Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. französische Streitkräfte in Berlin

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweise des Senats:

vgl. Urteil vom 4. März 1993 – 2 AZR 507/92 –, zur Veröffentlichung bestimmt.

 

Normenkette

BGB § 613 a; BetrVG § 130; ZPO § 62 Abs. 1 Alt. 1, § 256 Abs. 1, §§ 265, 325

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 14.05.1992; Aktenzeichen 14 Sa 18/92)

ArbG Berlin (Urteil vom 29.11.1991; Aktenzeichen 21 Ca 232/91)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 14. Mai 1992 – 14 Sa 18/92 – aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der französischen Streitmacht seit 1. Juli 1991 mit der Beklagten (frühere Beklagte zu 2) fortbesteht.

Der am 7. November 1949 geborene Kläger wurde seit dem 23. Februar 1978 als Kraftfahrer bei der Dienststelle der französischen Streitkräfte auf dem Flughafen Tegel beschäftigt. Nach § 1 des zwischen der französischen Militärregierung in Berlin und dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrages vom 13. März 1978 fanden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Tarifvertrags für die bei den Dienststellen, Unternehmen und sonstigen Einrichtungen der alliierten Behörden und der alliierten Streitkräfte im Gebiet von Berlin beschäftigten Arbeitnehmer (TV B II) Anwendung.

Bis zum 3. Oktober 1990 nahmen neben der Beklagten auch die französischen Streitkräfte Aufgaben des zivilen Flughafenbetriebs auf dem Flughafen Tegel wahr. Die französische Militärregierung hatte sich auf Grund des Besatzungsstatuts in Berlin bestimmte Aufgaben vorbehalten (Flughafenfeuerwehr; Wartung der elektrischen Anlagen, z.B. Landebahnbefeuerung; Erhaltung von Sicherheit und Ordnung auf den Start- und Landebahnen und anderen Betriebsflächen, z.B. Schneeräumdienst). Nach der im besatzungsrechtlichen Okkupationsvertrag vom 15. Mai 1975 zwischen der französischen Militärregierung und der Beklagten geregelten Aufgabenverteilung wartete und reinigte die Beklagte mit eigenem Personal und Gerät die Roll- und Verkehrsflächen südlich der Start- und Landebahnen. Die französischen Streitkräfte ließen diese Arbeiten in ihrem Bereich durch die Dienststelle mit eigenen Kraftfahrzeugen und Kraftfahrern, u.a. durch den Kläger ausführen.

Mit dem Wegfall der alliierten Besatzungsrechte am 3. Oktober 1990 endete die Beschlagnahme aller Liegenschaften auf dem Flughafen Tegel und aller aus dem Besatzungskostenhaushalt angeschafften beweglichen Sachen, die im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehen. Gemäß Ziffer 4 des Notenwechsels vom 25. September 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Alliierten (BGBl. 1990 II S. 1252) sind die Einrichtungen und Liegenschaften, die nicht länger von den Alliierten benötigt werden, sobald wie möglich an die deutschen Behörden zurückzugeben. Auf Grund des Verzichts der Alliierten auf ihre Vorbehaltsrechte war zwar die Beklagte seit dem 3. Oktober 1990 allein für den zivilen Flughafenbetrieb verantwortlich, jedoch nicht in der Lage, diese Aufgaben sofort zu übernehmen. Am 4. Februar 1991 vereinbarten deshalb die Beklagte und die „Mission de Gestion et de R de Berlin”, die zur Französischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland gehört, daß die französische Seite ihre bisherigen Aufgaben auf dem Flughafen Tegel in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis 30. Juni 1991 im Auftrag und für Rechnung der Beklagten weiter durchführe und die Beklagte ab 1. Juli 1991 alle Aufgaben des zivilen Flughafenbetriebs selbst erledige. Die Beklagte übernahm einen Teil der zivilen Fahrzeuge und Geräte der französischen Streitkräfte, denen ein verkleinerter militärischer Bereich des Flughafens Tegel-Nord verblieb. Die französischen Streitkräfte warten und reinigen die zum militärischen Bereich gehörenden Flächen nach wie vor mit eigenem zivilen Personal und Gerät. Der Kläger arbeitet seit dem 1. Juli 1991 für die Beklagte wie bisher als Kraftfahrer in denselben Gebäuden. Die Beklagte beschäftigt seit dem 1. Juli 1991 außer ihm noch weitere Arbeitnehmer, die früher für die Dienststelle tätig waren.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 1990 kündigte der französische Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. Juni 1991 und gab zur Begründung an: „Wegfall des Arbeitsplatzes wegen Wegfall der Funktion der französischen Dienststelle”. Die Kündigungsschutzklage, die sich gegen die als Prozeßstandschafterin für die Französische Republik auftretende Bundesrepublik Deutschland gerichtet hat (frühere Beklagte zu 1), ist am 7. Januar 1991 beim Arbeitsgericht eingegangen.

Am 13. Juni 1991 schlossen der Kläger und die Beklagte einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Nach § 3 dieses Arbeitsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis „nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen sowie den an ihre Stelle tretenden Tarifverträgen – alle in ihrer jeweils geltenden Fassung –. Daneben sind für den Bereich des Arbeitgebers in Kraft befindliche und künftige in Kraft tretende sonstige Tarifverträge, sofern sie dieses Arbeitsverhältnis nach ihrem Geltungsbereich erfassen können, in ihrer jeweiligen Fassung anzuwenden”. Die Beklagte ist Mitglied der AV Berlin und wendet auf alle bei ihr beschäftigten Arbeiter den BMT-G II an.

Der Kläger, der die Auffassung vertreten hat, es liege ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB vor, hat in der ersten Instanz beantragt,

  1. festzustellen, daß das zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 18. Dezember 1990 nicht aufgelöst worden ist,
  2. festzustellen, daß dieses Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. Juli 1991 zu der Beklagten zu 2) zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte (frühere Beklagte zu 2) Berufung eingelegt. Nachdem die Parteien im Berufungsverfahren Einigkeit darüber erzielt hatten, daß auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten seit 1. Juli 1991 nur die in § 3 des Arbeitsvertrages vom 13. Juni 1991 genannten Tarifverträge Anwendung finden (vgl. Sitzungsniederschrift vom 14. Mai 1992), hat der Kläger den Klageantrag zu 2) eingeschränkt und beantragt festzustellen, daß das am 23. Februar 1978 zum französischen Arbeitgeber begonnene Arbeitsverhältnis des Klägers seit dem 1. Juli 1991 zur Beklagten fortbesteht.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und der Beklagten die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

I. Gegenstand sowohl des Berufungs- als auch des Revisionsverfahrens ist lediglich der Klageantrag zu 2) gewesen.

1. Die Beklagte wollte mit ihrer Rechtsverteidigung und ihren Rechtsmitteln erreichen, daß „die Klage gegen die Beklagte zu 2) abgewiesen wird” (Nr. III der Revisionsanträge aus der Revisions begründung vom 24. August 1992). Gegen die Beklagte (frühere Beklagte zu 2) richtet sich nur der Klageantrag zu 2), nicht aber der Klageantrag zu 1). Der Kündigungsschutzprozeß ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 30, 86, 99 f. = AP Nr. 60 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu 1 der Gründe; BAGE 43, 13, 16 = AP Nr. 34 zu § 613 a BGB, zu B I der Gründe; BAGE 47, 13, 19 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu B I der Gründe) gegen den früheren Arbeitgeber, der die Kündigung ausgesprochen hat, geführt worden.

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Berufung habe alle in der ersten Instanz ausgeurteilten Klageanträge umfaßt, weil zwischen den früheren Beklagten zu 1) und 2) eine notwendige Streitgenossenschaft nach § 62 Abs. 1 Alternative 1 ZPO bestanden habe. Dies trifft jedoch nicht zu.

a) Das Landesarbeitsgericht hat eine notwendige Streitgenossenschaft zu Unrecht deshalb bejaht, weil sich die Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozeß nach § 325 ZPO auch auf die Beklagte erstrecke. Die Anwendung des § 325 ZPO – beschränkt auf die festgestellte Unwirksamkeit der angegriffenen Kündigung – entspricht zwar der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil vom 15. Dezember 1976 – 5 AZR 600/75 – AP Nr. 1 zu § 325 ZPO, zu 1 b der Gründe; BAG Beschluß vom 5. Februar 1991 – 1 ABR 32/90 – AP Nr. 89 zu § 613 a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B IV 2 c aa der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch übersehen, daß auch § 265 ZPO, der durch § 325 ZPO ergänzt wird, analog anzuwenden ist (vgl. u.a. BAG Urteil vom 15. Dezember 1976 – 5 AZR 600/75 – AP Nr. 1 zu § 325 ZPO, zu 1 a der Gründe, mit kritischer Anm. von Leipold; Hillebrecht, NZA 1989, Beilage Nr. 4 S. 10, 19; KR-Wolf, 3. Aufl., § 613 a BGB, Rz 117, 118; Staudinger/Richardi, BGB, 12. Aufl. § 613 a Rz 204). Die analoge Anwendung des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO führt dazu, daß die Betriebsveräußerung auf den Prozeß keinen Einfluß hat. Der Rechtsnachfolger kann nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit Zustimmung des Gegners an Stelle des Rechtsvorgängers den Prozeß übernehmen, nicht aber neben ihm als Hauptpartei in den Prozeß eintreten.

b) Der Kündigungsschutzprozeß ist dementsprechend zwischen dem Kläger und dem früheren Arbeitgeber (frühere Beklagte zu 1) unabhängig von einer etwaigen Betriebsübernahme unverändert fortgeführt worden. Für diesen Rechtsstreit ist es zwar entscheidungserheblich gewesen, ob ein Betriebsübergang vorlag und die Kündigung nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam war. Dabei handelt es sich aber nur um eine Vorfrage, auf die sich die Rechtskraft nicht erstreckt (BAG Urteil vom 16. März 1969 – 2 AZR 726//67 –, n.v.; Hillebrecht, NZA 1989, Beilage Nr. 4 S. 10, 19, m.w.N.). Eine notwendige Streitgenossenschaft entsteht nicht dadurch, daß in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten dieselbe Vorfrage von Bedeutung ist. Durch die rechtskräftige Feststellung, daß die Kündigung des früheren französischen Arbeitgebers vom 18. Dezember 1990 das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht beendet hat, ist noch nicht rechtskräftig geklärt, daß dieses Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten fortbesteht. Falls der Rechtsnachfolger als Nebenintervenient auftritt (dies ist im vorliegenden Fall nicht einmal geschehen), ist er nach § 265 Abs. 2 Satz 3 ZPO trotz Rechtskrafterstreckung nicht streitgenössischer, sondern nur einfacher Streithelfer.

II. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den noch anhängigen Feststellungsantrag für zulässig erachtet.

1. Streitgegenstand dieses Antrags ist nicht isoliert die Berechnung der Beschäftigungszeit als solche, sondern die Frage, ob das beim früheren französischen Arbeitgeber begründete Arbeitsverhältnis seit 1. Juli 1991 bei der Beklagten fortbesteht. Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Beklagte Arbeitgeberin des Klägers geworden ist. Sie streiten jedoch darüber, ob die Beklagte nach § 613 a Abs. 1 BGB in das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem französischen Arbeitgeber eingetreten ist oder ob ein neues Arbeitsverhältnis vorliegt. Die Qualifizierung als neues oder übergegangenes Arbeitsverhältnis betrifft Art und Inhalt des gegenwärtigen Rechtsverhältnisses. Es handelt sich nicht lediglich um die isolierte Feststellung einzelner Tatbestandsmerkmale, von denen Rechte des Klägers abhängig sind. Da der noch anhängige Klageantrag der Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO dient, kommt es darauf an, ob der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß die begehrte Feststellung alsbald getroffen wird.

2. Das Landesarbeitsgericht hat das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse zu Recht bejaht.

Die Einordnung als neues oder fortgesetztes Arbeitsverhältnis ist nicht nur von theoretischem Interesse. Ist die Beklagte in das früher beim französischen Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis eingetreten, so führt dies dazu, daß die beim französischen Arbeitgeber zurückgelegte Betriebszugehörigkeit auch bei der Beklagten zu berücksichtigen ist. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit kann jederzeit für das Arbeitsverhältnis Bedeutung gewinnen. Dem Kläger kann nicht zugemutet werden, den Zeitpunkt abzuwarten, in dem sich die vom Arbeitgeber abgelehnte Berücksichtigung der Vordienstzeiten rechtswirksam auswirkt (Spiertz, Anm. 3 c zu AP Nr. 1 zu § 19 BAT). Mit längerer Betriebszugehörigkeit erlangt der Arbeitnehmer eine stärkere Rechtsposition nicht nur im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes, sondern auch gegenüber zahlreichen Ermessensentscheidungen des Arbeitgebers, z.B. bei der Dienstverwendung, der Heranziehung zu Vertretungen, der Berücksichtigung im Urlaubsplan oder der Entsendung zu Fortbildungskursen (vgl. BAG Urteil vom 4. November 1965 – 2 AZR 65/65 – AP Nr. 1 zu § 19 BAT, zu IV der Gründe). Falls ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB vorliegt, zählt die beim französischen Arbeitgeber zurückgelegte Beschäftigungszeit auch bei den sich aus dem BMT-G II ergebenden Rechten des Klägers mit (vgl. u.a. die Sicherung des Lohnstandes bei Leistungsminderung nach § 28, Krankenbezüge nach § 34, Jubiläumszuwendungen nach § 37, Länge der Kündigungsfrist nach § 50, Ausschluß der ordentlichen Kündigung nach § 52 BMT-G II).

III. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB vorliegt und der noch anhängige Feststellungsantrag deshalb begründet ist, reichen die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht aus.

1. Einrichtungen der französischen Streitkräfte können ein Betrieb oder Betriebsteil sein. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für den Begriff des Betriebs im Sinne des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB vom allgemeinen Betriebsbegriff auszugehen. Danach machen die sachlichen und immateriellen Betriebsmittel einen Betrieb dann aus, wenn der neue Inhaber mit ihnen und mit Hilfe der Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann (vgl. BAGE 35, 104, 106 = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB, zu 1 der Gründe; BAGE 48, 345, 348 f. = AP Nr. 41 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe; BAGE 48, 365, 371 = AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe; BAGE 53, 267, 273 = AP Nr. 58 zu § 613 a BGB, zu B II 3 b aa der Gründe; BAG Urteil vom 9. Februar 1989 – 2 AZR 405/88 –, n.v.). Nach dieser Definition ist es unerheblich, wer Betriebsinhaber ist und für welche arbeitstechnischen Zwecke die Betriebsmittel eingesetzt werden.

a) § 613 a BGB gilt für alle dem deutschen Arbeitsrecht unterliegenden Arbeitgeber, auch für öffentlich-rechtliche Rechtsträger. § 130 BetrVG, der öffentlich-rechtliche Rechtsträger von der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes ausnimmt, schränkt den Anwendungsbereich des § 613 a BGB nicht ein; denn § 613 a BGB ist keine Vorschrift des Betriebsverfassungsgesetzes, sondern eine solche des Bürgerlichen Gesetzbuches. Daran ändert es nichts, daß § 613 a BGB über § 122 BetrVG 1972 in das BGB eingefügt wurde (BAG Urteil vom 6. Februar 1980 – 5 AZR 275/78 – AP Nr. 21 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe, m.w.N.).

b) Auch die alliierten Streitkräfte können an einem Betriebsübergang beteiligt sein. Sie haben die Vertragsbeziehungen mit ihren zivilen Bediensteten dem deutschen Arbeitsrecht unterstellt. In Artikel 3 Absatz 4 des Übereinkommens zur Regelung bestimmter Fragen in bezug auf Berlin vom 25. September 1990 (BGBl. 1990 II S. 1274, 1275) haben die Bundesrepublik Deutschland und die Französische Republik außerdem vereinbart, daß die deutschen Gerichte nach Maßgabe des deutschen Rechts für Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen zuständig sind. Dieses Abkommen hat eine mit Artikel 56 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut übereinstimmende Rechtslage geschaffen.

c) Einrichtungen öffentlich-rechtlicher Rechtsträger und auch der Französischen Republik können unabhängig von den zu erledigenden Aufgaben Betriebe im Sinne des § 613 a BGB sein.

In mehreren arbeitsrechtlichen Bestimmungen werden zwar neben den Betrieben zusätzlich die Verwaltungen (vgl. § 130 BetrVG, § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und § 23 KSchG, § 1 AZO) oder die Dienststellen (vgl. § 13 Abs. 1 und § 24 Abs. 1 SchwbG) genannt. Auch der für die alliierten Behörden und Streitkräfte einschlägige Tarifvertrag (TV B II) spricht sowohl in seiner Überschrift als auch in § 1 (Geltungsbereich) von „Dienststellen, Unternehmen oder sonstigen Einrichtungen”.

Dabei handelt es sich jedoch um Klarstellungen, die nichts daran ändern, daß der im Arbeitsrecht gebräuchliche Betriebsbegriff nach den von Rechtsprechung und Literatur herausgearbeiteten allgemeinen Kriterien die Verwaltungen bzw. Dienststellen mitumfaßt. Der Sinn und Zweck des § 613 a BGB spricht ebenfalls dafür, den Begriff des Betriebs weit auszulegen. § 613 a BGB beschränkt sich nicht darauf, die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats zu sichern, sondern dient vor allem auch dazu, den Arbeitnehmern einen verbesserten Bestands- und Inhaltsschutz zu gewähren. Das Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer hängt aber nicht davon ab, welcher arbeitstechnische Zweck verfolgt wird. Den Besonderheiten öffentlicher Verwaltungen und Dienststellen wird insbesondere dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß § 613 a BGB nur den auf Rechtsgeschäft beruhenden Übergang von Organisationseinheiten erfaßt, nicht jedoch eine gesetzliche Funktionsnachfolge.

2. § 613 a BGB ist nicht schon dann anwendbar, wenn Aufgaben, die bisher die französische Besatzungsmacht erfüllt hatte, nunmehr von der Beklagten wahrgenommen werden. Eine bloße Funktionsnachfolge stellt noch keinen Betriebsübergang dar (vgl. u.a. BAG Urteil vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 616/74 – AP Nr. 1 zu Saarland UniversitätsG, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 6. September 1978 – 4 AZR 162/77 – AP Nr. 13 zu § 613 a BGB). Entscheidend ist, ob die Beklagte auch die für die Fortführung des Betriebs oder Betriebsteils wesentlichen Betriebsmittel durch Rechtsgeschäft übernahm.

3. Den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts läßt sich nicht entnehmen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

a) Die Veräußerung einzelner Anlage- oder Umlaufgüter ist von der Veräußerung eines Betriebsteils abzugrenzen. Betriebsteile sind Teileinheiten (Teilorganisationen) des Betriebs. Bei den übertragenen sachlichen und/oder immateriellen Betriebsmitteln muß es sich um eine organisatorische Untergliederung des Gesamtbetriebs handeln, mit denen innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich hierbei um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt (vgl. BAGE 48, 365, 371 f. = AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 12. September 1985 – 2 AZR 193/84 –, n.v., zu B III c der Gründe; BAG Urteil vom 16. Oktober 1987 – 7 AZR 519/86 – AP Nr. 69 zu § 613 a BGB, zu II 2 b der Gründe). Es reicht nicht aus, daß der Erwerber einzelner Betriebsmittel mit ihnen einen Betrieb oder einen Betriebsteil erst gründet (vgl.Weimar/Alfes, NZA 1993, 155, 156). Vielmehr ist erforderlich, daß die übernommenen Betriebsmittel bereits beim früheren Betriebsinhaber die Grundlage einer betrieblichen Teilorganisation bildeten.

aa) Das Landesarbeitsgericht spricht im angegriffenen Urteil von einer „Unterabteilung Kraftfahrer”, ohne auf die konkrete Organisation des Flugplatzbetriebs der französischen Streitkräfte einzugehen. Ebensowenig hat sich das Landesarbeitsgericht näher damit befaßt, welche Betriebsmittel die Beklagte übernahm, welche Bedeutung diesen Betriebsmitteln für die Weiterverfolgung betriebstechnischer Teilzwecke zukam und ob es sich bei diesen Betriebsmitteln um die wesentlichen Grundlagen einer abgrenzbaren Organisationseinheit handelte.

bb) In diesem Zusammenhang ist auch die Behauptung der Beklagten von Bedeutung, es sei selbst Ende 1991 noch völlig offen gewesen, ob und welche Fahrzeuge und Geräte die Beklagte von der Bundesrepublik Deutschland übernehmen werde. Auch die Behauptung der Beklagten, die französische Macht warte und reinige auch jetzt noch die allerdings kleiner gewordene, zum militärischen Bereich gehörende Fläche in Tegel-Nord mit eigenem zivilen Personal und Gerät, hätte das Landesarbeitsgericht veranlassen müssen, eingehend zu prüfen, ob die Beklagte wirklich eine betriebliche Teilorganisation der französischen Macht übernahm.

b) Läßt sich der Sachverhalt nicht ausreichend klären, so hat das Landesarbeitsgericht zu beachten, daß der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Betriebsübergangs trägt, die ihm allerdings durch einen Beweis des ersten Anscheins erleichtert werden kann (vgl. u.a. BAGE 48, 345, 349 f. = AP Nr. 41 zu § 613 a BGB, zu II 2 b der Gründe; BAG Urteil vom 3. Juli 1986 – 2 AZR 68/85 – AP Nr. 53 zu § 613 a BGB, zu B II 5 b der Gründe; Hillebrecht, NZA 1989, Beilage 4 S. 10, 20; MünchKomm-Schaub, BGB, 2. Aufl., § 613 a Rz 36 a; RGRK-Ascheid, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 265 ff.; Staudinger/Richardi, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 205; KR-Wolf, 3. Aufl., § 613 a BGB Rz 55).

4. Falls die von der Beklagten übernommenen Betriebsmittel als Betriebsteil anzusehen sind, liegt ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB vor.

a) Das in § 613 a BGB verwandte Tatbestandsmerkmal „Rechtsgeschäft” schränkt den Anwendungsbereich des § 613 a BGB ein. Nicht erfaßt werden Betriebsübergänge kraft Gesetzes (BAG Urteil vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 616/74 – AP Nr. 1 zu Saarland UniversitätsG, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 6. September 1978 – 4 AZR 162/77 – AP Nr. 13 zu § 613 a BGB) oder kraft Hoheitsakts (vgl. u.a. Erman/Hanau, BGB, 8. Aufl., § 613 a BGB, Rz 26; RGRK- Ascheid, aaO, § 613 a Rz 106 f.; KR-Wolf, aaO, § 613 a BGB Rz 53; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, Kündigungsrecht, 2. Kapitel Rz 12; Gaul, Der Betriebsübergang, S. 42; Commandeur, Betriebs-, Firmen- und Vermögensübernahme, S. 41). Im übrigen ist der Begriff „Rechtsgeschäft” weit auszulegen, weil § 613 a BGB einen möglichst lückenlosen Bestandsschutz gewährleisten will. Entscheidend ist, ob der Übergang der Leitungsmacht auf dem Willen der betroffenen Betriebsinhaber beruht oder ob er sich unabhängig von ihrem Willen aufgrund einer Norm oder eines Verwaltungsakts automatisch vollzieht.

b) Im vorliegenden Fall sind sowohl die zwischen der Französischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland als auch die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Beklagten geschlossenen Vereinbarungen auf die Überleitung der Dispositionsbefugnis über die Betriebsmittel gerichtet gewesen. Die Arbeitnehmer sind hier nicht weniger schutzwürdig als in den übrigen Fällen des § 613 a BGB.

c) § 613 a BGB setzt keine unmittelbaren rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen dem früheren und dem neuen Betriebsinhaber voraus (vgl. BAGE 35, 104, 107 ff. = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB, zu 2 der Gründe, bei einer Weiterverpachtung an einen neuen Pächter nach Beendigung des Pachtvertrages mit dem früheren Pächter, sowie BAGE 48, 365, 373 = AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, zu II 3 b der Gründe, und BAGE 48, 376, 384 ff. = AP Nr. 43 zu § 613 a BGB, zu B II 3 der Gründe). Einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang steht nicht entgegen, daß er durch Zwischenschaltung weiterer Personen und damit durch eine Kette von Rechtsgeschäften erfolgt, die jeweils auf die Übertragung bzw. Übernahme der Betriebsmittel gerichtet sind. Es reicht aus, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf Grund des Übereinkommens mit der Französischen Republik die wesentlichen Betriebsmittel einer abgrenzbaren betrieblichen Teilorganisation erhielt und an-schließend der Beklagten vertraglich das Recht einräumte, die für die Fortführung dieser Teilorganisation wesentlichen Betriebsmittel zu nutzen.

IV. Wenn ein Betriebsübergang vorliegt und der noch anhängige Klageantrag deshalb begründet ist, hat das Landesarbeitsgericht bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen, daß der Kläger im Berufungsverfahren seinen gegen die Beklagte gerichteten Klageantrag eingeschränkt hat und er wegen der darin liegenden teilweisen Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO einen Teil der erst- und zweitinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Bitter, Kremhelmer, Peter, Jansen, Beckerle

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916013

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