Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei tarifüblicher Regelung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs 1 BetrVG sind nicht dadurch ausgeschlossen, daß die entsprechende mitbestimmungspflichtige Angelegenheit üblicherweise durch Tarifvertrag im Sinne von § 77 Abs 3 BetrVG geregelt ist.

2. In Ausübung dieses Mitbestimmungsrechts kann die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit auch durch Betriebsvereinbarung geregelt werden.

3. Der Senat hält daran fest, daß ein lediglich nachwirkender Tarifvertrag Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs 1 BetrVG nicht ausschließt.

4. Eine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach dem Eingangssatz von § 87 Abs 1 BetrVG ausschließende tarifliche Regelung liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist und bei Tarifbindung auch des Arbeitnehmers die tarifliche Regelung in diesem Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend gelten würde. Darauf, ob und wieviel Arbeitnehmer des Betriebes tatsächlich tarifgebunden sind, kommt es nicht an.

5. Die Regelung von Erholungszeiten als Bestandteil der Vorgabezeit für Akkordlöhne unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs 1 Nr 11 BetrVG.

6. Der Betriebsrat kann nach § 77 Abs 1 BetrVG verlangen, daß der Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung durchführt. Dabei ist der Inhalt einer Betriebsvereinbarung, soweit er streitig ist, festzustellen.

 

Orientierungssatz

Auslegung der §§ 8, 10 und 11 des Lohnrahmenabkommens für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen vom 19.2.1975.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Beschluss vom 06.02.1985; Aktenzeichen 12 TaBV 103/84)

ArbG Arnsberg (Entscheidung vom 10.08.1984; Aktenzeichen 1 BV 10/84)

 

Gründe

A.

Im Betrieb des Arbeitgebers werden u.a. Akkumulatoren gefertigt. Auf die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer finden die Tarifverträge für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen, u.a. auch das Lohnrahmenabkommen vom 26. September 1967 in der Fassung vom 19. Februar 1975 (LRA) Anwendung. Das Lohnrahmenabkommen ist zum 31. Dezember 1978 gekündigt worden.

Im Betrieb des Arbeitgebers wird weitgehend im Akkord gearbeitet. In einer Betriebsvereinbarung vom 24. Juni 1971 „über die Verfahrensordnung zur Vorgabezeitermittlung” (im folgenden BV 71) heißt es u.a.:

1. Methode der Vorgabezeitermittlung

Für die Vorgabezeitermittlung wird die REFA-Methode entsprechend den jeweils neuesten offiziellen Veröffentlichungen des REFA-Gedankengutes … angewandt.

4. …

f. Die Erholungszeiten werden nach einem besonderen Verfahren (Extravereinbarung) ermittelt und sind als Bestandteil der Vorgabezeit unter „Bemerkungen” gesondert auszuweisen.

In der Folgezeit sind die Erholungszeiten nach Extravereinbarungen festgesetzt worden. Am 6. Dezember 1978 schlossen die Beteiligten eine „Betriebsvereinbarung über Erholungszeiten” (im folgenden BV 78), in der es u.a. heißt:

2. Erholungszeiten

Die Vorgabezeiten werden entsprechend den neu festgelegten Erholungszeiten umgerechnet. Die Erholungszeiten sind in Prozent der jeweiligen Grundzeit ausgewiesen und ergeben sich aus der Anlage „Erholungszeiten” zu dieser Vereinbarung.

Diese Anlage (4 Blatt) vom 14. November 1978 ist Bestandteil dieser Vereinbarung.

3. Außerkrafttreten bisheriger betrieblicher Regelungen

Diese Betriebsvereinbarung löst alle bisher bestehenden Erholungszeiten und die in diesem Zusammenhang bestehenden betrieblichen Regelungen ab.

4. Geltungsdauer

Die Betriebsvereinbarung tritt am 1. Januar 1979 in Kraft und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 1981. Sie verlängert sich um jeweils ein weiteres Jahr, wenn nicht ein Jahr vor Ablauf eine Kündigung erfolgt. …

In der genannten Anlage zur BV 78 ist die Erholungszeit für den Arbeitsplatz „Pastiermaschinen-Starter” mit dem Faktor 6 % ausgewiesen. An diesem Arbeitsplatz werden die Bleigitter einer Batterie maschinell mit einer Paste versehen. Hier sind zwei Arbeitnehmer beschäftigt, die die Bleigitter der Maschine zuführen und anschließend wieder abnehmen müssen. Dabei sind bestimmte Arbeitsvorgänge zu verrichten. Die Geschwindigkeit der Pastiermaschine kann von den Arbeitern nicht beeinflußt werden.

Bis Mitte 1984 errechnete sich die Vorgabezeit für den Akkordlohn an einer Pastiermaschine beispielsweise wie folgt:

Grundzeit (Maschinenlaufzeit) tg

1,585 Minuten/100 Stück

Verteilzeit tv

12,5 % = 0,198 Minuten

Erholungszeit ter

6 % = 0,095 Minuten

Vorgabezeit

1,88 Minuten/100 Stück

Die Grundzeit und damit auch die Vorgabezeit variiert nach dem jeweiligen Typ der Bleigitter.

1984 wurde die Maschinenlaufzeit bei den Pastiermaschinen neu eingestellt. Dadurch änderte sich automatisch die Grundzeit. Ferner war eine Neufestsetzung der Verteilzeit notwendig, da die neu eingestellten Maschinenlaufgeschwindigkeiten erhöhte Maschinenstörungen mit sich brachten und deshalb die sachliche Verteilzeit erhöht werden mußte. Die neuen Vorgabezeiten für den Arbeitsplatz „Pastiermaschinen-Starter” teilte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 18. Mai 1984 mit. Danach errechnet sich die Vorgabezeit für einen bestimmten – anderen – Typ nunmehr wie folgt:

tg =

2,487 Minuten/100 Stück

tv =

15 % = 0,373 Minuten

ter =

0 % = 0,000 Minuten

Vorgabezeit =

2,86 Minuten/100 Stück

Der neuen Vorgabezeit widersprach der Betriebsrat mit der Begründung, daß die Erholungszeit nach wie vor nach der BV 78 der neuen Grundzeit hinzugerechnet werden müsse. Der Arbeitgeber erläuterte daraufhin dem Betriebsrat mit Schreiben vom 13. Juni 1984 sein Vorgehen und kündigte gleichzeitig die BV 78 zum 31. Dezember 1985.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, daß die Erholungszeit auch den neu festgesetzten Grundzeiten zuzurechnen sei. Das gelte auch, wenn die Grundzeit maschinentaktgebunden sei. Auch in der Vergangenheit sei die Erholungszeit stets der maschinenlaufgebundenen Grundzeit zugeschlagen worden – was unter den Beteiligten unstreitig ist -. Solange die BV 78 gelte, müsse der Arbeitgeber bei der Festsetzung der Vorgabezeiten nach dieser verfahren. Der Betriebsrat hat das vorliegende Verfahren anhängig gemacht und beantragt festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung vom 6. Dezember 1978 die Erholungszeit für die Pastiermaschinen-Starter in Prozent der maschinentaktgebundenen Grundzeit (Maschinenlaufzeit, Taktzeit der Pastiermaschinen) ausweist und nach ihr die Erholungszeit auf diese Grundzeit aufzuschlagen ist.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er verweist darauf, daß nach arbeitswissenschaftlichen Grundsätzen eine Erholungszeit nur für Ermüdung bei manueller Tätigkeit gewährt werde. Bei neueren Untersuchungen habe er festgestellt, daß der Zeitanteil der manuellen Tätigkeit an der Pastiermaschine einschließlich 15 % Verteilzeit und 6 % Erholungszeit in allen Fällen kleiner sei als die Maschinenlaufzeit, so daß schon ausreichend Zeit für eine erforderliche Erholung verbleibe. Der Maschinenlaufzeit als Grundzeit brauche daher keine Erholungszeit mehr zugeschlagen zu werden. Die BV 78 lege im übrigen in ihren Anlagen Erholungszeiten nur für die damals vorhandenen Arbeitsplätze in ihrer damals vorhandenen technischen und organisatorischen Ausgestaltung fest. Trete insoweit eine Änderung ein, so sei die Vorgabezeit einschließlich einer etwaigen Erholungszeit nach dem LRA von der beauftragten Betriebsabteilung neu festzusetzen. Wenn der Betriebsrat eine Vorgabezeit beanstande, so sei das Beanstandungsverfahren nach § 10 Nr. 11 LRA zu durchlaufen. Die Betriebsvereinbarung gelte im übrigen nicht über den 31. Dezember 1985 hinaus, da der Betriebsrat hinsichtlich der Festsetzung der Vorgabezeit kein Mitbestimmungsrecht habe.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Vor dem Landesarbeitsgericht hat der Arbeitgeber seinerseits beantragt festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung vom 6. Dezember 1978 für neu ermittelte Vorgabezeiten keine Anwendung findet, diese Betriebsvereinbarung über den 31. Dezember 1985 hinaus keine Wirkung entfaltet.

Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen und den Anträgen des Arbeitgebers entsprochen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter.

B.

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet.

I.

Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.

1. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde greift der Betriebsrat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in vollem Umfange an. Allerdings ergeben die in der Rechtsbeschwerdebegründung ausformulierten Anträge des Betriebsrats nicht ausdrücklich, daß er die Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch insoweit begehrt, als darin den Anträgen des Arbeitgebers stattgegeben worden ist. Das ist jedoch unschädlich. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß es förmlicher Rechtsmittelanträge nicht bedarf, sofern im Einzelfall aus der Rechtsmittelbegründung klar ersichtlich ist, ob die gesamte vorinstanzliche Entscheidung oder abtrennbare Teile davon aufgehoben werden sollen (BAG Urteil vom 30. November 1983, BAGE 44, 268, 270 = AP Nr. 1 zu § 20 BMT-G II; BAG Urteil vom 22. Mai 1985 - 4 AZR 88/84 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; BGH Urteil vom 29. September 1953, LM Nr. 14 zu § 546 ZP0). Das ist vorliegend der Fall.

Das Landesarbeitsgericht hat mit der einheitlichen Begründung, die BV 78 sei unwirksam, den Antrag des Betriebsrats abgewiesen und den Anträgen des Arbeitgebers stattgegeben. Diese Begründung greift der Betriebsrat in der Rechtsbeschwerdebegründung an. Schon daraus kann entnommen werden, daß die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in allen denjenigen Teilen aufgehoben werden soll, die auf dieser Begründung beruhen. Darüber hinaus nimmt die Rechtsbeschwerdebegründung auf das Begehren des Arbeitgebers Bezug, das in dessen Anträgen zum Ausdruck gekommen ist. Der Betriebsrat verweist darauf, daß der Arbeitgeber sich darum bemühen möge, eine neue Betriebsvereinbarung mit ihm abzuschließen, wenn er glaube, bei neuen Akkorden hätten sich die sachlichen Voraussetzungen für die BV 78 geändert. Solange er dies nicht tue, bleibe er an die nachwirkende BV 78 gebunden. Schließlich mußte sich auch dem Betriebsrat die Frage aufdrängen, ob seine Rechtsbeschwerde überhaupt Erfolg haben kann, wenn die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Anträge des Arbeitgebers rechtskräftig werden und damit feststehen sollte, daß die BV 78 nicht für neue Akkorde gilt und auch nicht nachwirkt. In der Rechtsbeschwerdeinstanz ist daher auch über die Anträge des Arbeitgebers zu entscheiden.

2. Für den Sachantrag des Betriebsrats ist das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben.

Der Betriebsrat begehrt die Feststellung, daß die BV 78 einen bestimmten Inhalt hat, nämlich daß die darin festgelegte Erholungszeit für Pastiermaschinen-Starter der maschinentaktgebundenen Grundzeit aufzuschlagen ist. Das beinhaltet gleichzeitig die Feststellung, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, bei der Festlegung der Vorgabezeiten entsprechend zu verfahren.

Damit wird die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 ZP0 begehrt, nämlich die Feststellung, daß der Arbeitgeber aus der BV 78 dem Betriebsrat gegenüber verpflichtet ist, diese ihrem behaupteten Inhalt entsprechend durchzuführen. Für diese Feststellung ist das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Die Beteiligten streiten darum, welchen Inhalt die BV 78 hinsichtlich der Erholungszeiten für Pastiermaschinen- Starter hat und wie demgemäß die BV 78 im Betrieb durchzuführen ist. Die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung ist geeignet, diese Streitfrage zu klären. Davon, daß der Arbeitgeber entsprechend verfahren wird, kann ausgegangen werden. Ein Leistungsantrag könnte sich jeweils nur auf konkrete Vorgabezeiten für bestimmte Arbeiten an den Pastiermaschinen-Startern beziehen und daher nicht zu einer umfassenden, den Streit der Beteiligten rechtskräftig befriedenden Entscheidung führen.

II.

Der Antrag des Betriebsrats ist begründet.

1. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, daß dieser eine Betriebsvereinbarung entsprechend ihrem Regelungsgehalt im Betrieb anwendet.

a) Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG führt der Arbeitgeber Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, durch. Diese Vorschrift grenzt nicht nur die Kompetenzen der Betriebspartner zueinander ab, indem sie dem Arbeitgeber die alleinige Führung des Betriebs überläßt und einseitige Eingriffe des Betriebsrats in die Betriebsführung verbietet, sondern sie verpflichtet auch den Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat, solche Vereinbarungen ihrem Inhalt entsprechend im Betrieb anzuwenden. Auch im Schrifttum ist – soweit die Frage behandelt wird – anerkannt, daß der Betriebsrat die Einhaltung von Vereinbarungen durch den Arbeitgeber im Beschlußverfahren durchsetzen könne, bzw. daß Streitigkeiten über die Durchführung solcher Vereinbarungen im Beschlußverfahren zu entscheiden sind (Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 1 und 102; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 15; Thiele, GK-BetrVG, 3. Bearbeitung, § 77 Rz 27; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 77 Rz 59; abweichend Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 77 Rz 61, die einen solchen Anspruch des Betriebsrats nur unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG erörtern). Umstritten ist lediglich, ob dieser Durchführungsanspruch des Betriebsrats sich unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergibt (so Konzen, Betriebsverfassungsrechtliche Leistungspflichten des Arbeitgebers, Köln 1984, S. 60; Heinze, Die betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüche des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber, DB Beil. 9/83, S. 7) oder ob er seinen Grund in der Betriebsvereinbarung selbst hat (so Thiele, aa0, Rz 26).

Die Frage bedarf keiner abschließenden Entscheidung. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erkennt zumindest einen Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung von Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und Sprüchen der Einigungsstelle an. Schon nach § 82 Abs. 1 k BetrVG 1952 bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 4 k ArbGG 1953 waren die Arbeitsgerichte im Beschlußverfahren zuständig für die Entscheidung über die Durchführung von Betriebsvereinbarungen. Diese Regelung setzte voraus, daß es Ansprüche der Betriebspartner untereinander auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung gab, mochten diese sich aus dem Betriebsverfassungsrecht unmittelbar oder erst aus einem obligatorischen Teil der jeweiligen Betriebsvereinbarung ergeben (so Dietz/Nikisch, ArbGG 1953, § 2 Rz 185). Diese Rechtslage ist durch die Neufassung der Zuständigkeitsregelung für das Beschlußverfahren durch § 124 BetrVG, wie sie heute in § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG enthalten ist, nicht geändert worden. Sinn der Neuregelung war nicht, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten zu beschränken und damit anerkannte betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche des Betriebsrats in Wegfall kommen zu lassen, sondern allein, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte durch eine Generalklausel auf alle betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten auszudehnen, auch soweit sie bislang nicht von dem Zuständigkeitskatalog erfaßt wurden. Wenn nunmehr § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Durchführungspflicht des Arbeitgebers auch auf Sprüche der Einigungsstelle erstreckt, so wird daraus deutlich, daß der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Durchführung aller getroffenen Vereinbarungen soll verlangen können, gleichgültig, ob diese eine solche Pflicht des Arbeitgebers selbst begründen oder als gegeben voraussetzen.

b) Mit der Bejahung eines Anspruchs des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 10. Juni 1986 (- 1 ABR 59/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen). In dieser Entscheidung hat der Senat ausgesprochen, daß die Befugnis des Betriebsrats, darüber zu wachen, daß die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge durchgeführt werden, nicht gleichzeitig das Recht des Betriebsrats beinhaltet, aus eigenem Recht vom Arbeitgeber die zutreffende Anwendung dieser Tarifverträge gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern zu verlangen. Er hat dabei ausdrücklich offengelassen, ob für die Durchführung von Betriebsvereinbarungen etwas anderes zu gelten hat. Das ist der Fall. Für die Durchführung von Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ergibt sich ein solcher Anspruch aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Tarifverträge können Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht gleichgestellt werden, auch wenn sich das Überwachungsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in gleicher Weise auf die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und andere Rechtsvorschriften erstreckt.

2. Das Landesarbeitsgericht hat den zur Entscheidung gestellten Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung der BV 78 mit dem vom Betriebsrat behaupteten Inhalt mit der Begründung abgewiesen, die BV 78 sei unwirksam, da sie gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoße. Sie enthalte mit der Regelung über Erholungszeiten gleichzeitig eine Regelung über Arbeitsentgelte. Eine solche Regelung könne jedoch nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, da die gleiche Frage üblicherweise durch Tarifvertrag, nämlich durch das LRA, geregelt sei.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

3. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts: Die Beteiligten haben sich auf die BV 78 freiwillig geeinigt, über deren Bestand und Inhalt sie streiten. Diese Betriebsvereinbarung kann nur dann unwirksam sein, wenn § 77 Abs. 3 BetrVG den Abschluß einer solchen Betriebsvereinbarung verbietet. Andere Unwirksamkeitsgründe für die in der BV 78 getroffene Regelung sind nicht ersichtlich.

Richtig ist auch die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, daß eine Regelung über Erholungszeiten eine Regelung über Arbeitsentgelte darstellt. Erholungszeiten sind Teil der Vorgabezeit, nach der sich wiederum der Akkordlohn des Arbeitnehmers bemißt. Zutreffend ist auch, daß die Festlegung von Vorgabezeiten einschließlich aller ihrer Bestandteile für den Bereich der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen tariflich geregelt ist. Das Lohnrahmenabkommen enthält in den §§ 10 und 11 eine detaillierte Regelung über die Akkordlohnarbeit und eine Verfahrensordnung zur Ermittlung von Vorgabezeiten. Dabei wird sowohl in § 10 Nr. 3 Abs. 2 als auch in § 11 V Nr. 5 LRA näher bestimmt, wann Erholungszeiten in Vorgabezeiten enthalten sein müssen und wie diese festgesetzt werden. Diese Regelung ist für den Bereich der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen, zu dem auch der Arbeitgeber gehört, üblich. Zwar ist das Lohnrahmenabkommen zum 31. Dezember 1978 gekündigt worden, es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, daß die Tarifvertragsparteien nicht mehr gewillt sind, künftig Grundfragen des betrieblichen Lohnwesens und solche des Akkordlohnes tariflich zu regeln. Das Lohnrahmenabkommen vom 19. Februar 1975 hat das frühere Lohnrahmenabkommen vom 26. September 1967/15. April 1970 – wenn auch mit Änderungen – wieder in Kraft gesetzt. Die Tarifpartner haben sich schon in § 14 LRA verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 1980 Verhandlungen über ein neues Lohnrahmenabkommen aufzunehmen.

Damit ist die Festsetzung von Erholungszeiten im Rahmen einer Akkordentlohnung üblicherweise tariflich geregelt. Regelungen über Erholungszeiten können daher – betrachtet man allein die Regelung in § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG – nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Eine ausdrückliche Öffnungsklausel für betriebliche Regelungen enthält das Lohnrahmenabkommen entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht.

4. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfaßt jedoch nicht Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten, in denen der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht hat. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

a) Durch die Vorschrift des § 77 Abs. 3 BetrVG soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie dadurch gewährleistet werden, daß den Tarifvertragsparteien ein Vorrang zur kollektiven Regelung materieller Arbeitsbedingungen eingeräumt wird mit der Folge, daß da, wo die Tarifvertragsparteien von ihrer Normsetzungsbefugnis Gebrauch gemacht haben, eine entsprechende Befugnis der Betriebspartner entfällt. Es geht um die Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie (Beschlüsse des Senats vom 22. Mai 1979 - 1 ABR 100/77 - AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972, vom 22. Januar 1980, BAGE 32, 350 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung und vom 27. Januar 1987 - 1 ABR 66/85 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

§ 77 Abs. 3 BetrVG gilt nicht ausnahmslos. Schon § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG bestimmt, daß diese Vorschrift auf den Sozialplan nicht anzuwenden ist. Für freiwillige Betriebsvereinbarungen über Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung nach § 88 Nr. 3 BetrVG wird weitgehend angenommen, daß diese auch dann zulässig sind, wenn Maßnahmen zur Vermögensbildung üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt sind (vgl. Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 76 a, mit weiteren Nachweisen).

b) Eine Ausnahme von der Regelung in § 77 Abs. 3 BetrVG enthält auch der Eingangssatz in § 87 Abs. 1 BetrVG.

aa) Nach dieser Vorschrift besteht ein Mitbestimmungsrecht in den nachfolgend genannten Angelegenheiten dann nicht, wenn bereits eine tarifliche oder gesetzliche Regelung besteht. Zweck der in § 87 BetrVG normierten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ist es – je nach dem Mitbestimmungstatbestand –, Direktionsrechte des Arbeitgebers zu beschränken, einzelvertragliche Vereinbarungen insbesondere hinsichtlich betriebseinheitlicher Arbeitsbedingungen wegen der dabei gestörten Vertragsparität zurückzudrängen, gesetzliche Pflichten des Arbeitgebers etwa im Unfall- und Gesundheitsschutz zu konkretisieren und allgemeine Grundsätze über die gleichmäßige Behandlung der Arbeitnehmer oder über die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit zum Tragen kommen zu lassen (vgl. Wiese, Zum Gesetzes- und Tarifvorbehalt nach § 87 Abs. 1 BetrVG, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 661, 662 ff.). Ist eine an sich mitbestimmungspflichtige Angelegenheit für den Arbeitgeber bindend durch Gesetz oder Tarifvertrag bereits geregelt, so kann davon ausgegangen werden, daß mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer bereits Rechnung getragen worden ist. Für einen weiteren Schutz durch Mitbestimmungsrechte besteht kein Bedürfnis mehr. Von daher ist es gerechtfertigt, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats entfallen zu lassen, soweit eine tarifliche oder gesetzliche Regelung der betreffenden Angelegenheit im Sinne des Eingangssatzes von § 87 Abs. 1 BetrVG besteht.

Eine tarifliche Regelung einer an sich mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit, die lediglich üblich ist, für den Betrieb jedoch keine Bindungen erzeugt und daher im Betrieb nicht besteht, kann demgegenüber für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer den erforderlichen Schutz nicht gewährleisten. Würde § 77 Abs. 3 BetrVG Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats schon dann entfallen lassen, wenn die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nur „üblicherweise” durch Tarifvertrag geregelt ist, so könnte der durch § 87 Abs. 1 BetrVG bezweckte Schutz der Arbeitnehmer – sofern nicht eine gesetzliche Regelung besteht – weder durch eine tarifliche Regelung noch durch eine mitbestimmte Regelung bewirkt werden. Die in § 87 Abs. 1 BetrVG geregelten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, soweit sie materielle Arbeitsbedingungen betreffen, würden weitgehend leerlaufen und nur dort bedeutsam sein, wo eine tarifliche Regelung von materiellen Arbeitsbedingungen nicht einmal üblich ist. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind aber nicht auf solche Randbereiche beschränkt, sondern sollen grundsätzlich in allen Betrieben zum Tragen kommen. Ihr Inhalt und ihre Grenzen müssen für den Normalfall bestimmt werden (Richardi, Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Regelung des Arbeitsentgelts, ZfA 1976, 1, 5).

Schon von daher erscheint es nicht gerechtfertigt, daß eine im Sinne von § 77 Abs. 3 BetrVG lediglich übliche tarifliche Regelung einer Angelegenheit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausschließen soll, wenn eben diese Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist.

bb) Davon, daß Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG durch § 77 Abs. 3 BetrVG nicht ausgeschlossen werden, geht auch ein Teil derjenigen Autoren im Schrifttum aus, die in § 77 Abs. 3 BetrVG eine zusätzliche Schranke für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats sehen und die sogenannte Zwei-Schranken-Theorie vertreten. Sie entnehmen § 77 Abs. 3 BetrVG das Verbot, vom Mitbestimmungsrecht durch den Abschluß von Betriebsvereinbarungen in der zu regelnden Angelegenheit Gebrauch zu machen (Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 77 Rz 68, § 87 Rz 13; Wiese, GK-BetrVG, 3. Bearbeitung, § 87 Rz 29 und Festschrift 25 Jahre BAG, S. 661, 670; Thiele, GK-BetrVG, 3. Bearbeitung, § 77 Rz 95; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aa0, § 77 Rz 74; Misera, Anm. zu AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Moll, Mitbestimmung des Betriebsrats beim Entgelt, S. 173 f.; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 295). Der Senat vermag dieser Ansicht, die auch von ihren Vertretern in den Konsequenzen als rechtspolitisch bedenklich bezeichnet wird (vgl. Thiele, aa0, § 77 Rz 95), nicht zu folgen.

Allerdings verbietet § 77 Abs. 3 BetrVG lediglich den Abschluß von Betriebsvereinbarungen über üblicherweise tariflich geregelte Angelegenheiten, soweit diese materielle Arbeitsbedingungen zum Inhalt haben. Das Mitbestimmungsrecht als solches wird nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Wenn aber § 77 Abs. 3 BetrVG Betriebsvereinbarungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten ausschließt, muß er folgerichtig auch Mitbestimmungsrechte in diesen Angelegenheiten ausschließen. Davon ist der Senat auch in den Fällen, in denen er die Anwendbarkeit von § 77 Abs. 3 BetrVG geprüft hat, als selbstverständlich ausgegangen (vgl. BAG Beschluß vom 14. November 1974 - 1 ABR 65/73 - AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972). Die Frage, ob Mitbestimmungsrechte in einer bestimmten Angelegenheit bestehen und ob diese Angelegenheit durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, läßt sich nicht trennen. Mitbestimmung des Betriebsrats in einer Angelegenheit bedeutet nicht bloße Zustimmung des Betriebsrats zu einer vom Arbeitgeber geplanten Maßnahme, sondern – jedenfalls im Regelfall – die Regelung der betreffenden Angelegenheit durch beide Betriebspartner (vgl. Beschlüsse des Senats vom 2. März 1982, BAGE 38, 96 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, und vom 11. März 1986 - 1 ABR 12/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Das geeignete Instrument, eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit für den Betrieb zu regeln, ist die Betriebsvereinbarung. Im Gegensatz zur Regelungsabrede wirken die Normen einer Betriebsvereinbarung unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ein, so daß es keiner Umsetzung der vereinbarten Regelung in das Einzelarbeitsverhältnis mehr bedarf. Nur die Normen einer Betriebsvereinbarung gelten unmittelbar und zwingend (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Allein die Betriebsvereinbarung ist daher geeignet, den zwingenden und unabdingbaren Schutz der Arbeitnehmer herbeizuführen, um dessentwillen § 87 Abs. 1 BetrVG Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in den hier genannten Angelegenheiten begründet. Schon von daher kann nicht angenommen werden, daß § 77 Abs. 3 BetrVG zwar Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats unberührt lassen, die Regelung mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten durch Betriebsvereinbarung aber verbieten will.

cc) Wortlaut und Stellung des § 77 Abs. 3 BetrVG im Gesetz rechtfertigen nicht die Annahme, daß bereits die tarifübliche Regelung einer Angelegenheit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats entfallen läßt:

§ 77 Abs. 3 BetrVG verbietet nur Betriebsvereinbarungen über üblicherweise tariflich geregelte materielle Arbeitsbedingungen, regelt aber nicht Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. § 77 Abs. 6 BetrVG weist aus, daß das Betriebsverfassungsgesetz Betriebsvereinbarungen nicht nur in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten kennt, d.h. in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen den Betriebspartnern ersetzt. § 88 BetrVG erwähnt daneben freiwillige Betriebsvereinbarungen. Schon das macht deutlich, daß Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht Betriebsvereinbarungen gleichgesetzt werden können, und daß umgekehrt Regelungen über die Zulässigkeit von Betriebsvereinbarungen nicht gleichzeitig Regelungen über den Ausschluß von Mitbestimmungsrechten darstellen können.

Sind Betriebsvereinbarungen – wie dargelegt – ein Mittel zur Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten, so geht die Entscheidung der Frage, ob Mitbestimmungsrechte in einer bestimmten Angelegenheit gegeben sind, der Frage vor, ob eine Betriebsvereinbarung in dieser Angelegenheit zulässig ist. Regelt aber der Eingangssatz von § 87 Abs. 1 BetrVG abschließend, wann Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gegeben sind, und ist der Ausschluß des Regelungsinstruments „Betriebsvereinbarung” in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nicht zu rechtfertigen, so kann auch die Stellung der Vorschrift des § 77 Abs. 3 BetrVG im ersten Abschnitt „Allgemeines” des vierten Teils des Betriebsverfassungsgesetzes nicht die Annahme begründen, mit dem Verbot von Betriebsvereinbarungen über üblicherweise tariflich geregelte Arbeitsentgelte seien gleichzeitig Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in diesen Angelegenheiten ausgeschlossen. Vielmehr geht die Vorschrift des Eingangssatzes in § 87 Abs. 1 BetrVG als die speziellere Norm der Regelung in § 77 Abs. 3 BetrVG vor, ebenso wie § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG die Geltung von § 77 Abs. 3 BetrVG für die Betriebsvereinbarung „Sozialplan” ausschließt.

dd) Auch der Normzweck von § 77 Abs. 3 BetrVG, den Vorrang der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für materielle Arbeitsbedingungen im Interesse des Funktionierens der Tarifautonomie zu gewährleisten, rechtfertigt den Ausschluß von Mitbestimmungsrechten und des Instruments der Betriebsvereinbarung zur Wahrnehmung dieser Mitbestimmungsrechte in den nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nicht.

Die durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantierte Tarifautonomie gebietet keinen absoluten Vorrang der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien vor einer Regelungsbefugnis der Betriebspartner. Die nähere Ausgestaltung der Tarifautonomie und damit auch der Regelungsbefugnis der Tarifpartner ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers (BVerfGE 20, 312, 317; 50, 290, 368). Eine solche nähere Ausgestaltung enthält nicht nur § 77 Abs. 3 BetrVG, sondern auch § 87 Abs. 1 und § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG. Allein der Umstand, daß § 77 Abs. 3 BetrVG den grundsätzlichen Vorrang der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für materielle Arbeitsbedingungen schon bei nur tarifüblicher Regelung anerkennt und ausdrücklich festschreibt, berechtigt nicht zu der Annahme, dieser Vorrang müsse ausnahmslos im Betriebsverfassungsgesetz jedenfalls überall da gelten, wo er nicht – wie in § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG – ausdrücklich eingeschränkt wird. Zum einen würde der Ausschluß von Mitbestimmungsrechten bei lediglich tarifüblicher Regelung – wie dargelegt – zum gänzlichen Wegfall eines kollektiv-rechtlichen Schutzes der Arbeitnehmer vor einseitigen individual-rechtlichen Gestaltungsbefugnissen des Arbeitgebers führen. Zum anderen besagen Wortlaut und Stellung der Vorschrift nichts über einen Ausschluß von Mitbestimmungsrechten. Dann aber verbietet es sich, allein aus dem Normzweck des § 77 Abs. 3 BetrVG herzuleiten, der Vorrang lediglich tarifüblicher Regelungen müsse ausnahmslos gelten und zum Wegfall von Mitbestimmungsrechten auch in den Fällen führen, in denen nach dem Eingangssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG als der spezielleren Vorschrift Mitbestimmungsrechte gerade bestehen bleiben sollen.

ee) Der Senat verkennt dabei nicht, daß betriebliche Regelungen über materielle Arbeitsbedingungen, soweit diese nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind, in Zeiten, in denen eine bindende tarifliche Regelung nicht besteht, die autonome Regelung der gleichen Arbeitsbedingungen durch die Tarifvertragsparteien faktisch beeinflussen und auch behindern können. Die Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifvertrag kann durch betriebliche Regelungen, die notwendig an den jeweiligen betrieblichen Besonderheiten orientiert sind und gesamtwirtschaftliche Erwägungen unberücksichtigt lassen können, präjudiziert und in bestimmte, möglicherweise nicht gewollte Bahnen gelenkt werden. Das allein vermag ein anderes Verständnis der Regelung in § 77 Abs. 3 BetrVG nicht zu begründen. Die Tarifvertragsparteien können auf die Betriebspartner einwirken, um unerwünschte betriebliche Regelungen zurückzuhalten. Sie haben weiter die rechtliche Möglichkeit, betriebliche Regelungen zu verhindern, indem sie die Angelegenheit selbst tariflich regeln und so Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG ausschließen. Gelingt das nicht, muß es dabei verbleiben, daß das Betriebsverfassungsgesetz 1972 die Mitbestimmung des Betriebsrats auch auf materielle Arbeitsbedingungen erstreckt und so im Grundsatz die Regelungsbefugnis der Betriebspartner neben die der Tarifvertragsparteien gestellt hat. Wann und unter welchen Voraussetzungen der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien der Vorrang gebührt, ist im Betriebsverfassungsgesetz abschließend geregelt.

Aus § 77 Abs. 3 BetrVG ergibt sich daher nicht, daß Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG und deren Ausübung durch den Abschluß von Betriebsvereinbarungen schon dann ausgeschlossen sind, wenn die betreffende Angelegenheit lediglich üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt ist, für den Betrieb jedoch keine bindende tarifliche Regelung besteht (so auch im Ergebnis die Vertreter der sogenannten Vorrangtheorie, Säcker, ZfA Sonderheft 1972, S. 41, 65; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 77 Rz 32; Weiss, BetrVG, § 77 Rz 10, § 87 Rz 9; Reuter/ Streckel, Grundfragen der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung, S. 33; Simitis/Weiss, DB 1973, 1240, 1247; Farthmann, RdA 1974, 65, 71; Reuter, SAE 1976, 15, 17; Fabricius, RdA 1973, 125, 126; Birk, Anm. zu EzA § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht Nr. 2; von Friesen, DB Beil. 1/80, S. 14 f. und 1983, 1871, 1873).

5. Die Regelung der Erholungszeiten unterlag hier der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festlegung der Akkordsätze. Zum Akkordsatz gehört beim Zeitakkord auch die Vorgabezeit und als deren Bestandteil auch die Erholungszeit. Wie diese zu ermitteln und bei der Festlegung der Vorgabezeit zu berücksichtigen ist, unterliegt daher der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Dem steht nicht entgegen, daß die Beteiligten in der BV 71 vereinbart hatten, für die Vorgabezeitermittlung die REFA-Methode anzuwenden. Sie haben in Nr. 4 der BV 71 die Anwendung der REFA-Methode für Erholungszeiten ausdrücklich ausgeschlossen und vereinbart, diese in einem besonderen Verfahren zu ermitteln und in einer Extravereinbarung festzulegen. Gegen eine solche Regelung bestehen keine Bedenken. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festsetzung von Akkordsätzen beschränkt sich nicht auf die Auswahl einer bestimmten arbeitswissenschaftlichen Methode zur Vorgabenzeitermittlung. Die Betriebspartner können auch vereinbaren, eine solche Methode abzuwandeln und andere Regelungen an deren Stelle zu setzen.

Mit der Regelung der BV 78 über Erholungszeiten haben die Betriebspartner daher dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats Rechnung getragen.

6. Dieses Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats war nicht durch eine bestehende tarifliche Regelung ausgeschlossen.

a) Das Lohnrahmenabkommen, das eine ausführliche Regelung für die Ermittlung von Vorgabezeiten und die Festlegung von Erholungszeiten enthält, war zum 31. Dezember 1978 gekündigt worden. Es galt daher ab dem 1. Januar 1979 nur noch kraft Nachwirkung, nicht mehr zwingend. Die BV 78 regelt die Erholungszeiten erst für die Zeit ab dem 1. Januar 1979. Daß die BV 78 schon am 6. Dezember 1978 abgeschlossen worden ist, also zu einer Zeit, als noch eine zwingende tarifliche Regelung bestand und daher Mitbestimmungsrechte nicht gegeben waren, ist unschädlich. Es kommt nicht darauf an, wann die Regelung der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit getroffen worden ist, sondern allein darauf, ob die getroffene Regelung für die Zeit ihrer gewollten Geltung von einer tariflichen Regelung gesperrt wird oder nicht.

b) Eine tarifliche Regelung, die lediglich nachwirkt, steht nach dem Eingangssatz von § 87 Abs. 1 BetrVG Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats nicht entgegen. Nach § 4 Abs. 5 TVG können nach Ablauf des Tarifvertrages dessen Rechtsnormen durch andere Abmachungen ersetzt werden. Damit entfällt die zwingende Wirkung der Tarifnormen. Die tarifliche Regelung ist nicht mehr bindend und vermag daher einen zwingenden Schutz der Arbeitnehmer vor einer anderweitigen Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber nicht mehr zu begründen. Der Senat hat daher wiederholt ausgesprochen, daß ein Tarifvertrag, der lediglich nachwirkt, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht ausschließt (vgl. zuletzt Urteil vom 13. Juli 1977 - 1 AZR 336/75 - AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit). Das entspricht auch der überwiegenden Ansicht im Schrifttum (vgl. Wiese, aa0, § 87 Rz 33, mit weiteren Nachweisen). Daran ist festzuhalten.

c) Eine tarifvertragliche Regelung, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausschließt, besteht im Sinne des Eingangssatzes von § 87 Abs. 1 BetrVG - von dem Fall, daß der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, abgesehen – immer schon dann, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist.

Zwar entfalten tarifliche Normen ihre unmittelbare und zwingende Wirkung nur in Arbeitsverhältnissen, bei denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden sind. Für den Ausschluß von Mitbestimmungsrechten setzt der Eingangssatz von § 87 Abs. 1 BetrVG jedoch nicht voraus, daß auch auf seiten der Arbeitnehmer des Betriebs eine Tarifbindung vorliegt. Wäre dies Voraussetzung, wären entweder Mitbestimmungsrechte nur dann ausgeschlossen, wenn sämtliche vom persönlichen Geltungsbereich der tariflichen Regelung erfaßten Arbeitnehmer des Betriebs tarifgebunden wären, oder es könnte sich der Ausschluß von Mitbestimmungsrechten nur auf die Regelung von Arbeitsbedingungen der tarifgebundenen Arbeitnehmer erstrecken. Im ersteren Fall wäre der Ausschluß von Mitbestimmungsrechten bei Bestehen einer tariflichen Regelung nach § 87 Abs. 1 BetrVG praktisch ohne Bedeutung. Mitbestimmte Regelungen wären dann neben einer tariflichen Regelung schon immer dann möglich, wenn nur ein Arbeitnehmer nicht tarifgebunden wäre. Im zweiten Fall müßte die Bejahung von Mitbestimmungsrechten für die Arbeitsverhältnisse der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer dazu führen, daß im Betrieb hinsichtlich der gleichen Angelegenheit eine mitbestimmte und eine tarifliche Regelung nebeneinander gelten. Abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten, die ein Nebeneinander zweier Regelungen der gleichen Angelegenheit zur Folge haben müßte, entspricht dies nicht dem Zweck der Regelung im Eingangssatz von § 87 Abs. 1 BetrVG. Diese Vorschrift geht davon aus, daß eine bestehende tarifliche oder gesetzliche Regelung dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer ausreichend Rechnung trägt und daher Mitbestimmungsrechte entbehrlich macht. Dabei versteht sich von selbst, daß die gesetzliche Regelung für alle Arbeitsverhältnisse des Betriebs bindend ist und damit den unabdingbaren Schutz gewährleistet, den § 87 Abs. 1 BetrVG Eingangssatz für erforderlich hält. Fehlt es an einer gesetzlichen Regelung und überläßt der Gesetzgeber die Regelung der Angelegenheit den Tarifvertragsparteien, so bringt er damit gleichzeitig zum Ausdruck, daß die Arbeitnehmer eines Schutzes nur in dem Maße bedürftig sind, den tarifliche Regelungen bieten können. Tarifliche Regelungen bieten aber nur demjenigen unabdingbaren Schutz, der tarifgebunden ist, d.h. der mit seinem Beitritt zur Tarifvertragspartei sich dieses Schutzes bedienen will.

Daher genügt es für den Ausschluß von Mitbestimmungsrechten, wenn der Arbeitgeber hinsichtlich der bestehenden tariflichen Regelung tarifgebunden ist. Der Arbeitnehmer kann durch Beitritt zur tarifvertragsschließenden Gewerkschaft den unabdingbaren Schutz der tariflichen Regelung jederzeit erlangen. Darauf, ob und wie viele Arbeitnehmer des Betriebs von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch machen, damit die bestehende tarifliche Regelung, an die der Arbeitgeber gebunden ist, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausschließt, kommt es nicht an.

Wirkt ein Tarifvertrag nur nach, fehlt es an der Bindung des Arbeitgebers an die tarifliche Regelung. Auch eine Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ist nicht geeignet, dem Arbeitnehmer den Schutz einer unabdingbaren tariflichen Regelung zu verschaffen.

Damit unterlag die Regelung der Erholungszeiten mit Wirkung vom 1. Januar 1979 an der Mitbestimmung des Betriebsrats. Die in Ausübung dieses Mitbestimmungsrechts geschlossene Betriebsvereinbarung vom 6. Dezember 1978 ist damit wirksam.

7. Nach dieser Betriebsvereinbarung ist der Arbeitgeber verpflichtet, die in der Anlage zur Betriebsvereinbarung ausgewiesene Erholungszeit von 6 % der Grundzeit für Pastiermaschinen- Starter bei der Festlegung der Vorgabezeit der Grundzeit zuzuschlagen.

Die Betriebspartner haben bei Abschluß der BV 78 für alle Arbeitsplätze und Arbeitsgänge, an denen im Akkord gearbeitet wurde, die Erholungszeiten in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der jeweiligen Grundzeit festgelegt. Entsprechend dieser Vereinbarung sind die Betriebspartner nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Vergangenheit jeweils verfahren. Sie haben nicht danach unterschieden, ob die jeweilige Arbeit, für die die Grundzeit nach der REFA-Methode zu bestimmen war, überhaupt Erholungszeiten erforderlich machte oder ob die Grundzeit, weil maschinentaktgebunden, schon ausreichend Zeit für eine Erholung von arbeitsablaufbedingten Ermüdungen ließ. Die Beteiligten haben auch nichts dafür vorgetragen, daß bei einer in der Zeit vom 1. Januar 1979 bis Mai 1984 notwendig gewordenen Neufestsetzung der Grundzeit jeweils geprüft worden ist, ob die in der BV 78 festgesetzten Erholungszeiten noch gerechtfertigt sind oder daß in dieser Zeit eine Neufestsetzung von Grundzeiten nicht erforderlich geworden ist. Davon kann nicht ausgegangen werden. Der Arbeitgeber behauptet nicht, bei vorgenommenen Änderungen der Grundzeit sei auch die Erholungszeit neu festgesetzt, zumindest aber dahin überprüft worden, ob sie in der ausgewiesenen Höhe noch gerechtfertigt ist. Seine Ansicht, die BV 78 gelte nicht für neue Akkorde, begründet er demgemäß allein mit der Rechtsüberlegung, der Betriebsrat könne nicht im voraus Erholungszeiten festsetzen, deren Notwendigkeit er mangels Kenntnis der einzelnen Arbeitsvorgänge nicht beurteilen könne, weil dies einen unzulässigen Verzicht auf Mitbestimmungsrechte beinhalten würde.

Die BV 78 gilt daher auch für sogenannte neue Akkorde. Gegen eine Regelung, die im voraus Erholungszeiten für im einzelnen noch nicht bekannte Arbeitsvorgänge festlegt, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Betriebspartner sind nicht verpflichtet, Erholungszeiten so festzulegen, daß sie die jeweils tatsächlich erforderliche Erholung von arbeitsablaufbedingten Ermüdungserscheinungen auch tatsächlich gewährleisten. Sie können aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder der leichteren Handhabung Erholungszeiten mehr oder minder abstrakt für eine Dauer vereinbaren, von der sie annehmen, daß sie dem Erholungsbedürfnis des Arbeiters angemessen Rechnung trägt. Die Betriebspartner haben die Möglichkeit der Kündigung der BV 78 vorgesehen. Von dieser Möglichkeit können sie Gebrauch machen, wenn ihnen die vereinbarten Erholungszeiten aufgrund eingetretener Änderungen der Arbeitsgänge nicht mehr ausreichend oder erforderlich erscheinen.

8. Nach der BV 78 ist die in der Anlage für Pastiermaschinen- Starter ausgewiesene Erholungszeit von 6 % der Grundzeit der jeweiligen maschinentaktgebundenen Grundzeit zuzurechnen. Der Betriebsrat kann verlangen, daß der Arbeitgeber entsprechend verfährt. Sein Antrag ist daher begründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts muß daher aufgehoben und die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zurückgewiesen werden.

III.

Die vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge des Arbeitgebers sind nicht begründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Antragserweiterung in Form von erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellten Anträgen des Arbeitgebers für sachdienlich gehalten und ihre Zulässigkeit bejaht. An diese Entscheidung ist der Senat nach § 81 Abs. 3 Satz 3 ArbGG gebunden.

2. Die Feststellung, daß die BV 78 nicht für neue Akkorde gilt, kann nicht getroffen werden. Schon oben unter B II 7 ist dargelegt worden, daß die in der Anlage zur BV 78 für die Dauer ihrer Geltung festgelegten Erholungszeiten auch neu festzusetzenden Grundzeiten zuzuschlagen sind und nicht nur für die bei Abschluß der BV 78 vorliegenden Grundzeiten gelten. Dieser Antrag des Arbeitgebers ist daher unbegründet.

3. Die BV 78 wirkt auch über den 31. Dezember 1985 nach, bis ihre Regelung durch eine neue Betriebsvereinbarung – oder durch eine neue tarifliche Regelung – ersetzt wird.

Wie unter B II 5 dargelegt ist, unterlag für die Zeit ab dem 1. Januar 1979 die Festlegung der Erholungszeiten dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG. Nach § 77 Abs. 6 BetrVG gilt daher die Regelung der in Wahrnehmung dieses Mitbestimmungsrechts abgeschlossenen BV 78 auch nach ihrer Kündigung weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Sie regelt eine Angelegenheit, in der der Spruch der Einigungsstelle nach § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigung der Betriebspartner ersetzen kann. Wenn der Arbeitgeber die in der BV 78 ausgewiesenen Erholungszeiten nicht mehr für sachgerecht ansieht, ist er nach Kündigung der BV 78 nicht gehindert, eine neue Regelung der Erholungszeiten notfalls über einen Spruch der Einigungsstelle herbeizuführen. Darauf, ob der Betriebsrat eine solche Neuregelung für erforderlich oder zulässig hält, kommt es nicht an. Bis zu dieser Neuregelung ist die BV 78 weiter anzuwenden.

Damit war die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch insoweit aufzuheben; die Anträge des Arbeitgebers sind abzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Dr. Heither, Matthes, Schneider, Dr. Gentz

 

Fundstellen

Haufe-Index 60043

BAGE 54, 191-210 (LT1-6)

BAGE, 191

BB 1987, 1246-1249 (LT1-6)

BB 1987, 1346

DB 1987, 1435-1438 (LT1-6)

CR 1988, 565-565 (S)

NZA 1987, 639-642 (LT1-6)

RdA 1987, 313

SAE 1989, 1-6 (LT1-6)

AP, (LT1-6)

AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVB Entsch 102 (LT1-6)

AR-Blattei, ES 530.14.2 Nr 102 (LT1-6)

EzA, (LT1-6)

JuS 1987, 835-836 (ST1-3)

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