Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung - tarifliche Ausschlußfrist

 

Orientierungssatz

Zur Abmahnung sind nicht nur kündigungsberechtigte Mitarbeiter befugt, sondern auch die Vorgesetzten, die verbindliche Anweisungen hinsichtlich des Ortes, der Zeit sowie der Art und Weise der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erteilen können.

 

Normenkette

BAT § 70; BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 23.11.1987; Aktenzeichen 17 Sa 1153/87)

ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 22.07.1987; Aktenzeichen 2 (1) Ca 181/87)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.

Der am 17. März 1939 geborene Kläger ist seit dem 1. April 1980 bei der Beklagten als technischer Angestellter im Rechnungsprüfungsamt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Organisationszugehörigkeit der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung.

Mit Schreiben vom 30. April 1984 - dem Kläger zugegangen am 2. Mai 1984 - teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr E ]

In Ihrer Eigenschaft als Prüfer des Rechnungsprüfungsamtes hatten Sie den Auftrag, die beim Amt 65 eingegangenen Angebote für die Schwachstromanlagen in der Stadthalle R zu prüfen und für die Vergabeausschußsitzung eine Stellungnahme vorzubereiten. Bei einem der Bieter hielten Sie wegen eines von Ihnen vermuteten Kalkulationsirrtums Rückfrage.

Hierdurch haben Sie gegen die nachstehenden für Sie verbindlichen Bestimmungen verstoßen: - Nach Ziffer 6.7 der Vergabeordnung für die Stadtverwaltung M sind Angebote und ihre Anlagen auch nach der Eröffnung vertraulich zu behandeln. In der Zeit zwischen Eröffnung und Auftragsvergabe (und um diese Zeit handelt es sich bei Ihrem Tun) dürfen Verhandlungen mit Bietern nur durch den Leiter der zuständigen Vergabestelle oder dessen Vertreter geführt werden. Solche Verhandlungen sind jedoch nur zulässig, um Zweifel über die Angebote oder die Bieter zu beheben. Der von Ihnen vermutete Kalkulationsirrtum führte zu dem Gespräch zwischen dem Bieter und der Stadt M. Hierdurch schafften Sie einen Zustand, der einem Verhandlungsgespräch gleichkommt. Zweifel an dem Angebotsinhalt hätten Sie mit dem Leiter der zuständigen Vergabestelle erörtern müssen. Ihre Befugnisse haben Sie somit überschritten.

Dies ergibt sich auch aus Ziffer 2 Abs. 9 der Dienstanweisung für das Rechnungsprüfungsamt der Stadt M, wonach es den Angehörigen des Rechnungsprüfungsamtes untersagt ist, selbst Verwaltungsgeschäfte innerhalb der zu prüfenden Ämter vorzunehmen.

- Nach § 2 Absatz 1 der Rechnungsprüfungsordnung der Stadt M ist das Rechnungsprüfungsamt im Rahmen seiner Aufgaben befugt, von städtischen Ämtern und Betrieben ... jede für die Prüfung notwendige Auskunft ... zu verlangen. Der Bieter, mit dem Sie sich in Verbindung gesetzt haben, ist eine Privatfirma. Vom Bieter hätten Sie also keine Auskünfte verlangen dürfen.

Ihr Verhalten muß ich auf das schärfte rügen. Ich bin nunmehr zum zweiten Mal gehalten, Sie an die Einhaltung der Ihnen obliegenden Pflichten zu erinnern. Weitere Verstöße werden zwangsläufig Auswirkungen auf den Bestand Ihres Beschäftigungsverhältnisses haben." Am 10. Mai 1984 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen eines nicht im vorbezeichneten Schreiben vom 30. April 1984 erwähnten Vorwurfs fristlos. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 4. Februar 1987 - 7 AZR 583/85 - die Kündigung deswegen als unwirksam angesehen, weil sie vom Oberstadtdirektor und nicht vom Rat der Stadt ausgesprochen worden sei.

In diesem Rechtsstreit begehrt der Kläger mit seiner am 29. März 1985 der Beklagten zugestellten Klage den Widerruf und die Entfernung der Abmahnung vom 30. April 1984 aus seiner Personalakte.

Der Kläger hält die Darstellung des Sachverhalts in diesem Schreiben nicht für richtig. Außerdem streiten die Parteien darüber, ob er sich die Ausschlußfrist des § 70 BAT entgegenhalten lassen muß und ob er sie eingehalten hat.

Der Kläger macht in diesem Zusammenhang geltend, er sei in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen, das als absolutes Recht keiner Ausschlußfrist unterliege. Selbst bei Anwendung der Ausschlußfrist des § 70 BAT habe sie nicht schon mit der Zustellung des Abmahnungsschreibens vom 30. April 1984, am 2. Mai 1984, begonnen, sondern die von der Abmahnung ausgehende Benachteiligung bestehe weiter fort und solange könne er sich dagegen mit einer Klage zur Wehr setzen.

Wenn man jedoch den Beginn der Ausschlußfrist mit der Zustellung des Schreibens am 2. Mai 1984 beginnen lasse, so habe er diese Frist eingehalten, weil er sich in seinem Schriftsatz vom 25. September 1984 in dem Kündigungsschutzprozeß gegen die Abmahnung gewandt habe. Außerdem habe die Beklagte mit ihm am 24. Oktober 1984 einen Vergleich unter Widerruf abgeschlossen, in dem es u. a. heißt:

"Die Beklagte verpflichtet sich weiter, die Abmahnung

vom 30. 4. 1984 aus den Personalakten des Klägers

zu entfernen, wobei die Beklagte ihren darin geäußerten

Rechtsstandpunkt aufrecht erhält."

Selbst wenn man die Voraussetzungen für die Ausschlußfrist des § 70 BAT als erfüllt ansieht, sei der Beklagten die Berufung darauf nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, weil sie ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 24. Oktober 1984 im Kündigungsschutzprozeß folgendes erklärt hat:

"Im Hinblick auf die aufgrund der Kündigung eventuell offen-

stehenden Zahlungsansprüche des Klägers verzichten wir auf

die Geltendmachung von Ausschlußfristen, Verjährungsfristen

oder sonstigen Fristen."

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 30. April 1984 zu widerrufen und deren Durchschrift aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt, sie hält die Voraussetzungen des § 70 BAT für erfüllt, denn die Ausschlußfrist beginne mit der Zustellung der Abmahnung am 2. Mai 1984. Der Fristbeginn verschiebe sich nicht dadurch, daß der Kläger sich fortlaufend beeinträchtigt fühlt. Er habe vor Beginn dieses Rechtsstreits die Abmahnung im Kündigungsschutzprozeß nicht angegriffen, denn die Kündigung sei auf diesen Sachverhalt gar nicht gestützt worden. Darüber hinaus sei der Wortlaut des Vergleichs vom 24. Oktober 1984 nicht maßgebend, weil der Kläger ihn widerrufen und die Beklagte ausdrücklich erklärt habe, daß sie ihren Rechtsstandpunkt hinsichtlich der Abmahnung vom 30. April 1984 aufrechthalte. Die Beklagte handele nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die Ausschlußfrist berufe, denn sie habe im Kündigungsschutzprozeß einen Verzicht auf Ausschlußfristen und Verjährungsfristen nur hinsichtlich noch offener Zahlungsansprüche erklärt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der kläger verfolgt mit der Revision sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Klage schon deswegen abgewiesen, weil der Kläger die Ausschlußfrist des § 70 BAT nicht eingehalten hat.

I. Der Kläger hat in diesem Rechtsstreit beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 30. April 1984 zu widerrufen und deren Durchschrift aus der Personalakte zu entfernen. Es ist in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich geprüft worden, ob der Kläger damit einen formellen Widerruf und daneben auch noch die Entfernung des Abmahnungsschreibens aus der Personalakte verlangt oder ob er sich auf die Entfernung des Vermerks beschränken will (vgl. zu dieser Unterscheidung: Kammerer, AR-Blattei, Stichwort: Abmahnung I, unter C I 1 mit Hinweis auf weitere Rechtsprechung hierzu). Die Vorinstanzen haben, ohne sich damit auseinander zu setzen, den Klageantrag so verstanden, daß der Kläger nur die Beseitigung der beanstandeten Abmahnung aus der Personalakte erreichen will. Das ist im Ergebnis zutreffend, weil er sich hierauf in der Begründung seiner Klage beschränkt hat.

II. Der Kläger hat mit der Revision erstmals geltend gemacht, die Abmahnung sei schon deswegen wirkungslos, weil sie vom Oberstadtdirektor allein unterzeichnet worden sei. Der Kläger will damit offenbar an die Rechtslage anknüpfen, die für eine Kündigung maßgebend ist, denn das Bundesarbeitsgericht hat im Vorprozeß mit Urteil vom 4. Februar 1987 - 7 AZR 583/85 - entschieden, der Oberstadtdirektor habe nicht allein rechtswirksam kündigen können.

Dabei verkennt der Kläger jedoch, daß zur Abmahnung nicht nur kündigungsberechtigte Mitarbeiter befugt sind, sondern die Vorgesetzten, die verbindliche Anweisungen hinsichtlich des Ortes, der Zeit sowie der Art und Weise der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erteilen können (BAG Urteil vom 18. Januar 1980 - 7 AZR 75/78 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Da der Oberstadtdirektor nach dem eigenen Vorbringen des Klägers für Personalangelegenheiten der Stadtangestellten zuständig ist, war er auch zur Abmahnung berechtigt.

III. Ebenfalls erstmals mit der Revisionsbegründung hat der Kläger angeführt, der Personalrat sei vor Erteilung der Abmahnung nicht angehört worden.

Ein Arbeitnehmer kann nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungsfrei abgemahnt werden (BAG Urteil vom 30. Januar 1979 - 1 AZR 342/76 - AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße). Allerdings meint der Kläger, es ergebe sich nach dem Landespersonalvertretungsgesetz Nordrhein-Westfalen eine andere Rechtslage: Mit der Neufassung des § 74 des vorgenannten Gesetzes vom 18. Dezember 1984 - also zeitlich nach der Abmahnung vom 30. April 1984 - müsse dem Personalrat vor einer Abmahnung ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Damit räumt der Kläger aber selbst ein, daß diese Regelung für die hier ausgesprochene Abmahnung noch nicht maßgebend ist. Er sieht jedoch die Abmahnung als Vorstufe der Kündigung an und ist der Auffassung, weil der Personalrat vor der Kündigung anzuhören sei, müsse das gleichermaßen für eine die Kündigung vorbereitende Abmahnung gelten. Das ist schon deswegen nicht überzeugend, weil die Abmahnung selbständige rechtliche Bedeutung hat und nicht zwangsläufig eine Kündigung vorbereitet. Die gegenteilige Ansicht des Klägers würde zur Anwendung der Neufassung des § 74 PersonalvertretungsG NW noch vor seinem Inkrafttreten führen.

IV. Das Berufungsgericht hat zu Recht § 70 BAT angewandt mit der Folge, daß der mit der Klage geltend gemachte Anspruch nach Ablauf der Ausschlußfrist verfallen ist. Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß auch ein Anspruch auf Rücknahme einer Abmahnung oder auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis i. S. von § 70 Abs. 1 BAT ist (so ausdrücklich BAG Urteil vom 12. Januar 1988 - 1 AZR 219/86 -, zu II der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Die Tarifbestimmung erfaßt alle Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (BAGE 43, 339, 345 = AP Nr. 37 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, zu 2 b der Gründe). Dazu gehören auch Ansprüche auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte, denn sie haben ihre Grundlage in der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht, die auf dem Gedanken von Treu und Glauben beruht (so ausdrücklich BAG Urteil vom 27. November 1985 - 5 AZR 101/84 - AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu 3 a der Gründe).

Demgegenüber macht der Kläger geltend, daß der Anspruch auf Beseitigung einer unrichtigen Abmahnung aus der Personalakte aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht herzuleiten sei und dieses als absolutes Recht die Anwendung einer tariflichen Ausschlußfrist verbiete. Zwar ist es richtig, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein absolutes Recht ist (BGHZ 13, 334, 338) und nicht den Ausschlußfristen für arbeitsvertragliche Ansprüche unterliegt (BAGE 24, 247, 259 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst, zu III b aa der Gründe). Dennoch ist es hier nicht als selbständige Anspruchsgrundlage neben der Fürsorgepflicht anzusehen. Das Vorbringen des Klägers reicht nicht aus, um daraus eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts abzuleiten. Das ist wegen der Notwendigkeit des Schutzes der Persönlichkeit ein Tatbestand eigener Art, der neben der Verletzung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag steht (BAGE 24, 247, 259 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst, zu III b aa der Gründe).

Die Beklagte wirft dem Kläger lediglich die Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten vor. Sie hat ihn deswegen auch nur an die Einhaltung seines Arbeitsvertrages erinnert. Die Abmahnung ist hierauf beschränkt und greift nicht in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein.

1. Nach § 70 Abs. 1 BAT verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Unter Fälligkeit versteht man allgemein den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen kann (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 48. Aufl., § 271 Anm. 1 a aa). Das gilt ebenso für den Fälligkeitsbegriff des § 70 Abs. 1 BAT, denn es ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien, die in einem Tarifvertrag einen Begriff verwenden, ihn in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung verstanden und angewendet wissen wollen, soweit sich nicht aus dem Tarifvertrag selbst etwas anderes ergibt (vgl. BAGE 42, 272, 277 = AP Nr. 61 zu § 616 BGB; BAG Urteil vom 25. Februar 1987 - 4 AZR 209/86 - AP Nr. 16 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat die tarifliche Ausschlußfrist zutreffend mit dem Zeitpunkt beginnen lassen, in dem der Arbeitnehmer von der Abmahnung Kenntnis erlangt. Von diesem Zeitpunkt an ist der Arbeitnehmer berechtigt zu verlangen, eine seiner Ansicht nach nicht gerechtfertigte Abmahnung zu beseitigen. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung tritt die Fälligkeit in dem Zeitpunkt ein, in dem der Gläubiger in der Lage ist, seine Ansprüche geltend zu machen (BAGE 24, 247, 258 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst, zu III b der Gründe). Der Kläger verkennt den Begriff der Fälligkeit, wenn er die Anwendung des § 70 BAT solange für ausgeschlossen hält, wie die ihn belastenden Maßnahmen andauern (BAG, aa0).

2. Der Kläger war zur Vermeidung der Ausschlußfrist danach gehalten, seinen Anspruch bis zum 2. November 1984 schriftlich geltend zu machen (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Diese Anforderungen erfüllt weder der Schriftsatz des Klägers vom 25. September 1984 im Kündigungsschutzprozeß noch die Äußerung des Klägers in der folgenden mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 1984.

Das Landesarbeitsgericht hat die vorgenannten Erklärungen ausgelegt und darin keinen Widerspruch gegen die Abmahnung selbst gesehen.

Bei diesen Schreiben und Erklärungen handelt es sich um individuelle, nichttypische Willenserklärungen. Die Auslegung derartiger Willenserklärungen ist Sache des Tatsachengerichts und unterliegt der Nachprüfung durch die Revisionsinstanz nur in der Richtung, ob das gewonnene Ergebnis denkgesetzlich möglich ist, nicht gegen Auslegungsregeln oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt und alle wesentlichen Umstände bei der Auslegung berücksichtigt worden sind (BAGE 27, 366, 371 f. = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße, zu 2 der Gründe).

Die Auslegung durch das Berufungsgericht ist nach diesen Maßstäben nicht zu beanstanden, denn die fristlose Kündigung, die Gegenstand des Kündigungsrechtsstreits war, stützte sich nicht auf das mit der Abmahnung gerügte Verhalten. Die Wirksamkeit der Kündigung hängt nicht von der Beseitigung einer vorhergehenden Abmahnung ab, sondern im Kündigungsschutzprozeß ist unabhängig davon zu prüfen, ob die in einer Abmahnung enthaltenen Vorwürfe tatsächlich gerechtfertigt waren oder nicht (vgl. BAG Urteil vom 13. März 1987 - 7 AZR 601/85 - AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = Der Betrieb 1987, 1494).

Der Kläger beschäftigt sich in seinem Schreiben vom 25. September 1984 nur mit dem Hintergrund der Kündigung und der angeblichen Voreingenommenheit des Amtsleiters Sch. Damit hat er nicht die Entfernung der Abmahnungen verlangt, denn er läßt es einleitend dahingestellt, ob der Kläger "in der Vergangenheit zu Recht oder Unrecht" abgemahnt worden ist.

Ebensowenig hat der Kläger mit Abschluß des widerruflichen Vergleichs vom 24. Oktober 1984 sein Verlangen auf Entfernung der Abmahnung vor Ablauf der Ausschlußfrist schriftlich geltend gemacht. Wie sich aus dem Wortlaut deutlich ergibt, hat die Beklagte ihre Rechtsauffassung zur Berechtigung der Abmahnung ausdrücklich aufrecht erhalten und war nur im Wege gegenseitigen Nachgebens bereit, die Abmahnung aus der Personalakte im Rahmen einer Gesamteinigung zu entfernen.

Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger demnach erst mit seiner der Beklagten am 29. März 1985 zugestellten Klageschrift in diesem Rechtsstreit den Widerruf und die Entfernung der Abmahnung vom 30. April 1984 aus der Personalakte verlangt hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Verfallfrist des § 70 Abs. 1 BAT abgelaufen und der Anspruch des Klägers erloschen.

3. Die Anwendung des § 70 BAT ist nicht rechtsmißbräuchlich, wie der Kläger meint. Der Kläger stellt insoweit auf die Erklärung der Beklagten zu Protokoll des Gerichts im Kündigungsrechtsstreit am 24. Oktober 1984 ab. Das Berufungsgericht hat diese Erklärung dahin ausgelegt, daß die Beklagte damit nur entsprechend dem Wortlaut hinsichtlich offenstehender Zahlungsansprüche auf die Geltendmachung von Ausschlußfristen verzichtet habe. Diese Auslegung ist nach revisionsrechtlichen Maßstäben gleichfalls nicht zu beanstanden. Im Gegensatz zum widerrufenen Vergleich, der ausdrücklich die Abmahnung berücksichtigt, erwähnt die Beklagte in dieser Erklärung die Abmahnung nicht.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

Halberstadt Dr. Stadler

 

Fundstellen

RzK, I 1 48 (ST1)

ZTR 1989, 314-315 (ST1-2)

ArztR 1990, 39 (ST1)

EzBAT § 70 BAT, Nr 28 (ST1-2)

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