Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag - Wartefrist des § 1 Abs 1 KSchG

 

Orientierungssatz

1. Eine Befristungsvereinbarung bedarf dann keines sachlichen Grundes, wenn die Vertragsdauer nicht für eine längere Zeit als 6 Monate vereinbart wurde und zum früheren Arbeitsverhältnis kein sachlicher Zusammenhang im Sinne der Rechtsprechung zur Wartezeit nach § 1 Abs KSchG bestand.

2.In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind lediglich kurzfristige Unterbrechungen von einigen Tagen oder wenigen Wochen als für die Anrechnung eines früheren Arbeitsverhältnisses unschädlich angesehen worden.

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Februar 1999 -

18 Sa 72/98 - aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts

Stuttgart, Kammern Aalen, vom 12. Mai 1998 - 13 Ca 754/96 -

wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision

zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. November 1996.

Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Bauunternehmen betreibt, seit dem 12. September 1994 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Bauwerker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung, gegen die der Kläger keine Klage erhob, zum 16. Februar 1996. Das Kündigungsschreiben enthielt den Vermerk, einer Neubewerbung des Klägers stehe nichts entgegen, sobald sich die Auftragslage der Beklagten bessere.

Nachdem der Kläger seit dem 15. April 1996 mehrfach bei der Beklagten nachgefragt hatte, ob er wieder eingestellt werde, schlossen die Parteien am 4. Juni 1996 einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 10. Juni bis zum 30. November 1996, nach dem der Kläger wiederum als Bauwerker tätig sein sollte. Der Kläger hat die Befristung dieses Arbeitsvertrages für unwirksam gehalten. Außerdem hat er behauptet, der Personalleiter der Beklagten habe ihm versprochen, ihn ab 15. April 1996 wieder einzustellen.

Mit seiner am 11. Dezember 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der

Befristung zum 30. November 1996 nicht beendet ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Befristung für wirksam gehalten, weil die Dauer der Befristung weniger als sechs Monate betragen habe. Überdies habe ein sachlicher Befristungsgrund vorgelegen, weil es angesichts der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandenen Aufträge nicht möglich gewesen sei, den Kläger über den 30. November 1996 hinaus weiter zu beschäftigten. Eine Wiedereinstellungszusage sei dem Kläger nicht gegeben worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Ersturteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils. Denn das Arbeitsverhältnis ist durch die vereinbarte Befristung zum 30. November 1996 wirksam beendet worden. Die Befristungsvereinbarung bedurfte keines sachlichen Grundes, weil die Vertragsdauer nicht für eine längere Zeit als sechs Monate vereinbart war und entgegen der Würdigung des Landesarbeitsgerichts zum früheren Arbeitsverhältnis kein enger sachlicher Zusammenhang im Sinne der Rechtsprechung zur Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG bestand.

I. Der Kläger hat die zum 30. November 1996 vereinbarte Befristung durch beim Arbeitsgericht am 11. Dezember 1996 eingegangene Klage und damit rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist des § 1 Abs. 5 BeschFG (nF) angegriffen.

II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Befristung nicht auf das Beschäftigungsförderungsgesetz in der bis zum 30. September 1996 geltenden und damit für den vorliegenden Fall einschlägigen Fassung gestützt werden konnte. Denn eine "Neueinstellung" iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeschFG (aF) lag nicht vor, weil zu dem früheren Arbeitsverhältnis ein enger sachlicher Zusammenhang iSd. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschFG (aF) bestand. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 BeschFG (aF) insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als vier Monaten liegt. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, weil die Unterbrechung nur drei Monate und drei Wochen betrug und bestimmte Umstände, die diesen Zusammenhang ausnahmsweise ausschließen könnten, nicht ersichtlich sind.

III. Entgegen der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist die Befristung jedoch rechtswirksam, weil sie nicht geeignet war, einen gesetzlichen Kündigungsschutz zu umgehen und daher keines sachlichen Grundes bedurfte.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß ein auf nicht länger als sechs Monate befristeter Arbeitsvertrag angesichts der in § 1 Abs. 1 KSchG bestimmten Wartezeit von sechs Monaten nicht geeignet ist, den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz zu umgehen, und daß ein solcher befristeter Arbeitsvertrag daher keines sachlichen Grundes bedarf, sofern nicht die Umgehung eines besonderen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsschutzes in Betracht kommt. Für das Bestehen eines solchen besonderen Kündigungsschutzes gibt es hier keine Anhaltspunkte.

2. Allerdings sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die vom Landesarbeitsgericht im Ansatz ebenfalls zutreffend zugrunde gelegt wurde, Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber auf die Wartezeit anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in engem sachlichen Zusammenhang mit dem früheren steht (st. Rechtsprechung, vgl. zB BAG 20. August 1998 - 2 AZR 83/98 - AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 10 = EzA KSchG § 1 Nr. 50, zu II 1 der Gründe; BAG 9. Februar 2000 - 7 AZR 730/98 - AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 22). Dieser "enge sachliche Zusammenhang" im Sinne der Rechtsprechung zur Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ist jedoch von dem oben behandelten engen sachlichen Zusammenhang iSd. § 1 Abs. 1 Satz 3 BeschFG (aF) wegen der unterschiedlichen Gesetzeszwecke zu unterscheiden. Angesichts des Gesetzeswortlauts des § 1 Abs. 1 KSchG, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden haben muß, handelt es sich bei dem engen sachlichen Zusammenhang um einen von der Rechtsprechung durch Auslegung ermittelten Ausnahmetatbestand. Seiner Annahme sind enge Grenzen gesetzt (vgl. zB BAG 10. Mai 1989 - 7 AZR 450/88 - BAGE 62, 48, 54 f. = AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 7, zu II c bb der Gründe). Bei deren Prüfung kommt der zeitlichen Dauer der Unterbrechung eine wichtige, aber nicht allein maßgebliche Bedeutung zu. Daneben sind ua. der Anlaß der Unterbrechung sowie die Art der Weiterbeschäftigung zu berücksichtigen. Je länger die zeitliche Unterbrechung gedauert hat, desto gewichtiger müssen die für einen sachlichen Zusammenhang sprechenden Umstände sein.

III. Nach diesen Grundsätzen kann die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, zwischen dem zum 16. Februar 1996 durch die ordentliche Kündigung beendeten Arbeitsverhältnis und dem befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 10. Juni bis zum 30. November 1996 bestehe ein enger sachlicher Zusammenhang, keinen Bestand haben. Insbesondere hat das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung die lange Unterbrechungsdauer von nahezu vier Monaten fast völlig außer Acht gelassen.

a) In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind lediglich kurzfristige Unterbrechungen von einigen Tagen oder wenigen Wochen als für die Anrechnung eines früheren Arbeitsverhältnisses unschädlich angesehen worden. Insbesondere ist kein Fall ersichtlich, in dem das Bundesarbeitsgericht bei einer Unterbrechung von mehreren Monaten einen engen sachlichen Zusammenhang bejaht hätte. Ein solcher wurde vielmehr ua. schon bei einem Monat und zehn Tagen (BAG 15. Dezember 1983 - 2 AZR 166/82 - nv.), einem Monat und 23 Tagen (BAG 20. August 1998 - 2 AZR 83/98 - BAGE 89, 307 = AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 10), zwei Monaten (BAG 10. Mai 1989 - 7 AZR 450/88 - BAGE 62, 48 = AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 7) und 2 2/3 Monaten (BAG 11. November 1982 - 2 AZR 552/81 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 71) verneint. Im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. August 1998 (- 2 AZR 76/98 - AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 9) wurde zwar ein enger sachlicher Zusammenhang bei einer Unterbrechungszeit von eineinhalb Monaten bejaht. Diese Bewertung beruhte jedoch im wesentlichen darauf, daß der Unterbrechungszeitraum mit den Schulferien identisch war, während derer der damalige Kläger als Lehrer ohnehin nicht hätte beschäftigt werden können.

b) Für den Regelfall sieht die Rechtsprechung bereits einen Unterbrechungszeitraum von drei Wochen als einen verhältnismäßig erheblichen Zeitraum an, dessen Überschreitung es im allgemeinen ausschließt, von einer sachlich nicht ins Gewicht fallenden Unterbrechung auszugehen (BAG 18. Januar 1979 - 2 AZR 254/77 - AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 3). Dementsprechend hätten bei der vorliegenden Unterbrechungsdauer von nahezu vier Monaten schon ganz außergewöhnliche Umstände vorliegen müssen, um die Unterbrechung als rechtlich unerheblich erscheinen zu lassen. Hiervon kann bei den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Modalitäten der Entlassung, Wiedereinstellung und Weiterbeschäftigung des Klägers keine Rede sein. Insbesondere im Baugewerbe sind Entlassungen und Wiedereinstellungen bei Schwankungen der Auftragslage keine Ausnahmeerscheinung. Auch die Gleichartigkeit der Tätigkeit des Klägers in beiden Arbeitsverhältnissen ergibt sich bereits aus seinem Berufsbild als Bauwerker. Bei dieser Sachlage vermag auch der Umstand, daß die Beklagte die Wiedereinstellung davon abhängig gemacht hat, daß der Kläger die Kündigung nicht gerichtlich angreift, einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen beiden Arbeitsverhältnissen nicht zu begründen. Auch die vom Kläger behauptete Zusage der Personalleiters, ihn bereits zum 15. April 1996 wieder einzustellen, ist insoweit ohne Bedeutung.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dörner Steckhan Schmidt

Niehues Hökenschnieder

 

Fundstellen

Dokument-Index HI611052

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