BAG, Urteil v. 17.10.2017, 9 AZR 192/17

Leitsatz (amtlich)

1. Allein die Erhöhung der Arbeitszeit ohne eine damit verbundene Übertragung höherwertiger Tätigkeiten betrifft nicht den Zugang zu einem öffentlichen Amt i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG.

2. Ein freies Arbeitszeitvolumen, das der Arbeitgeber zur Erhöhung der Arbeitszeit bereits beschäftigter Teilzeitarbeitnehmer zur Verfügung stellt, ist kein freier Arbeitsplatz i. S. v. § 9 TzBfG. Der Arbeitgeber muss deshalb einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung der Arbeitszeit angezeigt hat, bei gleicher Eignung nicht bevorzugt berücksichtigen. In diesem Fall ist er grundsätzlich in der Auswahl frei, welchen Teilzeitbeschäftigten er eine Verlängerung der Arbeitszeit anbietet.

Sachverhalt

Die Klägerin ist seit 1997 als Musikschullehrerin bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung – nach mehreren teilweise befristeten Änderungen – zuletzt 11 Stunden beschäftigt. Bei Vollzeitkräften beträgt das wöchentliche Unterrichtsdeputat 30 Unterrichtsstunden. Ende 2014 schrieb die Beklagte 2 unbefristet zu vergebende Deputate von jeweils 6 Unterrichtsstunden im Fach Klavier intern aus. Die Ausschreibung erfolgte dabei unter Hinweis auf § 7 TzBfG. Es wurde zudem darauf hingewiesen, dass es sich um eine interne Ausschreibung von insgesamt 12 Unterrichtsstunden im Fach Klavier, aufgeteilt in 2 Deputate zu jeweils 6 Unterrichtsstunden, handele. Zudem konnten sich auch ausschließlich im befristeten Arbeitsverhältnis stehende Kolleginnen und Kollegen hierfür bewerben. Es bewarben sich auf die Anzeige neben der Klägerin noch weitere 8 bei der Beklagten angestellte Musikschullehrer. Die Beklagte führte sodann ein Auswahlverfahren durch. Dies bestand u. a. aus einem 5-minütigen Vorspiel, einer 20-minütigen Lehrprobe und einem 5-minütigem Gespräch, in welchem dem Bewerber Gelegenheit gegeben wurde, Fragen zu stellen. Die ausgeschriebenen Stellen sollten dabei nach einem internen Bewertungssystem dem Bewerber oder der Bewerberin mit der höchsten Punktzahl übertragen werden. Die Deputate erhielten schließlich 2 Mitbewerber der Klägerin, die eine wöchentliche Unterrichtsverpflichtung von 16 bzw. 6 Stunden hatten.

Die Klägerin klagte auf Erhöhung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit um 6 Unterrichtsstunden. Sie begründete dies damit, dass ihr nach § 9 TzBfG ein Anspruch auf die Verlängerung ihrer Arbeitszeit zustehe. Die Beklagte habe darüber hinaus die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG nicht beachtet, da die getroffene Auswahlentscheidung nicht vom Grundsatz der Bestenauslese gedeckt gewesen sei, da andernfalls die Auswahl auf sie als die am besten geeignete Bewerberin hätte fallen müssen. Zudem sei die Auswahlkommission fehlerhaft besetzt gewesen, da dieser weder ein ausgebildeter Pianist noch eine Person mit staatlich geprüftem Musiklehrerexamen im Fach Klavier angehört hatten.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Zunächst führte das BAG aus, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, bei der Zuteilung der Stundendeputate Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten; denn die Erhöhung der Arbeitszeit betreffe weder die Begründung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses noch den Zugang zu Beförderungsämtern und -stellen. Ein Bewerber um ein Zeitdeputat ohne eine damit verbundene Übertragung höherwertiger Tätigkeiten begehre nicht den Zugang zu einem öffentlichen Amt, sondern eine statusneutrale bzw. ämterneutrale Modifikation der Bedingungen seiner Beschäftigung. Hierfür seien seine Eignung, Befähigung und fachliche Leistung bereits in einem vorausgegangenen Auswahlverfahren überprüft worden. Im vorliegenden Fall gehe es der Klägerin gerade darum, ihre wöchentliche Arbeitszeit unter Beibehaltung des ihr übertragenen "Amts" um wöchentlich 6 Unterrichtsstunden zu erhöhen.

Des Weiteren ergab sich für die Klägerin auch kein Anspruch aus § 9 TzBfG. Nach Auffassung des Gerichts begründe diese Vorschrift nur einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Verlängerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Voraussetzung hierbei sei, dass ein "entsprechender freier Arbeitsplatz" überhaupt zu besetzen sei, d. h. es müsse zumindest ein freier nach dem Willen des Arbeitgebers zu besetzender Arbeitsplatz vorhanden sein. Es bestehe für Arbeitnehmer grds. kein gesetzlicher Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber einzurichtende und zu besetzende Arbeitsplätze nach den Arbeitszeitwünschen des Arbeitnehmers schaffe oder zuschneide. Das BAG definierte einen Arbeitsplatz nach gebräuchlicher Auslegung als die Beschäftigung in örtlich-räumlicher und zugleich funktionaler Hinsicht, was durch Art, Ort und Umfang der Tätigkeit gekennzeichnet sei. Im vorliegenden Fall sei durch die Entscheidung der Beklagten, einen bestimmten Arbeitskräftebedarf durch die Arbeitszeiterhöhung bereits beschäftigter Teilzeitarbeitnehmer abzudecken, kein freier Arbeitsplatz in örtlich-räumlicher und zugleich in funktionaler Hinsicht mit einem erhöhten Arbeitszeitvolumen zu besetz...

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