Gendern in der Verwaltung

Der Umgang mit geschlechtersensibler Sprache stellt Behörden vor Herausforderungen. Einerseits ist der öffentliche Dienst zur Gleichstellung verpflichtet, andererseits beeinträchtigt eine konsequente Verwendung geschlechterneutraler Sprache die Lesbarkeit und Barrierefreiheit. Das Beispiel Thüringen zeigt, wie unterschiedlich die Handhabung in der Verwaltung ist.

Der Umgang mit geschlechterneutraler Sprache wird in den Thüringer Kommunen sehr unterschiedlich gehandhabt. «Da es aktuell keinen definierten Umgang mit geschlechtersensibler Sprache gibt, finden sich verschiedene Ausprägungen des Einsatzes in den verschiedenen Dokumenten und Veröffentlichungen», sagte Stefanie Braune, Sprecherin der Stadt Jena. Eine Einschätzung, die auch in einigen anderen Thüringer Kommunen vertreten wird, ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Gender-Doppelpunkt, Gendersternchen, Paarformulierungen und neutrale Formulierungen

So werden den Sprechern zufolge etwa in den Verwaltungen der Städte Erfurt und Jena sowie in den Kreisen Gotha, Schmalkalden-Meiningen und im Wartburgkreis möglichst neutrale Formulierungen, Paarformulierungen oder eine Kombination daraus verwendet. Gendersternchen, Doppelpunkte oder Unterstriche kämen in der externen Kommunikation in der Regel nicht vor.

«Gleichwohl gibt es auch bei uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der Kommunikation - etwa mit Netzwerkpartnern - das Gendersternchen verwenden. Eine einheitliche Regelung hierfür gibt bei uns hausintern aktuell nicht», erklärt Christopher Eichler vom Landratsamt Schmalkalden-Meiningen. Auch in den anderen befragten Kommunen nutzten einzelne Ämter mitunter Formulierungen mit Gendersternchen, so die Sprecher. In Pressemitteilungen werde auf diese Auszeichnungen verzichtet, weil die Zeitungsredaktionen solche Wendungen ohnehin abänderten.

Spannungsfeld zwischen Gleichstellung und Lesbarkeit

Zwar gilt auch für die Kommunen prinzipiell die im Thüringer Gleichstellungsgesetz verankerte Pflicht, «soweit wie möglich geschlechtsneutrale Bezeichnungen zu wählen» (§ 28 Thüringer Gleichstellungsgesetz). Die Kommunen sehen sich aber in einem Spannungsfeld zwischen Gleichstellung und Lesbarkeit - vor allem in Hinblick auf Menschen mit Behinderungen: «Barrierefreiheit und gendergerechte Sprache sind tatsächlich kompliziert und schwer zu vereinbaren», erklärt der Sprecher der Stadt Erfurt, Daniel Baumbach.

Geschlechtersensible Sprache im behördlichen Schriftverkehr

Bislang existiere für Thüringen keine Rechtsgrundlage oder Norm, geschlechtersensible Sprache im behördlichen Schriftverkehr umzusetzen, gibt Adrian Weber vom Landratsamt Gotha zu bedenken. Selbst auf Landesebene ist der Umgang mit geschlechtersensibler Sprache nicht einheitlich.

Der Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der FDP vom 26. Oktober 2021 zeigt, dass es etwa im Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium eine Handreichung gibt, die den Gender-Doppelpunkt als «jüngste Form der gendergerechten Schreibweise» vorstellt. Anders als beim Gendersternchen könne Vorlesesoftware mit einem Doppelpunkt besser umgehen, das Leseverständnis werde erhöht. In anderen Ministerien gebe es hingegen keine Dienstanweisungen, die über die Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes hinausgingen.

Empfehlung der Thüringer Gleichstellungsbeauftragten

Für Gabi Ohler, Gleichstellungsbeauftragte des Landes Thüringens, ist bei der teils hitzig geführten Debatte um geschlechtsneutrale Formulierungen vor allem die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Sprachgebrauch wichtig: Privat sei jedem Menschen freigestellt, welche Begriffe verwendet würden. «Was die öffentliche Sprache angeht, müssen wir aber über dieses Thema sprechen.» Gerade diverse Menschen fühlten sich durch den alten Sprachgebrauch oft nicht wahrgenommen. Sie empfiehlt daher die Nutzung neutraler Formulierungen in Kombination mit dem Gender-Doppelpunkt. Aktuell plane die Regierung eine Überarbeitung des Gleichstellungsgesetzes. Dabei werde auch geschlechtersensible Behördensprache Thema sein.

dpa
Schlagworte zum Thema:  Gleichstellung, Öffentlicher Dienst