Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzuwendung. tarifliche Ausschlußfrist

 

Normenkette

BGB §§ 134, 138, 242; AGB-Gesetz §§ 2-3, 23; BAT §§ 3, 70

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 22.09.1993; Aktenzeichen 2 Sa 695/93)

ArbG Osnabrück (Urteil vom 11.03.1993; Aktenzeichen 2 Ca 818/92)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22. September 1993 – 2 Sa 695/93 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sonderzuwendung für die Jahre 1985 bis 1990.

Seit dem 1. August 1985 stand der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land. Auf Grund mehrerer aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge war er als wissenschaftliche Hilfskraft im Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität O. beschäftigt. Seine monatliche Arbeitszeit betrug zwischen 19 und 23 Stunden.

Bis zum 30. September 1988 besaß der Kläger kein abgeschlossenes Hochschulstudium. Nach erfolgreicher Ablegung der Ersten juristischen Staatsprüfung war er ab dem 1. Oktober 1988 als wissenschaftliche Hilfskraft mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung tätig.

In allen schriftlichen Arbeitsverträgen des Klägers ist vereinbart, daß sich das zum beklagten Land bestehende Dienstverhältnis nach den Bestimmungen des Abschnitts II des Runderlasses des MWK (= Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kunst) vom 4. Februar 1970, 27. April 1973 bzw. 3. November 1986 richtet.

Abschnitt II des Runderlasses des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kunst (im folgenden nur: RdErl.) in der Passung vom 3. November 1986 lautet, soweit hier von Interesse:

„Arbeitsverhältnis

4. Die wissenschaftlichen Hilfskräfte werden in einem befristeten Angestelltenverhältnis beschäftigt; sie sind vom Geltungsbereich des BAT ausgenommen (§ 3 Buchst. g bzw. § 3 Buchst. q BAT).

6. Auf das Arbeitsverhältnis finden, soweit sich aus den nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt, folgende Vorschriften des BAT entsprechende Anwendung:

§ 8 (allgemeine Pflichten), § 9 (Schweigepflicht), § 10 (Belohnungen und Geschenke), § 14 (Haftung), § 18 (Arbeitsversäumnis), § 52 (Arbeitsbefreiung) und § 70 (Ausschlußfrist).

16. Wissenschaftliche Hilfskräfte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und einer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit von mindestens 42 Stunden monatlich oder 10 Stunden wöchentlich erhalten eine Zuwendung in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung i. d. P. des Artikels VI Nr. 2 des Gesetzes vom 23.5.1975 (BGBl. I S. 1173), zuletzt geändert durch § 33 des Gesetzes vom 6.12.1985 (BGBl. I S. 2154). Der Grundbetrag der Zuwendung (§ 6 Abs. 1 des Gesetzes) vermindert sich für jeden Kalendermonat, in dem die Arbeitszeit weniger als 42 Stunden monatlich oder 10 Stunden wöchentlich betragen hat, um ein Zwölftel.

…”

Der erste befristete Arbeitsvertrag des Klägers vom 18. Juli 1985 enthält folgenden Hinweis:

„Eine Zuwendung in entsprechender Anwendung des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 wird nicht gewährt.”

Bei Abschluß der befristeten Arbeitsverträge wurde dem Kläger jeweils eine Abschrift des RdErl. ausgehändigt.

Nachdem das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 23. Januar 1992 (– 6 AZR 538/89 –, ZTR 1993, 80) festgestellt hatte, daß auch wissenschaftliche Hilfskräfte mit geringerer Stundenzahl als im RdErl. festgelegt Anspruch auf Zahlung einer jährlichen Zuwendung besitzen, machte der Kläger mit Schreiben vom 22. Februar 1992 und 28. Februar 1992 Ansprüche auf Sonderzuwendungen für die Jahre 1985 bis 1991 geltend.

Der Kläger ist weiterhin der Meinung, es stelle auch einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar, wenn die Zuwendung nur an wissenschaftliche Hilfskräfte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung gezahlt werde.

Das beklagte Land zahlte ihm für 1991 eine Sonderzuwendung. Weitergehende Zahlungen lehnte es aber ab.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 2.237,99 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Dezember 1992 zu zahlen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

Es beruft sich darauf, etwaige Ansprüche des Klägers auf eine Sonderzuwendung für die Jahre 1985 bis 1990 seien nach § 70 BAT verfallen.

§ 70 BAT lautet:

„Ausschlußfrist

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten und vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist.

Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlußfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen.”

Dem hält der Kläger entgegen, durch die in den einzelnen Arbeitsverträgen erfolgte Verweisung auf die einschlägigen Runderlasse und die in diesen erfolgte Erwähnung des § 70 BAT sei diese Ausschlußklausel des BAT nicht Bestandteil seiner Arbeitsverträge geworden.

Außerdem verhalte sich das beklagte Land treuewidrig, wenn es die geltend gemachten Ansprüche ablehne. Es habe ihn nämlich sowohl bei Beginn seines Arbeitsverhältnisses als auch bei den späteren Vertragsverlängerungen ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich sein Arbeitsverhältnis nach den einschlägigen Runderlassen richte. Da in diesen ein Anspruch auf eine jährliche Sonderzuwendung aber ausgeschlossen gewesen sei, habe das beklagte Land die Ursache dafür gesetzt, daß er erst nach Kenntniserlangung von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seine Ansprüche auf eine jährliche Zuwendung für die Jahre seit 1985 geltend gemacht habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während das beklagte Land die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Etwaige Ansprüche des Klägers auf die begehrten Sonderzuwendungen sind verfallen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, etwaigen Ansprüchen des Klägers auf Sonderzuwendungen für die Jahre 1985 bis 1990 stehe die Ausschlußfrist des § 70 BAT entgegen.

§ 70 BAT sei dadurch Bestandteil der Arbeitsverträge zwischen den Parteien geworden, daß diese auf die bereits aus formulierte Ausschlußklausel des BAT einzelvertraglich Bezug genommen hätten. Da die Arbeitsvertragsparteien auch einzelvertraglich wirksam Ausschlußfristen vereinbaren könnten, sei kein Grund ersichtlich. warum sie dafür nicht wirksam auf eine bereits vorliegende Formulierung eines Tarifvertrages durch Einbeziehung der dortigen Klausel zurückgreifen könnten.

Die Verfallklausel des § 70 BAT halte auch einer Inhaltskontrolle nach § 138 BGB stand.

Das AGB-Gesetz sei deshalb nicht anwendbar, weil § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz die Anwendung dieses Gesetzes auf Verträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ausdrücklich ausschließe.

Die Berufung des beklagten Landes auf die Ausschlußfrist sei auch nicht treuwidrig. Dieses habe nämlich nicht durch ein arglistiges oder treuwidriges Verhalten die Geltendmachung etwaiger Ansprüche auf Sonderzuwendungen durch den Kläger für die Jahre 1985 bis 1990 verhindert.

II. Dem Landesarbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch weitgehend in der Begründung zuzustimmen.

1. Etwaige Ansprüche des Klägers auf Sonderzuwendungen in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung in der Fassung des Art. VI Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (2. BesVNG) vom 23. Mai 1975 für die Jahre 1985 bis 1990 sind nach § 70 BAT verfallen.

2. Die Ausschlußfrist des § 70 BAT ist Bestandteil der zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsverträge geworden.

a) Das Arbeitsverhältnis des Klägers als solches unterfällt nicht dem Geltungsbereich des BAT, weil dieser in § 3 Buchst. g die wissenschaftlichen Hilfskräfte an Hochschulen von seinem Geltungsbereich ausnimmt.

b) In allen schriftlichen Arbeitsverträgen ist ausdrücklich vereinbart, daß sich das Arbeitsverhältnis (in den Arbeitsverträgen als Dienstverhältnis bezeichnet) nach Abschnitt II des RdErl. regelt. Damit ist dieser durch einzelvertragliche Bezugnahme Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge geworden (so auch: BAG Urteil vom 23. Januar 1992 – 6 AZR 538/89 –, ZTR 1993, 80).

Nr. 6 des RdErl. bestimmt u.a., daß auf die Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftlichen Hilfskräften die Vorschrift des § 70 BAT (Ausschlußfrist) entsprechende Anwendung findet. Damit ist diese Bestimmung des BAT ebenfalls durch einzelvertragliche Vereinbarung Bestandteil der zwischen den Parteien geschlossenen befristeten Arbeitsverträge geworden.

c) Zu Recht hat es das Landesarbeitsgericht abgelehnt, anhand der §§ 2, 3 AGB-Gesetz zu prüfen, ob eine wirksame Inbezugnahme des § 70 BAT durch einen vor formulierten Arbeitsvertrag erfolgt ist.

§ 23 Abs. 1 AGB-Gesetz bestimmt nämlich, daß dieses Gesetz keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts findet. Diese eindeutige gesetzliche Regelung verbietet es auch, die Frage der wirksamen Vereinbarung und die der Wirksamkeit einer Vertragsklausel in formularmäßigen Arbeitsverträgen durch entsprechende Anwendung der Bestimmungen des AGB-Gesetzes zu überprüfen (BAGE 46, 50 = AP Nr. 9 zu § 339 BGB).

Ob eine bestimmte Klausel Inhalt eines Arbeitsvertrages geworden ist, muß daher alleine anhand der Vorschriften des BGB über das Zustandekommen von Verträgen (§§ 145 ff. BGB) und der dazu entwickelten arbeitsrechtlichen Rechtsprechung geprüft werden. Dabei können dann auch allgemeine Rechtsgedanken, die im AGB-Gesetz ihren Niederschlag gefunden haben, zur Anwendung gelangen (BAGE 46, 50, a.a.O.).

d) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, daß nichttarifgebundene Arbeitsvertragsparteien im Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag in seiner Gesamtheit Bezug nehmen und ihn somit zum Inhalt ihres Arbeitsvertrages machen können (für alle: BAGE 18, 217 = AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation).

Auf Grund der Vertragsfreiheit (§ 305 BGB) ist es auch zulässig, daß nichttarifgebundene Arbeitsvertragsparteien einen Tarifvertrag in Bezug nehmen, dessen Geltungsbereich sich auf beide oder auf einen von ihnen nicht erstreckt (vgl. BAG Urteil vom 13. November 1959 – 1 AZR 320/57 – AP Nr. 54 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 333; Wiedemann/Stumpf, Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl., § 3 Rz 96).

e) Daher können nichttarifgebundene Arbeitsvertragsparteien in einem Arbeitsvertrag auch auf eine einzelne, genau bezeichnete Tarifbestimmung Bezug nehmen. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dieser Bestimmung um eine tarifliche Ausschlußfrist handelt (BAG Urteil vom 5. November 1963 – 5 AZR 136/63 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag und BAG Urteil vom 24. März 1988 – 2 AZR 630/87 – AP Nr. 1 zu § 241 BGB).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es zulässig, daß einzelvertraglich Verfallklauseln vereinbart werden, die sich auf nicht durch Tarifverträge begründete und auf abdingbare gesetzliche Ansprüche beziehen (BAG Urteil vom 24. März 1988 – 2 AZR 630/87 –, a.a.O.). Darüber hinaus hat der Fünfte Senat mit Urteil vom 25. Juli 1984 (– 5 AZR 219/82 –, nicht veröffentlicht) die Möglichkeit einer einzelvertraglichen Verfallsvereinbarung auch für den Fall bejaht, daß sich eine Ausschlußklausel auf unabdingbare Rechte des Arbeitnehmers bezieht. Ist es demnach zulässig, einzelvertraglich eine alle Ansprüche erfassende Verfallklausel zu vereinbaren, so kann es rechtlich keinen Unterschied machen, ob die Arbeitsvertragsparteien eine solche Klausel im Arbeitsvertrag ausdrücklich formulieren oder ob sie sich diese Ausformulierung durch Bezugnahme auf eine bestehende tarifliche Verfallklausel ersparen.

f) Die Bezugnahme führt auch nicht dazu, daß § 70 BAT als sogenannte Überraschungsklausel für den Kläger zu bewerten ist.

Der RdErl., auf den ausdrücklich in den schriftlichen Arbeitsverträgen Bezug genommen ist, und der dem Kläger auch jeweils ausgehändigt worden war, enthält in Ziff. 6. den ausdrücklichen Hinweis, daß „§ 70 BAT (Ausschlußfrist)” auf das Arbeitsverhältnis entsprechende Anwendung findet. Durch diese ausdrückliche Erwähnung der Ausschlußfrist war der Kläger auf diese sogar deutlicher hingewiesen worden, als es sonst der Fall ist, wenn in einem Arbeitsvertrag – wie weitgehend üblich – ein Tarifvertrag insgesamt, also ohne ausdrückliche Zitierung der in ihm enthaltenen Ausschlußfrist, in Bezug genommen wird.

3. Die Vertragsbestandteil gewordene Verfallklausel des § 70 BAT hält auch einer richterlichen Inhaltskontrolle stand.

a) Grundsätzlich beziehen Arbeitsvertragsparteien, die durch Verweisung auf eine tarifliche Ausschlußfrist Bezug nehmen, die Richtigkeitsgewähr der tariflichen Norm in den Arbeitsvertrag mit ein. Damit unterliegt diese Klausel nur einer beschränkten Inhaltskontrolle (BAG Urteil vom 24. März 1988 – 2 AZR 630/87 –, a.a.O.), so daß eine am Maßstab des § 242 BGB orientierte Zweckmäßigkeits- oder Billigkeitskontrolle ausscheidet (BAGE 48, 65 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie).

Es verbleibt nur eine Überprüfung dahingehend, ob die Verfallklausel sich als sittenwidrig (§ 138 BGB) darstellt oder ob sie gegen zwingendes Gesetzesrecht (§ 134 BGB) bzw. gegen tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstößt (Wiedemann/Stumpf. a.a.O., Einl. Rz 128).

b) Die Ausschlußfrist des § 70 BAT und die Inbezugnahme auf diese in den Arbeitsverträgen ist weder sittenwidrig noch stellt sie einen Verstoß gegen zwingendes Gesetzesrecht oder tragende arbeitsrechtliche Grundsätze dar.

Da die Verfallklausel sowohl für die Ansprüche des Arbeitnehmers als auch für die des Arbeitgebers gilt, bestehen insbesondere im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 GG keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klausel (vgl. BAG Urteil vom 24. März 1988 – 2 AZR 630/87 –, a.a.O.).

4. Der Kläger hat die Ausschlußfrist des § 70 BAT für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Sonderzuwendungen für die Jahre 1985 bis 1990 versäumt.

Nach §§ 10, 11 Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung war der Anspruch auf die Zuwendung für das Jahr 1990 am 1. Dezember 1990 fällig. Die erstmalige schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen auf Sonderzuwendungen erfolgte durch den Kläger mit seinen Schreiben vom 22. Februar 1992 und 28. Februar 1992, also später als sechs Monate nach Fälligkeit der geltend gemachten Ansprüche. Damit war die sechsmonatige Ausschlußfrist des § 70 BAT versäumt.

5. Das beklagte Land handelt nicht treuwidrig, wenn es sich auf die Verfallklausel beruft. Die Berufung einer Partei auf den Verfall eines Anspruches wegen Nichteinhaltung einer Ausschlußfrist verstößt nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Gründe gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Gläubiger die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht oder die Geltendmachung erschwert wurde bzw. wenn der Gläubiger auf Grund von Zusicherungen des Schuldners darauf vertrauen durfte, sein Anspruch werde auch ohne Wahrung der tariflichen Ausschlußfrist erfüllt werden (BAG Urteil vom 6. September 1972 – 4 AZR 422/71 – AP Nr. 2 zu § 4 BAT, m.w.N.).

a) Daß das beklagte Land den Rechts Standpunkt vertreten hat, dem Kläger stehe ein Anspruch auf eine Sonderzuwendung nicht zu, und diesen auch im ersten befristeten Arbeitsvertrag sowie im RdErl. zum Ausdruck gebracht hat, führt nicht dazu, daß der Kläger daran gehindert war. seine Ansprüche auf eine Sonderzuwendung in den Jahren 1985 bis 1990 geltend zu machen. Eine solche Geltendmachung hätte ihm jederzeit freigestanden, wenn er seinen Ausschluß von Ansprüchen auf eine Sonderzuwendung für unzulässig gehalten hätte.

b) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, bestand auch keine Verpflichtung des beklagten Landes, den Kläger auf Entscheidungen von Gerichten für Arbeitssachen hinzuweisen, die den Rechtsstandpunkt des beklagten Landes nicht bestätigt haben. Ob eine solche Hinweispflicht überhaupt besteht, brauchte der Senat hier nicht zu entscheiden. Die Hinweispflicht könnte nämlich allenfalls dann bestehen, wenn zu Lasten des beklagten Landes in einem vergleichbaren anderen Rechtsstreit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen wäre. Im vorliegenden Falle ist aber das vom Berufungsgericht zitierte, zu Lasten der Beklagten ergangene Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Juli 1989 (– 13 Sa 596/89 –) erst durch Urteil des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Januar 1992 (– 6 AZR 538/89 –, a.a.O.) bestätigt worden. Damit war zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Entscheidung über die auch im vorliegenden Rechtsstreit streitige Rechtsfrage die Ausschlußfrist des § 70 BAT für die Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche bereits verstrichen.

c) Das beklagte Land hat auch ansonsten kein Verhalten an den Tag gelegt, aus dem der Kläger schließen durfte, seine Forderungen würden auch dann erfüllt werden, wenn die von § 70 BAT geforderte schriftliche Geltendmachung nicht innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist erfolgen sollte.

Die unbegründete Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Hauck, Böck, Schaeff, Schlaefke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093312

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