangenheit in ganz erheblichem Umfang Personal abgebaut hat und weiteren Personalabbau plant. Bei einer Arbeitnehmerorganisation, die keinen Gewinn anstrebt, ist ein erheblicher Personalabbau ein starkes Indiz für deren wirtschaftliche Schwierigkeiten und damit für die Erforderlichkeit von Einsparungen. Das Landesarbeitsgericht wird daneben auch zu berücksichtigen haben, daß der bei der Gewerkschaft HBV bestehende Betriebsrat der vorgenommenen Kürzung – anders als bei der Änderung des Versorgungswerks beim Deutschen Gewerkschaftsbund – nicht nur zugestimmt, sondern sich ausweislich der Präambel der Betriebsvereinbarung vom 18. Oktober 1996 auch im einzelnen mit den Gründen für den Eingriff in das Versorgungswerk befaßt hat. Er ist nicht nur der Annahme beigetreten, es lägen ausreichend triftige Gründe vor, die Eingriffe in das bestehende Versorgungswerk unerläßlich machten. Er hat auch die Erklärung mit unterzeichnet, die Erfüllung der zugesagten, aber noch nicht fälligen Versorgungsansprüche könne den Bestand der Gewerkschaft HBV gefährden.

dd) Auf der anderen Seite spricht wenig dafür, daß die Gewerkschaft HBV bei der vor ihrer verschlechternden Neuregelung des Versorgungswerks erforderlichen Prognose über die künftige Entwicklung die geplante Gründung der Beklagten mitberücksichtigen mußte. Das Zustandekommen der Beklagten und etwaige wirtschaftliche Folgen waren möglicherweise auch für die unmittelbar betroffene HBV selbst noch nicht mit der Wahrscheinlichkeit absehbar, daß sich daraus Konsequenzen für die erforderliche Prognoseentscheidung hätten ergeben können. Anderes ist jedenfalls bisher nicht festgestellt.

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig.

Wie bereits dargelegt, erscheint das Vorbringen der Beklagten zur Rechtfertigung des Teilwiderrufs der Gewerkschaft HBV vom 4. Dezember 1997 im Sinne eines triftigen Grundes schlüssig. Insoweit bedarf es weiterer Sachaufklärung.

Selbst wenn im Ergebnis ein triftiger Grund aus Sicht des Landesarbeitsgerichts fehlen sollte, würde dies – entgegen der vom Landesarbeitsgericht offenbar vertretenen Auffassung – noch nicht dazu führen, daß der Widerruf vom 4. Dezember 1997 insgesamt unwirksam wäre. Es wäre weiter zu prüfen, ob nicht zumindest sachlich-proportionale Gründe für einen Eingriff in künftige Zuwächse bestanden haben. Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des sachlich-proportionalen Eingriffsgrundes ist in erster Linie Sache des Landesarbeitsgerichts. Würde ein solcher Eingriffsgrund festgestellt werden, wäre die Klage teilweise begründet: Dem Kläger wäre eine etwa beeinträchtigte erdiente Dynamisierung des bis zum Ablösungszeitpunkt erdienten Besitzstandes als Mindestanspruch zuzuerkennen; im übrigen wäre seine Klage abzuweisen.

III. Andererseits kann die Klage auch nicht ohne weiteres abgewiesen werden, weil die Geschäftsgrundlage der ursprünglichen Versorgungszusage weggefallen wäre, so daß sogar in erdiente Besitzstände eingegriffen werden könnte und es auf das Vorliegen triftiger oder sachlich-proportionaler Gründe nicht ankäme. Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg auf eine planwidrig eingetretene Überversorgung (zu diesem Eingriffsgrund BAG 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 – BAGE 86, 312, 318 f.). Dabei kann dahinstehen, ob überhaupt von einer planwidrig eingetretenen Überversorgung ausgegangen werden kann und ob es für die Feststellung einer Überversorgung auf das bei Schaffung der Versorgungsordnung im Jahr 1957 feststellbare Versorgungsziel ankommt, oder ob mit dem Landesarbeitsgericht auf die spätere Herabsetzung der Gesamtversorgungsobergrenze auf 70 % abzustellen ist. Jedenfalls erlaubt eine Störung der Geschäftsgrundlage nur eine Anpassung an die ursprüngliche Geschäftsgrundlage des Versorgungswerks, nicht dessen grundlegende Umstrukturierung. Durch die Neuregelung des Jahres 1998 verläßt das Versorgungswerk der HBV zwar nicht das bisher geltende Gesamtversorgungssystem, dessen Ziel es war, einen bestimmten Lebensstandard im Alter unabhängig von den Entwicklungen der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewährleisten. Die Neuregelung setzt aber nicht die Gesamtversorgungsobergrenze entsprechend dem nach dem Vortrag der Beklagten maßgeblichen ursprünglichen Versorgungsziel herab, sondern reduziert mit der Bezugsgröße Gehalt und dessen Dynamik den Berechnungsfaktor, durch den sichergestellt wird, daß sich die Versorgungsanwartschaften parallel zu den Aktivenbezügen entwickeln. Darin liegt eine grundlegende, nicht durch die geltend gemachte Änderung der Geschäftsgrundlage zu rechtfertigende Veränderung des ursprünglichen Versorgungssystems.

IV. Das Landesarbeitsgericht hat nach alledem Feststellungen zum Vorliegen triftiger Gründe zu treffen, da nicht auszuschließen ist, daß der Teilwiderruf in die vom Kläger erdiente Dynamik eingreift. Liegen diese vor, ist die Klage abzuweisen. Liegen sie nicht vor, ist weiter zu prüfen, ob sachlich-proportionale Gründe für den im Widerruf mit enthaltenen Eingriff in künftige dienstzeitabhängige Zuwächse bestehen. Nur wenn auch solche Gründe nicht vorliegen, hat die Klage in vollem Umfang Erfolg. Andernfalls ist festzustellen, daß sich die Versorgungsansprüche des Klägers zwar nach der Neuregelung richten, jedoch nicht den am 31. Dezember 1997 erdienten, aber nach Maßgabe der URL 88 dynamisierten Besitzstand unterschreiten dürfen.

 

Unterschriften

Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Kaiser

Die Amtszeit des ehrenamtlichen Richters Arntzen ist abgelaufen

Reinecke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1477016

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