11.1 Darlegungs- und Beweislast

Im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung trägt der Arbeitgeber unabhängig davon, ob es im Prozess nur um die Wirksamkeit einer Abmahnung geht oder dies als Vorfrage im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens geprüft wird, die Darlegungs- und Beweislast.[1] Er hat darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Abmahnung auf zutreffenden Tatsachen beruht. Im Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung darüber hinaus vortragen und ggf. unter Beweis stellen, dass er zuvor abgemahnt hat.

Hält der Arbeitgeber eine Abmahnung für entbehrlich und hat er deshalb ohne vorherige Abmahnung gekündigt, so muss er im Bestreitensfall die Entbehrlichkeit der Abmahnung darlegen und beweisen.

Auch wenn der Arbeitgeber den Einwand geltend machen will, der Beschäftigte habe sein Recht verwirkt, die Unrichtigkeit der Abmahnung geltend zu machen, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast.[2]

11.2 Prüfungsumfang der Gerichte

Die Prüfung der Gerichte erstreckt sich in erster Linie darauf, ob die Abmahnung auf zutreffenden Tatsachen beruht und ob eine Pflichtverletzung des Beschäftigten vorliegt (die allein Gegenstand einer Abmahnung sein kann).

Darüber hinaus prüfen die Arbeitsgerichte vielfach die Frage, ob der zum Anlass für die Abmahnung genommene Sachverhalt eine entsprechende Reaktion des Arbeitgebers rechtfertigt. Untersucht wird also, ob das Fehlverhalten des Beschäftigten erheblich genug war, um die nachfolgende Abmahnung als angemessene Reaktion hierauf bezeichnen zu können. Diese Überlegungen beruhen auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der nach allgemeiner Auffassung zur Begründung der Erforderlichkeit einer Abmahnung (als das mildere Mittel) vor dem Ausspruch einer Kündigung herangezogen wird. Eine Abmahnung darf nicht unverhältnismäßig sein.

Dieser Grundsatz kann aber nur insoweit zum Tragen kommen, als eine offensichtliche Diskrepanz zwischen dem Fehlverhalten des Beschäftigten und der mit der Abmahnung verbundenen Kündigungsandrohung vorliegt. Ein verständiger Arbeitgeber wird völlig unerhebliche Pflichtverstöße nicht zum Anlass für eine Abmahnung nehmen. Wer z. B. einen Beschäftigten abmahnt, der nach zehnjähriger beanstandungsfreier Tätigkeit einmal fünf Minuten zu spät zur Arbeit gekommen ist, ohne dass dies betriebliche Auswirkungen hatte, macht sich als Arbeitgeber unglaubwürdig. Er setzt sich damit auch unnötigerweise in Zugzwang, weil er konsequenterweise in gleich gelagerten Fällen entsprechend reagieren muss. Mit einer solchen Praxis würde die Abmahnung – immerhin eine Vorstufe zur Kündigung – entwertet.

Andererseits kann es nicht Aufgabe des Arbeitgebers sein, im Vorfeld einer Abmahnung eingehend zu prüfen, ob diese quasi "sozial gerechtfertigt" ist. Die Abmahnung hat nämlich nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge. Es liegt allein in der Hand des Beschäftigten, diese Gefahr durch ein entsprechend vertragstreues Verhalten zu beseitigen.

Für die Praxis gilt deshalb Folgendes:

  • Alle Pflichtverstöße berechtigen grundsätzlich zur Abmahnung.
  • Herabsetzende Werturteile im Abmahnungsschreiben sind zu unterlassen.
  • Bagatellen eignen sich nicht für Abmahnungen.

11.3 Unwirksame Kündigung = Abmahnung?

Nach der Rechtsprechung des BAG kann in einer unwirksamen Kündigung eine kündigungsrechtlich wirksame Abmahnung liegen.[1] Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der Arbeitgeber wegen einer Pflichtverletzung gekündigt hat, der Beschäftigte hiergegen klagt und sich beide Parteien im Wege des Vergleichs auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verständigen.[2]

Zur Vermeidung von Missverständnissen und im Interesse beiderseitiger Klarheit sollte der Arbeitgeber in solchen Fällen nach einem für den Beschäftigten erfolgreichen Kündigungsschutzverfahren diesem gegenüber – am besten schriftlich – klarstellen, dass er die (unwirksame oder für gegenstandslos erklärte) Kündigung als rechtlich relevante Abmahnung wertet.

11.4 Vergleich

Nach § 57 Abs. 2 ArbGG, der gemäß § 64 Abs. 7 ArbGG im Berufungsverfahren entsprechend gilt, soll während des ganzen Verfahrens die gütliche Erledigung des Rechtsstreits angestrebt werden. Dies führt in der Praxis nicht selten zu dem Vorschlag des Gerichts, die Parteien sollten sich dahingehend vergleichen, dass die von dem Kläger angegriffene Abmahnung nach Ablauf einer bestimmten Frist aus den Personalakten entfernt wird.

Vor dem Hintergrund der sog. Emmely-Entscheidung des BAG[1] und der nachfolgenden Rechtsprechung zur Wirkungsdauer einer Abmahnung (vgl. hierzu Pkt. 7.3) sollte hiervon jedoch nur äußerst zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, da die Dokumentationsfunktion der Abmahnung nicht zu unterschätzen ist. Wenn sich der Arbeitgeber gleichwohl zu einem entsprechenden Vergleich durchringt, sollte der Vergleich sinngemäß etwa wie folgt formuliert werden:

Die Abmahnung vom …… wird am …… ersatzlos aus den Personalakten des Klägers entfernt....

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge