Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung eines angestellten Rechnungsprüfers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die in § 101 Abs 2 Satz 1 GemO NW enthaltene Regelung, nach der die Bestellung und Abberufung von Prüfern des Rechnungsprüfungsamtes durch den Rat der Gemeinde zu er folgen hat, stellt eine Einschränkung der dem Gemeindedirektor nach § 54 Abs 1 Satz 3 GemO NW zustehenden umfassenden gesetzlichen Vertretungsmacht in arbeits- und tarifrechtlichen Angelegenheiten von Arbeitern und Angestellten dar.

2. Aufgrund der in § 101 Abs 2 Satz 1 GemO NW enthaltenen Einschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht ist der Gemeindedirektor nicht vertretungsberechtigt, einseitige Rechtsgeschäfte im Namen der Gemeinde vorzunehmen, die darauf abzielen, einem angestellten Prüfer unter gleichzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses die ihm vom Rat übertragene Funktion zu entziehen (zB durch außerordentliche oder ordentliche Änderungs- bzw Beendigungskündigung).

3. Die vom Gemeindedirektor ohne Vertretungsmacht gegenüber einem angestellten Prüfer erklärte außerordentliche Kündigung kann der insoweit vertretungsberechtigte Rat nur innerhalb der zweiwöchigen Ausschlußfrist des § 626 Abs 2 BGB bzw § 54 Abs 2 BAT genehmigen (in Fortführung des zur Veröffentlichung bestimmten Senatsurteils vom 26. März 1986 - 7 AZR 585/84 = AP Nr 2 zu § 180 BGB).

 

Orientierungssatz

Fristlose Kündigung eines Prüfers in einem kommunalen Rechnungsprüfungsamt wegen angeblicher Bedrohung und Beleidigung des Vorgesetzten; Frage, ob die ohne Beteiligung des Gemeinderats allein vom Oberstadtdirektor erklärte fristlose Kündigung unwirksam ist.

 

Normenkette

BAT § 54; BGB §§ 626, 180 S. 2, § 177 Abs. 1; GO NW § 54 Abs. 1; GO NW § 101 Abs. 1; GO NW § 101 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.06.1985; Aktenzeichen 15 Sa 1823/84)

ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 14.11.1984; Aktenzeichen 2 Ca 645/84)

 

Tatbestand

Der im Jahre 1939 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur. Ab 1. April 1980 war er als technischer Angestellter bei der Beklagten mit einem Bruttogehalt von zuletzt 5.241,90 DM beschäftigt. Aufgrund eines Beschlusses des Rats der Beklagten vom 1. April 1981 wurde er nach § 101 Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW) zum Prüfer beim Rechnungsprüfungsamt der Beklagten bestellt. In dieser Funktion war er ab April 1981 tätig.

Mit einem vom Oberstadtdirektor der Beklagten unterzeichneten Schreiben vom 10. Mai 1984 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. Der Personalrat hatte unter dem 9. Mai 1984 gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung Bedenken erhoben.

Mit seiner am 17. Mai 1984 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung mit der Begründung geltend gemacht, es fehle an einem wichtigen Grund i. S. des § 54 BAT.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der

Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom

10. Mai 1984 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Außerdem habe er am 3. Mai 1984 seinen Vorgesetzten grob beleidigt und bedroht.

Der Kläger hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritten.

Das Arbeitsgericht hat nach erfolgter Beweisaufnahme die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und sein erstinstanzliches Vorbringen im wesentlichen wie folgt ergänzt: Die fristlose Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil sie nicht vom Rat der beklagten Stadt erklärt worden sei. Außerdem sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Die beklagte Stadt beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Beide Parteien haben sich gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die außerordentliche Kündigung vom 10. Mai 1984 ist unwirksam, weil sie von dem Oberstadtdirektor und damit von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht erklärt worden und eine Genehmigung der Kündigungserklärung innerhalb der zweiwöchigen Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB bzw. des § 54 Abs. 2 BAT seitens des vertretungsberechtigten Rates der Beklagten nicht erfolgt ist (§ 180 Satz 2 i. V. mit § 177 Abs. 1 BGB).

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung stehe nicht entgegen, daß sie vom Oberstadtdirektor und nicht vom Rat der Stadt ausgesprochen worden sei. Die Leiter und Prüfer des Rechnungsamtes hätten zwar insoweit eine gewisse Sonderstellung, als sie dem Rat in ihrer sachlichen Tätigkeit unmittelbar unterstellt seien (§ 101 Abs. 1 GO NW); dennoch sei der Gemeindedirektor ihr Dienstvorgesetzter, wenn auch mit der Einschränkung, daß er keinen Einfluß auf die Prüftätigkeit nehmen dürfe. Diese Einschränkung seiner Dienstaufsicht lasse hingegen sein Recht, das Arbeitsverhältnis eines Angestellten des Rechnungsprüfungsamtes aus gegebenem Anlaß zu kündigen, unberührt. Die abweichende Ansicht des Klägers lasse sich nicht aus § 101 Abs. 2 GO NW herleiten, der bestimme, daß der Rat den Leiter und die Prüfer des Rechnungsprüfungsamtes bestelle und abberufe. Unter der Abberufung im Sinne des § 101 Abs. 2 GO NW sei die Entziehung der Funktion als Rechnungsprüfer zu verstehen, nicht hingegen die Beendigung des Grundrechtsverhältnisses. Hätte der Gesetzgeber in den Begriff der "Abberufung" auch eine Kündigung einbeziehen wollen, so hätte er dies sicher klar zum Ausdruck gebracht. Daß zwischen einer Beendigung des Grundrechtsverhältnisses und der "Abberufung" im Sinne der Entziehung der Funktion als Rechnungsprüfer ein Unterschied bestehe, lasse sich auch aus § 54 Abs. 1 GO NW entnehmen, der besage, daß die Beamten der Gemeinde aufgrund eines Ratsbeschlusses ernannt, befördert und e n t l a s s e n würden. Wenn es in § 101 Abs. 2 GO NW heiße, daß Leiter und Prüfer des Rechnungsprüfungsamtes vom Rat "bestellt" und "abberufen" würden, so lasse dies unter Berücksichtigung der Tatsache, daß zumindest der Leiter dieses Amtes Beamter sei (§ 101 Abs. 3 GO NW), eine Differenzierung zu § 54 Abs. 1 GO NW erkennen, in dem die Begründung des Beamtenverhältnisses durch den Rat der Gemeinde als "Ernennung" und dessen Beendigung als "Entlassung" bezeichnet würden. Wenn aber, wie nach den unterschiedlich verwendeten Bezeichnungen in den §§ 54 und 101 Abs. 2 GO NW angenommen werden müsse, bei den Beamten des Rechnungsprüfungsamtes sei die Abberufung aus diesem Amt nicht gleichbedeutend mit ihrer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, so müsse diese Unterscheidung auch für die Angestellten gelten.

Aus § 101 Abs. 2 GO NW könne auch nicht entnommen werden, daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines angestellten Rechnungsprüfers durch den Gemeindedirektor nur vorgenommen werden könne, wenn zuvor eine "Abberufung", d. h. eine Entziehung der Funktion, durch den Gemeindedirektor erfolgt sei. Dies würde dazu führen, daß die Beendigung des Dienstverhältnisses in zwei Etappen vor sich gehen müßte, nämlich zunächst durch die Entziehung der Prüfungstätigkeit und dann durch die Kündigung. Ein solches Vorgehen stehe mit dem Sinn und Zweck des § 101 Abs. 2 GO NW nicht im Einklang, der lediglich die Unabhängigkeit des Rechnungsprüfers bei Ausübung seiner Funktion gewährleisten solle.

Die fristlose Kündigung des Klägers scheitere somit nicht daran, daß sie von einer nicht berechtigten Stelle ausgesprochen worden sei.

II. Diese Würdigung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, daß der Oberstadtdirektor für einseitige arbeitsrechtliche Gestaltungsakte, die darauf abzielen, dem Kläger die Funktion eines Rechnungsprüfers zu entziehen (z. B. Versetzung kraft Direktionsrechts oder mittels einer Änderungskündigung, außerordentliche oder ordentliche Beendigungskündigung), keine Vertretungsmacht besitzt. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung des § 101 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW) in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Oktober 1979 (GV. NW. S. 594), die als spezielle Regelung die allgemeine Vertretungsvorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW einschränkt.

1. Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 GO NW werden die Beamten der Gemeinde aufgrund eines Ratsbeschlusses ernannt, befördert und entlassen. Für Angestellte und Arbeiter der Gemeinde bestand bis zum Inkrafttreten (8. Juli 1978) des "Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung, der Kreisordnung, der Landschaftsverbandsordnung und des Gesetzes betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk" vom 27. Juni 1978 (GV. NW. S. 268) in § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW die folgende Regelung:

"Die Angestellten und Arbeiter werden vom Ge-

meindedirektor angestellt, befördert und ent-

lassen."

Mit Wirkung vom 8. Juli 1978 wurde § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW in der noch zum gegenwärtigen Zeitpunkt geltenden Fassung wie folgt geändert:

"Die arbeits- und tarifrechtlichen Entscheidungen

für die Angestellten und Arbeiter trifft der Ge-

meindedirektor."

Sowohl bei der alten als auch bei der neuen Fassung des § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW handelt es sich um eine spezielle Regelung der dem Gemeindedirektor nach der allgemeinen Vorschrift des § 55 Abs. 1 GO NW zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (Kottenberg/Rehn/Cronauge, GO NW, Stand: Mai 1985, § 54 Erl. I; Rauball/Pappermann/Roters, GO NW, 3. Aufl. 1981, § 54 Rz 1). Der Umstand, daß in der Neufassung des § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW die "Entlassung" von Angestellten und Arbeitern der Gemeinde nicht mehr ausdrücklich erwähnt wird, stellt keine Einschränkung der dem Gemeindedirektor insoweit zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht dar (vgl. Kottenberg/Rehn/Cronauge, aaO, § 54 Erl. I). Der Neufassung des § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW liegt erkennbar das Bestreben des Landesgesetzgebers zugrunde, die dem Gemeindedirektor gegenüber den Angestellten und Arbeitern der Gemeinde zustehende gesetzliche Vertretungsmacht nicht mehr punktuell, d.h. durch die Aufzählung von wichtigen arbeitsrechtlichen Vertretungskompetenzen bei der Anstellung, Beförderung und Entlassung, sondern global durch die Zuerkennung der arbeits- und tarifrechtlichen Entscheidungsbefugnisse zu regeln. Aus den Gesetzgebungsmaterialien geht hervor, daß durch die Neufassung des § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW lediglich eine terminologische Anpassung an das geänderte Tarifrecht des öffentlichen Dienstes, nicht dagegen eine inhaltliche Neuregelung der dem Gemeindedirektor in Personalangelegenheiten der Angestellten und Arbeiter zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht erfolgen sollte (vgl. Landtagsdrucksache 8/2575, S. 21 zu § 54 GO NW). Nach § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW ist daher der Gemeindedirektor grundsätzlich der gesetzliche Vertreter der Gemeinde für den Ausspruch von Kündigungen gegenüber den bei der Gemeinde beschäftigten Angestellten und Arbeitern. Da § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW keine Einschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht für bestimmte Gruppen von Gemeindeangestellten enthält, stünde dem Gemeindedirektor nach dieser Vorschrift an sich auch die gesetzliche Vertretungsmacht für den Ausspruch von Änderungs- oder Beendigungskündigungen gegenüber angestellten Prüfern des Rechnungsprüfungsamtes zu.

TEXT2. Um dem besonderen Status der angestellten Prüfer Rechnung zu tragen, enthält § 101 Abs. 2 GO NW eine Sonderregelung. Danach bestellt der Rat den Leiter und die Prüfer beim Rechnungsprüfungsamt und beruft sie ab. In dieser Vorschrift ist insofern eine Einschränkung der dem Gemeindedirektor nach § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW zustehenden umfassenden gesetzlichen Vertretungsmacht in arbeits- und tarifrechtlichen Angelegenheiten von Angestellten und Arbeitern zu erblicken, als er nicht vertretungsberechtigt ist, einem Angestellten die Funktion eines Prüfers einzuräumen oder zu entziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Bestellung und Abberufung eines Prüfers auch im Rahmen eines bereits bestehenden oder noch fortbestehenden Arbeitsverhältnisses erfolgen kann. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein Angestellter - wie im Streitfall - erst nach einem gewissen Zeitraum nach Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Gemeinde vom Rat zum Prüfer beim Rechnungsprüfungsamt bestellt wird. Auch die Abberufung als Prüfer muß nicht unmittelbar zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Gemeinde führen, sondern kann sich auch in der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs beschränken. Sofern eine derartige Versetzung unter Beachtung der arbeitsvertraglichen Grenzen mittels des Arbeitgeberweisungsrechts erfolgen kann, steht gemäß § 101 Abs. 2 Satz 1 GO NW dem Rat die Versetzungsbefugnis zu. Auch hierin liegt bereits eine Begrenzung der dem Gemeindedirektor nach § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht für die "arbeits- und tarifrechtlichen Entscheidungen" bezüglich der Angestellten und Arbeiter. Unter Beachtung des mit der Vorschrift des § 101 Abs. 2 Satz 1 GO NW verfolgten Zwecks, die sachliche Unabhängigkeit der allein dem Rat unmittelbar verantwortlichen Prüfer beim Rechnungsprüfungsamt auch gegenüber dem Gemeindedirektor sicherzustellen (§ 101 Abs. 1 Satz 1 GO NW), ist davon auszugehen, daß dem Gemeindedirektor auch für solche einseitigen Rechtsgeschäfte keine gesetzliche Vertretungsmacht zusteht, die darauf abzielen, einem angestellten Prüfer unter gleichzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses die ihm vom Rat übertragene Funktion zu entziehen (z.B. durch Anfechtung, außerordentliche oder ordentliche Änderungskündigung, außerordentliche oder ordentliche Beendigungskündigung). In den Fällen der zuletzt genannten Art bedarf es grundsätzlich einer vorherigen Abberufung des Prüfers aus der von ihm innegehabten Funktion seitens des hierfür allein zuständigen Rats der Gemeinde (§ 101 Abs. 2 Satz 1 GO NW). Erst nach einer derartigen Funktionsentziehung in Gestalt einer "Abberufung" als Prüfer beim Rechnungsprüfungsamt lebt die durch § 101 Abs. 2 Satz 1 GO NW eingeschränkte gesetzliche Vertretungsmacht des Gemeindedirektors nach § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW wieder auf. Einen vom Rat der Gemeinde abberufenen Prüfer beim Rechnungsprüfungsamt kann der Gemeindedirektor nach Maßgabe des § 626 BGB bzw. § 54 BAT fristlos entlassen. Er besitzt hierzu gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 GO NW die erforderliche gesetzliche Vertretungsmacht. Fehlt es dagegen - wie hier - an einer vorherigen Abberufung durch den Rat der Gemeinde, und spricht der Gemeindedirektor allein eine fristlose Kündigung gegenüber einem angestellten Prüfer beim Rechnungsprüfungsamt aus, so fehlt es an der gesetzlichen Vertretungsmacht des Gemeindedirektors. Diese Auffassung entspricht auch dem Standpunkt des einschlägigen Schrifttums (vgl. Kottenberg/Rehn/Cronauge, aaO, § 101 Erl. II; Oerter/Loebel/Stork, GO NW, Stand: März 1985, § 101 Rz 2; Rauball/Pappermann/Roters, aaO, § 101 Rz 2). Eine andere Auslegung - etwa in dem Sinne einer sich nur im Innenverhältnis auswirkenden Zuständigkeit des Rates ohne Außenwirkung - stünde im Widerspruch zu dem Sinn und Zweck des § 101 Abs. 2 Satz 1 GO NW. Der Gemeindedirektor, der seinerseits der Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt unterliegt (z.B. hinsichtlich von Spesenrechnungen), soll nicht in der Lage sein, gegen den Willen des maßgeblichen Gemeindeorgans (= Rat der Gemeinde) einem angestellten Prüfer den ihm von dem Rat der Gemeinde übertragenen Aufgabenbereich mittels einer zugleich das Arbeitsverhältnis beendenden Kündigung zu entziehen. Die gegenteilige Auffassung hätte insbesondere zur Folge, daß der Gemeindedirektor einen äußerst genauen und daher unbequemen Prüfer beim Rechnungsprüfungsamt einseitig von seinem Aufgabenbereich durch eine ordentliche oder außerordentliche Änderungs- bzw. Beendigungskündigung entbinden könnte. Dies wäre selbst dann möglich, wenn der Rat der Gemeinde ein entsprechendes Abberufungsersuchen des Gemeindedirektors nicht gebilligt hätte.

Eine die gesetzliche Vertretungsmacht des Gemeindedirektors einschränkende Auslegung des § 101 Abs. 2 Satz 1 GO NW trägt am ehesten dem Schutzzweck dieser Vorschrift Rechnung. Der gegenüber dem Gemeindedirektor weisungsfrei arbeitende Prüfer soll in seiner Prüfungsfunktion in der Weise geschützt werden, daß nur der Rat der Gemeinde dazu befugt sein soll, ihm diese Funktion wieder zu entziehen (Rauball/Pappermann/Roters, aaO, § 101 Rz 2). Die alleinige Abberufungsbefugnis des Rates würde weitgehend ausgeschaltet werden, wenn der Gemeindedirektor gegenüber einem angestellten Prüfer beim Rechnungsprüfungsamt ohne vorherige Abberufung oder gar gegen eine ausdrücklich abgelehnte Abberufung seitens des Rates rechtswirksam eine zur Abberufung führende Änderungs- oder Beendigungskündigung erklären könnte.

3. Entgegen der Ansicht der Revision kann § 101 Abs. 2 Satz 1 GO NW nicht in der Weise ausgelegt werden, daß es lediglich einer vorherigen Zustimmung des Rates zur Entlassung eines angestellten Prüfers durch den Gemeindedirektor bedürfe. Eine derartige Auslegung widerspräche dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die die Abberufung des Prüfers dem Rat selbst vorbehält und sie nicht nur von dessen Zustimmung abhängig macht. Im übrigen ist im vorliegenden Falle aber auch eine Zustimmung des Rates der Beklagten nicht eingeholt worden.

4. Der Senat hat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 26. März 1986 (7 AZR 585/84, unter II der Gründe) entschieden, daß die Vorschrift des § 54 Abs. 3 Satz 2 GO NW, nach der Arbeitsverträge und sonstige Erklärungen zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Angestellten und Arbeitern neben der Unterschrift des Gemeindedirektors oder seines Stellvertreters noch der Unterzeichnung durch einen weiteren vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten bedürfen, eine Einschränkung der Vertretungsmacht des Gemeindedirektors bedeutet. Da im Streitfall in der zum Zeitpunkt der Kündigung geltenden Hauptsatzung der Beklagten vom 4. März 1976 (§ 11 Abs. 2) eine Regelung enthalten ist, durch die § 54 Abs. 3 Satz 2 GO NW wirksam abbedungen worden ist, besteht insoweit kein weiterer Vertretungsmangel. Die alleinige Unterzeichnung durch den Oberstadtdirektor der Beklagten ist durch die entsprechende Regelung in der Hauptsatzung (§ 11 Abs. 2) gedeckt.

In dem Urteil vom 26. März 1986 (aaO) hat der Senat außerdem klargestellt, daß eine ohne hinreichende Vertretungsmacht erklärte außerordentliche Kündigung vom Vertretenen mit rückwirkender Kraft nach § 184 BGB nur innerhalb der zweiwöchigen Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB genehmigt werden kann. An diesem Standpunkt hält der Senat auch für die hier vorliegende Fallkonstellation fest.

Die vom Oberstadtdirektor der Beklagten erklärte fristlose Kündigung vom 10. Mai 1984 ist wegen der fehlenden Vertretungsmacht des Oberstadtdirektors unwirksam. Bei einer Kündigung ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht grundsätzlich unzulässig (§ 180 Satz 1 BGB). Ausnahmsweise findet jedoch gemäß § 180 Satz 2 BGB die Vorschrift des § 177 BGB auf empfangsbedürftige einseitige Willenserklärungen entsprechende Anwendung, wenn der Erklärungsempfänger die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Der Kläger hat die Kündigungserklärung nicht wegen der fehlenden Vertretungsmacht des Oberstadtdirektors unverzüglich zurückgewiesen. Er hat erstmals im Schriftsatz seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom 25. September 1984 und damit ca. viereinhalb Monate nach dem Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 10. Mai 1984 unter Hinweis auf § 101 Abs. 2 GO NW die fehlende Vertretungsmacht des Oberstadtdirektors der Beklagten gerügt. Daher hing die Wirksamkeit der Kündigung nach dem entsprechend anzuwendenden § 177 Abs. 1 BGB von der Genehmigung des Rats der Beklagten ab. Für eine derartige Genehmigung, die innerhalb der gesetzlichen Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB hätte erklärt werden müssen, hat die Beklagte nichts vorgetragen. Auch der von den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt bietet für eine derartige Annahme keine Anhaltspunkte.

Die außerordentliche Kündigung vom 10. Mai 1984 ist daher wegen der nicht hinreichenden Vertretungsmacht des Oberstadtdirektors der Beklagten unwirksam, so daß es auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Frage der ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats sowie zum Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bzw. § 54 Abs. 1 BAT nicht mehr ankommt.

Dr. Seidensticker Roeper Dr. Becker

Nehring Prof. Dr. Zachert

 

Fundstellen

Haufe-Index 441379

RdA 1987, 191

RzK, I 2b Nr 4 (LT1-3)

AP § 626 BGB Ausschlußfrist (LT1-3), Nr 24

EzA § 626 nF BGB, Nr 106 (LT1-3)

EzBAT § 54 BAT Vertretungsmacht, Nr 2 (LT1-3)

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