Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Hausdame eines Übernachtungsheimes

 

Leitsatz (redaktionell)

Hotel oder Übernachtungsheim als Voraussetzung der Eingruppierung eines Arbeitnehmers bei den Allierten Streitkräften

 

Normenkette

TVAL II §§ 51, 58

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 08.02.1990; Aktenzeichen 5 Sa 675/89)

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 19.06.1989; Aktenzeichen 3 Ca 1193/89)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Februar 1990 – 5 Sa 675/89 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der seit dem 15. August 1984 bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigten Klägerin. Nach dem Arbeitsvertrag vom 15. August 1984 findet auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) mit den dazugehörigen Sonderbestimmungen und Anhängen Anwendung.

Die Klägerin wurde zunächst als Zimmermädchen nach der VergGr. H 3 des Anhangs H zum TVAL II in L. beschäftigt. Im Jahre 1985 wurde sie auf eine Arbeitsstelle auf dem Flugplatz R. übernommen. Im Anstellungs- bzw. Änderungsvertrag vom 10. Oktober 1985 ist die Tätigkeitsfunktion der Klägerin als „Hausdame/Hauskeeper” in der VergGr. H 5 bezeichnet. Mit Schreiben vom 18. April 1988 hat sie gegenüber ihrer Beschäftigungsdienststelle die Höhergruppierung in die VergGr. H 6 der Anl. H zum TVAL II erfolglos geltend gemacht. Mit der der Beklagten am 6. März 1989 zugestellten Feststellungsklage verfolgt sie dieses Begehren weiter.

Die Klägerin ist in einer „R. -Inn South Billeting” bezeichneten Einrichtung der Streitkräfte beschäftigt. Laut Organisationsplan obliegt ihr die Betreuung zweier Gebäude, nämlich der Häuser Nr. 2408 und 2409. In diesen befinden sich zusammen mehr als 200 Betten. Die Einrichtung ist aufgeteilt in Suiten, Zimmer mit Doppelbett und Zimmer mit jeweils zwei Einzelbetten. Bei der Mehrzahl der Zimmer sind die Bäder jeweils zwischen den Zimmern angeordnet und dementsprechend jeweils ein Bad zwei Zimmern zugeordnet. Möglichkeiten zum Frühstück oder zur Einnahme von Mahlzeiten befinden sich in diesen Gebäuden nicht. Wenn die Gäste etwas essen wollen, müssen sie sich in die benachbarte Messehalle oder in den sog. NCO-Club begeben. Die Einrichtung ist mit einer Rezeption versehen. Die Klägerin ist im wesentlichen zuständig für die Überwachung der zur Reinigung eingesetzten Zimmermädchen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei in einem Hotel im Sinne der Anl. H zum TVAL II und nicht in einem Wohn- und Übernachtungsheim beschäftigt. Dies ergebe sich bereits aus der Ausstattung der Zimmer und dem gebotenen Service. So würden täglich die Zimmer gereinigt, Handtücher gewechselt und wöchentlich oder nach Wechsel der Belegung die Bettwäsche ausgewechselt. Zwar sei die Einrichtung nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich, doch ergebe sich dies aus der Eigenheit des militärischen Dienstbetriebes und der Lage auf einem Militärflugplatz. Ebenso sei unerheblich, daß in der Einrichtung erhobene Übernachtungspreise nicht die Höhe hätten, wie sie üblicherweise in einem Hotel gleicher Güte außerhalb des Flugplatzes verlangt würden. Zwar könnten Schlafgelegenheiten in einem schon teilweise besetzten Mehrbettzimmer zugeteilt werden, doch sei es möglich, Zimmer im voraus zu bestellen oder Zimmer auszusuchen. Frühstück oder sonstige Mahlzeiten würden nur deshalb nicht gewährt, weil in den in der Nähe befindlichen Einrichtungen rund um die Uhr Speisen und Getränke angeboten würden.

Die unterschiedlichen tariflichen Vergütungsregelungen für Bedienstete in einem Hotel und in einem Wohn- und Übernachtungsheim resultierten nicht aus dem unterschiedlichen Status dieser beiden Arten von Übernachtungseinrichtungen, sondern seien entsprechend dem für jede tarifliche Vergütungsregelung geltenden Grundsatz, für höhere Qualifikation und höhere Leistung auch eine höhere Vergütung zu bezahlen, zu begreifen. In diesem Zusammenhang hat sie behauptet, sie sei zuständig für die Erstellung der Schichtpläne des eingesetzten Personals, verantwortlich für den Arbeitsablauf und die Erstellung der Arbeitspläne, für einen reibungslosen Dienstbetrieb, für die Bezahlung der in der Einrichtung beschäftigten Arbeiter, kontrolliere die Arbeitszeitlisten vor ihrer Weiterleitung, sei verantwortlich für die Durchführung notwendiger Reparaturen, zuständig für die Einstellung des in der Einrichtung beschäftigten Personals, führe alle Einstellungsgespräche und treffe unter den sich bewerbenden Personen die Auswahl, sei verantwortlich für die Durchführung von Sicherheitsvorschriften, verantwortlich für den Bestand der in der Einrichtung befindlichen Wäsche sowie für deren Aus- und Eingang von und zum Waschen, sei ferner verantwortlich für die Bestellung aller nötigen Materialien, arbeite an der hauseigenen EDV-Anlage und sei bei Abwesenheit des Hotel-Managers dessen Vertreter.

Schließlich hat sich die Klägerin darauf berufen, daß eine ihr unterstellte amerikanische Arbeitnehmer in ein höheres Gehalt als sie selbst beziehe.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß die Klägerin rückwirkend ab dem 1. November 1987 nach der VergGr. H 6 zu entlohnen ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Klägerin sei nicht in einem Hotel, sondern in einem Übernachtungsheim im Tarifsinne beschäftigt. Dies ergebe sich daraus, daß das Übernachtungsheim der Öffentlichkeit nicht zugänglich sei. Nur Angehörige der US-Streitkräfte und deren Zivilarbeitnehmer seien zur Übernachtung berechtigt. Ein Entgelt für die Übernachtung werde nicht bezahlt, sondern lediglich ein Betrag, der die Selbstkosten abdecke. Die Übernachtungsmöglichkeiten würden den Anspruchsberechtigten entsprechend der Dienstvorschrift der amerikanischen Luftstreitkräfte 90-9 (C-1) vom 6. Juni 1986 nach Rang und Priorität zugeteilt und nicht gebucht. Es komme auch vor, daß Schlafgelegenheiten in einem schon teilweise besetzten Mehrbettzimmer zugewiesen würden. Außerdem müßten Badezimmer und Toiletten von Gästen verschiedener Zimmer gemeinsam benutzt werden. Ferner bestehe keine Möglichkeit, die Gäste in der Einrichtung zu beköstigen.

Für die Abgrenzung zwischen Hotel einerseits und Wohn- und Übernachtungsheim andererseits sei der allgemeine Sprachgebrauch heranzuziehen, da Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien vom üblichen Sprachgebrauch abweichen wollten, nicht gegeben seien. Daß eine Differenzierung gewollt sei, ergebe sich auch daraus, daß im Bereich der amerikanischen Streitkräfte neben den der „Billeting Branch” unterstehenden Übernachtungsheimen auch Hotels existierten, die ein Restaurant hätten und für alle Angehörigen der Streitkräfte und deren Familien frei zugänglich seien. Schließlich könne die Klägerin auch schon deswegen nicht als Hausdame in einem Hotel eingruppiert werden, weil sie lediglich für die Beaufsichtigung der Zimmermädchen zuständig sei. Das Fehlen einer untergeordneten Beschließerin zeige ebenfalls, daß ein Tarifmerkmal der Gruppe H 6 nicht gegeben sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Augenscheinseinnahme entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach der VergGr. H 6 der Anl. H zum TVAL II ab 1. November 1987 vergütet zu werden.

I. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Vereinbarung die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) mit den dazugehörigen Sonderbestimmungen und Anhängen Anwendung.

Für den hier geltend gemachten Anspruch der Klägerin kommen mithin folgende Tarifbestimmungen in Betracht:

Sonderbestimmungen H für Arbeitnehmer in Beherbergungs- und Gaststättenbetrieben

II.

Bestimmungen über die Eingruppierung

1.

Zu § 51 Eingruppierung

a)

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Bezahlung nach der seiner überwiegenden Tätigkeit entsprechenden Gehaltsgruppe/Lohngruppe, die unter Berücksichtigung der in der Gehalts- und Lohngruppeneinteilung H – Anhang H Ziffer II.4 – enthaltenen Positionen und der zu diesen vereinbarten Tätigkeitsbeschreibungen ermittelt wird.

4.

Gehalts- und Lohngruppeneinteilung H

für Arbeitnehmer in Beherbergungs- und Gaststättenbetrieben

Pos.

Tätigkeitsmerkmale

Gruppe

J. Sonstiges Personal

31.

Hausdame (Housekeeper) in Hotels

a)

mit 100 und mehr Betten

H 6

b)

mit bis zu 99 Betten

H 5

Tätigkeitsbeschreibung

Die Hausdame ist verantwortlich für die Sauberkeit und Ordnung im Hause. Sie beaufsichtigt die Zimmermädchen und ggf. die Hausmädchen. Ihr Aufgabengebiet umfaßt immer das ganze Haus. Der Hausdame unterstehen auch die Beschließerin(nen)

32.

Beschließerin in Hotels

a)

mit 100 und mehr Betten

H 5

b)

mit bis zu 99 Betten

H 4

Tätigkeitsbeschreibung

Die Beschließerin ist verantwortlich für den Bestand und die Ausgabe der Wäsche sowie des Arbeits- und Reinigungsmaterials.

33.

Haushälterin

in Wohn- und Übernachtungsheimen

a)

mit 150 und mehr Betten

H 5

b)

mit bis zu 149 Betten

H 4

II.1. Danach kann die Klägerin Vergütung nach H 6 nur dann erhalten, wenn sie als Hausdame in einem Hotel tätig ist, die verantwortlich für die Sauberkeit und Ordnung im Hause ist, die Zimmermädchen und ggf. die Hausmädchen beaufsichtigt und deren Aufgabengebiet das ganze Haus umfaßt, und der die Beschließerinnen unterstellt sind.

2. Maßgebend für den Anspruch der Klägerin ist, ob sie, wie sie behauptet, in einem Hotel oder, wie die Beklagte behauptet, in einem Wohn- und Übernachtungsheim tätig ist. Was die Tarifvertragsparteien unter diesen beiden Tarifbegriffen verstanden haben, ist von ihnen nicht im einzelnen definiert worden. Der Inhalt dieser Tarifbegriffe ist daher durch Auslegung zu ermitteln.

3. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (BAGE 42, 86 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; vgl. auch BGHZ 105, 222, 223 f.). Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamt Zusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, ggf. auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAGE 42, 86, 89 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 42, 244, 254 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II; BAGE 46, 308, 316 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).

4. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Hotel ein kombinierter Beherbergungs- und Verpflegungsbetrieb mit unterschiedlicher Ausstattung und Service verstanden; nach ihrer Qualität werden Hotels in verschiedene Kategorien (z.B. 1–5 Sterne-Hotels) eingeteilt. Hotels werden zu Übernachtungs- und Wohnzwecken an jedermann vermietet; zumeist wird gleichzeitig Bewirtung angeboten. Hotels ohne Verpflegungsbetrieb (ausgenommen Frühstück) werden Hotel/Garni genannt. Neben einer meist auch als Aufenthaltsraum dienenden Empfangshalle (Lobby), Lese- und Schreibzimmer sowie Speiseräumen und Bars haben Hotels häufig auch Geschäfte, Garagen und anderes (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, 19. Aufl. 1989, unter Stichwort: Hotel). Nach Brockhaus/Wahrig (Deutsches Wörterbuch, 1981) ist Hotel ein „Betrieb mit bestimmtem Komfort für Unterkunft und Verpflegung von Reisenden und Feriengästen” und Hotel/Garni ein „Hotel, das nur Unterkunft und Frühstück gewährt”. Danach genügt es nicht, daß in einer Einrichtung lediglich die Übernachtungsmöglichkeit geboten wird, um sie als Hotel zu qualifizieren. Aus dem Tarifvertrag ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien unter dem Begriff „Hotel” etwas anderes verstehen, als im allgemeinen Sprachgebrauch üblich ist und auch solche Einrichtungen als „Hotel” bezeichnen, die lediglich der Übernachtung von Gästen dienen.

Darüber hinaus haben die Tarifvertragsparteien in der Tätigkeitsbeschreibung im Tarifvertrag festgelegt, daß die Hausdame in „Hotels” verantwortlich ist für die Sauberkeit und Ordnung im gesamten Haus. Daraus folgt, daß eine Verantwortlichkeit nur für den Übernachtungsbereich nicht ausreicht, um die Klägerin als Hausdame in „Hotels” im Sinne der Nr. 31 des Anh. H II zum TVAL II einzugruppieren. Die Klägerin hat nämlich selbst nicht vorgetragen, sie habe auch für die benachbarten Einrichtungen, in denen die Gäste Mahlzeiten zu sich nehmen können, irgendwelche Aufgaben zu erfüllen.

Da nach alledem feststeht, daß die Klägerin jedenfalls nicht in einem „Hotel” tätig ist, kommt es auf ihre Aufgaben im einzelnen in der Einrichtung in R. nicht mehr an. Insbesondere kann auch dahingestellt bleiben, wie die Zuteilung der Zimmer im einzelnen erfolgt, wie deren Einrichtung beschaffen ist und ob und in welcher Weise verschiedene Gäste ein und dasselbe Bad benutzen müssen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Etzel, Schneider, Pallas, Wiese

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073623

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