Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung der Hauptsache

 

Orientierungssatz

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG sind befristete Arbeitsverträge zwar nicht unzulässig, sie bedürfen für ihre Rechtfertigung jedoch einen sachlichen Grund. Dabei kommt der Frage, ob ein die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund vorliegt, der Üblichkeit im Arbeitsleben eine entscheidende Bedeutung zu. So ist es im Theaterbereich allgemein üblich, nicht nur mit KÜnstlern und Bühnentechnikern, sondern auch mit dem sogenannten Abendpersonal jeweils nur auf die Spielzeit befristete Arbeitsverträge abzuschließen.

 

Normenkette

ZPO § 91a; BGB § 620 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 18.02.1985; Aktenzeichen 2 Sa 114/84)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 06.09.1984; Aktenzeichen 12 Ca 243/84)

 

Gründe

I. Die 58 Jahre alte Klägerin ist bei der Beklagten, die ein Theater betreibt, seit dem 8. März 1969 aufgrund jeweils auf die Spielzeit befristeter Arbeitsverträge als Garderobenfrau beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse finden die zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. und der ÖTV-Bezirksverwaltung Hamburg für das Abendpersonal der Hamburgischen Staatsoper GmbH, der Neuen Schauspielhaus GmbH und der Thalia-Theater GmbH abgeschlossenen Tarifverträge vom 15. Juni 1964 bzw. 30. November 1977 Anwendung.

Die Klägerin arbeitete an durchschnittlich mindestens fünf Abenden pro Woche und erzielte einen Monatsverdienst in Höhe von rund 1.000,-- DM.

Mit Schreiben vom 7. Mai 1984 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie den Arbeitsvertrag nicht über die laufende Spielzeit hinaus verlängern könne und der Arbeitsvertrag daher unter Berücksichtigung des Urlaubsanspruchs am 4. August 1984 ende.

Mit der am 29. Mai 1984 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, daß die Beklagte keinen Grund gehabt habe, den Arbeitsvertrag nicht zu verlängern. Durch ihre ununterbrochene Beschäftigung seit dem Jahre 1969 habe sie sich einen Bestandsschutz erworben, der auch durch den Tarifvertrag nicht eingeschränkt werde. Die Klägerin hat zuletzt beantragt

1. festzustellen, daß zwischen den Parteien

seit dem 8. März 1969 auf der Grundlage

des Tarifvertrages vom 15. Juni 1984 bzw.

30. November 1977 ein Arbeitsverhältnis

bzw. Arbeitsverhältnisse nach Maßgabe

dieser Tarifverträge bestanden haben bzw.

bestehen und daß insbesondere das Arbeits-

verhältnis, das am 16. August 1983 für

die Spielzeit 1983/84 begründet worden

ist, durch die Mitteilung mit Schreiben

vom 7. Mai 1984, zugegangen am 9. Mai 1984,

nicht aufgelöst worden ist, bzw. daß die

Beklagte verpflichtet ist, für die Spiel-

zeit 1984/85 ein Arbeitsverhältnis auf der

Grundlage des Tarifvertrages vom November

1977 abzuschließen;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie zu unver-

änderten Arbeitsbedingungen über den 4. Au-

gust 1984 hinaus als Garderobenfrau unter

Einreihung in die Lohngruppe 2 des Lohntarif-

vertrages unbefristet weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und geltend gemacht, es komme nicht darauf an, ob im Einzelfall ein sachlicher Grund für die Befristungen der Arbeitsverträge vorgelegen habe, da die Tarifvertragsparteien für das Abendpersonal eine Befristung der Arbeitsverträge ausdrücklich vorgesehen haben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag zunächst weiterverfolgt.

In der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 1986 hat die Beklagte erklärt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht mit dem Ablauf des 4. August 1984 geendet habe und die Klägerin unbefristet weiterbeschäftigt werde.

Daraufhin haben beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.

II. Nach § 91 a ZPO hat das Gericht über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach waren die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 1/5 und der Beklagten zu 4/5 aufzuerlegen.

1. Die Klägerin wollte mit ihrem Antrag nicht nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses über den 4. August 1984 hinaus geklärt haben, sondern auch festgestellt wissen, daß bereits seit dem 8. März 1969 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat. Darüber, daß sie aufgrund einer Vielzahl befristeter Arbeitsverhältnisse seit 1969 von der Beklagten beschäftigt worden ist, besteht zwischen den Parteien kein Streit. Dafür aber, daß ihre Rechtsstellung davon abhängen soll, daß bereits seit dem 8. März 1969 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (vgl. dazu KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 620 BGB Rz 245), hat die Klägerin jedoch keine Tatsachen vorgetragen. Insoweit ist die Klage daher wegen Fehlens eines Rechtsschutzinteresses unzulässig gewesen.

2. Die Klage war jedoch zulässig und begründet, soweit festgestellt werden sollte, daß das mit Vertrag vom 16. August 1983 begründete Arbeitsverhältnis nicht beendet worden ist, sondern fortbesteht.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 10, 65; 31, 40; 32, 85; 37, 305, 384) sind befristete Arbeitsverträge zwar nicht unzulässig, sie bedürfen für ihre Rechtfertigung jedoch eines sachlichen Grundes. Dabei kommt der Frage, ob ein die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund vorliegt, der Üblichkeit im Arbeitsleben eine entscheidende Bedeutung zu. So ist es im Theaterbereich allgemein üblich, nicht nur mit Künstlern und Bühnentechnikern, sondern auch mit dem sog. Abendpersonal jeweils nur auf die Spielzeit befristete Arbeitsverträge abzuschließen. Unbefristete Arbeitsverträge werden in der Regel nur mit dem Verwaltungspersonal abgeschlossen. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag vom 30. November 1977 entspricht dieser allgemeinen Übung (vgl. auch den zwischen dem Land Hessen und der ÖTV-Bezirksverwaltung Hessen abgeschlossenen Tarifvertrag vom 25. Juni 1964, Hess.Staats-Anz. 1964, 1006); der Tarifvertrag definiert aber nicht den sachlichen Grund, sondern setzt ihn - basierend auf der generellen Übung - als gegeben voraus.

b) Aber selbst bei genereller Anerkennung der allgemeinen Übung als sachlicher Grund für eine Befristung, sprechen im vorliegenden Fall die besonderen Umstände gleichwohl gegen die Zulässigkeit der Befristung des am 16. August 1983 zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages. Die Klägerin war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits rund 14 Jahre, wenn auch aufgrund einer Vielzahl befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten beschäftigt und mit 58 Jahren in einem bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage nur schwer in einem anderen Arbeitsplatz zu vermittelnden Alter. Der Beklagten war zudem bekannt, daß der Ehemann der Klägerin Rentner ist und sie daher auch gezwungen ist, bis zum 65. Lebensjahr zu arbeiten, um eine höhere Rente zu erwerben. Diese familiären und wirtschaftlichen Gründe sind gegenüber der allgemeinen Übung vorrangig zu berücksichtigen und führen dazu, die Befristung des Arbeitsvertrages vom 16. August 1983 mangels Vorliegens eines sachlichen Grundes als unwirksam anzusehen.

III. Entsprechend den Erfolgsaussichten waren daher die Kosten des Rechtsstreits, wie geschehen, auf die Parteien zu verteilen.

Hillebrecht Dr. Röhsler Triebfürst

Dr. Müller Baerbaum

 

Fundstellen

Dokument-Index HI437996

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