Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuwendungsverbot für Spielbankenaufsicht im Automatensaal

 

Normenkette

Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken im Land Nordrhein-Westfalen (Spielbankengesetz NRW) vom 19. März 1974 (GV NW S. 93) § 7

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 11.07.1990; Aktenzeichen 14 Sa 1364/89)

ArbG Dortmund (Urteil vom 09.05.1989; Aktenzeichen 6 Ca 216/89)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Juli 1990 – 14 Sa 1364/89 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger ihm persönlich zugewendete Trinkgelder für sich behalten darf oder an den Tronc abführen muß.

Die Beklagte betreibt die Spielbank in D., in der der Kläger als Aufsicht im Automatensaal arbeitet. In jeder Schicht sind dort fünf Mitarbeiter tätig, davon zwei im Saal und drei an den Kassen. Zu den Aufgaben des Klägers gehört es:

  • dafür zu sorgen, daß die Gäste die Spielordnung beachten und die Automaten entsprechend den Bedienungsanweisungen bespielen;
  • darauf zu achten, daß keine Spielversuche mit falschen Münzen oder auch mit Münzen fremder Währungen unternommen werden;
  • die Richtigkeit der Gewinnauszahlung zu überwachen;
  • im Falle eines Haupttreffers die Richtigkeit der Bildkonstellation zu prüfen;
  • bei häufigen und größeren Gewinnauszahlungen eine Kontrolle des Geräts vorzunehmen, um Manipulation oder Fremdeinwirkungen auszuschließen.

Der Kläger hat diese Stellenbeschreibung wie folgt ergänzt:

Er erkläre im Bedarfsfall den Gästen die Funktionsweise des Automaten und halte Stammgästen mitunter einen Automatenplatz frei, wenn diese z.B. Geld, wechseln wollten. Außerdem versuche er, Streitigkeiten zu schlichten und behebe im übrigen Störungen an den Automaten, die z.B. dadurch auftreten, daß mehrere Münzen gleich zeitig oder falsche Münzen eingeworfen werden. Wenn er an der Kasse beschäftigt werde, sei es seine Aufgabe, zunächst einmal. Eintrittskarten zum Preis von 2,– DM auszugeben, außerdem Scheine in Münzen zu wechseln und schließlich auch größere Gewinne auszuzahlen.

Im Kassenbereich, des Automatensaals befinden sich mehrere Troncbehälter, in die auf Anordnung der Beklagten Zuwendungen der Gäste einzuwerfen sind.

Die Arbeitsvergütung des Klägers wurde bisher dem Tronc entnommen. Seit Dezember 1989 erhält er ein Festgehalt, das ebenfalls aus dem Tronc bezahlt wird.

Im Anstellungsvertrag des Klägers wird bis zum Abschluß tarifvertraglicher Regelungen und/oder Betriebsvereinbarungen Bezug genommen auf die „Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter der Westdeutschen Spielbanken GmbH & Co. KG, M.”. Der damit in Bezug genommene § 2 der Gehaltsvereinbarungen für die Arbeitsverhältnisse der Westdeutschen Spielbanken GmbH & Co. KG enthält folgende Regelung:

  1. „Die von den Besuchern des Spielcasinos bei dem Unternehmen beschäftigten Personen für die Gesamtheit oder bestimmten Teil der Belegschaft, für das jeweilige Spielcasino oder ohne ersichtliche Zweckbestimmungen gegebenen Zuwendungen, die dem dafür besonders bereitgestellten Behälter unverzüglich zuzuführen sind, bilden den Tronc.
  2. Abs. 1 gilt nicht für die übrigen Zuwendungen an Pagen, Portiers und Diener.
  3. In jedem Spielcasino wird nur ein Tronc geführt.
  4. Die Troncaufkommen der einzelnen Spielcasinos des Unternehmens werden einem Gesamttronc zugeführt.”

In der Anl. 1 a zu einer Teilvereinbarung zu einem Tronc- und Gehaltstarifvertrag zwischen der Beklagten und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft – Landesverband Nordrhein-Westfalen – und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen in Nordrhein-Westfalen ist eine Stellenbeschreibung für das spieltechnische Personal enthalten. Darin ist die Automatenaufsicht nicht mitaufgeführt.

Nach einer Protokollnotiz zur vorgenannten Teilvereinbarung zu einem Tronc- und Gehaltstarifvertrag erklären sich die Tarifparteien einig, daß eine Stellenbeschreibung für das Servicepersonal zu erstellen sei. Im übrigen unterscheidet die Teilvereinbarung zwischen einer „Gruppe A”, zu der neben dem technischen Direktor die Saal- und Tischchefs sowie die Croupiers zählen und einer „Gruppe B”, zu der neben dem kaufmännischen Direktor, Hauptkassierer, Portier, Page, Garderobiere, Pförtner u.a. auch die Automatenaufsicht gehören.

In diesem Zusammenhang streiten die Parteien darüber, ob der Kläger unter die Ausnahmeregelung des § 7 des Spielbankengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen fällt, wonach das Verbot der Annahme von Zuwendungen, insbesondere die Annahme von sog. Trinkgeldern, für die nicht zum spieltechnischen Personal gehörenden Beschäftigten keine Anwendung findet.

Der Kläger hat dazu die Auffassung vertreten, er gehöre nicht zum spieltechnischen Personal, sondern sei nach den tarifvertraglichen Regelungen zum Servicepersonal zu rechnen. Der Gesetzgeber habe mit dem Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 des Spielbankengesetzes in Nordrhein-Westfalen nur den Zweck verfolgt, das von Menschenhand betriebene sog. „Große Spiel” von dem Verdacht einer Manipulation freizuhalten. Das könne aber nicht für das vom Kläger zu beaufsichtigende Automatenspiel gelten, bei dem der Kläger den Spielverlauf nicht beeinflussen könne.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß er ihm persönlich gewidmete Trinkgelder behalten dürfe, er also nicht verpflichtet sei, sie an den Tronc abzuführen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hält den Kläger gemäß § 7 Abs. 1 des Spielbankengesetzes in Nordrhein-Westfalen für verpflichtet, ihm zugedachte persönliche Zuwendungen an den Tronc abzuführen. Diese Regelung gelte für den Kläger ebenso wie für das spieltechnische Personal im Spielsaal, weil er als Automatenaufsicht von dem Verdacht freigehalten werden müsse, durch persönliche Zuwendungen die Aufsicht zugunsten bestimmter Spieler zu vernachlässigen. Zwar enthalte die Anl. 1 a der Teilvereinbarung zum Tronc- und Gehaltstarifvertrag eine Stellenbeschreibung für das spieltechnische Personal, das die vom Kläger wahrgenommene Automatenaufsicht nicht miterfasse. Das habe aber nur Bedeutung für die tarifliche Eingruppierung und ändere an der gesetzlichen Regelung nichts. Außerdem sei der Kläger schon arbeitsvertraglich verpflichtet, persönliche Zuwendungen an den Tronc abzuführen. Das entspreche auch der betrieblichen Übung bei der Beklagten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger erstrebt mit der Revision die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision mußte zurückgewiesen werden.

I. Das Landesarbeitsgericht rechnet den Kläger zum spieltechnischen Personal und unterwirft ihn dem Zuwendungsverbot des § 7 des Spielbankengesetzes in Nordrhein-Westfalen vom 19. März 1974 (GV NW S. 93). Die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 treffe auf den Kläger nicht zu, denn er sei unmittelbar beteiligt im Automatensaal am Spielgeschehen, das er dort beaufsichtige und wo er zur Beseitigung von Störungen auch Eingriffe in die Automatentechnik vornehme. Die Einflußmöglichkeit des Klägers auf den Spielablauf im Automatensaal sei zwar verhältnismäßig geringfügig, aber es könne nicht ausgeschlossen werden, daß Beeinflussungsversuche mit Hilfe von Trinkgeldern vorkommen können. Der Kläger habe selbst darauf hingewiesen, daß er guten Kunden Automatenplätze freihalte. Außerdem sei ein Ermessensspielraum gegeben, wenn Unregelmäßigkeiten festgestellt werden und es darum gehe, ob der Spieler aus dem Saal gewiesen werden müsse oder nicht. Deswegen bestehe ein dringendes Interesse der Allgemeinheit, daß gerade die mit Kontroll- und Aufsichtsfunktionen befaßten Mitarbeiter im Automatensaal keine Trinkgelder annehmen, um auch den noch so geringfügigen Verdacht von Unregelmäßigkeiten fernzuhalten. Die tarifliche Einordnung des Klägers habe für die gesetzliche Regelung keine Bedeutung, weil die Tarifvertragsparteien den Gesetzesinhalt nicht verändern könnten.

II. Der Kläger wendet sich mit der Revision dagegen, daß er vom Landesarbeitsgericht zum spieltechnischen Personal gerechnet werde. Dazu gehöre er nicht. Davon sei nicht nur aufgrund der Tarifverträge auszugehen, sondern die Tätigkeit des Klägers ermögliche ihm auch keine Einflußnahme auf den Spielablauf. Der Gesetzgeber habe das Zuwendungsverbot auf das von Menschenhand betriebene Spiel beschränken wollen, weil nur dabei die Gefahr von Manipulationen ausgeschlossen werden sollte. Dagegen funktioniere das Automatenspiel von allein. Die Tätigkeit der Mitarbeiter im Automatensaal beschränke sich auf die Aufsicht und Betreuung der Spielbankbesucher, auf das Wechseln von Münzgeld und auf die Beobachtung, ob die zum Spiel freigegebenen Automaten tatsächlich funktionieren.

III. Diese Ausführungen der Revision vermögen nicht zu überzeugen.

Das Landesarbeitsgericht rechnet zutreffend den Kläger zum spieltechnischen Personal im Sinne des § 7 Abs. 1 des Spielbankengesetzes in Nordrhein-Westfalen. Damit unterliegt er dem Zuwendungsverbot und ist verpflichtet, ihm persönlich zugedachte Trinkgelder an den Tronc abzuführen. Diese Auslegung wird dem Sinn und Zweck des Gesetzes gerecht. Zwar mag der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Regelung noch davon ausgegangen sein, daß in Spielbanken kein Automatenspiel betrieben werde. Wenn er damit auch in Unkenntnis der künftigen Entwicklung handelte, so schließt das die Anwendung des § 7 Abs. 1 des Spielbankengesetzes in Nordrhein-Westfalen auf den Kläger nicht aus. Der Gesetzgeber wollte mit dem Zuwendungsverbot verhindern, daß die am Spielverlauf beteiligten Mitarbeiter in den Verdacht einer Manipulation durch Trinkgelder geraten.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Kläger zwar in geringerem Maße als beim von Menschenhand betriebenen „Großen Spiel” den Spielverlauf beeinflussen könne, jedoch sei das nicht völlig ausgeschlossen.

Er hat nach der unstreitigen Tätigkeitsbeschreibung dafür zu sorgen, daß die Gäste die Spielordnung beachten und die Automaten entsprechend den Bedienungsanleitungen benutzen. Ebenso soll er verhindern, daß Spielversuche mit falschen Münzen oder auch mit fremder Währung unternommen werden. Außerdem hat er die Richtigkeit der Gewinnauszahlung zu überwachen und muß im Falle eines Haupttreffers die Richtigkeit der Bildkonstellation prüfen. Ferner hat er bei häufigen und größeren Gewinnauszahlungen das Gerät daraufhin zu kontrollieren, daß Manipulationen oder Fremdeinwirkungen ausgeschlossen sind.

Wenn er diese Funktionen nachlässig handhabt, beeinflußt er zwangsläufig den Spielverlauf zum Vorteil bestimmter Spieler. Deswegen muß er dem Gesetzeszweck entsprechend von dem Verdacht freigehalten werden, durch Trinkgelder die ihm übertragenen Aufgaben zu vernachlässigen. Das gilt gleichfalls für die vom Kläger genannte Gefälligkeit, bestimmten Spielern vorübergehend einen Platz an bestimmten Automaten freizuhalten (bei dem sich die Gewinnchance nach dem bisher vielleicht erfolglosen Spiel möglicherweise erhöht hat).

Schon das Vorhandensein einer Aufsichtskraft mit der Tätigkeit des Klägers zur Einhaltung bestimmter Überwachungsfunktionen zeigt, daß Manipulationen denkbar sind, denn sonst wäre der Kläger als Aufsicht überflüssig.

Zwar hat der Erste Senat mit Beschluß vom 17. Dezember 1985 (BAGE 50, 307, 311 = AP Nr. 15 zu § 111 BetrVG 1972, zu II 1 b der Gründe) im Zusammenhang mit der Anwendung des § 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG (Änderung des Betriebszwecks) zwischen dem herkömmlichen Spiel mit der Einrichtung eines leistungsfähigen Tronc, in den alle Trinkgelder fließen, und dem Automatenspiel, an dem keine Angestellten unmittelbar beteiligt seien, unterschieden und hat daraus die Schlußfolgerung gezogen, es gebe keine Trinkgelder und damit auch keinen Tronc. Bei dieser theoretischen Unterscheidung ist der Erste Senat aber von einer anderen Fallgestaltung ausgegangen, als sie hier vorliegt. Bei dem von der Beklagten betriebenen Automatenspiel sind Angestellte – darunter der Kläger – unmittelbar beteiligt, denn sie sollen durch ihre Aufsichtstätigkeit einen ordnungsgemäßen Spielablauf sichern, wie schon dargelegt.

Der Hinweis der Revision auf die tarifvertragliche Regelung geht ebenfalls fehl. Zwar erfaßt die Anl. 1 a (Stellenbeschreibung für das spieltechnische Personal) der Teilvereinbarung zu einem Tronc und Gehaltstarifvertrag nicht die Aufsichtstätigkeit des Klägers. Das hat aber nur Bedeutung für seine tarifliche Einordnung und ändert an der gesetzlichen Regelung nichts. Die Tarifvertragsparteien können damit das Zuwendungsverbot des § 7 des Spielbankengesetzes in Nordrhein-Westfalen nicht einschränken.

Darüber hinaus muß der Kläger sich die arbeitsvertraglich vereinbarte Regelung des § 2 der Gehaltsvereinbarung für die Arbeitsverhältnisse der Westdeutschen Spielbanken GmbH & Co. KG entgegenhalten lassen, wonach alle Mitarbeiter mit Ausnahme der Pagen, Portiers und Diener keine Zuwendungen von Besuchern des Spielcasinos persönlich annehmen dürren, sondern sie dem Tronc zuführen müssen.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Kahler, Kessel

 

Fundstellen

Haufe-Index 1070652

NZA 1992, 308

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge