Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsschulung über Sicherheitsfragen

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 12.06.1991; Aktenzeichen 2 TaBV 4/91)

ArbG Reutlingen (Beschluss vom 20.12.1990; Aktenzeichen 1 BV 13/90)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Juni 1991 – 2 TaBV 4/91 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der antragstellende Betriebsrat berechtigt ist, die Betriebsratsmitglieder G. und B. auf Kosten der Arbeitgeberin zu einem Arbeitssicherheits-Grundlehrgang für Sicherheitsbeauftragte der Süddeutschen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft zu entsenden.

Der antragstellende Betriebsrat der beteiligten Arbeitgeberin, die etwa 210 Arbeitnehmer beschäftigt, besteht aus sieben Mitgliedern. In seiner Sitzung vom 11. Juli 1990 beschloß er, die vier Betriebsratsmitglieder, die an diesem Lehrgang noch nicht teilgenommen hatten, darunter die Herren G. und B., zu einem von der Berufsgenossenschaft teilnehmergebührenfrei angebotenen Arbeitssicherheits-Grundlehrgang für Sicherheitsbeauftragte zu entsenden. Dieser einwöchige Lehrgang, der von Zeit zu Zeit veranstaltet wird, richtet sich an die Zielgruppe „Betriebliche Sicherheitsbeauftragte, die vom Unternehmer nach § 719 RVO ernannt wurden oder ernannt werden sollen, sowie auf dem Gebiet der Unfallverhütung tätige Betriebsräte und sonstige mit Sicherheitsfragen beschäftigte Betriebsangehörige ab einer Betriebsgröße von 20 Versicherten (nicht Fachkräfte für Arbeitssicherheit)”. Als Lehrgangsziel ist im Programm angegeben: „Den Teilnehmern wird im Lehrgang das Rüstzeug für die Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß § 719 RVO im Betrieb vermittelt, damit sie den Unternehmer sowie dessen Beauftragte bei der Durchführung der Unfallverhütung unterstützen und die Mitarbeiter zu arbeitssicherem Verhalten anhalten können”.

Im Betrieb der Arbeitgeberin sind drei Sicherheitsbeauftragte bestellt; einer von ihnen ist der Betriebsratsvorsitzende P. Außerdem besteht ein Arbeitsschutzausschuß, dem die Betriebsratsmitglieder R. und F. angehören. Alle diese Betriebsratsmitglieder haben den Grundlehrgang bereits besucht.

Nachdem die Arbeitgeberin der vom Betriebsrat beschlossenen Entsendung insbesondere mit der Begründung widersprochen hatte, die Betriebsratsmitglieder G. und B. seien für Sicherheitsfragen nicht zuständig und die Teilnahme eines jeden Betriebsratsmitglieds an einer derart speziellen und insbesondere für Sicherheitsbeauftragte ausgeschriebenen Schulung sei nicht erforderlich, leitete der Betriebsrat das vorliegende Beschlußverfahren mit dem Antrag ein,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, die Betriebsratsmitglieder M., G., S. und B. für die Dauer des Arbeitssicherheits-Grundlehrgangs von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien und die Kosten für die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an dieser Schulung zu übernehmen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat die Erforderlichkeit der Schulungsmaßnahme in Abrede gestellt und insbesondere mit Nichtwissen bestritten, daß der Betriebsrat einen eigenen Ausschuß für Sicherheitsfragen gebildet habe, dem der Arbeitnehmer B. angehöre.

Nachdem das Betriebsratsmitglied S. aus dem Betrieb ausgeschieden war, hat das Arbeitsgericht dem Antrag hinsichtlich des Betriebsratsmitglieds M. stattgegeben und im übrigen den Antrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß hat nur der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag hinsichtlich der Betriebsratsmitglieder G. und B. weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag zu Recht abgewiesen. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Freistellung der Betriebsratsmitglieder G. und B. für eine Teilnahme an der genannten Schulungsveranstaltung sei im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG nicht erforderlich, läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

1. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung insoweit im wesentlichen wie folgt begründet: Zur Wahrnehmung der dem Betriebsrat als Kollektivorgan obliegenden Aufgaben auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit sei es nicht erforderlich, daß jedes Betriebsratsmitglied eine intensivierende und vertiefende Vermittlung besonderer Spezialkenntnisse erhalte, wie sie die vorliegende Schulung vermittele. Dies komme vielmehr nur für solche Betriebsratsmitglieder in Betracht, die der Betriebsrat gerade mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben betraut habe. Dies sei bei den Betriebsratsmitgliedern G. und B., die weder Sicherheitsbeauftragte seien noch dem Arbeitsschutzausschuß angehörten, nicht der Fall. Auch soweit das Betriebsratsmitglied B. einem (betriebsratsinternen) Ausschuß für Sicherheitsfragen angehöre, könne dies seine Teilnahme an dem Grundlehrgang für Sicherheitsbeauftragte nicht rechtfertigen.

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ob die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsmaßnahme für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich ist, kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachgeprüft werden. Bei dem Begriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung den Tatsachengerichten ein Beurteilungsspielraum zusteht. Das Rechtsbeschwerdegericht kann daher im wesentlichen nur prüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff der Erforderlichkeit verkannt oder bei der Subsumtion gegen Denkgesetze verstoßen hat (vgl. z.B. Senatsurteil vom 16. März 1988 – 7 AZR 557/87 – AP Nr. 63 zu § 37 BetrVG 1972, m.w.N.).

3. Derartige Rechtsfehler sind weder von der Rechtsbeschwerde aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat das Landesarbeitsgericht seiner Würdigung zutreffend die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegt. Danach (vgl. insbesondere Senatsbeschluß vom 7. Juni 1989 – 7 ABR 26/88BAGE 62, 74 = AP Nr. 67 zu § 37 BetrVG 1972, m.w.N.) ist die Vermittlung von Kenntnissen nur dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn diese Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb von dem Betriebsrat benötigt werden, damit die Betriebsratsmitglieder ihre derzeitigen und demnächst anfallenden gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen können. Für die Frage, ob die konkreten Aufgaben des einzelnen Betriebsratsmitglieds, das zur Schulung entsandt werden soll, seine Schulung erforderlich machen, ist darauf abzustellen, ob nach den Verhältnissen des einzelnen Betriebs Fragen anstehen oder absehbar in naher Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrats unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrats eine Schulung gerade dieses Betriebsratsmitglieds gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat erforderlich erscheint, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann.

4. Gegen die eingehend begründete Würdigung des Landesarbeitsgerichts, daß der Betriebsrat als Kollektivorgan für die Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit nicht auf entsprechende Kenntnisse der Betriebsratsmitglieder G. und B. angewiesen sei, weil die vom Betriebsrat mit diesen Aufgaben betrauten Mitglieder bereits über entsprechende Kenntnisse verfügten, hat auch die Rechtsbeschwerde keine Einwendungen erhoben. Sie meint vielmehr unter Hinweis auf den (auch vom Landesarbeitsgericht angeführten) Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Mai 1986 (– 6 ABR 74/83BAGE 52, 78 = AP Nr. 54 zu § 37 BetrVG 1972), daß angesichts der Bedeutung der Arbeitssicherheit jedes Betriebsratsmitglied über Grundkenntnisse in diesem Fragenbereich verfügen müsse und insoweit nicht auf die Kenntnisse anderer Betriebsratsmitglieder verwiesen werden dürfe.

a) Es mag dahinstehen, ob dem angeführten Beschluß des Sechsten Senats wirklich der Grundsatz entnommen werden kann, daß jedes – also auch das nach der Aufgabenverteilung im Betriebsrat nicht speziell mit derartigen Aufgaben betraute Betriebsmitglied – durch Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung zu erwerbende Grundkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit haben müsse. Im angeführten Beschluß des Sechsten Senats ging es um die Schulung eines Mitglieds eines elfköpfigen Betriebsrats, das dem fünfköpfigen Ausschuß für Arbeitssicherheit angehörte; insoweit hat der Sechste Senat ausgeführt, daß sich dieses Ausschußmitglied nicht auf die Kenntnisse der anderen Ausschußmitglieder verweisen lassen müsse.

b) Im Entscheidungsfalle kommt den Betriebsratsmitgliedern G. und B. eine derartige Rechtsstellung nicht zu. Selbst wenn, was zwischen den Beteiligten streitig ist, der Betriebsrat einen (betriebsratsinternen) Ausschuß für Sicherheitsfragen gebildet haben sollte, dem das Betriebsratsmitglied B. angehört, so handelt es sich doch nicht um einen Ausschuß im Rechtssinne, weil der Betriebsrat nur aus sieben Mitgliedern besteht und daher Ausschüsse mit eigener Aufgabenstellung nicht bilden kann (§ 28 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit § 27 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).

c) Der Betriebsrat konnte mithin lediglich einzelne Betriebsratsmitglieder mit der Vorbereitung bestimmter Aufgaben beauftragen (vgl. z.B. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 28 Rz 9). Daß dies geschehen sei, ist nicht behauptet worden. Vor diesem Hintergrund kann die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, in dem (betriebsratsinternen) Ausschuß für Sicherheitsfragen hätten die Kenntnisse der Mitglieder P., R. und F. ausgereicht, nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Seiler, Dr. Knapp

 

Fundstellen

Haufe-Index 1073415

NZA 1993, 375

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