Die Übergangsregelung des § 25 ArbZG lässt Regelungen zu, die die durch die EU-Arbeitszeitrichtlinie gezogenen Grenzen überschreiten und könnte daher im Hinblick auf die unmittelbare Wirkung der Richtlinie im Bereich des öffentlichen Dienstes wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht insoweit unwirksam sein.

Bei der Arbeitszeitrichtlinie handelt es sich um sekundäres Gemeinschaftsrecht. Sie legt nur das zu erreichende Ziel fest und überlässt den Mitgliedstaaten die Wahl von Form und Mittel für dessen Erreichung. Die Richtlinien richten sich an die Mitgliedstaaten und verpflichten diese, den Inhalt der Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen. Damit liegt der Richtlinie das Grundkonzept eines zweistufigen Rechtsetzungsverfahrens zugrunde: Zunächst wird das Regelungsprogramm mit Verbindlichkeit für die Mitgliedstaaten erlassen (Richtlinie). Auf der nächsten Stufe setzen die Mitgliedstaaten den Richtlinieninhalt durch innerstaatliche Rechtsakte in nationales Recht um (nationale Durchführungsbestimmungen).

Die Richtlinie hat damit keine direkte Wirkung im innerstaatlichen Recht und begründet grundsätzlich nicht unmittelbar Rechte und Pflichten einzelner Gemeinschaftsbürger (Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag).

Über den Wortlaut hinausgehend hat jedoch der EuGH im Wege der Rechtsfortbildung in bestimmten Fällen eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien bejaht. Voraussetzungen für eine unmittelbare Wirkung sind:

  • Fristablauf

    Die Umsetzungsfrist ist seit dem 24. November 1996 abgelaufen.

  • Fehlende oder mangelhafte Umsetzung

    Die mangelhafte Umsetzung hat der EuGH in seinem Urteil vom 9.9.2003 als auch das BAG in seinem Beschluss vom 18.2.2003.[1] festgestellt.

  • Inhaltliche Unbedingtheit und hinreichende Genauigkeit der Richtlinie

    Inhaltlich unbedingt ist die Richtlinie, wenn sie vorbehaltlos und ohne Bedingung anwendbar ist. Dies ist hier gegeben. Hinreichend genau ist die Richtlinie, wenn sie unzweideutig eine Verpflichtung begründet, also rechtlich in sich abgeschlossen ist und als solche von jedem Gericht angewandt werden kann.[2] Unbestimmte Rechtsbegriffe allein stehen der unmittelbaren Wirkung nicht entgegen.

Die hier einschlägigen Regelungen der Arbeitszeitrichtlinie entsprechen diesen Erfordernissen. Die Regelungen sind unbedingt. Sie sind auch hinreichend genau. Die Begriffsbestimmungen in Art. 2 sind i.V.m. der Rechtsprechung des EuGH eindeutig. Art. 3 (tägliche Ruhezeit) schreibt eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum vor. Die Regelungen zur Ruhepause in Art. 4 und zur wöchentlichen Ruhezeit in Art. 5 sind gleichfalls exakt. In Art. 6 wird die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf durchschnittlich 48 Stunden im 7-Tageszeitraum festgelegt.

Begründet wird die unmittelbare Wirkung seitens des EuGH damit, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, sich gegenüber einem Gemeinschaftsbürger auf sein eigenes pflichtwidriges Verhalten zu berufen. Die Geltendmachung der fehlenden bzw. fehlerhaften Umsetzung stellt einen rechtsmissbräuchlichen Akt dar und ist deshalb als unzulässige Rechtsausübung des säumigen Mitgliedstaates anzusehen.[3] Der EuGH bezeichnet die unmittelbare Wirkung von Richtlinien als Mindestgarantien für die Gemeinschaftsbürger.[4] Der Gemeinschaftsbürger ist somit berechtigt, sich gegenüber dem Mitgliedstaat auf die Bestimmungen der Arbeitszeitrichtlinie zu berufen (vertikale Wirkung).

Zweifel an der Genauigkeit könnten sich aus Art. 16 Nr. 2 und aus Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie ergeben. Danach können die Mitgliedstaaten für die Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit Bezugszeiträume von unterschiedlicher Dauer vorsehen. Jedoch hat der EuGH in der "Simap"-Entscheidung[5] festgestellt, dass sich der hieraus ergebende Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten den genannten Vorschriften nichts von ihrer Genauigkeit und Unbedingtheit nehme. Damit ist festzuhalten, dass der Arbeitszeitrichtlinie unmittelbare Wirkung insoweit zukommt, als die Richtlinie ungenügend in das innerdeutsche Recht transformiert wurde.[6]

Der Begriff des Staates wird hierbei vom EuGH weit gefasst. Staat ist in der Bundesrepublik Deutschland der Bund, die Länder, die Gebietskörperschaften sowie Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Zum Staat als Adressat der vertikalen Wirkung gehören auch solche Einrichtungen, die aus innerstaatlicher Sicht nicht förmlich in die staatliche Verwaltungsorganisation eingegliedert sind, jedoch aufgrund staatlichen Auftrags eine öffentliche Aufgabe unter staatlicher Aufsicht wahrnehmen (sog. beliehene Unternehmer). In der Rechtssache Marschall hatte der EuGH darüber hinaus deutlich gemacht, dass eine Behörde auch als Arbeitgeber von Angestellten Adressat der unmittelbaren Wirkung ist.[7] Es mache keinen Unterschied, in welcher Form der Staat handle. Einen etwaigen Unterschied gegenüber privaten Arbeitgebern könne der Staat als öffentlicher Arbeitgeber im Übrigen dadurch vermeiden, dass der betroffene Mitgliedstaat die Richtlinie ordnungsgemäß in sein national...

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