BAG, Urteil vom 19.9.2018, 10 AZR 496/17

Es bestehen keine Ansprüche auf tarifliche Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge bei Freistellung von der Arbeit wegen Abbaus von Mehrarbeitsstunden.

Sachverhalt

Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers, eines Fluglotsen, fand kraft einzelvertraglicher Bezugnahme u. a. der Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (MTV) vom 19.11.2004 in den Fassungen vom 6.5.2010 und vom 16.5.2012 Anwendung. Hiernach ist die Arbeitszeit gem. § 10 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 MTV grds. auf die Arbeitstage Montag bis Freitag der Woche zu verteilen, zulässig ist aber auch eine Verteilung auf Samstage, Sonntage und Feiertage. Nach § 20 MTV erhält der Arbeitnehmer für diese Arbeiten (Samstag, Sonntag, Feiertag und in der Nacht) Zeitzuschläge. § 14 MTV regelt darüber hinaus, wie Mehrarbeitsstunden entstehen und wie sie abgebaut werden können.

Der Kläger nimmt an der sog. flexiblen Schichtplanung teil. Für ihn wird ein Arbeitszeitkonto geführt. In der Zeit vom 25.2.2012 bis 25.4.2014 erhielt der Kläger auf seinen Antrag hin in insgesamt 24 Fällen Mehrarbeitsstundenabbau. Der Stundenabbau betraf hierbei jeweils Zeiten, zu denen der Kläger im Schichtplan zu Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und/oder Nachtarbeit eingeteilt war. Die Beklagte zahlte für die Zeiten des Abbaus von Mehrarbeitsstunden jedoch keine Zeitzuschläge nach § 20 MTV. Dagegen wandte sich der Kläger. Er ist der Auffassung, die Beklagte schulde ihm auch Zeitzuschläge für Zeiten der Arbeitsbefreiung zum Abbau von Mehrarbeit. Er erhob Klage auf Zahlung der Zuschläge i. H. v. rund 1.200 EUR brutto.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das BAG entschied, dass dem Kläger keine Ansprüche auf tarifliche Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge für Zeiten zustehen, in denen er wegen Abbaus von Mehrarbeitsstunden nicht gearbeitet hat.

Zunächst konnte der Anspruch nicht auf § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Annahmeverzugs nach §§ 615, 293 ff. BGB gestützt werden; denn die Beklagte war mit der Annahme der Dienste des Klägers nicht in Verzug, da aufgrund der Arbeitsbefreiung weder für den Kläger eine Pflicht zu Arbeitsleistung bestand noch für die Beklagte eine Pflicht zur Beschäftigung des Klägers. Für die Dauer einer Freistellung von der Arbeit ist, so das BAG, dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung i. S. v. § 297 BGB rechtlich unmöglich. § 611 Abs. 1 i. V. m. § 615 Satz 1 BGB begründet zudem nach Auffassung des Gerichts auch keinen Anspruch auf Beschäftigung zu bestimmten zuschlagspflichtigen Zeiten.

Des Weiteren bestand auch kein Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 14, 20 MTV, d. h., weder aus den Regelungen zum Arbeitszeitkonto noch aus der tarifvertraglichen Zuschlagsregelung. Das Gericht führte hierzu aus, dass ein Arbeitszeitkonto den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wiedergibt und damit seinen Vergütungsanspruch ausdrücke. Die Zeitgutschrift sei lediglich eine abstrakte Recheneinheit, sodass es für den Abbau des Arbeitszeitkontos nur noch auf die Höhe des Zeitguthabens ankomme. Der Abbau der Mehrarbeitsstunden erfolge durch Freizeitausgleich. Freizeit sei jedoch gerade das Gegenteil von Arbeitszeit. Da der Kläger an den Tagen, für die er Zuschläge begehrt, nicht gearbeitet hatte, stehe ihm auch kein Vergütungsanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB zu. Es gebe, so das BAG weiter, keinen allgemeinen Entgeltfortzahlungsanspruch ohne gesetzliche oder tarifvertragliche Regelung; auch § 14 MTV treffe keine eigenständige Regelung, in welcher Höhe der Vergütungsanspruch entstehe; somit folge er der allgemeinen Vergütungsregelung.

Es ergab sich auch kein Anspruch auf die tarifvertraglichen Zuschläge nach § 20 MTV; denn die Zuschläge gem. § 20 MTV werden nur für geleistete Samstags-, Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt; der Kläger hatte zu diesen Zeiten jedoch gerade nicht gearbeitet. Allein der Umstand, dass er im Schichtplan ursprünglich für Arbeit zu zuschlagspflichtigen Zeiten eingeteilt war, aber wegen Mehrarbeitsstundenabbau davon befreit wurde, reiche, so das BAG, nicht aus, um einen Anspruch zu begründen; denn Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, besondere Erschwernisse auszugleichen, die durch ungünstige Arbeitszeiten entstehen. Daher wäre es widersprüchlich, wenn die Zuschläge gezahlt würden, wenn gerade keine Erschwernisse vorliegen und der Arbeitnehmer davon befreit ist.

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