3.1 Auszubildende

Das Berufsausbildungsverhältnis kann nach der Probezeit durch den Ausbildenden nur aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Da die Arbeitsgerichte bei Kündigungen gegenüber Auszubildenden erfahrungsgemäß hohe Anforderungen an deren Wirksamkeit stellen, dürfte in den meisten Fällen vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zumindest eine Abmahnung erforderlich sein. Dies gilt insbesondere bei mangelnder Lernbereitschaft oder unentschuldigtem Fehlen in der Berufsschule. Bei besonders schweren Pflichtverletzungen, deren Rechtswidrigkeit dem Auszubildenden ohne Weiteres erkennbar ist, braucht der Arbeitgeber auch gegenüber Auszubildenden vor der außerordentlichen Kündigung keine Abmahnung zu erteilen.[1]

Abmahnungen gegenüber Auszubildenden sollten besonders sorgfältig und ausführlich erfolgen. Es kann im Einzelfall empfehlenswert sein, den Eltern eine Kopie der Abmahnung zuzuleiten (insbesondere bei minderjährigen Auszubildenden). Wegen der hohen Anforderungen, die die Gerichte wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Auszubildenden an die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung stellen, sollte auch bei erheblichen Pflichtverletzungen im Zweifelsfall zunächst abgemahnt werden.

3.2 Änderungskündigung

Nach der Definition des BAG (vgl. Pkt. 2.1) muss die Abmahnung den Hinweis enthalten, dass im Wiederholungsfall der "Inhalt" oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Damit kann auch vor einer Änderungskündigung (z. B. wegen Leistungsmängeln) eine Abmahnung notwendig sein.[1]

Gegen die Notwendigkeit einer Abmahnung in solchen Fällen spricht § 2 KSchG. Danach hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, die auch durch eine Änderungskündigung mögliche Bestandsgefährdung seines Arbeitsverhältnisses dadurch auszuschließen, dass er das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter Vorbehalt annimmt. Auf diese Weise kann er eine gerichtliche Überprüfung der Änderungskündigung erreichen, ohne den Bestand seines Arbeitsverhältnisses aufs Spiel zu setzen.

3.3 Versetzung

Im Falle einer Versetzung an einen anderen Dienstort wegen Leistungsmängeln kann die gebotene Interessenabwägung ergeben, dass der Arbeitgeber das beanstandete Verhalten zunächst unter Hinweis auf die sonst drohende Versetzung abmahnen muss. Dies hat das BAG in einem besonders gelagerten Einzelfall entschieden, dem § 12 BAT zugrunde lag.[1] Da eine Versetzung oder Umsetzung den Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses im Regelfall nicht infrage stellt, lässt sich diese Entscheidung des BAG nicht verallgemeinern.

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) enthalten zwar jeweils in § 4 Abs. 1 eine inhaltsgleiche Nachfolgeregelung. Der Arbeitgeber kann insoweit, sofern die entsprechenden tarifvertraglichen Voraussetzungen (dienstliche bzw. betriebliche Gründe) vorliegen, grundsätzlich im Rahmen seines Direktionsrechts handeln, ohne dies zuvor dem Beschäftigten im Falle einer vertraglichen Pflichtverletzung in Form einer Abmahnung in Aussicht stellen zu müssen. Ob die Maßnahme des Arbeitgebers billigem Ermessen entspricht, ist eine Frage, die nach § 106 GewO zu beurteilen ist.

Eine Abmahnung wegen Verstoßes gegen eine Anweisung, mit der der Arbeitgeber sein Direktionsrecht überschritten hat, ist unwirksam, da der Arbeitnehmer eine solche Anweisung nicht zu befolgen braucht und deshalb sein Verhalten keine abmahnungsrelevante Pflichtverletzung darstellt.[2]

3.4 Probezeit

Eine Abmahnung ist nicht notwendig, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Abmahnung die sechsmonatige Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) noch nicht zurückgelegt hat. Dies folgt aus der Zielrichtung der Abmahnung, die voraussetzt, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt. Nur wenn eine etwaige Kündigung auf ihre soziale Rechtfertigung hin zu prüfen wäre, erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor der verhaltensbedingten Kündigung im Regelfall eine Abmahnung.

Das BAG hat bislang nur in einer Entscheidung die gegenteilige Auffassung vertreten.[1] In diesem Fall war die Kündigung zwar innerhalb der Probezeit, aber erst nach Ablauf der gesetzlichen Wartezeit ausgesprochen worden. Deshalb lässt sich auch diese Rechtsprechung nicht auf den Regelfall übertragen, in dem die Probezeit höchstens 6 Monate beträgt.

Anders kann die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn der Arbeitgeber die Probezeit z. B. nach § 2 Abs. 4 Satz 1 TVöD auf weniger als 6 Monate verkürzt. In einem solchen Fall begründet er bei dem Beschäftigten das Vertrauen, sich nach Ablauf der (verkürzten) Probezeit schon vor dem Erwerb des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz in einem "ge...

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