Keine sachgrundlose Befristung wegen Vorbeschäftigung

Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags ist nicht zulässig, wenn zwischen den Arbeitsvertragsparteien bereits vor 8 Jahren und 9 Monaten ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Außerdem hat das BAG zur Befristung wegen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen Stellung genommen.

Der Kläger, schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60, war vom 1.9.2001 bis zum 20.6.2004 bei der beklagten Bundesrepublik Deutschland im Bundesamt für den Zivildienst mit Sitz in K beschäftigt. Mit Arbeitsvertrag vom 21.3.2013 stellte ihn die Beklagte erneut befristet vom 1.4.2013 bis zum 31.3.2015 als Sachbearbeiter im Geschäftsbereich der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ein. Dieser Einstellung ging eine Initiative der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) zur Inklusion schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker voraus.

Der Kläger erhob nun Befristungskontrollklage. Er brachte vor, die Befristung im Jahr 2013 sei aufgrund seiner Vorbeschäftigung nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachlich gerechtfertigt.  Außerdem liege auch kein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG vor.Die Beklagte war dagegen der Ansicht, die Befristung sei ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 TzBfG wirksam, da das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses bei der erneuten Einstellung länger als 3 Jahre zurückgelegen habe. Diese Rechtsauffassung habe bei Abschluss des Arbeitsvertrags im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG gestanden. Eine mögliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürfe dann keine Berücksichtigung finden. Zudem sei die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG sachlich gerechtfertigt, weil sie aus sozialen Gründen erfolgt sei. Die vorübergehende Einstellung des Klägers sei nämlich nur aufgrund der Initiative zur Inklusion schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker erfolgt und stelle eine reine Fördermaßnahme in Form einer berufspraktischen Qualifikation zugunsten des Klägers dar. Eine Dauerbeschäftigung sei von vornherein ausgeschlossen gewesen, auch weil der Kläger nicht über den erforderlichen Bildungsabschluss verfüge. Die Klage hatte vor dem ArbG sowie dem Landesarbeitsgericht (LAG) keinen Erfolg.

Vorbeschäftigung steht sachgrundloser Befristung entgegen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hob jedoch die Entscheidung auf und wies den Rechtsstreit an das LAG zurück. 

Das BAG begründete dies damit, dass der Wirksamkeit der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG die Vorbeschäftigung des Klägers entgegensteht. Zunächst handele es sich bei den beiden befristeten Arbeitsverträgen jeweils um denselben Arbeitgeber, nämlich die Bundesrepublik Deutschland. Insoweit sei es nicht relevant, dass der Kläger im Rahmen seiner Vorbeschäftigung im Zuständigkeitsbereich eines anderen Ministeriums tätig war.

In seinen Urteilsgründen setzte sich das BAG des Weiteren mit der Frage der Vorbeschäftigung i. S. d. § 14 Abs. 2 TzBfG auseinander. Die frühere Auslegung der Vorschrift, dass der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrags nichts entgegenstehe, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als 3 Jahre zurückliege, wurde nach dem Beschluss des BVerfG vom 6.6.2018 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) aufgegeben (BAG, Urteil v. 23.1.2019, 7 AZR 733/16). Allerdings verlange auch das BVerfG eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Hiernach sei ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das könne z. B. dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliege, ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei.

Vorbeschäftigung lag nicht "sehr lange" zurück

Nach Ansicht des BAG lag die Vorbeschäftigung hier nicht so lange zurück, dass die Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungsrechtlich geboten wäre. Denn nach der Entscheidung des BVerfG müsse das Vorbeschäftigungsverhältnis sehr lange zurückliegen, was bei einem Zeitraum von ca. 8 Jahren und 9 Monaten nicht angenommen werden könne (zu einem Zeitraum von 8 Jahren s. bereits BAG, Urteil v. 23.1.2019, 7 AZR 733/16 - Rn. 26; zu einem Zeitraum von knapp 5,5 Jahren BAG, Urteil v. 23.1.2019, 7 AZR 13/17).

Sonstige Gesichtspunkte, die im vorliegenden Fall eine verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebieten könnten, waren nicht ersichtlich.

Kein Schutz des Vertrauens in frühere Rechtsprechung

Die Befristung war nach Ansicht des Gerichts auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte den Vertrag in Anbetracht der Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2011 geschlossen hatte. Das Vertrauen der Beklagten sei jedenfalls nicht schützenswert, da diese nicht auf den Fortbestand dieser Rechtsprechung vertrauen durfte, die von Anfang an auf erhebliche Kritik gestoßen war.

Befristung wegen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen

Das BAG konnte vorliegend jedoch nicht abschließend entscheiden, ob die Befristung durch in der Person des Klägers liegende Gründe nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt war. Es führte hierzu aus, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt sein könne, wenn das Interesse des Arbeitgebers, aus sozialen Erwägungen mit dem betreffenden Arbeitnehmer nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, auch angesichts des Interesses des Arbeitnehmers an einer unbefristeten Beschäftigung schutzwürdig sei. Dies sei der Fall, wenn es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck überhaupt nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, auch nicht eines befristeten Arbeitsvertrags, gekommen wäre. Die sozialen Erwägungen müssten hierbei das überwiegende Motiv des Arbeitgebers sein. Nicht ausreichend sei, wenn die Interessen des Betriebs oder der Dienststelle und nicht die Berücksichtigung der sozialen Belange des Arbeitnehmers für den Abschluss des Arbeitsvertrags ausschlaggebend wären. Das LAG muss hierzu noch Feststellungen treffen.

(BAG, Urteil v. 20.3.2019, 7 AZR 409/16)

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