Regeln für einen rechtmäßigen Streik im öffentlichen Dienst
Die Tarifverhandlungen für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes des Bundes und der Kommunen haben am 24. Januar begonnen. In der zweiten Verhandlungsrunde am 18. Februar konnte keine Annäherung zwischen den Tarifvertragsparteien erzielt werden. In der Folge haben die Gewerkschaften Verdi und dbb zu Warnstreiks aufgerufen. Doch was sind eigentlich die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Arbeitskampf? Und wie wirkt sich die Beteiligung an einem Arbeitskampf auf das Beschäftigungsverhältnis nach dem TVöD aus?
Voraussetzungen eines rechtmäßigen Streiks
Grundsätzlich ist die vorübergehende Niederlegung der Arbeit als Mittel des Arbeitskampfs zur Durchsetzung eines kollektiven Interesses zulässig. Dabei müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Der Streik darf nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen,
- er muss von einer Gewerkschaft geführt werden und
- er darf nicht die Friedenspflicht brechen.
Streik muss auf rechtmäßigen Tarifvertrag abzielen
Die erste Voraussetzung für einen rechtmäßigen Streik ist seine Bindung an ein tariflich regelbares Ziel. Es müssen mit dem Streik also Regelungen angestrebt werden, die in einem Tarifvertrag so auch vereinbart werden dürfen. Dies sind neben den Regelungen, die Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen betreffen, auch betriebsverfassungsrechtliche Fragen (§ 1 Abs. 1 TVG). Ein tariflich nicht regelbares Ziel liegt dagegen grundsätzlich bei politisch motivierten Streiks vor.
Streik muss von Gewerkschaft organisiert sein
Die zweite Voraussetzung für einen rechtmäßigen Streik ist, dass er von einer Gewerkschaft organisiert und durchgeführt wird. Ein Streik gilt dann als gewerkschaftlich organisiert, wenn der Streik gewerkschaftlich beschlossen und dieser Streikbeschluss verbunden mit dem Streikaufruf dem Arbeitgeber, der bestreikt werden soll, zusammen mit dem Streikziel mitgeteilt wurde (BAG, Urteil v. 23.10.1996, 1 AZR 269/96).
Streik muss eine bestehende Friedenspflicht wahren
Wenn ein Tarifvertrag abgeschlossen wird, vereinbaren die Tarifvertragsparteien darin meist eine sogenannte Friedenspflicht. Diese besagt, dass die Tarifvertragsparteien während der Laufzeit des Tarifvertrags nicht im Wege des Arbeitskampfes versuchen werden, die getroffenen Regelungen zu verändern. So darf z. B. während der Laufzeit eines Tarifvertrags nicht zum Streik aufgerufen werden, um übertarifliche Löhne für die Beschäftigten zu erreichen.
Streik muss verhältnismäßig sein
Außerdem dürfen Arbeitskämpfe nur dann geführt werden, wenn sie zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sind. Ein Streik darf immer nur das letzte Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen sein. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den Aufruf zum Streik, sondern auch für dessen gesamte Durchführung. Die im Streik eingesetzten Maßnahmen und Mittel dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Streikziels erforderlich ist. Dabei muss insbesondere das Gebot der Fairness und das Verbot des Übermaßes berücksichtigt werden.
Streikrecht gilt auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst
Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet die Koalitionsfreiheit auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, und zwar unabhängig davon, ob sie hoheitliche oder andere Aufgaben erfüllen (BVerfG, Beschluss v. 2.3.1993, 1 BvR 1213/85). Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, einen Arbeitsplatz mit einem Angestellten oder einem Beamten zu besetzen. Wenn er eine Stelle mit einem Arbeitnehmer besetzt, ist er an die Regeln des Arbeitsrechts gebunden und muss die Möglichkeit eines Streiks einkalkulieren. Im Gegensatz zu einem Streik in der Privatwirtschaft, der darauf gerichtet ist, dem Arbeitgeber durch Einkommenseinbußen zu schaden, sind bei einem Streik im öffentlichen Dienst meist die Bürgerinnen und Bürger als Unbeteiligte betroffen. Hieraus ergibt sich eine besondere Verantwortung der Tarifvertragsparteien, mit den Mitteln des Arbeitskampfs besonders zurückhaltend umzugehen.
Auswirkungen eines Streiks auf das TVöD-Beschäftigungsverhältnis
Hinsichtlich der Auswirkungen eines Streiks auf das TVöD-Arbeitsverhältnis weisen der Bund und die VKA in ihren Arbeitskampfrichtlinien auf Folgendes hin:
- Beschäftigte dürfen sich an rechtmäßigen Arbeitskampfmaßnahmen beteiligen, wenn sie nicht zur Leistung von Notdienst verpflichtet sind.
- Die Beteiligung an rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnahmen ist nicht zulässig. Bei Teilnahme an einer rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnahme könnten sich arbeitsrechtliche Folgen ergeben, z. B. außerordentliche Kündigung oder Schadensersatzpflicht.
- Für die Dauer der Beteiligung an einer Arbeitskampfmaßnahme besteht kein Anspruch auf Arbeitsentgelt. Wenn infolge der Arbeitskampfmaßnahme für mindestens einen vollen Kalendermonat kein Arbeitsentgelt zusteht, können sich entsprechende Auswirkungen auf die Jahressonderzahlung und auf die vermögenswirksamen Leistungen ergeben.
- Beschäftigte, die vor Beginn der Arbeitskampfmaßnahme arbeitsunfähig geworden sind, haben vom Zeitpunkt des Beginns der Arbeitskampfmaßnahme an keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (z. B. nach § 22 TVöD), wenn die Tätigkeit in dem Teil der Dienststelle, in dem sie arbeiten würden, durch die Arbeitskampfmaßnahme zum Erliegen kommt und deshalb auch ohne die Arbeitsunfähigkeit wegen der Arbeitskampfmaßnahme kein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestünde.
- Streikenden Beschäftigten könne grundsätzlich kein Urlaub gewährt werden. Wenn sich Beschäftigte beim Beginn einer Arbeitskampfmaßnahme bereits im Urlaub befinden, laufe dieser weiter. Ein vor Beginn der Arbeitskampfmaßnahme bewilligter Urlaub sei anzutreten.
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