Schwerbehinderte im Vorstellungsgespräch

Öffentliche Arbeitgeber müssen Schwerbehinderte grundsätzlich zu Vorstellungsgesprächen einladen. Wird die Bewerbung zunächst zurückgewiesen und der Betroffene erst nachträglich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, kann dadurch der Formfehler nicht geheilt werden, so das Bundesarbeitsgericht.

Unterbleibt die erforderliche Einladung eines Schwerbehinderten durch den öffentlichen Arbeitgeber entgegen der Verpflichtung aus § 82 SGB IX, ist dies nach der Rechtsprechung des BAG grundsätzlich ein Indiz für die Vermutung einer Benachteiligung des schwerbehinderten Bewerbers wegen seiner Behinderung. Diese Vermutungswirkung entfällt nicht dadurch rückwirkend, dass der öffentliche Arbeitgeber nach einem entsprechenden Hinweis durch den schwerbehinderten Bewerber die zunächst unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nachholt.

Schwerbehinderter wurde nach einer Absage noch zum Vorstellungsgespräch eingeladen
Der Kläger, mit einem Grad der Behinderung von 100 schwerbehindert, hatte sich bei dem beklagten Land beworben, jedoch eine Absage erhalten ohne überhaupt zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Er erhob Klage auf eine Entschädigung in Höhe von 5.816,37 Euro.
Daraufhin informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass das Stellenbesetzungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei und es sich bei dem Absageschreiben um ein Missverständnis und ein Büroversehen gehandelt habe. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass man ihn in den engeren Bewerberkreis aufgenommen habe und ihn daher zu einem Vorstellungsgespräch einlade. Dies lehnte der Kläger jedoch ab. Daraufhin wurde er erneut zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Auch auf diese Einladung reagierte der Kläger nicht.

BAG: Verfahrensfehler konnte nicht nachträglich geheilt werden.
Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des BAG lässt die Tatsache, dass nach der ersten Ablehnung zwei Einladungen zu Vorstellungsgesprächen ausgesprochen worden sind, die eingangs dargestellte Vermutungswirkung nicht rückwirkend entfallen, da der Verfahrensfehler nicht nachträglich „geheilt“ werden kann.
Andernfalls sieht das BAG eine nicht unerhebliche Missbrauchs- und Umgehungsgefahr, wenn ein Arbeitgeber sich bewusst eine „Hintertür“ offenlassen könnte, d.h. zunächst von der Einladung schwerbehinderter Bewerber absehen, um dann nur bei entsprechender Rüge des nicht Eingeladenen doch noch eine Einladung auszusprechen. So hätte es ein Arbeitgeber in der Hand, durch gezielte nachträgliche Einladungen und ggf. rein "formale“ Vorstellungsgespräche Ansprüche aus dem AGG ins Leere laufen zu lassen (BAG, Urteil vom 22.8.2013, 8 AZR 563/12).