Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweistufige Ausschlußfrist und Kündigungsschutzprozeß

 

Orientierungssatz

1. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 1.12.1983 6 AZR 299/80 = BB 1984, 1299) werden allein durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage Urlaubsansprüche nicht geltend gemacht.

2. Sieht ein Tarifvertrag (hier: § 18 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Groß- und Außenhandels in Bayern vom 9.4.1979) eine weitere tarifliche Ausschlußfrist (sogenannte zweistufige Ausschlußfrist) für die gerichtliche Geltendmachung für den Fall vor, daß der Arbeitgeber die Erfüllung von Ansprüchen ablehnt, dann beginnt diese zweite Ausschlußfrist mit dem Klageabweisungsantrag des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozeß, ohne daß es einer unmittelbar auf die Ablehnung selbst bezogenen Ablehnungserklärung bedarf.

 

Normenkette

TVG §§ 1, 4

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 21.09.1982; Aktenzeichen 3 Sa 206/82)

ArbG München (Entscheidung vom 11.02.1982; Aktenzeichen 12 Ca 4372/79)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für das Urlaubsjahr 1979 noch Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld zustehen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung und seit 1. Juli 1979 kraft Allgemeinverbindlicherklärung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Groß- und Außenhandels in Bayern vom 9. April 1979 Anwendung (MTV).

Die Beklagte hat den Kläger am 17. April 1979 fristlos und vorsorglich fristgemäß zum 30. Juni 1979 gekündigt. Der Kläger erhob am 19. April 1979 hiergegen Kündigungsschutzklage. Die Beklagte hat den Klageabweisungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 1979 gestellt. Durch rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 26. Mai 1981 wurde das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1979 beendet.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 1.050,-- DM Urlaubsgeld und Urlaubsabgeltung in Höhe von 816,62 DM für das Urlaubsjahr 1979 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, beide Ansprüche seien verfallen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie hat, da der Prozeßbevollmächtigte des Klägers trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin am 7. März 1985 nicht erschienen ist, ein entsprechendes Versäumnisurteil beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung und zur Klageabweisung.

1. Das Landesarbeitsgericht vertritt die Rechtsansicht, die Ansprüche des Klägers auf Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld seien nicht verfallen. Mit Erhebung der Kündigungsschutzklage sei die Geltendmachung dieser Ansprüche erfolgt. Wenn § 18 Abs. 4 MTV die gerichtliche Geltendmachung für den Fall verlange, daß die Ansprüche nicht anerkannt werden, so werde die tarifliche Ausschlußfrist erst mit Rechtskraft des Kündigungsschutzprozesses in Lauf gesetzt.

2. Dieser Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Dem Kläger stehen die von ihm begehrten Ansprüche nicht mehr zu. Sie sind verfallen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 1. Dezember 1983 - 6 AZR 299/80 -, zur Veröffentlichung bestimmt) werden allein durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage Urlaubsansprüche nicht geltend gemacht. Allerdings kann der Ablauf einer sog. einstufigen Ausschlußfrist dem Arbeitnehmer nach Abschluß eines für ihn erfolgreichen Kündigungsschutzprozesses nicht entgegengehalten werden, wenn er nach Rechtskraft des Kündigungsschutzprozesses nunmehr eine entsprechende Leistungsklage erhebt. Anders zu beurteilen ist die Rechtslage jedoch bei einer, wie hier, in § 18 Abs. 4 MTV vorliegenden sog. zweistufigen Ausschlußfrist. Sieht ein Tarifvertrag eine weitere tarifliche Ausschlußfrist für die gerichtliche Geltendmachung für den Fall vor, daß der Arbeitgeber die Erfüllung von Ansprüchen ablehnt, dann beginnt diese zweite Ausschlußfrist mit dem Klageabweisungsantrag des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozeß, ohne daß es einer unmittelbar auf die Ansprüche selbst bezogenen Ablehnungserklärung bedarf (vgl. BAG Urteil vom 13. September 1984 - 6 AZR 379/81 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ersetzt somit die Kündigungsschutzklage nicht die gerichtliche Geltendmachung von Leistungsansprüchen, die für die zweite Stufe der Ausschlußklausel verlangt wird.

Nach § 18 Abs. 4 MTV mußte der Kläger innerhalb von zwei Monaten Leistungsklage erheben nach Ablehnung der Ansprüche durch den Klageabweisungsantrag der Beklagten im Kündigungsschutzprozeß. Der Klageabweisungsantrag der Beklagten wurde in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 1979 gestellt. Damit begann die die zweimonatige Klagefrist des § 18 Abs. 4 MTV zu laufen. Der Kläger hätte somit bis zum 12. September 1979 entsprechende Leistungsklage erheben müssen. Der Kläger hat seine Ansprüche aber erst mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 28. September 1979 geltend gemacht. Sie sind damit verfallen.

Rechtsbehelfsbelehrung:

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Gegen dieses Versäumnisurteil steht dem Kläger der Einspruch zu (§ 338 ZPO). Der Einspruch muß durch Einreichen einer Einspruchsschrift beim Bundesarbeitsgericht von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (§ 340 ZPO). Die Einspruchsschrift muß die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird, sowie die Erklärung, daß gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde, enthalten. Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen. Sie beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils (§ 339 Abs. 1 ZPO).

Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann

Mayer Dr. Kukies

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440856

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