16.1 Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung

Der Beschäftigte ist natürlich berechtigt, für die gesamte Dauer der Krankschreibung der Arbeit fernzubleiben. Eine vorzeitige Arbeitsaufnahme setzt immer die Freiwilligkeit und das Einverständnis des Beschäftigten voraus. Es kommt aber immer wieder zu Fällen, in denen erkrankte Beschäftigte vor Ablauf der Krankschreibung von sich aus die Arbeit wieder aufnehmen möchte. Beispielsweise weil der Beschäftigte schneller, als in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung prognostiziert, wieder gesund ist oder weil der Grund der Krankschreibung die Tätigkeit nicht beeinträchtigt. Vielfach wird angenommen, dass die Beschäftigten in diesen Fällen weder unfall- noch krankenversichert sind. Oft verweigern Arbeitgeber deshalb die vorzeitige Wiederaufnahme der Arbeit. Stattdessen wird der Beschäftigte aufgefordert, zum Arzt zu gehen und sich "gesundschreiben" zu lassen. Dabei wird verkannt, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein Arbeitsverbot beinhaltet. Vielmehr bescheinigt der Arzt nur die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit, ohne dass dieser Zeitraum auch tatsächlich voll ausgeschöpft werden muss.

Von Bedeutung ist hierbei, dass keine versicherungsrechtlichen Nachteile bei einem Arbeitsunfall eintreten. Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst für den Beschäftigten sämtliche Tätigkeiten, die Bestandteil des arbeitsvertraglichen Beschäftigungsverhältnisses sind oder den Interessen des Arbeitgebers dienen. Deshalb besteht auch dann Versicherungsschutz, wenn ein Beschäftigter trotz Krankschreibung seine Arbeit vorzeitig wieder aufnimmt. Auch wenn sich dann der Gesundheitszustand wieder verschlechtern sollte, bleibt der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung ebenso wie in der Krankenversicherung erhalten.

Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst auch die Wege von und zum Betrieb. Wenn ein Beschäftigter während der Krankschreibung vorzeitig seine Arbeit wieder aufnehmen möchte, ist damit auch der Weg zur Arbeitsaufnahme während der Arbeitsunfähigkeit versichert. Allerdings empfiehlt sich eine vorherige Kontaktaufnahme zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem. Sollte es nämlich auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme zu einem Unfall kommen, herrscht Klarheit, dass es sich dabei um einen versicherten Wegeunfall handelt.

 
Praxis-Beispiel

Beschäftigter A ist Abteilungsleiter in seiner Firma. Bei einem Skiunfall zieht er sich einen Beinbruch zu, aufgrund dessen er noch für 3 Wochen krankgeschrieben ist. Während dieser Zeit findet bei seinem Arbeitgeber eine wichtige Personalversammlung statt, bei der grundsätzliche Teilnahmepflicht für alle Beschäftigten besteht. Auch A möchte unbedingt an der Versammlung teilnehmen. Er wird von seiner Ehefrau zum Betrieb gefahren. Nach der 3-stündigen Versammlung nimmt auf dem Nachhauseweg ein Motorrad den Eheleuten die Vorfahrt. Es kommt zum Unfall, bei dem sich A eine Gehirnerschütterung zuzieht, weil er durch das Bremsmanöver seiner Ehefrau gegen einen Holm am Fahrzeug schlägt. A ist auf der Fahrt und während des Aufenthalts bei seinem Arbeitgeber gesetzlich unfallversichert. Der Unfall auf dem Rückweg von der Personalversammlung ist als versicherter Wegeunfall i. S. d. § 8 Abs. 2 SGB VII zu werten, denn es handelte sich um einen mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg von dem Ort der Tätigkeit.

16.2 Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Auch wenn keine versicherungsrechtlichen Nachteile zu befürchten sind, ist der Arbeitgeber dennoch aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, für den Erhalt der Gesundheit seiner Beschäftigten Sorge zu tragen. Aus diesem Grund sollte er jeweils prüfen, ob der Beschäftigte, der vorzeitig seine Arbeit aufnimmt, tatsächlich den Eindruck macht, wieder einsatzfähig zu sein. Hierzu ist die Kenntnis von der Art der Erkrankung erforderlich, um die Gefährdungslage bewerten zu können. Ist danach eine Gefährdung des Beschäftigten nicht zu befürchten, kann er sofort wieder beschäftigt werden.

Unterlässt der Arbeitgeber diese Prüfung, so verletzt er seine arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht. Die Verletzung von Nebenpflichten kann Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, wenn aufgrund der Arbeit sich der Gesundheitszustand verschlechtert oder aufgrund der Erkrankung ein Arbeits- oder Wegeunfall geschieht. Zu beachten ist hier allerdings § 104 SGB VII. Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haften Unternehmer auf Ersatz von Personenschäden nur, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Vorsätzliches Handeln kann dem Arbeitgeber aber nur vorgeworfen werden, wenn er den Erfolg seines Handelns – also die Beschäftigung trotz ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit und den nachfolgenden Eintritt einer weitergehenden Gesundheitsschädigung des Beschäftigten – als möglich vorausgesehen und für den Fall ihres Eintritts billigend in Kauf genommen hat.

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