Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhaltensbedingte Änderungskündigung. Abmahnung. Verdachtsänderungskündigung. vorläufige Weiterbeschäftigung. Zulässigkeit des Entzugs einer Führungsstellung im Wege ordentlicher verhaltensbedingter Änderungskündigung. Rechtsfolge der Annahme der Änderungskündigung unter Vorbehalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch eine ordentliche verhaltensbedingte Änderungskündigung (hier Entzug einer Führungsstellung) kann sozial ungerechtfertigt sein, wenn als milderes Mittel eine Abmahnung in Betracht kommt.

2. Rechtfertigt eine erwiesene Tat mangels Schwere der Vorwürfe eine Kündigung nicht, so können allein diese Vorwürfe auch eine Verdachtskündigung nicht rechtfertigen.

3. Bei einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen gleichzeitig eine Versetzung nach § 95 Abs. 3 BetrVG darstellt und weder der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zugestimmt hat oder die Zustimmung gerichtlich nicht ersetzt ist, noch der Arbeitgeber das Verfahren nach § 100 BetrVG durchführt.

 

Normenkette

KSchG § 2; BetrVG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Bamberg (Entscheidung vom 26.07.2011; Aktenzeichen 4 Ca 1200/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 26.07.2011, Az.: 4 Ca 1200/10, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die beiden ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 30.11.2010 sozial ungerechtfertigt ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt 3/4, der Kläger 1/4 der Kosten des Berufungsverfahrens. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht trägt die Beklagte 3/5, der Kläger 2/5.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund zweier ordentlicher Änderungskündigungen der Beklagten vom 30.11.2010 zum 30.06.2011 sowie um Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen.

Die Beklagte ist Hersteller von Ko... und einer der führenden und größten D...-Systemanbieter weltweit. Sie beschäftigt an ihrem Sitz in C... mehr als 1.600 Mitarbeiter. Ein Betriebsrat besteht.

Der am 21.11.1966 geborene, verheiratete und für drei Kinder unterhaltspflichtige Kläger ist seit dem 01.09.1982 bei der Beklagten beschäftigt. Er wurde zunächst zum Energieanlagenelektroniker ausgebildet. Seit ca. 1993 ist der Kläger im Bereich Messebau tätig und seit 01.01.2004 Gruppenleiter bzw. Leiter dieses Bereichs. Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses richten sich nach dem Arbeitsvertrag vom 12.12.2003 (Bl. 30 - 32 d.A.). Danach ist der Kläger außertariflicher Mitarbeiter. Er erhielt zuletzt ein Bruttojahresgehalt von 58.608,-- € bzw. ein Bruttomonatsgehalt von 4.884,-- €. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrags wird auf Bl. 30 - 33 d.A. verwiesen.

Das Aufgabengebiet des Klägers umfasste die Planung, Koordination und Umsetzung der erforderlichen messebaulichen Aktivitäten. Hierzu gehörte auch, dass der Kläger wie auch seine Mitarbeiter vor Beginn der in ganz Europa stattfindenden Messen die Messestände vor Ort errichteten und nach Ende der Messe wieder abbauten. Für die dem Kläger unterstellten Mitarbeiter wurden - ebenso wie für alle tariflichen Mitarbeiter der Beklagten - Arbeitszeitkonten geführt. Der Kläger unterlag als außertariflicher Mitarbeiter nicht der Zeiterfassung. Mit E-Mail an alle Mitarbeiter vom 12.12.2006 machte die Beklagte ihre neue Reiserichtlinie bekannt. Die Reiserichtlinie lautet auszugsweise wie folgt:

"...

1.1 Geltungsbereich

Die Reiserichtlinie gilt für alle Mitarbeiter der K... Ko... GmbH für Inlands- und Auslandsdienstreisen.

9 Verrechnung von Reise- und Arbeitszeit

...

9.2 Zeitabrechnung

...

Für Hin- und Rückfahrtage sowie Eintagesreisen werden - inklusive eventueller Arbeitszeit nach Anreise/vor Abreise - maximal 12 Stunden angerechnet. Die Verrechnung von An- bzw. Abreisezeiten ist - auch bei Überschreitung eines Kalendertags - auf maximal 12 Stunden begrenzt.

Arbeitstage zwischen Hin- und Rückfahrt werden ausschließlich der Pausen mit maximal 10 Stunden pro Tag verrechnet (gesetzliche Höchstarbeitszeit). Bei Messeeinsätzen wird pro Tag maximal die Messeöffnungszeit angerechnet.

...

Wird bei mehrtägigen Geschäftsreisen an einem Tag nicht gearbeitet (z. B. Feiertag im entsprechenden Land oder sonstiger arbeitsfreier Tag), erfolgt auch keine Zeitgutschrift. Unberührt bleibt die Gewährung von Reisespesen - außer bei Urlaubstagen.

Dieser Absatz gilt nicht für Reisende ohne Zeiterfassung.

...

11 Ausnahmeregelung

Jegliche Abweichungen von den hier niedergelegten Reiserichtlinien sind zu vermeiden. In besonderen Fällen bedürfen Ausnahmen unter Angabe der Gründe der vorherigen schriftlichen Genehmigung durch die Geschäftsleitung...

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